ADB:Philipp von Flersheim
Kaiser Maximilian und Kurfürst Philipp von der Pfalz seines Beirathes und seit 1510 verwendete ihn Bischof Philipp I. von Speier, als dessen Gesandter er z. B. 1512 an den Reichstagen zu Trier und Cöln theilnahm, zu mancherlei wichtigeren Staatsgeschäften. Wol in Anerkennung dieser Dienste verlieh ihm dieser Bischof auch die Domsängerei in Speier, welche P. behielt, bis er am 17. März 1529 zum Dompropste daselbst erwählt wurde.
Philipp II., Bischof von Speier, erwählt den 22. October 1529, † 14. August 1552, stammte aus dem alten rheinpfälzischen Geschlechte der Herren v. Flersheim und war der zweite Sohn des kurpfälzischen Amtmanns zu Kaiserslautern Hans v. Flersheim und der Ottilie, geb. Kranich v. Kirchheim. Geboren 1481 wurde P. frühe zum geistlichen Stande bestimmt und erhielt schon 1491 ein Canonicat am St. Martinsstift in Worms, und noch ehe er das 14. Lebensjahr vollendet hatte, zugleich die Pfarrei Ilvesheim bei Heidelberg. Da es ihm an Protection nicht fehlte, so folgten nach der Unsitte der Zeit diesen ersten Pfründen bald zahlreiche weitere. 1503 wurde er Domherr in Worms und Speier, später auch in Augsburg und Eichstädt, dann Canonicus am St. Donatianstift in Brügge und bezog bis zu seinem Tode die Einkünfte von drei in Flandern gelegenen Pfarreien. Seine Studien begann P. 1495 in Heidelberg, wo er am 18. October immatriculirt wurde, setzte sie später in Paris und Löwen fort und wurde bereits am 22. Juni 1504 für ein Semester zum Rector der Universität Heidelberg erwählt. Hier wurde er am 6. Mai 1505 Baccalaureus, am 19. August 1507 Licentiat und am 17. Februar 1517 Doctor beider Rechte und machte wol auch eine Zeitlang von dem Rechte, juristische Vorlesungen zu halten, Gebrauch. Frühe begann seine staatsmännische Thätigkeit. Schon 1505 bedienten sichAls am 3. Febr. 1513 Bischof Philipp I. (v. Rosenberg) starb, stand Philipp v. Flersheim bei dem Domcapitel bereits in solchem Ansehen, daß ihn dasselbe schon damals zum Bischofe erwählt hätte, wenn nicht Kurfürst Ludwig von der Pfalz seinen ganzen Einfluß für die Wahl seines Bruders, des Pfalzgrafen Georg, aufgeboten und der in jenen Tagen in der Pfalz sich aufhaltende Kaiser Maximilian selbst denselben dabei kräftigst unterstützt hätte. Noch näher stand P. der bischöflichen Würde im J. 1523, in welchem ihn der bei dem Kaiser in Ungnade gefallene Bischof Reinhard von Worms unter Zustimmung des dortigen Domcapitels zum Coadjutor mit dem Rechte der Nachfolge erwählte. Schon hatte ihn Papst Hadrian VI. als solchen bestätigt, als P. zu Gunsten des Pfalzgrafen Heinrich, eines zweiten Bruders des Kurfürsten Ludwig, auf diese Würde verzichtete. Wenn P. auch jetzt wieder seine persönlichen Interessen hinter dem ausdrücklichen Wunsche des Kurfürsten zurücktreten ließ, so that er dies ohne Zweifel zugleich aus Rücksicht auf seine Familie. Philipps Schwester Hedwig († 1516) war nämlich mit Franz v. Sickingen vermählt gewesen, welcher eben um jene Zeit in seiner Feinde Hände gefallen und bald darauf seinen Wunden erlegen war. Unter diesen Umständen schien es P., welchem der Wormser Bischofsstuhl an sich nicht besonders begehrenswerth erscheinen mochte, doppelt rathsam, den pfälzischen Kurfürsten nicht zu reizen, von dessen Wohlwollen die Wiedereinsetzung seiner ihrer Güter beraubten Neffen, der Söhne Sickingens, vor Allem abhing. Als am 27. September 1529 Bischof Georg von Speier an der damals in Speier wüthenden unter dem Namen des „englischen Schweißes“ bekannten Seuche starb, nöthigte die Lage des Bisthums das Domcapitel, diesmal bei der Bischofswahl unter Beseitesetzung aller anderen Rücksichten den Tüchtigsten ins Auge zu fassen. Und als solchen hatte sich Philipp v. Flersheim, [48] ein auch durch seine äußere Erscheinung imponirender, hochgewachsener und stattlicher Mann, bewährt. Bei allen wichtigen Staatsgeschäften war er schon seines Vorgängers rechte Hand gewesen. Auf den zahlreichen Reichstagen, welchen er beiwohnte, hatte er reiche Erfahrungen gesammelt, durch Besonnenheit und Klugheit sich ausgezeichnet und das allgemeine Vertrauen sich erworben. Bei König Ferdinand, welcher schon 1526 auf dem Speierer Reichstage in dem Hause Philipps (zum Hirschhorn) seine Wohnung genommen hatte, stand er in so hohem Ansehen, daß derselbe bei Erledigung der Speierer Dompropstei im März 1529 sich bei dem Domcapitel persönlich für Philipps Wahl zum Dompropste verwendete. Diese angesehene Stellung Philipps mochte das Domcapitel ermuthigen, die auch hier wiederholten Bemühungen des Kurfürsten Ludwig zu Gunsten seines Bruders, des Coadjutors Heinrich, unbeachtet zu lassen. Am 22. October 1529 wurde P. einstimmig zum Bischofe gewählt und nahm trotz mancher Bedenken die Wahl an. Bald folgte die päpstliche Bestätigung und am 23. Juni 1530 zu Augsburg die kaiserliche Belehnung. Der herkömmliche feierliche Einritt des Bischofs in Speier verzögerte sich bis zum 6. December 1530. Etliche von dem auf die Wahrung der Freiheiten der Stadt ängstlich bedachten Speierer Rathe bei diesem Anlasse eingeführte Neuerungen, durch welche nach Philipps Meinung den Rechten des Bischofs zu nahe getreten wurde, führten nur deshalb nicht zu einem offenen Conflicte, weil der friedliebende Bischof bei der Ungunst der Zeit doppelt vor einem solchen zurückschreckte. In der That waren damals die Verhältnisse des Speierer Bisthums besonders schwierige. Die Reformation war in manchen unter weltlicher Herrschaft stehenden Gegenden des Sprengels, wie im Zweibrückischen, in Landau und einzelnen adeligen Gebieten zur Durchführung gelangt und zählte auch in Speier selbst, sowie in dem Gebiete des Bischofs, namentlich in Bruchsal, zahlreiche, zum Theil einflußreiche Anhänger. Philipps Vorgänger, Bischof Georg, hatte sogar in seiner näheren Umgebung Männer geduldet, welche Luther offen vertheidigten, und dadurch das in seiner Mehrheit eifrig katholische Domcapitel veranlaßt, ihm deshalb ernste Vorstellungen zu machen. Auch die Wiedertäufer hatten in dem Gebiete des Bischofs Eingang gefunden und verursachten viele Schwierigkeiten. Zudem war die ökonomische Lage des Bisthums eine sehr schlimme. Die Folgen des Bauernkriegs machten sich immer noch fühlbar, die Schuldenlast des Hochstifts war unter dem Vorgänger Philipps noch gewachsen und die Türkengefahr machte neue finanzielle Anstrengungen unerläßlich. Bischof P. zeigte sich den in so schwieriger Zeit an ihn gestellten Anforderungen gewachsen. In die Finanzen des Bisthums brachte er durch weise Sparsamkeit bald größere Ordnung und suchte in einsichtsvoller Fürsorge den gesunkenen Wohlstand seiner Unterthanen zu heben. Die beim Gottesdienste eingerissenen Mißbräuche suchte er abzustellen und unterzog sich im Unterschiede von der Mehrzahl der Bischöfe auch persönlich den kirchlichen Pflichten seines Amtes. Der ihm untergebenen Geistlichkeit, welche zum Theil ein höchst ärgerliches Leben führte, gab er nicht bloß durch seinen eigenen Wandel ein gutes Vorbild, sondern ermahnte sie auch in seinen Sendbriefen immer wieder zur Meidung aller Aergernisse und namentlich des Concubinats. Die nothwendige Energie zur wirklichen Bestrafung der einzelnen Lasterhaften, wenn die allgemeinen Ermahnungen fruchtlos blieben, ließ P. freilich, besonders in späterer Zeit, mehrfach vermissen, so daß nicht nur das eifrigere Domcapitel ihn wiederholt (z. B. im Juli 1544 und im April 1545) aufforderte, „unverschämte öffentliche Laster, so von der Geistlichkeit mannichfaltig geschehen“, zu strafen, sondern auch Kaiser Karl V., als er 1548 auf seiner Durchreise erfuhr, daß in Speier unsittliche Geistliche geduldet würden, die gleiche Mahnung an ihn richtete.
[49] Verhältnißmäßig milde war Philipps Verfahren gegen die zahlreichen Freunde der Reformation unter seinen Unterthanen, welche in benachbarten evangelischen Gebieten lutherische Predigten hörten und das hl. Abendmahl unter beiden Gestalten empfingen. Für seine Person der katholischen Kirche aufrichtig ergeben, betrachtete er doch die Reformation mehr von staatsmännischen, als von religiösen Gesichtspunkten und hätte am liebsten nur durch Mahnungen und unausgeführte Strafbefehle wenigstens in den seiner weltlichen Herrschaft unterworfenen Gebieten den Katholicismus aufrecht erhalten. Auch in dieser Hinsicht mußte sich P. von seinem Domcapitel wiederholt, z. B. im April 1545, wegen allzu großer Milde gegen die „Sektischen“ Vorwürfe machen lassen und scheint erst dadurch veranlaßt worden zu sein, gegen seine häretischen Unterthanen einzuschreiten und dieselben mit Verbannung zu strafen. Immerhin gelang es ihm auf diese Weise, die Reformation in dem Bereiche seiner weltlichen Herrschaft zurückzudrängen. Weniger glücklich war er hierin in den unter fremder Herrschaft stehenden Theilen des Bisthums. Nicht nur im Pfalzzweibrückischen, sondern auch in der Kurpfalz machte die Reformation unaufhaltsame Fortschritte. Auch in Speier selbst, wo man, wol mit Rücksicht auf die Anwesenheit des Kammergerichts daselbst, lange ein offenes Eintreten für die Reformation vermieden hatte, mußte P. sehen, daß die 14 katholischen Stifts- und Pfarrkirchen nahezu leer standen und fast die ganze Bürgerschaft die Augustiner- und die Egidienkirche besuchte, in welcher die von dem Rathe 1538 aufgestellten Prediger Michael Diller und Anton Eberhard in evangelischer Weise predigten. Selbst das wiederholte Einschreiten des Kaisers hatte nur die Folge, daß Diller während der Anwesenheit des Kaisers jedesmal die Stadt verließ, um nach dessen Abreise seine alte Wirksamkeit fortzusetzen. Als der Rath endlich 1548 das Augsburger Interim annehmen mußte, war an eine Rückkehr der Bürgerschaft zum Katholicismus nicht mehr zu denken.
Seine politische Thätigkeit setzte P. auch als Bischof noch längere Zeit fort. Vor dem Reichstage zu Augsburg 1530 nahm er in München an den geheimen Berathungen zwischen Karl V. und König Ferdinand theil und erwarb sich auf dem Reichstage selbst das Vertrauen des Kaisers in hohem Grade. Wiederholt saß er im Reichsregimente und war mehrfach Commissär bei der Visitation des Kammergerichts. Anfangs 1532 verhandeln er nebst Pfalzgraf Friedrich mit Johann Zapolya und war 1537 und 1538 ein ganzes Jahr von dem Bisthume abwesend und in Staatsgeschäften thätig. Der im Februar 1538 abgeschlossene Vertrag zwischen König Ferdinand und Zapolya war nach Mone’s Bemerkung Philipps versöhnlicher Politik zu verdanken. An den Religionsgesprächen zu Hagenau und Worms 1540 und Regensburg 1541 nahm der Bischof theil und gehörte dort zu den zu Friede und Einigkeit Rathenden, war dann 1542 und 1544 bei den Speierer Reichstagen noch thätig, zog sich aber von da an wegen zunehmender Kränklichkeit von den Reichsgeschäften zurück. Bereits im Januar 1543 war er deßhalb entschlossen, dem Trienter Concile nicht beizuwohnen. Doch wußte sich ihm der Kaiser für seine immer Frieden und Versöhnung erstrebenden Dienste lebenslang zu Dank verpflichtet. Dem allgemeinen Ansehen, in welchem Bischof P. stand, war es wol auch zuzuschreiben, daß es ihm gelang, nach dem Tode des letzten selbstständigen Propstes von Weißenburg Rüdiger Fischer († 7. Juli 1545) die Vereinigung dieser bedeutenden Propstei mit dem Speierer Hochstifte durchzusetzen. Kostete ihn das auch nicht geringe Mühe und große Opfer an Geld, so war doch die beträchtliche Vergrößerung der Einkünfte und des Gebietes des Bisthums dieser Opfer werth.
Auch durch litterarische Thätigkeit hat Philipp v. Flersheim sich rühmlich hervorgethan. Zwar schrieb er nicht für einen größeren Leserkreis und dachte nie [50] daran, was er seinem Schreiber in die Feder dictirte, der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es war ihm nur darum zu thun, den Gliedern des alten Flersheimer Geschlechtes dessen ruhmreiche Geschichte zur Belehrung und Nacheiferung aufzubewahren. So ließ er 1547 durch Laurentius Fohenstein die „Flersheimer Chronik“ niederschreiben, welche in mehreren Handschriften auf uns gekommen und zuerst 1829 in äußerst mangelhafter und nachlässiger Weise von Ernst Münch (Franz v. Sickingen, Band 3) und dann 1874 mustergiltig durch Otto Waltz im Drucke veröffentlicht wurde. Große Vorzüge zeichnen diese Arbeit Philipps aus. Die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts, namentlich die Franz v. Sickingens, erhält hier zahlreiche Ergänzungen. Ist auch die Arbeit nicht von jeder Tendenz frei, so sind doch die gemachten Angaben durchweg verlässig und fließen entweder aus archivalischen Quellen oder berichten Selbsterlebtes. Nach Form und Inhalt tüchtig läßt das Werk den günstigsten Rückschluß auf dessen Verfasser zu, dessen Bescheidenheit und reger Familiensinn uns darin ebenso wohlthuend entgegentritt, wie seine Formgewandtheit. Doppelt ist zu bedauern, daß das zweite Werk Philipps, das Tagebuch seines Lebens, welches er nach dem Zeugnisse der Flersheimer Chronik (VII, 15) eigenhändig niederschrieb, verloren ging und bis heute nicht wieder aufgefunden werden konnte. In seinen letzten Lebensjahren war Bischof P. von Kränklichkeit heimgesucht. Schon am 20. Juli 1545 ließ ihm das Domcapitel, welchem Philipps milde, friedliebende Weise mißfiel, in nicht gerade zarter Weise andeuten, daß er ziemlich alt und mit Schwachheit beladen sei und, „was Gott verhüten wolle, über Nacht verfallen“ könne. Doch erst sieben Jahre später kam sein Ende. Als Ende Juli 1552 Markgraf Albrecht von Brandenburg mit seinen Truppen das Bisthum bedrohte, hielt sich der alte Bischof in seinem Lande nicht mehr für sicher und floh, bereits schwer leidend, zu Bischof Erasmus von Straßburg nach Zabern im Elsaß, wo er am 14. August 1552 starb, ohne mehr das Elend zu erfahren, welches die brandschatzenden Truppen des Markgrafen wenige Tage später über die Geistlichkeit der Stadt Speier und das ganze Hochstift brachten. Am 22. September 1552 wurde Philipps Leichnam im Speierer Dome feierlich beigesetzt.
- F. J. Mone, Philipp II., Bischof zu Speier im badischen Archiv von 1829, I, 116 ff. – F. X. Remling, Gesch. der Bischöfe zu Speier, II, 267 ff. – J. Geißel, der Kaiserdom zu Speier, II, 245 ff. – Simonis, historische Beschreibung aller Bischofen zu Speier 213 ff. – Ferner vgl. O. Waltz, die Flersheimer Chronik, und Töpke’s Matrikel der Univ. Heidelberg. Außerdem sind in dem Artikel verschiedene bisher unbenützte archivalische Notizen aus den Speierer Domcapitelsprotokollen verwerthet.