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ADB:Schröter, Christoph Gottlieb

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Artikel „Schröter, Christoph Gottlieb“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 558–560, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6ter,_Christoph_Gottlieb&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 03:05 Uhr UTC)
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Schröter: Christoph Gottlieb S., ein achtbarer Organist und halb und halb Miterfinder des Pianoforte, der Hammermechanik. Er war nach seiner Selbstbiographie am 10. August 1699 zu Hohenstein in Sachsen geboren († im November 1782 zu Nordhausen). Mit acht Jahren kam er als Chorknabe an die Hofcapelle in Dresden und wurde ein Schüler Schmidt’s. Nachdem er mutirt hatte, trat er als Alumnus in die Kreuzschule, ging 1717 nach Leipzig, um Theologie zu studiren, und brachte es bis zu einer „Kirmespredigt“, da aber seine Mutter zu der Zeit starb, hing er die Theologie an den Nagel und kehrte nach Dresden zum Capellmeister Schmidt zurück, um Musik zu studiren, und wurde dem damals in Dresden sich aufhaltenden Antonio Lotti als Copist empfohlen, welches er sich nicht nur als große Ehre anrechnete, sondern sehr ersprießlich für seine Musikstudien hielt. Bald darauf wurde er von einem vornehmen Herrn als Secretär und musikalischer Gesellschafter angenommen und begleitete ihn auf seinen Reisen durch Deutschland, Holland und England. Im J. 1724 ließ er sich dann in Jena nieder und hielt an der Universität öffentliche Vorträge über Musik. 1726 erhielt er den Ruf als Organist an die Hauptkirche in Minden und 1732 den nach Nordhausen, wo er bis an sein Lebensende blieb. Gerber rechnet ihn unter die „bravsten Organisten unserer Zeit“, fügt aber hinzu, daß er mit Seb. Bach als Orgelspieler gar nicht in Vergleich komme, da er die Manier hatte, stets staccato (gestoßen) zu spielen, während Bach dem gebundenen Spiele den Vorzug gab. Ueber seine Person äußert er, daß er ein ganz kleines Männchen war, welches sich aber dabei ein sehr gravitätisches Ansehen zu geben wußte. Sein Bildniß befindet sich im 4. Bande der Mitzlerischen Bibliothek. Diese kleinen Notizen haben besonderen Werth, da wir bald sehen werden, wie dies ganz kleine Männchen es verstanden hat, die Welt auf sich aufmerksam zu machen. Von seinen Compositionen scheint sich nur ein Choralbuch nebst Vorspiel und Fugen handschriftlich auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin (Ms. 20 190) erhalten zu haben, während Gerber Oratorien, Cantaten, [559] Concerte, Sonaten und vieles andere summarisch anführt, dagegen hat sich von seinen Schriften vieles erhalten, theils im Einzeldruck, theils in Zeitschriften (siehe darüber Genaueres in Gerber’s altem Musiklexikon). Sie behandeln zum Theil theoretische Tagesfragen, die er in breiter selbstgefälliger Art bespricht. Die Schriften aber, die uns am meisten interessiren, sind die Streitfragen über die Erfindung des Hammerclaviers, Pianoforte genannt, welche er sich ganz allein zuschreibt. Mit dieser Erklärung rückte er aber so spät heraus, daß ihm die Erfindung nichts mehr genützt, sondern nur viel Streiterei zugezogen hat. Um ein übersichtliches Bild von der Angelegenheit zu geben, müssen wir etwas weiter ausholen, da der Streit bis in unsere neueste Zeit noch seine Schatten geworfen hat und manchen Historiker irre führte, der nicht von Grund aus die Sache untersuchte. Voranschicken will ich nur, daß Schröter’s Aussage keinenfalls als ein Betrug aufzufassen ist, sondern daß sich wohl alles so zugetragen haben kann, wie er behauptet, nur hat er seine einstige Erfindung vernachlässigt und deren Bedeutung erst erkannt, als dieselbe Erfindung, durch einen anderen gemacht, zu immer größerer Vollkommenheit gedieh und dem Clavierbau einen mächtigen Aufschwung zu geben begann. – Im J. 1711 veröffentlichte die venetianische Zeitschrift: Giornale de’ letterati d’Italia auf S. 144 einen Artikel: Nuova invenzione d’un Gravecembalo col piano e forte; aggiunte alcune considerazioni sopra gli strumenti musicali, abgefaßt von Mattei. Der Instrumentenmacher wird Cristofali und Cristofari genannt, heißt aber nach den neuesten in Florenz entdeckten Documenten: Bartolomeo Cristofori; 1876 wurde ihm von der Stadt eine Gedenktafel gesetzt (M. f. M. X, 48). Diesen Artikel des venetianischen Journals brachte Mattheson 1725 in seiner Critica musica (II, 335) in deutscher Uebersetzung, nebst einer Abbildung der Mechanik. Adlung, in seiner Musica mechanica von 1768 (I, 212) berichtet, daß Gottfried Silbermann in Freiberg sich einst ein Pianoforte von Cristofori aus Florenz habe kommen lassen und die Erfindung mit vielen Verbesserungen in Deutschland einführte. Friedrich der Große unterstützte Silbermann wesentlich und kaufte ihm mehrere seiner Pianoforte ab. Dieselben befinden sich noch heute im Stadtschlosse zu Potsdam und in Sanssouci (M. f. M. V, 17). Auch im germanischen Museum in Nürnberg befindet sich ein Silbermann’sches Pianoforte. S. erfuhr von dem sich immer weiter ausbreitenden Pianoforte erst im J. 1763 und glaubte steif und fest, daß man ihm seine einstige Erfindung, die fast auf demselben Mechanismus beruhe, gestohlen habe. (Siehe die Abbildungen der verschiedenen Mechaniken in Monatsh. f. Musikg., Bd. 5 zu Nr. 2 u. 3.) Er ließ nun in Marpurg’s kritischen Briefen, Bd. 2, 139. Brief, Berlin, den 20. August 1763, einen geharnischten Artikel gegen die Räuber seiner Erfindung los und erzählt, daß er im J. 1717 eine Hammermechanik für das Clavier erfunden, 1721 ein Modell dem Dresdener Hofe überreicht habe, von dem er dann nie mehr etwas gesehen und gehört habe, das ihm also gestohlen sei und nach dem die jetzigen Pianoforte gebaut sein müßten. Hauptsächlich wirft er seinen Groll auf Silbermann, den er aber nie anders als den „sinnreichen Mann zu Dresden“ nennt. Silbermann siedelte nämlich in den letzten Jahren seines Lebens von Freiberg nach Dresden über. Dieser öffentliche Schrei der Entrüstung drang in weitere Kreise und es ward hin- und hergestritten, ohne daß es Jemandem eingefallen wäre, den Originalartikel von 1711 nachzuschlagen. Die Deutschen waren der festen Meinung, daß S. der Erfinder und um seinen wohlverdienten Ruhm und Nutzen gebracht sei. Man schlage bis zu Oskar Paul’s Geschichte des Claviers (Leipzig 1868) alle einschlägigen Werke nach und der Wiederhall obiger Entrüstung wird uns überall entgegenklingen, bis endlich durch [560] Auffindung obiger italienischer Zeitschrift, der Documente über Cristofori und der Pianoforte von Silbermann in den M. f. M. V die Sache klar gelegt wurde.