Zum Inhalt springen

ADB:Rau, Ernst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rau, Ernst“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 375–376, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rau,_Ernst&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:52 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ratzer, Johann Karl
Nächster>>>
Rau, Heribert
Band 27 (1888), S. 375–376 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ernst Rau in der Wikipedia
Ernst Rau in Wikidata
GND-Nummer 138407029
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|375|376|Rau, Ernst|August Wintterlin|ADB:Rau, Ernst}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138407029}}    

Rau: Ernst R., Bildhauer, geb. in Biberach am 7. December 1839, † zu Stuttgart am 24. August 1875, Sohn eines Glasermeisters, kam aus der Real- und Fortbildungsschule seiner Vaterstadt in die Stuttgarter Kunstschule, wo er für sein Fach an Professor Th. Wagner einen tüchtigen Lehrer fand. Schon seine reiferen Schülerarbeiten, ein Relief für den Herzog von Meiningen: „die Erfindung der Malerei“, eine Porträtbüste für das Denkmal seines Landsmannes, des Organisten J. H. Knecht in Biberach, das Modell zu einem silbernen Altarcrucifix für die Stuttgarter Stiftskirche, Porträtbüsten der Kunstschulprofessoren Neher, Weisser und Haakh[WS 1], erweckten eine gute Meinung für sein Talent. Sein letztes, in der Kunstschule unternommenes Werk war eine Colossalbüste Ludwig Uhland’s, dessen Todtenmaske er in Tübingen abgenommen hatte. Ein Stuttgarter Kunstfreund, welcher als Tübinger Student den Kopf des Dichters oft auf die Schwierigkeit einer künftigen Monumentaldarstellung angesehen hatte, lieh dem bald die Sprödigkeit seines Stoffes herb empfindenden Künstler seine Erinnerungen. Ihm verdankte R. auch die fördernde Theilnahme der Wittwe Uhlands und vieler anderen Verwandten und Freunde desselben. Das im Februar 1863 fertig gewordene Gipsmodell fand denn auch so viel Beifall, daß der Stuttgarter Liederkranz dasselbe erwarb und einen nach demselben von Pelargus in Stuttgart[WS 2] gemachten Bronceguß im J. 1865 als Denkmal im Liederhalle-Garten aufstellen ließ. Die größte Genugthuung aber fand der junge Meister, der sich jetzt in Stuttgart selbständig niederließ, dadurch, daß Uhland’s Wittwe eine lebensgroße Marmorbüste ihres Gatten für sich bestellte. R. begnügte sich nicht mit einer Verkleinerung der Colossalbüste, sondern arbeitete den Kopf noch einmal durch und schuf in diesem von Frau Uhland der Stuttgarter Staatsgalerie testamentarisch vermachten Werke einen Uhland-Typus, welchen kein Uhland-Darsteller unbeachtet lassen sollte. (S. meinen Aufsatz: Eine Uhland-Büste im Uhland-Haus im Morgenblatt f. g. L. Jhg. 1863. S. 809–11.) Eine [376] dritte Büste Uhlands machte R. später überlebensgroß in Sandstein für das Haus Nr. 13 der Alexanderstraße in Stuttgart, auf welches die dortige Uhlandstraße zuläuft. Dagegen fiel er bei der Concurrenz für das Tübinger Uhland-Denkmal durch. – Eine um das Jahr 1864 von einer Biberacher Verwandten ihm zu einer Reise nach Italien geschenkte Summe verwandte R. zu einem halbjährigen Studienaufenthalt in Berlin. Das Vertrauen auf seine Porträtkunst rechtfertigte er wieder im J. 1868 durch eine Büste des Historikers Conr. Pfaff[WS 3], welche, von Pelargus in Erz gegossen, auf der sogen. Maille in Esslingen aufgestellt wurde, und im J. 1873 durch ein Porträthochrelief in der von Leins entworfenen und von Pelargus in Zink gegossenen und broncirten Gedenktafel am Geburtshause des Dichters Hölderlin in Lauffen a. N. Bestritten dagegen ist der Werth seiner von Pelargus in Erz gegossenen und im J. 1876 aufgestellten Schiller-Statue zu Marbach. Bei längerer Lebensdauer wäre es wohl noch klarer zu Tage getreten, daß Rau’s Begabung überhaupt mehr auf decorative als auf hochmonumentale Aufgaben ging. Davon zeugen außer den (jetzt durch schwächere Nachbildungen ersetzten!) zwei Bauernmädchen vor der Stuttgarter Markthalle, mehrere allegorische, Anmuth und Würde schön verbindende Gestalten, z. B. die von Pelargus in Zink gegossene und broncirte Stuttgartia auf der Kreuzung der Marien- und Reinsburgstraße in Stuttgart, einige in Stein gehauene Figuren an der Villa Bohnenberger in Stuttgart[WS 4], die von Pelargus in Zink gegossene Helvetia, umgeben von weiblichen Personificationen des Eisenbahn- und Dampfschiffverkehrs auf einem Bahnhofsgebäude in Zürich und die von Pelargus in Erz gegossene Germania auf dem von Gnauth entworfenen Kriegerdenkmal des Fangelsbach-Friedhofes in Stuttgart, enthüllt am 2. December 1874. In der Nähe dieses Werkes wurde der junge Künstler selbst, als ihn ein Blutsturz von einer eben durch Wettbewerb überkommenen neuen Arbeit, einem Kriegerdenkmale für Pforzheim, hinwegraffte, begraben und von den Seinigen durch einen, mit einem Bildnißmedaillon vom Bildhauer Scheck gezierten, Denkstein geehrt.

Vgl. Schwäb. Kronik 1875. S. 1973. – Seubert, Allgem. Künstlerlex. 3 S. 119 u. 120.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Adolf Friedrich Haakh (1815–1881), deutscher klassischer Philologe, Altertumsforscher und Kurator. Siehe den Artikel über ihn in der Wikipedia.
  2. Wilhelm Pelargus (1820–1901), deutscher Kunsterzgießer aus einer traditionsreichen Stuttgarter Zinngießerfamilie. Siehe den Artikel über ihn in der Wikipedia mit Abbildungen seiner Werke.
  3. Richtig: Karl Pfaff
  4. Nach ihrem jüdischen Bauherren Arthur Bohnenberger (1836–1893) benannte Stadtvilla in der Stuttgarter Olgastraße 11, entworfen 1872 von dem Architekt Carl Beisbarth (1808–1878).