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ADB:Gasser, Achilles Pirminius

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Artikel „Gasser, Achilles Pirmin“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 396–397, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gasser,_Achilles_Pirminius&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 18:50 Uhr UTC)
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Gasser: Achilles Pirmin G. (Gassarus), wurde 1505 am 3. Nov. zu Lindau am Bodensee geboren. Sein Vater Ulrich G. († 1517), auf der Romfahrt des Jahres 1508 Anführer des aus 24 Mann bestehenden Lindauschen Contingents, hatte sich dem Kaiser Maximilian bemerklich gemacht und in dessen Diensten eine Stelle als Chirurg erlangt. Der Sohn, in Eßlingen und in Seligenstadt erzogen, genoß 1522 den Unterricht seines Landsmannes Urbanus Rhegius zu Langenargen und studirte dann zu Wittenberg, wo er Luther und Melanchthon hörte. Nachdem er Wien, wo Simon Lazius sein Lehrer in Medicin und Mathematik war, Montpellier und Avignon besucht und am letztgenannten Orte 1528 die Doctorwürde erworben hatte, ließ er sich als Stadtarzt in Feldkirch nieder. 1546 verlegte er seinen Wohnsitz von hier nach Augsburg, und diese Stadt ist seine zweite Heimath geworden. Gelegentlich einer im J. 1563 ausbrechenden Pest wurde er als besonderer Arzt für den Rath und dessen Angehörige mit einer monatlichen Besoldung von 100 Gulden angestellt. Schon lange war er eine durch ihre vielseitige Bildung wie durch ihren Eifer [397] für die Sache der Reformation hochangesehene Persönlichkeit, die mit den hervorragendsten Männern in- und außerhalb Augsburgs, wie Claudius Pius Peutinger, Xystus Betulejus, Hieronymus Wolf, David Hoeschel, mit Konrad Gesner, Cyriacus Spangenberg, Mathias Flacius, Sebastian Münster u. a. in lebhaftem Verkehr stand. Es hat sich ein Brief erhalten, den Kurfürst Johann Friedrich aus seiner Gefangenschaft zu Innsbruck 1552 den 6. Januar an ihn richtete. Die Beziehungen zu Seb. Münster führten G. zu der Thätigkeit, die seinen Namen auf die Nachwelt gebracht hat. Die für Münster’s Kosmographie verfaßten historischen Beschreibungen von Lindau, Feldkirch, Chur und Augsburg regten in ihm den Gedanken an, der Geschichtschreiber Augsburgs zu werden. Unterstützt von Clemens Jäger, einem Beamten des Raths, der selbst eine bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts reichende Chronik der Stadt verfaßt hatte, und Johann Baptist Hainzel, Mitglied des geheimen Raths und evangelischen Ober-Kirchenpfleger, vollendete er 1572 die „Annales civitatis ac reipublicae Augsburgensis“, eine Geschichte der Stadt von ihren ersten Anfängen bis zum Jahr 1561, dann auf Hainzel’s Rath fortgeführt bis zum J. 1576. Je mehr er sich der Zeit nähert, für welche er sich auf brauchbare Chroniken und Urkunden, eigene Erlebnisse oder Mittheilungen der Zeitgenossen stützen kann, wird er ein ausführlicher und wohlunterrichteter Darsteller, der in lebhafter Sprache und warmer Parteinahme für die Stadt und die evangelische Lehre erzählt. An die Oeffentlichkeit gelangte das dem Rathe überreichte Buch nicht sobald. Ein in Hanau 1593 begonnener Druck wurde auf Ansuchen des Augsburger Raths inhibirt. Doch gelang es zwei Jahre später in Basel die Gasser’schen Annalen in verdeutschter Gestalt als zweiten und dritten Theil der Werlich’schen Chronik von Augsburg zu veröffentlichen. In ihrer originalen lateinischen Form hat sie erst Joh. Burk. Mencke 1728 in seinen „Scriptores rerum Germanicarum tom. I“ publicirt. – Auch um die deutsche Litteratur und Philologie hat sich G. ein Verdienst erworben; und dafür kommt seine Beziehung zu Mathias Flacius in Betracht. Dem großen Werk der Magdeburger Centuriatoren hatte G. bei den Augsburger Patriziern Unterstützung verschafft; und dankbar haben die Verfasser seinen Namen neben dem Hainzel’s und einer Reihe von Nürnbergern an die Spitze der octava centuria (1564) gestellt. Die Unterstützung bestand nicht blos in Geld, sondern auch in litterarischen Hülfsmitteln. In dem Catalogus testium veritatis führt Flacius seit der zweiten Ausgabe (1562) auch das Evangelienbuch des Otfried von Weißenburg an, von dem G. im J. 1560 eine Abschrift nach einem dem Ulrich Fugger gehörigen Codex, der jetzigen Heidelberger Handschrift, angefertigt hatte, die sich noch jetzt im Schottenkloster zu Wien vorfindet. Wie Gasser’s Correspondenz mit Gesner zeigt, dachte er selbst eine Zeit lang an die Herausgabe des Otfried; sie geschah dann durch Flacius 1571 nach Gasser’s Abschrift und mit einer gleichfalls von ihm herrührenden „Erklärung der alten teutschen Worten“. Bis zum J. 1726 war diese erste Ausgabe des Otfried auch die einzige. – Die letzten Lebensjahre Gasser’s wurden durch die flacianischen Händel getrübt. In alter Treue hielt er zu Flacius, gewährte dem vertriebenen Cyr. Spangenberg ein Asyl in seinem Hause, gerieth aber durch diese Parteinahme in Conflict mit Augsburg wie mit seiner Vaterstadt Lindau. G. starb zu Augsburg 1577 den 4. December.

Jacob Brucker, De vita et scriptis A. P. Gasseri (in dessen Miscellanea, [1748] p. 409–443). – Chroniken der deutschen Städte, Bd. IV, Augsburg Bd. 1 (herausg. v. F. Frensdorff), S. XLIV. – R. v. Raumer, Gesch. der german. Philologie, S. 33 ff. – Otfried, herausg. v. Kelle S. 124 ff., v. P. Piper S. 270 ff. – Preger, Matthias Flacius Illyricus II, S. 471 ff.