ADB:Koch, Heinrich Gottfried

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Artikel „Koch, Heinrich Gottfried“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 380–383, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Koch,_Heinrich_Gottfried&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 15:06 Uhr UTC)
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Koch: Heinrich Gottfried K., Theaterprincipal und Schauspieler, einer der bekanntesten Theaterdirectoren des vorigen Jahrhunderts, geb. 1703 zu Gera, † am 3. Januar 1775 zu Berlin. K. war der Sohn eines Kaufmanns und bezog 1726 die Leipziger Universität, um die Rechte zu studiren. Nachdem er zwei Jahre lang mit allem Fleiß den Studien obgelegen hatte, sah er sich durch die Verhältnisse so bedrängt und eingeengt, daß er von ihnen gezwungen wurde das Studium aufzugeben. Seltsam genug trieb es ihn eine Zeitlang Soldat zu werden und ein frisches, fröhliches Reiterleben zu führen. Allein in einer schwachen Stunde ward er verleitet anstatt auf dem Felde der Ehre in der Welt der Coulissen Lorbeern zu pflücken. So finden wir ihn denn 1728 (so wenigstens berichten zeitgenössische und andere Quellen, nicht überein damit stimmt ein von ihm 1750 gesprochener Prolog, der beginnt: „Schon 25 Jahre sind’s, daß mich Leipzig kennt“, möglich freilich, daß er damit nur sagen will, er sei schon vor 25 Jahren nach Leipzig gekommen, oder auch sich eine durch die Gelegenheit entschuldigte Freiheit in seinen Angaben gestattete), seine Laufbahn als Schauspieler bei der Neuberin beginnend. Bildung und Talent kamen ihm zu statten, dazu unterstützte ihn auch ein günstiges für die Bühne geeignetes Aeußere, die mittlere Statur, das ausdrucksvolle Gesicht u. A. Das Trauerspiel zog ihn zunächst am meisten an, doch erreichte er das Höchste in Molière’schen Alten, für deren Verkörperung er den Franzosen die Eigenheiten ihres Spiels abgesehen hatte. Auch in Bauern und Krispinen entfaltete er Komik und Vielseitigkeit des Spiels und galt nachmals bei vielen Kunstrichtern als „einer der ersten Schauspieler in komischen Alten“. Noch als Mitglied der Neuberischen Truppe, vermählte sich K. 1737 mit einer Dem. Buchner, der Schwägerin des Kupferstechers Bernigeroth, die in sanften Liebhaberinnen recht Bemerkenswerthes leistete, leider aber schon 1741 Todes verblich. Zwei Jahre später ging K. zur Schröder’schen Gesellschaft nach Hamburg, von da im folgenden Jahre nach Prag, von wo er aber noch im gleichen Jahre zur Neuberin zurückkehrte. Nachdem er abermals vier [381] Jahre an den Schicksalen ihrer Gesellschaft theilgenommen, wandte er sich 1748 nach Wien und als es ihm hier nicht gelang auch seinerseits dem regelmäßigen Schauspiel gegenüber dem extemporirten zu seinem Rechte zu verhelfen, ging er mit seiner zweiten Frau Christiane Henriette K. (s. S. 371), geb. Merleck, zu Schönemann nach Göttingen und begleitete den Prinzipal von da nach Leipzig. In der Pleißestadt vollzog sich für ihn die große Wendung seines Lebens und aus dem Schauspieler ward zugleich ein Director. Durch Unterstützung und Förderung wohlmeinender und einflußreicher Freunde gelang es ihm das sächsische Privilegium zu erhalten, dessen Decret unter dem 15. Februar 1749 vom König selbst vollzogen wurde. Seine Vorstellungen begann er am 6. Juli 1750 mit „Die wilde Insel“ von Saintfoix und „Der Harlekin Hulla“ von Dominique und Romagnesi und zwar im Freien auf einem natürlichen Theater in Richter’s Garten. Zu Michaelis verlegte er dann seinen Schauplatz in das Theater am großen Blumenberg, Ostern 1751 in Quandt’s Hof, dessen Zuschauerraum nach Art der antiken Theater eingerichtet war (Neuestes aus der anmuthigen Gelehrsamkeit, 1751, S. 379 f.). Tüchtige Schauspieler der Koch’schen Truppe waren zu jener Zeit Leppert, Dlle Schumann, Antusch und Frau, Wolfram, Bruck, Mylius, Witthöft, denen sich 1751 Dlle Kleefelder, Schubert, Mad. Steinbrecher, 1753 der berühmte Brückner zugesellten. Im April 1751 trat K. seine erste Reise an, die ihn zunächst nach Wittenberg (eröffnet am 30. April) und von da nach Zittau, Pförten, Gera und Zerbst führte. Später finden wir ihn auch in Altenburg, allein der Ort der bedeutsamsten Wirksamkeit seiner ersten Truppe blieb Leipzig, wo er auch in litterarischer Beziehung mehrfach bemerkenswerthe Einflüsse übte und unter Anderem im April 1756 Lessing’s Miß Sara Sampson zum ersten Mal aufführte. In musikalischer Beziehung erwarb er sich Verdienste durch Einführung der komischen Oper, die erst durch ihn auf der deutschen Bühne volles Heimathsrecht erwarb. Er begann mit musikalischen Intermezzo’s, die er, oft freilich wenig passend, zwischen die Akte der Schauspiele einschob und führte dann am 6. October 1752 mit außerordentlichem Beifall das von C. F. Weiße verdeutschte Singspiel „The devil to pay“ des Coffey aus, zu dem Standfuß die Musik geschrieben hatte. So sehr sich das Publikum bei dieser neuen Gattung erfreute, so wenig erklärten sich Gottsched und seine Anhänger damit einverstanden, und es entspann sich ein gewaltiger Streit, der mit Flugschriften aller Art von beiden Seiten ausgefochten wurde und zur Folge hatte, daß Gottsched den Antheil am Schauspielwesen selbst aufgab. 1755 hielt K. sich kurze Zeit mit seiner Truppe in Hamburg auf, mußte aber im Herbst 1756 wegen des ausbrechenden Krieges seine Gesellschaft auseinander gehen lassen. 1758 trat er, von Ekhof, Starke und Mierck dazu berufen, in Lübeck an die Spitze der Schönemann’schen Truppe, die er noch im selbigen Jahre nach Hamburg führte. Außer den schon genannten Ekhof, Starke und Mierck waren bei dieser Gesellschaft Martini, Gantner, Fabricius, Brandes, Dlle Rainer, Herlitz, denen sich dann noch Brückner und Frau, Mad. Steinbrecher, Witthöft, Bruck und Andere zugesellten. Kleine Wanderungen nach Lübeck abgerechnet, hielt sich K. nun bis 1763 in Hamburg, wo er allen Gattungen der Drama’s gerecht wurde, am meisten aber das Komische pflegte und Zwischenspiele, Ballette u. dgl. wohl im Uebermaße gab, so daß man ihm nicht mit Unrecht eine Schädigung des guten theatralischen Geschmackes vorwarf. Schütze in der hamburgischen Theatergeschichte faßt sein Urtheil über K. dahin zusammen: K. habe als Bühnenprincipal, wenigstens in Hamburg, eine sonderbare Mischung von Indolenz und Thätigkeit, Kunstfleiß und Eigenwillen gezeigt. Er war sparsam, ohne geizig zu sein und dennoch fehlte es seiner Vorstellung nicht an äußerem Prunk, da er erfinderisch war und mit wenigen Kosten viel auszurichten wußte. Ebenso verstand er Talente richtig zu schätzen und zu verwenden. [382] Im Kostüm dominirte der französische Geschmack. Zur Michaelimesse 1763 kehrte K. nach Leipzig zurück, sah sich aber bald darauf gezwungen durch den Tod Friedrich August II. Hamburg von Neuem aufzusuchen, wo er am 9. Januar 1764 seine Vorstellungen begann. Am 25. April 1764 eröffnete er dann abermals die Bühne in Leipzig und schloß am 16. Juni d. J. mit dem sächsischen Hof einen Contract ab, demzufolge er sich verpflichtete in Dresden wöchentlich 2–3 Vorstellungen zu geben, mit Ausnahme der Michaeli- und Ostermesse, während deren er auf eigene Kosten in Leipzig spielen werde. Er erhielt dafür ca. 9000 Thaler für die neun Spielmonate, freie Theatermiethe, Beleuchtung, Orchester etc., war aber der Oberaufsicht des Directeur des plaisirs, Herrn v. König, unterstellt. Mit der Aufführung des „Poet auf dem Land“ nahm am 26. Juni 1764 die Koch’sche Periode des Dresdener Theaters ihren Anfang. Leider sollte sich Koch’s Meinung von Dresden, daß es nicht im Stande sei eine Truppe „und besonders die meinige“ zu ernähren, bewahrheiten, die Ausgaben überstiegen die Einnahmen, so daß der Contract am 16. Juni 1765 nicht erneuert wurde. K. spielte zwar noch bis September d. J. in Dresden, zog aber dann, von ausländischen Comödianten verdrängt, nach Leipzig zurück. Hier eröffnete er am 6. October 1766 mit Schlegel’s „Hermann“ und Regnard’s „unvermuthete Rückkehr“ ein neues, für damalige Zeit gutes und geschmackvolles Schauspielhaus und spielte nun bis zum 18. October 1768 ununterbrochen in Leipzig, um dann, durch Spielbeschränkungen in seiner Existenz bedroht, sich in Weimar einen neuen Wirkungskreis zu schaffen. Von nun an begegnen wir ihm fast nur noch während der Messen in Leipzig, 1771 zum ersten Male in Berlin, nachdem es ihm gelungen war das durch den Tod Schuch des Jüngeren frei werdende preußische Privilegium zu erhalten. Mit den Vorstellungen, die K. im Winter 1773 in Leipzig gab, scheint sein Wirken in dieser Stadt den Abschluß gefunden zu haben. Rivalität mit anderen Principalen einer-, Vortheile, die ihm in anderen Städten geboten wurden andererseits, hatten ihn dem Ort seines einst so bemerkenswerthen Schaffens entfremdet. Wie früher in Leipzig, so errang er sich nun auch in Berlin den allgemeinsten Beifall und wurde so sehr ausgezeichnet, daß er sich dadurch ermuthigt fühlte den König um Beförderung seiner Mitglieder zu Hofcomödianten anzugehen. Wenn auch der König diesem Ansuchen nicht willfahrtete, so gedachte er doch K. einen Titel zu verleihen, was dieser aber abschlug, da er nicht seine Person, sondern seine ganze Truppe geehrt wissen wollte. Im April 1774 war es K. beschieden Goethe’s „Götz von Berlichingen“ in Berlin zum ersten Male zur Aufführung zu bringen, wenige Monate später, am 3. Januar 1775, starb er und wurde nun seine Gesellschaft, mit der er vordem auch in Königsberg, Breslau und Magdeburg Vorstellungen gegeben hatte, bis zum 15. April 1775 in Berlin von seiner Wittwe fortgeführt. Der deutsche Merkur sagte von dem Verstorbenen: K. ist nicht wie Molière begraben worden, vielmehr haben viele Herren des Hofes, einige seiner Freunde und alle männlichen Mitglieder der Gesellschaft seinen Sarg begleitet. Doebelin und Burmann besangen ihn und der letztere schrieb: „Koch’s Bühne war aus mehr als einem Betracht eine der schönsten und auserlesensten in Deutschland. Nie hat sich wol ein Theater den Beifall Berlins allgmeiner erworben, als dieses. Verschiedene Jahre hindurch hat er mit ununterbrochenem Beifall eine Stadt lehrreich und angenehm unterhalten, welche den guten Geschmack erblich zu haben scheint.“ Tadelnd äußert sich Burmann dagegen über Koch’s Einführung des sogen. Spielhonorars in der Oper. Der Vollständigkeit wegen muß noch angeführt werden, daß K. auch eine Reihe von Pro- und Epilogen, ebenso unterschiedliche Dramen selbst verfertigte.

[383] Vgl. u. A. die an Notizen über K. reiche Chronologie des deutschen Theaters (1775), für seine Leipziger Wirksamkeit Blümner’s Geschichte des Theaters zu Leipzig (1818), für die Dresdener Fürstenau’s Mittheilungen im 3. Jahrg. des Almanach der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger (1875), für die Hamburger Schütze’s Hamburgische Theater-Geschichte (1794), für die Weimarische Pasqué, Goethe’s Theaterleitung in Weimar (1863), für die Berliner Plümecke’s Entwurf einer Theatergeschichte von Berlin (1781), Teichmann’s Literarischer Nachlaß (1863) u. A. Ferner Schildereyen der Kochischen Bühne (1755), Gegenschilderung zu dieser Schrift (1755), Vernünftige Gedanken über den Zustand der Kochischen Bühne (1755), Freundliche Erinnerung an die Kochische Schauspielergesellschaft (1766), Bertram, Ueber die Koch’sche Schauspielergesellschaft, aus Berlin an einen Freund (1771) und Beantwortung des Schreibens von einem Freund aus Halle (1771). – Ein treffliches Bild Koch’s, von Geyser gestochen, findet sich vor dem 18. Bande der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften.