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ADB:Salminger, Sigmund

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Artikel „Salminger, Sigmund“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 270–272, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Salminger,_Sigmund&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 04:24 Uhr UTC)
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Salminger: Sigmund S. (so unterschreibt er sich selbst, während er in den Augsburger Rathsacten auch Salbinger und Salblinger genannt wird) lebte in Augsburg als Schulmeister und Musico von 1526 oder 1527 an bis um 1550. Er war ein entlaufener Klostergeistlicher, der mit seinem Weibe, einer geb. Anna Hallerin, von München nach Augsburg kam, sich hier aber bald, durch den bekannten Hans Hutt (im März 1527) getauft, der Secte der Wiedertäufer oder Gartenbrüder, wie man sie auch nannte, anschloß und von der damals ziemlich starken Gemeinde (man nennt, wol übertrieben, 1100 Personen), zum Vorsteher gewählt wurde. Sehr überzeugt und begeistert von den Lehren der Taufgesinnten, scheint er seines Amtes mit großem Eifer gewartet und namentlich seitens der Frauen besonderes Zutrauen genossen zu haben, denn unter den 74 Taufen, die ihm in den Rathsprotokollen nachgewiesen wurden, sind es insbesondere Mägde und Weiber, die er durch die Wiedertaufe seiner Gemeinde zuführte. Auch seine Ehewirtin wurde durch Hans Hutt getauft und erwies sich als ebenso anhänglich an die neuen Glaubensanschauungen, wie ihr Mann. Der Rath Augsburgs, der durch Denunciationen und Anzeigen längst auf das heimliche und verdächtige Treiben der Conventikler aufmerksam gemacht worden war, glaubte endlich der Sache länger ruhig nicht zusehen zu dürfen und beschloß, scharf gegen die Abtrünnigen vorzugehen. Die Untersuchung ward in die Hand des berühmten Rechtsgelehrten C. Peutinger gelegt, der, ein sonst wohlwollender und höchst ehrenwerther Mann, gegenüber der Halsstarrigkeit der Angeklagten, die er eine „böse Faction“ nennt, sich zu energischem Vorgehen genöthigt sah. Hans Kießling, ein Maurer aus Friedberg, sowie S., nebst seinen Genossen Jakob Dachser, ehemaliger Augustinermönch von St. Anna in Augsburg, und Jakob Groß, Kürschner aus Waldshut, die Häupter der Augsburger Taufgenossen, sowie eine große Zahl ihrer Anhänger, wurden im August und September 1527 ergriffen und seit dem 18. Januar 1528 in enger Haft gehalten. Am 22. Januar wurden die Rädelsführer aus dem vordern in die hintern Gefängnißgewölbe transferirt, ein Beweis, daß man die ganze Strenge des Gesetzes gegen sie walten lassen [271] wollte. „Des Mönchs Weib“, Anna Salmingerin, wurde der Stadt verwiesen, schlich sich aber am Ostertag, 12. April, heimlich wieder ein und wohnte einer großen Wiedertäuferversammlung bei. Als sie das am letzten April nochmals versuchte, ward sie ergriffen und auf Befehl des Rathes „mit Ruthen aus der Stadt geschlagen“. Mittlerweile lag S., im Laufe der Zeit vielen, auch peinlichen Verhören unterworfen, drei Jahre gefangen. Endlich scheint er mürbe geworden zu sein. Er schwur am 17. December 1530 „aus freier, selbst eigner Bewegnus, ungenöt und unbezwungen von Mund und rechtem Herzen“, vor dem Rath und auf der unteren und äußeren Rathhausstiege öffentlich die Irrlehre der Wiedertäufer ab. Das Gleiche that, am 17. Januar 1531, auch sein Weib. Es ward ihm gestattet, noch vier Tage nach seiner Entlassung in der Stadt zu weilen, mußte aber dann über die Grenze. Diese Verbannung scheint jedoch nicht lange gedauert zu haben, denn in den von ihm seit 1540 herausgegebenen Sammlungen bezeichnet er sich als in Augsburg wohnhaft. Am 12. Februar 1540 erlaubt ihm der Rath auf sein Suppliciren, einen großen Tisch vor sein Haus zu setzen und ihn zu laden (?). Möglicherweise betrieb seine Frau irgend einen kleinen Handel. Im folgenden Jahre ließ er etliche „Gsangbüchlein“ im Druck ausgehen und dedicierte sie seinen gnädigen Herren, verehrte ihnen auch ein (noch vorhandenes) Exemplar, „darumb ehrs. Rat erkannte, daß ihme der H. Baumeister (d. i. Stadtsäckelmeister) eine kleine Verehrung thun solle“. Er muß also durch sein späteres Verhalten das früher Vorgefallene vollständig vergessen gemacht und sich das Wohlwollen des Raths und die Achtung seiner Mitbürger wieder ganz erworben haben. In der Familie der kunstsinnigen Fugger, insbesondere bei Jacob Fugger, dem er auch eine seiner Sammlungen widmete, fand er verdiente Werthschätzung; auch der Umstand, daß er sein letztes Sammelwerk der Königin Marie von Ungarn widmen durfte, mag als Beweis für seine vollständige Rehabilitirung gelten. Daß ihm die bedeutendsten Tonsetzer seiner Zeit, unter ihnen auch viele ausländische, ihre Manuscripte anvertrauten und daß sich in seinen Liederbüchern zahlreiche sehr schmeichelhafte Lobgedichte bedeutender Gelehrter und Künstler (z. B. auch von Erasmus) auf ihn finden, spricht jedenfalls auch dafür, daß er sich in Ansehen zu setzen wußte. Es war noch nicht die Zeit, in der man aus 99 Sammlungen eine hundertste zusammenstellte, wie es druckbedürftige Musiker und Verleger heute zu thun pflegen; er mußte sich also wol in directen Verkehr mit den größten Meistern des 16. Jahrhunderts zu setzen vermocht haben. Uebrigens wurden die Wiedertäufet wol als Sectirer hart verfolgt, aber ob ihrer Frömmigkeit und guten Aufführung wegen, wie auch wegen der Treue und Zähigkeit, mit der sie an ihren Glaubensanschauungen hingen, so daß viele von ihnen freudig den Tod dafür erlitten, im Volke durchaus nicht mißachtet. S. hat sich als Tonsetzer nicht bekannt gemacht; möglich, daß einige Compositionen, die sich in den von ihm herausgegebenen Sammlungen ohne Nennung der Verfasser finden, von ihm selbst herrühren; sein wichtiges und bleibendes Verdienst besteht darin, eine große Zahl vortrefflicher Werke ausgezeichneter zeitgenössischer Meister der Nachwelt gerettet zu haben. Glücklicherweise finden sich einzelne complette Exemplare seiner sehr schätzbaren Publicationen in den Bibliotheken zu Wien, München und Augsburg noch vor.

Salminger’s bekannt gewordene und noch erhaltene Sammelwerke sind folgende: 1) „Selectissimae nec non familiarissimae Cantiones, ultra centum. Vario idiomate, – – – Besonder Außerleßner, künstlicher, lustiger Gesang, mancherlay Sprachen, mer dann Hundert Stuck, von Acht stymmen an, bis auf Zwo: Und Fugen, von Sechsen auch bis auf Zwo: Alles Vorder nuzlich und handtsam zu singen, Vnd auf Instrument zu brauchen. (Tenor.) Augustae Vindelicorum (Melchior Kriesstein) Anno Domini 1540.“ (Privilegium [272] vom 4. October 1539.), 105 Gesänge zu 2–6 Stimmen von 43 Tonsetzern (darunter 13 deutsche), auf deutsche, französische, niederländische und italienische Texte. Ein complettes, aus fünf Stimmbänden, kl. quer 8°, bestehendes Exemplar besitzt die k. k. Hofbibliothek in Wien. (Genaue Beschreibungen bei Schmid, Oct. dei Petrucci, p. 162 und Eitner, Bibliographie der Musik-Sammelwerke des 16. und 17. Jahrh., S. 62 u. 63.) 2) Tenor. „Concentus octo, sex, quinque et quatuor vocum, omnium iucundissimi nuspiam antea sic aediti – – – Augustae Vindelicorum (Philippus Vlhardus) Anno 1545.“ (Dem Rathe der Stadt Augsburg gewidmet.) Die Sammlung, welche 36 Motetten enthält, nennt 26 Tonsetzer, außer sechs deutschen nur Niederländer. Complette Exemplare, 4 St. in kl. quer 4°, in Wien und München. (Beschreibungen bei Schmid. Petrucci, S. 168 und Eitner, Bibliographie. S. 89.) 3) Tenor. „Cantiones septem, sex et quinque vocum. – – – Augustae Vindelicorum (Melch. Kriesstein). Anno 1545.“ (Jacob Fugger gewidmet.) 32 Compositionen von 20 Tonsetzern, darunter zwei deutsche. Complette Exemplare, 5 Stb. in klein quer 4°, in Wien und München. In der k. Staatsbibl. in München noch ein zweiter Druck vom Jahre 1546. (Beschreibungen bei Schmid, S. 167 und Eitner, S. 90.) 4) Discantus. „Cantiones selectissimae. Quatuor vocum. Ab eximiis et praestantibus Caesareae Majestatis Capella Musicis. M. Cornelio Cane. Thoma Crequilone. Nicolao Payen & Johanne Lestainnier Organista, compositae. – – Aug. Vind. (Philippus Vlhardus). Anno 1548, Liber Primus. (Dem Hause Fugger gewidmet.) 17 Gesänge. – Liber secundus. Aug. Vind. Anno 1549. (Der Königin Maria von Ungarn gewidmet.) 13 Gesänge von Petrus Massenus und Clemens non Papa. Complette Exemplare, 4 Stb. in kl. quer 4°, in München und Augsburg (Beschreibungen bei Eitner, S. 103 u. 106).

Etwa im J. 1526 veröffentlichte S. (in Nürnberg bei Peypus) die Schrift: „Aus was Grund die lieb entspringt“ u. s. w. 12 Bl. 4°. S. hat darin den Schluß des Buchs „Von der Nachfolgung des armen Lebens Christi“, welches fälschlich dem Tauler zugeschrieben wird (s. Denifle, Buch von geistlicher Armuth), aber immerhin noch dem 14. Jahrhundert angehört, mit einer selbstverfaßten Vorrede versehen und von neuem herausgegeben. Diese Schrift ward im J. 1619 in dem Rosenkreuzer-Verlag von Egenolph Emmel in Frankfurt a. M. nebst einigen Schriften Valentin Weigel’s abermals abgedruckt. – Ferner erschien von S. ein kleines Buch unter dem Titel: „Guldin Schatz“ (ein Exemplar in der Hof- und Staatsbibliothek zu München). Endlich wird S. (nebst Dachser) als Herausgeber des Gesangbuchs bezeichnet, welches unter dem Titel: „Der gantz Psalter Davids“ im J. 1538 bei Philipp Ulhart in Augsburg erschien.

Gassarus, Annales Augsburgenses bei Mencken. Script. Rer. Germ. I col. 1780. – Zeitschrift des histor. Vereins für Schwaben und Neuburg. 1. Jahrg. 1874, S. 212 und 225. – Weller, Rep. typ. Nr. 3633. Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied III, 702 u. 809. – Meshovius, Hist. Anabapt. Libri VII. Cöln 1617, S. 64. – L. Keller, Die Reformation und die älteren Reformparteien. Leipzig 1885, S. 426.