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ADB:Tassius, Johann Adolf

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Artikel „Tassius, Johann Adolf“ von Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 411–413, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tassius,_Johann_Adolf&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 10:13 Uhr UTC)
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Tassius: Johann Adolf T., Mathematiker und Naturforscher, geboren 1585, † am 4. Januar 1654 in Hamburg. Die Angaben über Tassius’ Geburtsort lauten verschieden. Während neuerdings (Guhrauer, Joach. Jungius S. 67; Avé-Lallemant, Jungius’ Briefwechsel S. 30 und Jungius’ Leben S. 7 und das Hamburger Schriftstellerlexikon VII, 364) Verden als Geburtsort angegeben wird, nennen Moller (Cimbr. lit. II, 884) und Lambeccius (Fabricius, Mem. Hamb. III, 72) Vörde, oder wie gegenwärtig der Ort genannt wird, Bremervörde, als solchen. Diese Angabe wird richtig sein und aus Verwechselung des heute unbekannteren Vörde mit dem bekannteren Verden der Irrthum entstanden sein. Ueberdies findet diese Annahme ihre Bestätigung durch die Stellung von Tassius’ Vater. Derselbe, Joachim Tassius, war der langjährige und verdienstliche Secretarius des Erzbischofs von Bremen. Dessen Residenz war aber Vörde, zumal weder der vor 1585 regierende Erzbischof, noch der am 18. April 1585 zum Erzbischof erwählte zehnjährige Johann Adolf, Herzog von Schleswig- Holstein-Gottorp, zugleich auch Bischof von Verden gleich manchem ihrer Vorgänger waren. Vermuthlich gab nun Joachim T. nach dem neuen Erzbischof seinem Sohn dessen Vornamen Johann Adolf. Für das umsichtige Urtheil des Vaters zeugt es, daß er T. auf das damals vor andern gelehrten Anstalten sich auszeichnende Katharineum in Lübeck sandte, das unter der Leitung des Otto Gualtperius stand, eines Gelehrten von ausgebreitetem Ruf. Für Tassius’ ganze Entwicklung und Lebensführung war es aber von entscheidender Bedeutung, daß er hier bereits mit dem nur zwei Jahre jüngeren Joachim Jungius befreundet wurde. Zu den Schülern, denen Jungius, selbst noch Zögling des Katharineum, Vorlesungen über die Dialektik des Ramus hielt, gehörte auch T. Im Jahre 1611 im August wurde er in Rostock immatriculirt. Auf der Universität zu Heidelberg, im näheren Umgang mit Janus Gruterus (s. A. D. B. X, 68) bildete T. sich zu einem geachteten Kenner der griechischen Litteratur heran (Guhrauer a. a. O. S. 67). Vielleicht schon in Tübingen, wohin er sich 1618 begab, hat er Joh. Valentin Andreae kennen gelernt, der T. als einen literatissimus et politissimi ingenii et stili rühmt und noch im J. 1637 zu seinen Freunden zählt. Die gegenseitige Freundschaft und Hochachtung beider [412] Männer war so fest begründet, daß nach Guhrauer (a. a. O. S. 67) T. am meisten zum Vermittler berufen war zwischen Andreae, Jungius und anderen „auf dem tiefen Grunde der Religion und wahrer Aufklärung eng verbundenen Reformatoren ihres Jahrhunderts.“ Gleich Jungius wählte T. die Mathematik und die Erscheinungen der Natur zum Gegenstand seines Studiums. Reisen nach Frankreich, Italien, England und den Niederlanden dienten zu seiner Ausbildung; hier galt er zu den Zeiten Descartes als anerkannte Autorität in der Mathematik. Ehe T. eine feste Anstellung erlangte, wechselte sein Aufenthalt zwischen Lübeck, Lüneburg und Rostock. Als Jungius hier seine Societas ereunetica (s. A. D. B. XIV, 723), die erste wissenschaftliche Gesellschaft in Deutschland, ins Leben rief, gehörte T. zu ihren Mitgliedern. Hinfort ist keiner mit Jungius so eng verbunden als T. „Beide sind zwei so in einander verwebte Naturen, wie es kaum je zwei Männer gegeben hat, zwei Dioscuren der Wissenschaft von der edelsten Art, recht eigentlich zwei Zwillingsbrüder eines Geistes“ (Avè-Lallemant, Jungius’ Briefwechsel 31). Während Jungius die Universität Rostock wegen der Pest verlassen hatte, befand sich T. in Wolfenbüttel in der Umgebung des „Proprinceps“ Ernst v. Steinberg, der als Statthalter der braunschweigischen Lande auch die Angelegenheiten der Universität Helmstedt zu verwalten hatte. Hier betreibt T. die Berufung des Jungius als Professor nach Helmstedt, und hofft, selbst auch eine gleiche Stellung zu erlangen. Am 16. September 1624 schreibt er von sich an Jungius aus Wolfenbüttel: „Auch ich werde leicht eine Professur erlangen“. Ob er dies Ziel erreicht hat, erscheint fraglich. Avé-Lallemant (a. a. O. S. 49) ist der einzige unter den Biographen Jungius’, welcher auch T. einen Professor in Helmstedt nennt. Vielleicht hat er dort nur Privatvorlesungen gehalten. Darauf scheinen doch die Lobeserhebungen des Helmstedter Professors Hornejus (s. A. D. B. XIII, 148) hinzuweisen, die noch im J. 1639 ein Schüler des T. und des Jungius erwähnt, indem er berichtet: „An Herrn Tassius pries Hornejus höchlichst seinen seltenen Fleiß und seine Gelehrsamkeit, und sagte, er hätte manche junge Männer gekannt, welche nicht geringfügige Kenntnisse aus dessen Vorlesungen mitgebracht hätten.“ Freilich lassen sich diese Worte ja auch auf die Wirksamkeit beziehen, die T. damals in Hamburg ausübte. Jedenfalls ist Tassius’ Bleiben in Helmstedt nicht von langer Dauer gewesen; denn 1625 war die Universität Helmstedt durch die Anwesenheit von Tilly’s Scharen so gut wie aufgelöst. Wir finden T. in den folgenden Jahren in Lüneburg, als sich Jungius für sich und seinen Freund um eine Professur am Akademischen Gymnasium in Hamburg bei deren gemeinschaftlichem Freunde, dem Syndikus Garmers, bewarb. Dessen Antwort vom 1. November 1626 lautete wenig erfreulich, er meinte nämlich, das Gymnasium scheine den Geist aufgeben zu wollen und ein anständiges Begräbniß zu erwarten. Als aber in Hamburg die Zeiten sich gebessert hatten und gegen Ende des Jahres 1628 Jungius zum Professor der Physik an der genannten Anstalt ernannt worden war, und der Syndikus vierzehn Tage lang in politischen Angelegenheiten in Lüneburg verweilt hatte, erfolgte am 19. Februar 1629 die Berufung des T. als Professor der Mathematik an das Akademische Gymnasium in Hamburg. Von da ab wirkte T. in ungetrübter Harmonie mit Jungius zusammen fast ein Vierteljahrhundert. Und wenn auch Jungius derjenige ist, dessen Name von den Zeitgenossen und der Nachwelt viel häufiger genannt worden ist, dessen Gedächtniß auch durch eine Anzahl bedeutender Schüler gefeiert worden ist, so gedenken gerade diese in ihrem Briefwechsel mit ihm stets mit gleicher Liebe und Verehrung seines Freundes T. Nur wenige mathematische Abhandlungen hat T. veröffentlicht, aber seine nachgelassenen Manuscripte der Bibliothek des Akademischen Gymnasiums hinterlassen mit der Verfügung, daß sie seinem jedesmaligen [413] Nachfolger sollten überliefert werden. Einer derselben, Professor Heinrich Sivers (s. A. D. B. XXXIV, 431), hat sie veröffentlicht. T. besaß eine hervorragende Sammlung mathematischer Instrumente und Bücher, die schon 1640 die Aufmerksamkeit der Stadt Lübeck so auf sich zog, daß sie Willens war, sie zu erwerben. Allein T. gönnte, wie der Syndikus Bruder Pauli damals im Senat erklärte, sie lieber der Stadt Hamburg und begehrte nur eine jährliche Rente von 60 Thalern von der Stadt, so lange er und seine Frau lebten. Unter dieser Bedingung wurden seine Sammlung und Bibliothek von der Stadt erworben. Fast siebzigjährig beschloß T. am 4. Januar 1654 sein Leben, seine Frau Agneta, die Tochter des Lübecker Kaufmanns Bernhard Winterkamp, die er 1632 geheirathet hatte, als kinderlose Wittwe zutücklassend. Seinen Collegen und ehemaligen Schüler Peter Lambeccius (s. A. D. B. XVII, 533) hatte er gebeten, die Gedächtnißrede auf ihn zu halten. Doch wurde diese Art der Feier als eine Neuerung vom Senate untersagt. Dem ist es wohl zuzuschreiben, daß nur der Anfang der Lambeccius’schen Rede sich erhalten hat, die bei Tassius’ Schuljahren in Lübeck abbricht, so daß über seinen Helmstedter Aufenthalt auch aus dieser Rede nichts zu entnehmen ist.

Außer den bereits angeführten Arbeiten ist über T. noch zu vergleichen das Hamb. Schriftstellerlexikon, das ein Verzeichniß und einen Hinweis auf seine Schriften enthält. – Petersen, Geschichte der Hamb. Stadtbibliothek S. 24. 31. Hamburg 1834. – Einige Briefe von ihm und an ihn in der Uffenbach’schen und Wolf’schen Briefsammlung auf der Hamb. Stadtbibliothek.