ADB:Seitz, Johann Baptist

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Seitz, Johann Baptist“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 663–664, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seitz,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 11:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Seivert, Johann
Band 33 (1891), S. 663–664 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Juni 2014, suchen)
Johann Baptist Seitz in Wikidata
GND-Nummer 117472743
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|33|663|664|Seitz, Johann Baptist|Hyacinth Holland|ADB:Seitz, Johann Baptist}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117472743}}    

Seitz: Johann Baptist S., Kupferstecher, der Stammvater einer jetzt weitverzweigten Künstlerfamilie. Der erstbekannte Träger dieses Namens, welcher sein subtiles Ingenium schon am Hofe des Kurfürsten Max Joseph III. und dessen Nachfolgers Karl Theodor bewährte, war seines Zeichens ein Zimmermann. Aber schon bei dessen Sohn, dem hier in Rede stehenden Johann Baptist S., geboren 1786 zu München, wurden die künstlerischen Fähigkeiten geweckt durch einen Großvater mütterlicher Seite, den Kupferstecher Max Emert, welcher seinen Enkel frühzeitig den Gebrauch von Radirnadel und Grabstichel lehrte, so daß das Wunderkind schon mit zwölf Jahren Heiligenbilder zu stechen im Stande war. Dann übte sich derselbe bei dem durch seine „Arbeiten des Herkules“ bekannten alten R. A. Boos (1730–1810) im Modelliren, lernte weil die Kriegsjahre für die Kunst wenig Aussicht boten, die Uhrmacherei, da der Junge zu mechanischen Arbeiten ebenfalls große Lust äußerte. Seine Tüchtigkeit bewies S. nach einiger Zeit auch im Institut des berühmten Georg von Reichenbach, wo ihm die complicirtesten Arbeiten anvertraut wurden. Nebenbei übte er sich im Graviren und Stechen, studirte Geometrie und Architektur und fand, vollkommen dazu gebildet, durch A. von Riedel im königlichen topographischen Büreau zu München eine geeignete Anstellung, anfangs als Dessinateur und dann als Kupferstecher im topographischen Fache, in welchem er ausgezeichnete Arbeiten lieferte. S. war in Baiern auch der erste, welcher „Vorschriften für Schulen“ (8 Blätter) im Stiche darstellte; dann kamen „Kalligraphische Versuche“ aller Alphabete der üblichsten europäischen Sprachen (1811 in 36 Blättern), allerlei Geschäftstableaux mit geschmackvollen Ornamenten etc. die sich durch Schönheit der Charaktere und Reinheit des Stiches auszeichneten. Als Probeleistung eines Kupferstechers lieferte S. ein Musterblatt mit allerlei minutiösen Schriften und einer Miniaturkarte der Insel St. Helena – ein wahres Attentat auf die eigene Sehkraft. Nach dem Entwurfe von A. von Coulon ging S. mit C. Schleich an die Ausführung einer „Postkarte von Baiern“ (1810); zu seinen besten Arbeiten zählt der „Topographische Atlas von Baiern“, welchen S. mit Gebhardt und C. Schleich mit 100 Blättern 1843 vollendete. Als Lehrer erwarb S. das Verdienst, den nachmals als Kartographen so berühmten Joh. Georg Mayr in die rechte Bahn geleitet zu haben. Uebrigens leistete S. auch im Fach der Mechanik ganz ausgezeichnetes; dazu gehörte ein mit Hunderten von Figürchen ausgestattetes Theater, dann aber allerlei 14–17 Cmt. hohe Figuren und darunter ein Pferd, welches täuschend die natürlichen Bewegungen nachmachte. Seine gründlichen Kenntnisse in der Vermessungskunst und Architektur bekundete S. mit einer topo-plastischen Darstellung der Stadt München, welche er im 700 theiligen Maaßstabe auf einem Raum von ohngefähr 7 Meter Durchmesser im Auftrage des Königs Ludwig I. ausführte. Einen ähnlichen Plan hatte schon Herzog Wilhelm IV. und dessen Nachfolger Albrecht IV. gefaßt, indem sie durch den Drechsler Jacob Sandtner von Burghausen die Städte Landshut, Ingolstadt und München in verjüngtem [664] Maaßstabe in Holz darstellen ließen, eine Arbeit, welche derselbe zwischen 1521 bis 1571 löste. S. gewährt mit seiner bewundernswürdigen und mit staunenswerthem Fleiße von 1841–1847 ausgeführten Arbeit einen Ueberblick über die ganze Stadt mit ihren Plätzen, Straßen, Gärten, Monumenten, Häusern, Palästen, Thoren und Kirchen, alles in genauen, kleinen, zierlich in Birnbaumholz geschnittenen Modellen. Bei seinen Aufnahmen und Messungen stieß er eines Tages im sog. Seethaler’schen Kaffeehause am Frauen-Friedhof auf ein unterirdisches Gewölbe, in welchem S. die Gruft Kaiser Ludwig IV. entdeckt zu haben wähnte (Nr. 288 Münchener Tageblatt 17. October 1847). Nach Vollendung des Ganzen wurde dieses „Relief“ in einem Local in der Sendlingergasse ausgestellt (1849) und dann in das Reichsarchiv und endlich durch Baron von Aretin mit Jacob Sandtner’s Modellen in das neugegründete Nationalmuseum überbracht. Der vielseitig verdiente Mann starb am 15. März 1850 und hinterließ viele treffliche Söhne, welche sich alle in das geistige Erbe des Vaters nach bestimmten Radien theilten: Max Alexander erwählte die Historienmalerei, Franz erbte die ganze Vielseitigkeit des Vaters, beide sind in den vorstehenden Artikeln aufgeführt. Max Joseph (geb. 1820) excellirt noch als Graveur, Ciseleur und Meister in jeglicher Kleinkunst, Karl (geb. 1824 folgte dem Vater ins Topographische Büreau und bekleidete daselbst noch vor kurzem die Stelle eines Inspectors), August, geb. 1829 widmete sich der Kupferstecherkunst und starb 1871. Da nun jeder der Genannten sich wieder eines Nachfolgers erfreute, in welchem die ausgeprägteste künstlerische Begabung, wenn auch in anderer Weise, zu Tage tritt, so ist der Stammbaum dieser durch Enkelkinder schon weitverzweigten und im Bereiche der Kunst gewiß illustren und erlauchten Familie mit vielen Aesten und Sprossen besegnet, welche hoffentlich noch lange und ehrenvoll floriren.

Vgl. Nagler 1846. XVI. 223. – Beil. 158 „Allgemeine Zeitung“ 8. Juni 1883.