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ADB:Steinbrecher

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Artikel „Steinbrecher“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 691–692, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinbrecher&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 01:10 Uhr UTC)
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Steinbrecher: Die Schauspielerfamilie St. wird in der Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts häufig genannt und war jedenfalls eine der renommirtesten der deutschen Bühne jener Zeit. Leider aber fehlen uns eingehendere Mittheilungen über das Leben und die Bedeutung ihrer Mitglieder, so daß sich ihr Biograph mit einzelnen, nicht zusammenhängenden Angaben begnügen muß. Ein Schauspieler dieses Namens war seit dem Jahre 1727 Mitglied der Neuberschen Truppe, mit der er zuerst in Leipzig und später, im J. 1736, in Frankfurt a. M. auftrat. Im J. 1745 kam er mit ihr wieder nach Leipzig, wo er sich namentlich als Harlekin auszeichnete. Im folgenden Jahre finden wir ihn bei dem Danziger Principal Diedrich in Danzig. Von dort aus begab er sich mit der Hilferdingschen Gesellschaft nach Rußland, wo er seine Familie im höchsten Elend zurückließ. Später zog er als Billeteinnehmer mit der Gesellschaft Josephi’s umher, bei der er im J. 1761 in Paderborn starb. Er war jedenfalls ganz unbrauchbar geworden, doch dürfte die Nachricht, daß er sein Leben als Gänsehirt gefristet habe, auf Erfindung beruhen. – Weit bekannter und bedeutender als St. ist seine Frau Wilhelmine St. gewesen. Sie war im J. 1701 als Tochter des Principals Spiegelberg geboren und daher durch ihre jüngere Schwester die Schwägerin Eckhof’s. Schon als sie im J. 1736 in Frankfurt a. M. als Mitglied der Neuberschen Truppe spielte, rühmte man an ihrer Darstellung von älteren Königinnen und Heldenmüttern Würde und erhabene Declamation. Als sie im J. 1745 mit der Neuberschen Truppe nach Leipzig kam, stand sie in dem Rufe, kokette Mütter vortrefflich zu geben. Im J. 1746 gehörte sie in Danzig der Diedrichschen Truppe an, ging dann mit Hilferding nach Rußland und schloß sich nach Auflösung dieser Gesellschaft der Ohl’schen Truppe an, bis sie im J. 1752 bei Koch Engagement fand. Mit ihm war sie in demselben Jahre in Weimar und im J. 1755 in Hamburg, wo sie zu Schönemann übertrat. Als sie zu Pfingsten 1757 von jenem den Abschied erhielt, nahm sie Döbbelin in seine Gesellschaft auf. Indessen war diese Stellung nur von kurzer Dauer, da Döbbelin schon im nächsten Jahre seine Truppe auflöste. Die St. begab sich nun wieder zu Koch, bei dem sie seitdem längere Zeit ausgehalten zu haben scheint. Wir finden sie nämlich in seiner Gesellschaft im J. 1764 in Dresden, und noch im J. 1771 wird sie, allerdings als neuengagirt, unter den Mitgliedern der damals in Berlin spielenden Koch’schen Truppe aufgeführt. Im nächsten Jahre aber ging sie nach Riga, und seit dieser Zeit verschwindet ihr Name aus den Annalen des deutschen Theaters. – Die bedeutendste unter den [692] Mitgliedern der Familie war aber die Tochter der beiden genannten, Caroline Elisabeth St. Sie war am 1. Januar 1731 (nach einer anderen Angabe 1733 in St. Petersburg) geboren und erhielt möglicher Weise ihren ersten dramatischen Unterricht durch ihren Onkel Eckhof. Sie zeichnete sich namentlich als Sängerin im Singspiel aus und erhielt wegen ihres graziösen Uebermuthes von Weiße, in dessen Oper „Der Teufel ist los“ sie im J. 1752 in Leipzig die Rolle des Lenchen geschaffen hatte, den Beinamen der deutschen Favart. Brandes, der sie allerdings mit den Augen des Liebhabers betrachtete, berichtet von ihr, daß sie „eine sehr anziehende Gestalt besessen habe“, „etwas Spöttelndes in ihren Mienen und in ihrem Betragen etwas Gebieterisches, das aber in heiteren Augenblicken von so viel Anmuth begleitet wurde, daß man sich ihren Befehlen mit Vergnügen unterwarf“. Auch als Schauspielerin genoß sie einen bedeutenden Ruf. In Leipzig spielte sie bei Koch im April 1756 zuerst die Titelrolle in Lessing’s „Miß Sara Sampson“ und in Berlin bei der ersten Aufführung der „Emilia Galotti“ am 6. April 1772 die Emilia. Ihre äußeren Lebensschicksale waren dieselben wie die ihrer Mutter, mit der sie, wie es scheint, beständig das gleiche Engagement theilte. Im August 1772 vermählte sie sich mit dem Sänger Hübler, einem gebornen Dresdener, mit dem sie im nächsten Jahre nach Riga übersiedelte, wo sie gleichfalls für uns verschwindet. (Nach einer anderen Angabe wäre sie die Gattin des Sängers Günther geworden.)

Vgl. [Ch. H. Schmid], Chronologie des deutschen Theaters. s. l. 1775 [Register]. – Schütze, Hamburgische Theater-Geschichte. Hamburg 1794. S. 287, 292, 297, 303, 307. – Joh. Christ. Brandes, Meine Lebensgeschichte. Berlin 1799. I, 181, 182, 208, 209, 223–226. – Ed. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst. Leipzig 1848. II, 12, 96, 99, 108, 113, 137, 296, 319. – E. A. Hagen, Geschichte des Theaters in Preußen. Königsberg 1854. S. 211, 212. – A. E. Brachvogel, Geschichte des Kgl. Theaters zu Berlin. Berlin 1877. I, 227, 238, 245. – E. Pasqué, Goethe’s Theaterleitung in Weimar. Leipzig 1863. I, 21. – Fürstenau im Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger III. 1875. S. 22–24. – v. Reden-Esbeck, Caroline Neuber und ihre Zeitgenossen. Leipzig 1881. S. 57. – E. Mentzel im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Neue Folge. 9. Bd. Frankfurt a. M. 1882. S. 162, 163. – Moritz Rudolph, Rigaer Theater- und Tonkünstler-Lexikon. Riga 1890. S. 237. (Die bei Rudolph enthaltenen Angaben über das Schicksal der St. in Rußland können sich ebensogut auf die Mutter als auf die Tochter beziehen. Nach ihm ging Caroline Elisabeth St. in Riga in das Fach der ersten Mütter im Trauer- und Lustspiel über, trat noch in St. Petersburg und Reval auf, und starb, zuletzt getrennt von ihrem Manne, in Riga im J. 1796.)