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ADB:Renneberg-Lalaing, Georg von

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Artikel „Renneberg, Georg v. Lalaing, Baron v. Ville, Graf v.“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 223–225, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Renneberg-Lalaing,_Georg_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:58 Uhr UTC)
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Renneberg: Georg v. Lalaing, Baron v. Ville, Graf v. R., Statthalter von Friesland u. s. w., wurde wahrscheinlich um das Jahr 1536 als jüngerer Sohn des zu dem mächtigen im Hennegau ansässigen Hause Lalaing gehörenden Grafen v. Hoogstraten geboren. Dessen vielbekannter Nachfolger, der „kleine“ Graf Anton v. Hoogstraten, der Freund Wilhelm’s von Oranien, der 1568 starb, war sein ältester Bruder (s. A. D. B. XIII, 97). Von einem Onkel erbte er 1577 die Grafschaft Renneberg, während er bis jetzt nur den Titel Baron v. Ville führte, unter welchem er 1576 mit an die Spitze der nationalen Bewegung trat, welche die spanische Herrschaft abzuwerfen bezweckte, ohne aber weder dem Landesherrn noch dem katholischen Glauben untreu zu werden. Unter den jüngeren wallonischen Edelleuten gab es keinen, der mehr allgemein begabt war wie er, und kurz nachdem er als einer der Führer des Heeres der Generalstaaten aufgetreten war, wurde er von denselben, namentlich aber von Wilhelm von Oranien, der ihn wol seines Bruders wegen immer bevorzugte, ausersehen, den Provinzen des Nordens, Friesland, Groningen und dessen „Ommelanden“, Drenthe und Overyssel als Statthalter vorzustehen. Die äußerst schwierige Stelle versah er mit einem politischen Geschick, das Bewunderung verdient. Denn fast nirgends in den Niederlanden war der Zustand so verwirrt, als in jenen, in den vorigen Jahrhunderten in die wüstesten Verhältnisse gerathenen nördlichen Ländern, wo der alte Parteihader und die alten Fehden noch keineswegs erstickt waren, und wo der eine sich gleich Spanien zuzuwenden drohte, wenn der andere sich den Patrioten anschloß. Dazu waren in den beiden wichtigsten Städten in Overyssel noch deutsche Garnisonen, welche den Staaten den Gehorsam versagten und dem Don Johann von Oesterreich schworen, während die eigenen Mittel der Provinzen durch die Erpressungen des Alba’schen Regiments erschöpft waren. In der ersten Zeit waren es namentlich die friesischen Verwicklungen, welche R. beschäftigten, und in welchen er gezwungen war, wenn er auch immer gut katholisch blieb, sich den Protestanten zuzuwenden, da die Katholischen im Norden, von Anfang der Bewegung an, ganz anders wie im Süden, zu den Spaniern hielten. Nachdem er leidlich Ordnung geschafft, u. a. die Macht des friesischen Gerichtshofs gebrochen hatte, machte er sich 1578 an die Befreiung der Ysselstädte, Campen und Deventer, welche von den daselbst Garnison haltenden Landsknechten des Obersten Pollweiler tyrannisirt wurden. Namentlich aber Deventer hielt sich lange, bis zum November. R. war jetzt Meister in seinem Gouvernement. Doch der schon mehr als ein Jahrhundert alte Streit zwischen der Stadt Groningen und den drei dieselbe umlagernden friesischen Gauen, den sogenannten Ommelanden zwischen Ems und Lauwers: Hunsingo, Fievelingo und Westerquartier, war nur provisorisch entschieden, nachdem im Sommer des Jahres 1578 von beiden Seiten Gewalt geübt war. Und eben jetzt rief die Frage der Utrechter Union sie aufs neue zu den Waffen. Die Groninger wollten so wenig von dem Bunde mit Holland und Seeland wissen, wie die Ommelanden von demselben lassen, und thaten ihr Aeußerstes, den Zutritt ihrer Nachbarn zu verhindern. Auch R. gerieth jetzt in arge Schwierigkeit. Die Bewegung der Malcontenten war entstanden, seine eigenen Verwandten standen an der Spitze, sie kämpften für die Erhaltung der von den Calvinisten gebrochenen Genter Pacification und die Erhaltung der katholischen Religion, jedoch noch immer gegen die Spanier. Zutritt zur Utrechter Union aber galt im Süden als Verbindung mit den Calvinisten; war doch selbst Oranien jetzt nicht mehr gewollt, dem Bunde gleich beizutreten. So zauderte auch R., aber die Haltung von Groningen, das sich dem Statthalter so unbotmäßig zeigte, wie jeder anderen Behörde, entschied. Allein von jetzt an scheint das Zutrauen zu ihm verschwunden, und unter den einnehmenden, vollendet [224] ritterlichen Formen des katholischen grand seigneur witterten die protestantischen Bürgermeister die verrätherischsten Absichten. Dazu mußte man einsehen, daß das Unrecht, welches die Katholiken von jetzt an überall, wo sie nicht die Herrschaft behaupteten, und namentlich im ganzen Gebiet der Union, zu leiden hatten, ihn empören, ja ihm die nationale Partei verleiden mußte. Am 11. Juni 1579 zeichnete er eine sogen. Adhäsionsacte, ganz wie Wilhelm von Oranien gethan hatte, am Tage da Groningen, welche Stadt sich seiner Vermittlung nicht fügen wollte und sich weigerte, seine Soldaten zu empfangen, nach kurzem Kampf capitulirte. Er gab dann einigen Reformirten Sitz in den städtischen Behörden, proclamirte den Religionsfrieden, nach welchem jede Religion, deren Ausübung durch 100 Hausväter angefragt ward, gestattet war, und gab den Reformirten, wenn sie auch nur eine Minorität ausmachten, ein paar Kirchen. Von jetzt an herrschte so ziemlich Ruhe und Ordnung und leidlicher Friede der Parteien im Norden. Doch eben jetzt war auch der kölnische Friedenscongreß auseinander gegangen, Versöhnung des Königs und der Staaten war nicht mehr möglich. R. mußte wählen. Fortwährend von seinen Verwandten, namentlich von seiner Schwester Cornelia, Baronin de Monceau, ermahnt, sich doch nicht länger zu trennen von den Blutsverwandten, den Lalaings, von den Standesgenossen, dem belgischen Adel, von den Stammverwandten, den Wallonen, die jetzt alle ihren Frieden mit dem König gemacht hatten, sich nicht länger mit den Ketzern gegen die Sache der Kirche zu verbinden, nicht länger der Herrschsucht des Prinzen von Oranien und der Holländer zu dienen, gegen den eigenen Landesherrn, der ihm den Besitz aller seiner Aemter, Besitzungen und Würden, Bestätigung von Allem dessen, was er gethan hatte, und viel Geld dazu versprach; von den eigenen religiösen Sympathien, von der Furcht, wirklich ein Rebell zu werden, denn bis jetzt glaubten er und seine Parteigenossen wirklich noch immer, dem Könige die Treue bewahrt zu haben, immer mehr angefochten, während die immer weiter schreitenden Uebergriffe der Calvinisten ihn empörten, und außerdem erdrückt vom Gefühl, er finde doch nicht Vertrauen, ob er verrätherisch sei oder nicht, scheint R. endlich, Januar 1580, als neue Unruhen die nördlichen Provinzen zu erfüllen begannen, sich entschieden und Maßregeln getroffen zu haben, sein ganzes Gouvernement dem Prinzen von Parma in die Hände zu liefern. Das mißlang ihm. Wilhelm von Oranien hatte gleich Beweise seiner Absichten in die Hände bekommen und lud ihn ein, zu ihm zu kommen. R. weigerte sich. Da machte sich Oranien nach dem Norden auf. Aber jetzt zeigte R., wie in solchen Zeiten auch der Beste allen moralischen Halt verlieren kann, denn auf die schändlichste Weise wußte er die Protestanten in Groningen zu beruhigen und er schwor ihren Häuptern an einem Festmahl, er sei immer derselben Gesinnung. Am frühen Morgen des nächsten Tags, des 3. März 1583, griff er sie an der Spitze von Soldaten und katholischen Bürgern meuchlerisch an, mehrere wurden getödtet, viele gefangen und verbannt, rief die Gilden zusammen und erklärte sich jetzt erst als des Königs gesetzmäßiger Statthalter. Die Stadtregierung wurde abgesetzt, Katholiken ans Ruder gebracht, die Bürger, deren übergroße Mehrheit gut katholisch war, dem König aufs neue vereidet. Doch mehr als die Stadt, was freilich viel war, gelang es ihm nicht, mit sich herüberzuführen. Die Soldaten verweigerten ihm den Gehorsam. Bald wurde er von einer ansehnlichen staatischen Macht belagert. Doch ein Sieg der Spanier unter Schenck über Hohenlohe bei Hardenberg (17. Juni) ließ dieselbe auseinander stäuben, und so kamen die Ommelanden wieder in seine Gewalt und konnte er selbst Friesland angreifen. Dann aber wandte er sich nach Overyssel, versuchte Zwolle zu überraschen und belagerte dann im October mit 6000 Mann Steenwyk, das hartnäckig von einem seiner eigenen [225] Hauptleute, Cornput, vertheidigt, im Februar von den Staatischen unter dem Engländer John Norris entsetzt wurde. R. hatte dabei den größten Theil seiner Truppen und die eigene Gesundheit eingebüßt. Von jetzt an gelang ihm nichts mehr. Er konnte die eigenen Truppen nicht mehr befehligen, er war zu krank; Gewissensbisse über seinen Verrath sollen ihn arg gepeinigt haben. Da gaben ihm die Niederlagen seines Heeres, das im Juli bis an die Mauern von Groningen getrieben wurde, den Todesstoß; er starb recht elend am 23. Juli 1581, selbst von den Gegnern mehr beklagt als verwünscht, weil man ihn sehr lieb gehabt hatte. Seine feinen Sitten, seine Liebenswürdigkeit gegen Hoch- und Niedriggeborene[WS 1], seine Gerechtigkeitsliebe und Toleranz wurden von Jedermann gerühmt; nicht allein spätere Historiker, wie Hooft, loben dieselben, auch Zeitgenossen, welche sonst keinem Spanier und Katholiken ein gutes Wort gönnen. Es scheint wol, Wilhelm von Oranien habe in ihm einen Gesinnungsgenossen erblickt, der die nationale Sache über die religiöse stellte. Man sah schon damals ein, R. sei eigentlich ein Opfer der Politik. Der Lauf der Ereignisse gestattete in jenen Jahren Niemand, als wer sich offen zur politischen und religiösen Revolution bekannte, der nationalen Sache treu zu bleiben. Ein Katholik und ein seinem Lehnsherrn loyaler Edelmann mußte in den Jahren 1578 oder 1579 von den Staaten und dem Prinzen von Oranien scheiden. Nur das zeichnete R. aus, daß er darüber Gewissensbisse empfand, und daß er der letzte war, der überging. Freilich war dagegen die Art und Weise, wie er seinen Uebergang ausführte, eine überaus schändliche, welche seinem sonst unbefleckten Charakter einen unauslöschlichen Makel anheftet.

Vgl. R. Fresinga, Memoriën, in Dumbar’s Analecta, Bd. III. – van Reyd, Bor, van Meteren, Hooft, Strada; Groen van Prinsterer, Archives, Bd. VI u. VII und die vielen anderen Brief- und Documentensammlungen über jene Zeit. – Von neueren außer den Werken von Wagenaar und Arend, Motley, Rise of the Dutch Republic, Bd. III. – Nuyens, Gesch. der Nederl. Beroerten, Bd. III u. IV. – Van Vloten, Opstand tegen Spanje, Bd. III. – Mein Staat der Vereenigde Nederlanden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Niediggeborene