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ADB:Rothe, Johann Andreas

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Artikel „Rothe, Johann Andreas“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 351–353, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rothe,_Johann_Andreas&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 23:46 Uhr UTC)
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Rothe: Johann Andreas R., Pfarrer und evangelischer Liederdichter, geboren am 12. Mai 1688, † am 6. Juli 1758. R. wurde als Sohn des Pfarrers Aegidius Rothe und seiner Gemahlin Katharina Pfefferin am 12. Mai 1688 zu Lissa, einem in der Nähe von Görlitz gelegenen Dorfe, geboren und auf dem Gymnasium zu Görlitz unter dem Rector Sam. Großer und später auf dem Marien-Magdalenen-Gymnasium zu Breslau erzogen. Im J. 1708 ging er auf die Universität Leipzig, um Theologie zu studiren. Er schloß sich hier namentlich an Johann Olearius an und wurde im J. 1712 nach Beendigung seiner Studienzeit Mitglied des größeren Predigercollegiums zu Görlitz, welchem die Abhaltung der Nachmittagsgottesdienste an der Dreifaltigkeitskirche übertragen war. Da er jedoch aus Gewissensrücksichten zunächst noch Bedenken trug, eine Predigerstelle anzunehmen, suchte er sich durch Stunden ertheilen fortzuhelfen. Er wurde zu Leube Informator in der Familie des Herrn v. Schweinitz und bestrebte sich, durch zahlreiche Gastpredigten in der Nachbarschaft sich weiter für sein Amt auszubilden. Als er im J. 1721 in Großhennersdorf predigte, hörte ihn der Graf Zinzendorf und fand solches Gefallen an ihm, daß er beschloß, ihn zum Pfarrer für seine soeben erst erkaufte Herrschaft Berthelsdorf zu berufen. Um ihn noch näher zu prüfen, ließ er ihn nach Dresden kommen, wo R. in der Sophienkirche predigen mußte. Am 19. Mai 1722 wurde die Vocationsurkunde für R. vom Grafen ausgestellt, und am 30. August desselben Jahres erfolgte die Einweisung Rothe’s in sein Amt durch den Magister Melchior Schäfer, [352] den Pfarrer zu Görlitz. Bald nachdem R. dasselbe angetreten hatte, ließen sich die ersten mährischen Emigranten auf dem Gute des Grafen in der Nähe des Hutberges nieder. Im Auftrage des Grafen übernahm R. die geistliche Leitung und Pflege der neuen Filiale, während Zinzendorf erklärte, sich als Rothe’s „Gehülfe und gleichsam Catechet“ betrachten zu wollen. Rothe’s Beredtsamkeit und warme Hingabe für sein Amt waren von gewaltiger Wirkung, sodaß Zinzendorf von ihm bezeugen konnte, er habe seines Gleichen nicht wieder gefunden. Die völlige Uebereinstimmung beider Männer fand ihren Ausdruck in dem von ihnen gemeinsam mit dem Magister Melchior Schäfer und dem Baron Friedrich v. Wattewille geschlossenen „Vierbrüderbund zur Sicherung der Herrschaft Christi, des Gekreuzigten, im Herzen der Menschheit“. Um die Absichten ihres Bundes zur Erfüllung zu bringen, veranstalteten sie häufig sog. „Conferenzen“, in denen sich R. durch seine gründliche theologische Bildung, durch die Ordnung und Klarheit seiner Gedanken und durch die Brauchbarkeit seiner Einfälle hervorthat. Da er mit Festigkeit auf dem einmal von ihm als richtig Erkannten stehen blieb, ließ sich R. von Zinzendorf niemals in seiner kirchlichen Gesinnung irre machen, ja er trug nicht einmal Bedenken, in seinen Predigten direct den Grafen anzureden und gelegentlich sein Verhalten anzugreifen. Trotzdem blieb das Einverständniß beider Männer lange Zeit hindurch ohne ernstliche Trübung bestehen. Zinzendorf suchte jedes Mißverständniß zu vermeiden, und wenn er Sonntag Nachmittags die früh von R. gehaltene Predigt vor der Gemeinde in seinem eigenen Hause wiederholte, so vergaß er gewiß nicht, die Anspielungen Rothe’s auf seine Person gleichfalls mit vorzutragen. Bei der Mannichfaltigkeit der in Folge der Gründung von Herrnhut auftauchenden kirchlichen und theologischen Fragen konnte es indessen nicht ausbleiben, daß die Zahl der Differenzpunkte zwischen Zinzendorf und R. von Jahr zu Jahr sich vergrößerte. Dazu kam die Verschiedenheit der Charaktere beider Männer. R. war wenig geneigt, Abweichungen im Leben und in der Lehre zu gestatten, und wies die Irrenden häufig hart zurecht, während Zinzendorf auf eine mildere Praxis Gewicht legte. Er traf daher mit R. im J. 1727 die Verabredung, daß er ihm die Seelsorge der Berthelsdorfer Gemeinde ganz allein überlassen wollte, wogegen er als Rothe’s Catechet die geistliche Aufsicht und Leitung der Ansiedler in Herrnhut übernahm. So war R. bei der eigentlichen Gründung der Herrnhuter Gemeinde am 12. Mai 1727 nicht betheiligt, wenn er auch zur Berathung ihrer Statuten mit herbeigezogen worden war, ja er versuchte in Abwesenheit des Grafen die Brüder zu bestimmen, den von ihnen angenommenen Namen „der böhmisch-mährischen Brüder“ aufzugeben und sich Lutheraner zu nennen, wobei er ihnen vorstellte, daß sie durch diesen Schritt sich allen Anfeindungen und Verfolgungen leicht entziehen könnten. Da er mit diesem Vorschlag bei einigen Mitgliedern der Gemeinde Gehör fand, bedurfte es einer energischen Protestation von Seiten des Grafen, um dergleichen Versuche ein für allemal zu hintertreiben (1728). Am 28. August 1729 unterzeichnete R. das in Anwesenheit des Notars und Oberamtsadvocaten Christian Gotthilf Marche aufgestellte Notariatsinstrument, welches die Zusammengehörigkeit der Brüdergemeine mit der evangelisch-lutherischen Kirche und gleichzeitig die Unabhängigkeit in ihrer Verfassung aussprach, und verpflichtete sich, „den Brüdern allen geneigten Willen und Förderung angedeihen zu lassen, so lange sie in ihrer unsectirerischen, einfältigen und friedfertigen Weise beharren würden“. Unter solchen Verhältnissen hätte einem gemeinsamen Wirken Rothe’s und Zinzendorf’s in Berthelsdorf und Herrnhut keine Schwierigkeit mehr entgegengestanden, wenn nicht R. sich im J. 1737 der sächsischen Regierung gegenüber verpflichtet hätte, ihr über das Verhalten Zinzendorf’s in Religionssachen Bericht zu erstatten. Zinzendorf faßte diesen Schritt als Hochverrath auf und setzte R. [353] in Gegenwart der sämmtlichen Arbeiter an der Gemeinde hart zur Rede. R. wurde durch dieses Vorgehen des Grafen schwer gekränkt. Auch hatte er für seine Unterzeichnung des eben erwähnten Herrnhuter Statuts einen Verweis von Dresden aus sowie die Androhung der Suspension und Remotion bei Wiederholung eines solchen eigenmächtigen Verfahrens erhalten. Seitdem sann er darauf, seine Stelle in Berthelsdorf mit einer anderen zu vertauschen. Im Herbste 1737 nahm er einen Ruf als Pfarrer nach Hermsdorf bei Görlitz an, obwol er sich dabei in seinen Einkünften verschlechterte. Von dort siedelte er, einem Rufe des Grafen v. Promnitz zu Sorau Folge leistend, zunächst als Adjunctus des Pfarrers im J. 1739 nach Thommendorf bei Bunzlau über, um im J. 1742 in die Stelle des ordentlichen Pfarrers vorzurücken. Sein Verhalten gegen die Brüdergemeinde war fortan nicht eben freundlich. Vergeblich bemühte sich Zinzendorf, ihn wieder für sich zu gewinnen, indem er ihn im J. 1744 im Namen seiner Gemahlin durch Spangenberg die Stelle eines Schloßpredigers und Directors des theologischen Seminars zu Marienborn anbieten ließ. R. lehnte ab und legte die Gründe für seine Weigerung in einem Schreiben an die Gräfin Zinzendorf dar. (Abgedruckt in der Büdingischen Sammlung XVIII. Stück, S. 887 fg., jedoch unvollständig. Vgl. Schmersahl I, S. 483.) Er starb zu Thommendorf am 6. Juli 1758.

Die Zahl von Rothe’s theologischen Schriften, welche unter anderen Gottl. Friedr. Otto im „Lexikon der oberlausitzischen Schriftsteller“ Bd. III, S. 100 bis 102, Görlitz 1803 aufführt, ist ziemlich groß. Da sie sehr selten sind und nicht aufzutreiben waren, steht uns kein Urtheil darüber zu, ob sie sich in etwas über das Niveau der gewöhnlichen Erbauungslitteratur und polemischen Schriften seiner Zeit erheben. Dagegen wird Rothe’s Name als der eines der besseren Kirchenliederdichter des 18. Jahrhunderts stets mit Ehren genannt werden. Ist er doch der Verfasser des in die meisten evangelischen Gesangbücher übergegangenen Liedes: „Ich habe nun den Grund gefunden“, welches lange Zeit als ein Lied Zinzendorf’s angesehen wurde. Nach der gewöhnlichen Annahme soll R. dieses Lied zum Geburtstag des Grafen Zinzendorf am 16. Mai 1728 gedichtet haben. Es findet sich jedoch bereits in Zinzendorf’s Sammlung geistlicher und lieblicher Lieder vom J. 1725 (S. 878 Nr. 934. Vgl. Wilh. Bode, Quellennachweis über die Lieder des hannoverischen und des lüneburgischen Gesangbuches, Hannover 1881; S. 312). Unter seinen übrigen Liedern haben folgende gleichfalls weitere Verbreitung gefunden: „Das wahre Christenthum ist wahrlich leichte“ – „Ganz außerdem, was Gott gesetzt, zu schweifen“ – „Unverwandt auf Christum sehen“ – „Wenn kleine Himmelserben“ – „Komm, Seele, geh’ in Gott zur Ruh“.

Aug. Gottlieb Spangenberg, Leben des Grafen Zinzendorf an vielen Stellen S. das Register. – Elias Schmersahl, Geschichte jetztlebender Gottesgelehrten. Langensalza 1751, 470–489. – (Christian Gregor), Historische Nachricht vom Brüder-Gesangbuche des Jahres 1778. 2. Aufl. Gnadau 1851, 176 bis 177. – (E. W. Cröger), Geschichte der erneuerten Brüderkirche. Gnadau 1852. I, 28 fg., 43, 61, 88 fg., 108 fg., 320; II, 34, 228. – Eduard Emil Koch, Geschichte des Kirchenliedes. Stuttgart 1868. I, 5, 240–248. – Albrecht Ritschl, Geschichte des Pietismus. Bonn 1886. III, 241, 245, 272, 294.