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ADB:Rugendas, Moritz

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Artikel „Rugendas, (Johann) Moriz“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 601–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rugendas,_Moritz&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 06:42 Uhr UTC)
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Rugendas: (Johann) Moriz R., Zeichner, Maler und Reisender, geb. am 29. März 1802 zu Augsburg, besuchte die unter der Leitung seines Vaters Johann Lorenz R. stehende Kunstschule, ging 1817 nach München, um an der Akademie die Studien fortzusetzen, welche indessen mehr durch das Vorbild von Lorenz Quaglio, insbesondere aber durch Albrecht Adam’s Einfluß gefördert wurden. R. malte damals einige landschaftliche Bilder mit Figuren und Architekturen, wie das „Schloß Affing“ und einen „Pferdemarkt“. Da um jene Zeit die Expedition von Spix und Martius nach Brasilien viel von sich reden machte und Georg Heinrich Freiherr v. Langsdorff als russischer Staatsrath und Generalconsul eine neue Reise dahin vorbereitete und dazu einen Zeichner wünschte, dessen Mangel gerade von den bairischen Gelehrten schmerzlich gefühlt wurde, so entschloß sich R. mit der glühenden Begeisterung der Jugend die weite Welt zu sehen, hierbei theilzunehmen, wozu ihn Karwinsky[WS 1] auf das beste empfahl. Das Wort Herder’s, man solle „die Welt mit dem Bleistifte in der Hand durchstreifen“, hatte bei dem jungen Maler gezündet, welcher freilich später gestand, er habe diese „Mahnung fast zu wörtlich“ genommen. R. trat 1821 in die angebotene Stellung und fertigte in Brasilien eine Menge von Zeichnungen, welche Menschen und Thiere, Gegenden und die tropische Vegetation mit voller Treue und Wahrheit zur Anschauung brachten. Da aber die übernommenen Verbindlichkeiten ihm zu wenig freie Bewegung in seiner künstlerischen Thätigkeit gestatteten, so schied R. vom Freiherrn v. Langsdorff in Unfrieden, trieb sich auf eigene Faust unter harten Erfahrungen und Entbehrungen aller Art noch drei Jahre in Brasilien herum und kehrte 1825 mit vollen Mappen nach Europa zurück, um zu Paris die Publication seiner Zeichnungen vorzubereiten. Sie erschienen, von den besten Künstlern lithographirt, als „Voyage pittoresque“ oder „Malerische Reise in Brasilien von Moriz Rugendas“ in 20 Lieferungen (zu je fünf Blättern mit deutschem und französischem Texte von V. A. Huber (Paris 1827–35 Fol. bei Engelmann). R. führte damit die Landschaftsmalerei in das Gebiet der Ethnographie; Humboldt gedachte darob in seiner „Pflanzengeographie“ des Malers in anerkennendster Weise. Im Jahre 1826 weilte R. in Augsburg und München; aus dieser Zeit stammt das von ihm gezeichnete Portrait seines wahrhaft väterlichen Freundes, des Pferde- und Schlachtenmalerz Albrecht Adam (in der sog. Maillinger-Sammlung 1886, [602] IV. Bd. Nr. 1105), mit welchem Künstler R. immer im freundlichen und schriftlichen Verkehr blieb. Dann aber, von neuer Reiselust getrieben, wozu das Pariser Honorar die Mittel bot, ging R. über Venedig, Florenz und Rom nach Neapel und Sicilien und verbrachte „im Anschauen einer entzückenden Natur und im Studium einer großen Vorzeit zwei der glücklichsten Jahre“ seines Lebens. Zu den dort gewonnenen Freunden zählte R. mit Stolz die Namen von A. Riedel und Füßli, des Grafen Platen und des Dichters und Malers August Kopisch. Nach seiner Rückkehr suchte R. die Mittel zu einer zweiten Reise nach Amerika, eventuell zu einer Rundfahrt um die Welt, zuerst in Paris, wo indessen die Julitage das diesem Project günstig gesinnte Ministerium stürzten, dann in England; da ihm jedoch auch hier keine Unterstützung erblühte, beschloß R. mit seinen eigenen, freilich äußerst beschränkten Mitteln, vertrauend auf seine Kunst und eiserne Willenskraft, die neue Fahrt zu wagen. Im Frühjahr 1831 schiffte er sich (ausgerüstet mit einem in der Folge mehr hinderlichen als nützlichen Daguerreotyp von Giroux) in Bordeaux ein nach Hayti und ging von da nach Mexico, wo er drei Jahre verblieb, nebenbei in allerlei politische Händel verwickelt und schließlich sogar völlig unschuldiger Weise drei Monate eingesteckt und angeblich landesverwiesen wurde. Auf der Reise nach Chili berührte er Californien und blieb in Chili von 1834–1840, unternahm aber von da aus Excursionen zu den wildesten Völkerschaften der Araukaner und Patagonier und querüber in die Pampas nach Buenos-Ayres. Unter unsäglichen Mühseligkeiten und Strapazen wagte er oftmals Leib und Leben, bestand eine Fülle von Abenteuern, darunter auch einen nächtlichen Sturz im Walde mit seinem scheu gewordenen Pferde. Viermal besuchte er die Cordilleren, wobei ihn das Unglück traf vom Blitz gestreift zu werden; die Folgen davon hielten ihn drei Jahre in Chili und blieben zeitlebens fühlbar. Als würde ihm nur wohl unter den anstrengendsten Beschwerden, welche seine stählerne Natur mit wunderbarer Spannkraft ertrug, trieb ihn seine berserkerhafte Reiselust zu den wunderlichsten Expeditionen. Ihn befeuerte der Reiz der Neuheit mit täglichen Ueberraschungen und die Bravour gerade unmöglich scheinende Hindernisse zu überwinden. Dafür sammelte er aber auch eine Fülle von Skizzen und Zeichnungen der originellsten Art, deren künstlerische Verwerthung wol eine dreifache Lebenszeit beansprucht hätte. Unsere Bewunderung steigt, wenn man weiß, daß R. in allen größeren Stationen nur durch die Erzeugnisse seines Stifts und Pinsels, durch Anfertigung von Porträts, Veduten und Bildern die Kosten des jeweiligen Aufenthalts erringen und die Mittel zur Weiterreise gewinnen mußte. Noch mehr! er vergaß auch die Seinen in der Heimath nicht und sorgte für Unterstützung seiner alten Mutter! Dabei fehlte es ihm oft an dem nöthigsten Zeichnungsapparat und Malmaterial, so daß R. gezwungen war, mit seinem kleinen, durch das Klima beständig gefährdeten Vorrath oder mit der gröbsten Waare aus Packhäusern und Krambuden sich zu behelfen. Leider machte der Künstler, so weit unser Bericht lautet, keine schriftlichen Aufzeichnungen, ja er hielt nicht einmal ein ordentliches Tagebuch; was wir von ihm überhaupt wissen, beruht nur auf den zeitweilig in die Heimath gesendeten Briefen, welche dann, oft durch ziemlich unkundige Hände, für das Stuttgarter „Kunstblatt“ verarbeitet wurden. Glücklicherweise fand R. in allen größeren Städten solche Freunde, welche den Künstler durch Bestellungen ehrten und förderten, auch erreichten ihn einige Aufträge aus der deutschen Heimath. So malte z. B. unser Tourist vier ziemlich große mexikanische Landschaften mit Staffage für Professor Hegewisch in Kiel und Senator Gildemeister in Bremen. In Valparaiso entstanden zwei größere Compositionen, ein nächtlicher Einbruch der Indianer bei weißen Farmern und eine Treibjagd auf wilde Thiere in den Pampas (sie erschienen auf der Kunstausstellung [603] in München 1848), auch sendete er größere Abtheilungen seiner Landschaft- und Costümstudien nach Europa, wo selbe 1840 zu Paris, Kassel und Berlin zur Ausstellung kamen, 1841 in letzterer Stadt angekauft wurden und so den Namen des Malers in Erinnerung brachten. Im J. 1839 hatte R. schon alle Vorkehrungen getroffen, von Valparaiso auf der englischen Fregatte „Kalliope“ nach Peru und Californien zu schiffen und von da durch Polynesien und Neuholland über Asien heim zu kehren, aber das Project zerschlug sich im letzten Augenblicke. Dafür ging R. 1841 nach Peru und blieb daselbst bis 1843, besuchte 1844 Bolivia, vornehmlich um die Alterthümer von Tia Quanaco und Cusco zu zeichnen und kehrte nach Chili zurück, um von da 1845 die Rückreise nach Europa anzutreten. Er segelte um das Kap nach dem Falklands-Eiland, besuchte die patagonische Küste und La plata, desgleichen Montevideo, um die Kriegszustände näher kennen zu lernen, ging den Parana hinauf bis nach Peisantu und über Uruguai zurück nach Rio. Daselbst verweilte R. ein weiteres Jahr, in welchem er auch Pernambuco besuchte, ging endlich nach Europa unter Segel, landete 1847 im Frühjahr zu Falmouth und eilte über Paris (wo R. im Hause des preußischen Gesandten Freiherrn v. Arnim gastete) im September 1847 nach Augsburg. Bald darauf hatte R. Gelegenheit, dem Könige Ludwig I. zu Brückenau vorgestellt zu werden und seine Mappen vorlegen zu dürfen. Der ganze Schatz von 3353 Blättern wurde bald darauf gegen eine jährliche Leibrente von 1200 Gulden für das königl. Kupferstich- und Handzeichnungscabinet aus Staatsmitteln erworben. Diese in ihrer Art freilich unvergleichliche Collection, das Ergebniß eines 16jährigen, unausgesetzten Sammeleifers, besteht in Bleistiftzeichnungen, Aquarellen und Oelskizzen, meist nach dem Erforderniß des Gegenstandes, je zuweilen aber auch nach Gelegenheit der von Gefahren und Unbequemlichkeiten aller Art bedrängten Lage des Reisenden. Der von R. festgehaltene Gesichtspunkt war nicht der sogenannte malerische, er behielt vielmehr das ethnographische Interesse unverrückt im Auge. Doch leuchtet durch alle diese Landschaften und Städte, Bildnisse, Figuren und Gruppen, Pflanzen und Thiere ein unverkennbar künstlerischer Zug, welcher indessen die Wahrheit auf keinen Fall beeinträchtigt. Das gesammte Material ordnete R. in 20 Mappen: die landschaftlichen Abtheilungen nach der Folge seiner Reisen, die figürlichen hingegen nach Ländern und Racen. Alle zeigen eine solche lebendige Unmittelbarkeit und Frische, daß sie für Ethnographen, Geschichtsforscher, Geographen und Künstler als eine sehr achtbare, seitdem aber wenig ausgenützte Quelle betrachtet werden müssen. Drei Mappen (mit 613 Blättern) umfassen Mexico mit der Tropenvegetation in seinen Terrainverschiedenheiten von der Küste bis zu den Plateaux mit den Riesenvulcanen, der vierte Band bietet Bildnisse, Trachten und Sittengemälde aus diesen Landstrichen. Von Chili folgen drei Bände Landschaftliches, das Littoral, die majestätische Kette der Anden mit verschiedenen Engpässen; zwei weitere Bände enthalten Zusätze und ein größerer Trachten, Sittenbilder und Bildnisse. In zwei Mappen reihen sich die Ansichten aus den Pampas und den Staaten am La plata und eine dritte Serie mit Bildern aus dem Leben der kriegerischen Arancos; zwei Bände sind angefüllt mit Landschaften aus Peru und Bolivia, von der Küste und den Hochlanden, mit Ansichten der höchsten Cordilleren und des großen Titicaca-See; andere Bände enthalten Bilder aus dem Menschenleben und ein eigener die Alterthümer von Peru. Ein anderer Band umschließt die Bildnisse aller Vicekönige von Gonzalo Pizarro bis auf den letzten Vicekönig Grafen Laserna, ferner der berühmtesten Staatsmänner, Generale, Officiere, ein anderer zeigt die Racen und Bewohner der Südsee, die Neuseeländer, Polynesier, Marquesas, die Sandwichsinsulaner, auch selbst die Malayen, Hindus, Japaner und Chinesen, welche durch den Handelsverkehr nach [604] Südamerika geführt wurden. – R. ging nun daran, seine Erinnerungen künstlerisch zu verarbeiten, malte tropische Landschaften, aber auch viele Porträts, bis ein großer Auftrag des Königs Maximilian II., die „Besitzergreifung der neuen Welt durch Columbus“ darzustellen, alle seine Kräfte in Anspruch nahm. Die Vollendung und Durchbildung dieses Oelbildes in einem ungewöhnlichen Format beschäftigte den Künstler bis 1855; es wurde ihm nicht wohl darüber, R. that dabei sein Bestes, genügte sich aber weder in Composition, noch im Colorit. Obwol sich die Kritik möglichst günstig aussprach (vgl. Julius Große in Beilage 245 der Neuen Münchener Zeitung vom 13. October 1855), fehlte es doch nicht an scharf tadelnden Stimmen. Der Maler fühlte wol selbst die Schattenseiten seiner Arbeit und daß eine stilistische Formgebung gegen seine nur an unmittelbare Realität gewöhnte Natur ging (das für die weltgeschichtliche Galerie des Athenäums bestimmte Bild gelangte erst zwanzig Jahre später zur Ausstellung in der Neuen Pinakothek). R. verzichtete auf das vom Könige gewünschte Gegenstück (die Ermordung des Capitän James Cook auf Owaihi) und wendete sich von München nach Augsburg, immer noch in der Hoffnung, einen Verleger zu gewinnen zur Herausgabe seines Reisewerkes. Aber selbst eine äußerste Reduction auf eine etwa fünf Bände füllende Auswahl realisirte sich nicht, nur 18 Blätter (gestochen von Poppel und Kurz) gelangten in die „Landschaftbilder und Skizzen aus dem Volksleben von Mexico“, welche C. Sartorius (im Verlage von Lange in Darmstadt 1855) herausgab. R. empfand den Mangel von linguistischen, botanischen und geognostischen Kenntnissen, um seine Arbeiten darnach nur halbweg nutzbar einzurichten; ein bloßes Abschreiben der Natur reicht ohne wissenschaftliche Grundlage nicht aus. Ihn lockte, ebenso wie die Weltreisende Ida Pfeiffer in ihrer Weise, bloß das Seltsame, Fremdländische, ihm mangelte selbst der leichte Ton und die Erzählergabe eines gewöhnlichen Touristen, um der Exeget seiner eigenen Bilder zu werden, kurz die universale Begabung, welche nur eine wissenschaftliche Gesellschaft zu leisten vermag. Zu spät kam er zur Einsicht, daß er allein seiner Aufgabe nicht gewachsen war und daß alle Zeit, Mühe und Arbeit vielleicht nur nach Jahrhunderten, wenn das ganze Material ein historisches Recht erlangt hat, die verdiente Würdigung finden könne. Dazu kam ein körperlich unbehagliches Gefühl mit häufigem Schwindel; so fand sich auch zur Ausübung seiner Kunst selten mehr die rechte, über dilettantisches Maß gehende Stimmung. Wenn aber die Last der Jahre und des Lebens auf ihn drückte, so hielt er doch das Haupt hoch in der Erinnerung an ein schönes, schwer vollbrachtes Tagewerk. R. starb unerwartet am 29. Mai 1858 zu Weilheim (an der Teck in Württemberg), wohin er sich zum Besuche von Verwandten begeben hatte. Seine mächtige Gestalt in allerlei fremdartigen Reisecostümen hat seiner Zeit Löcherer in photographischen Aufnahmen, welche heutzutage schon vergilbt zu den Incunabeln dieses Reproductionsverfahrens gelten mögen, festgehalten; nach einem solchen gentlemanliken Blatt ist das Holzschnittporträt in Nr. 787 der „Illustrirten Zeitung“ (vom 31. Juli 1858) gezeichnet.

Vgl. Kunstblatt 1836, S. 305 ff.; 1840, S. 284; 1841, S. 96; 1848, 102 ff. – Nagler, 1845, XIV. Bd., S. 22 ff. – Kunstvereinsbericht für 1858, S. 52.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wilhelm Friedrich von Karwinsky (1780–1855), deutscher Botaniker