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ADB:Trendelenburg, Friedrich Adolf

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Artikel „Trendelenburg, Friedrich Adolf“ von Arthur Richter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 569–572, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Trendelenburg,_Friedrich_Adolf&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 02:41 Uhr UTC)
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Band 38 (1894), S. 569–572 (Quelle).
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Trendelenburg: Friedrich Adolf T., Philolog und Philosoph, geboren am 30. November 1802 zu Eutin, gestorben an den Folgen des Schlagflusses am 24. Januar 1872 in Berlin, war der Sohn des Hochfürstlichen Postcommissarius Friedrich Wilhelm T. zu Eutin, eines durch juristische Studien und Reisen vielfach gebildeten Mannes, der, um ein Hauswesen zu begründen, in das Verwaltungsfach übergetreten war. Seine Schulbildung genoß T. auf dem Gymnasium zu Eutin, das allerdings noch sehr mangelhaft eingerichtet war, in seinem Rector G. L Koenig (A. D. B. XVI, 508) aber eine durch philologische und philosophische Studien, namentlich der Schriften Kant’s, hochgebildete Persönlichkeit besaß. Er verstand es durch seine Unterrichtsweise, die mehr einem Privat- als Schulunterricht glich, sehr energisch und nachhaltig auf seine Schüler zu wirken[WS 1]. Außer ihm war Detl. Joh. Wilh. Olshausen (A. D. B. XXIV, 322), seit 1815 Superintendent des Fürstenthums Lübeck, von Einfluß, wie auf die Eutiner Schule überhaupt, so auch auf Trendelenburg’s Entwicklung. Ostern 1822 bezog T. die Universität Kiel mit der Absicht, sich im historisch-philologischen Fach für das Lehramt an höhern Schulen durch gründliche Studien vorzubereiten. Sein eigentliches Berufsstudium war die Philologie, in der er sich an Wachsmuth anschloß. In der Philosophie hörte er Karl Leonhard Reinhold und Johann Erich v. Berger. Mit Geschichte beschäftigte er sich unter Dahlmann’s Leitung, auch hörte er eine Zeit lang theologische Vorlesungen, doch traten diese Studien bald in den Hintergrund. Michaelis 1823 begab sich T., angezogen durch Gottfried Hermann und Spohn, nach Leipzig und vertiefte sich hier ganz in das Studium des classischen Alterthums. Michaelis 1824 bis Ostern 1826 vollendete [570] er dann seine Studien an der Universität Berlin. Boeckh und Buttmann waren in der Philologie seine Lehrer, in der Philosophie wurde er vorzugsweise durch Schleiermacher angezogen, daneben hörte er Hegel, über dessen Philosophie er äußerte: „ich besorge, daß Klarheit und Wahrheit in Wissenschaft und Leben durch sie nicht werde gefördert werden“. Als Frucht seiner Studien ist die geschätzte Abhandlung anzusehen: „Platonis de ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata“, Lipsiae 1826, auf Grund deren ihm die philosophische Facultät der Universität Berlin am 10. Mai 1826 die philosophische Doctorwürde ertheilte. Sie schlägt den richtigen, seitdem vielfach mit Erfolg betretenen Weg ein, den Aristoteles als historische Quelle und kritische Norm bei Darstellung der Geschichte der griechischen Philosophie zu verwerthen. Am 7. Juli 1826 erwarb sich Tr. die facultas docendi in den alten Sprachen und in der Geschichte für obere Gymnasialclassen, doch hat er die oft lange Laufbahn des praktischen Dienstes im höheren Schulfach bis zu einer Oberlehrerstelle nicht durchgemacht. – Durch die Vermittlung des Ministerialraths Johannes Schulze wurde er von 1826–33 Erzieher des einzigen Sohnes des Generalpostmeisters und Bundestagsgesandten v. Nagler in Frankfurt a. M., des Schwagers des preußischen Cultusministers v. Altenstein. Er förderte durch eine siebenjährige, gewissenhafte und ersprießliche pädagogische Thätigkeit seinen Zögling so weit, daß derselbe die Reifeprüfung für wissenschaftliche Studien wohl bestand. Während dieser Zeit veröffentlichte T. ein paar pädagogische und philologische Aufsätze in Zeitschriften und drei Recensionen in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik,[WS 2] auch arbeitete er fleißig an einer Ausgabe und einem Commentar zur Schrift[WS 3] des Aristoteles über die Seele. Als seine Stellung im Hause v. Nagler’s zu Ende gegangen war, hielt es v. Altenstein für das räthlichste, ihn aus eigner Initiative zum außerordentlichen Professor an der philosophischen Facultät der Berliner Universität zu ernennen und ihn neben der Professur auch in den Bureaus des seiner Leitung anvertrauten Ministeriums zu beschäftigen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu der Stelle eines Schulraths gehörig vorzubereiten. T. führte sich nun im Sommersemester 1833 mit der Abhandlung „De Aristotelis categoriis“, Berl. 1833, deren Grundgedanke vielfach bestritten ist, in das akademische Lehramt ein und ließ im Laufe des Jahres seine durch philologische und philosophische Gelehrsamkeit schätzbare Schrift: „Aristotelis de anima libri tres“, Jenae 1833 (II. Ed. von Ch. Belger, Berol. 1877) erscheinen. Die Kenntniß der gesammten Philosophie des Aristoteles ist darin zur Erklärung einer kleinen Schrift desselben auf das gründlichste verwendet. Trendelenburg’s erste Vorlesungen bewegten sich auf dem der Philologie und Philosophie gemeinsamen Gebiete und gehörten der Geschichte der Philosophie an; seit 1835 jedoch begann er einzelne philosophische Disciplinen, zunächst die Logik, selbstständig zu bearbeiten und vorzutragen. 1835 trat er als ordentliches Mitglied in die wissenschaftliche Prüfungscommission für die Candidaten des höheren Schulamts in Berlin im Fache der Pädagogik ein. Für den Zweck des Unterrichts in der sogenannten philosophischen Propädeutik, die seitdem so ziemlich vom Lehrplan der Gymnasien verschwunden ist, gab er 1836 seine „Elementa logices Aristoteleae“ heraus (I. Ausgabe Berlin 1836, II. 1842, III. 1845, IV. 1852, V. 1862, VI. 1868. Erläuterungen dazu Berlin 1842, II. Ausgabe 1862), welche viel gebraucht sind, deren pädagogischer Werth aber vielen Bedenken unterliegt. Auch haben sie ihren Verfasser nicht lange überlebt. Im gleichen Jahre 1836 schloß Tr. mit der jüngsten Tochter Fernande seines väterlichen Freundes, des Sprachphilosophen Karl Ferdinand Becker, eine sehr glückliche Ehe, aus der sechs Töchter und ein Sohn hervorgingen. Als im folgenden Jahre Heinrich Ritter von Kiel nach Göttingen berufen wurde, wurde T. als dessen Nachfolger in Kiel [571] in Aussicht genommen. Um ihn für Preußen zu erhalten, wurde im Juli 1837 seine Professur in eine ordentliche Professur für praktische Philosophie und Pädagogik verwandelt. Er trat sie mit der Abhandlung „De Platonis Philebi consilio“ an. Diese Stellung hat T. bis zu seinem Tode bekleidet. Aus der geschlossenen Einheit eines sittlich tüchtigen Charakters heraus entfaltete er eine sehr vielseitige Thätigkeit und bewährte sich darin als gründlicher und sorgfältiger Gelehrter, als gewissenhafter Lehrer, als pflichtgetreuer und geschickter Beamter, dem es nicht an großen Erfolgen fehlte und der allseitige Hochachtung und Anerkennung genoß. Sehr weitgreifend war zunächst seine Thätigkeit als akademischer Lehrer, trotz einer nicht gerade interessanten Vortragsweise. Er las über diejenigen Fächer der Philosophie, welche der Lehrerbildung zur Grundlage dienen, allerdings mehr der Lehrer, welche dem philologisch-historischen Wissenskreis angehören, als der Mathematiker und Naturforscher. Ausgehend von der Erklärung platonischer und aristotelischer Schriften und der Geschichte der Philosophie, namentlich der Geschichte der alten Philosophie, nahm T. zunächst 1835 unter dem Namen der Logik eine Verbindung von Metaphysik und Logik in den Kreis seiner Vorlesungen auf, die er freilich früher lehrte, ehe sie sich allgemeinere Zustimmung und Anerkennung errungen hatte, ein Verfahren, das, wenn auch ziemlich verbreitet, doch seine großen Bedenken gegen sich hat. Seit 1836 las er über Pädagogik, seit 1837 die philosophische Ethik unter Hervorhebung der Rechtsphilosophie, 1840 begann er über die Psychologie zu lesen. Die Naturphilosophie, die Aesthetik, die Religionsphilosophie, wie die philosophische Encyklopädie fehlen im Umkreis seiner Vorlesungen. An letztere schlossen sich auch sogenannte philosophische Uebungen meist auf Grundlage aristotelischer Schriften an, welche die Weise der sogenannten philologischen Seminarien auf die Philosophie übertragen und besser wohl durch eine Societät mit Anleitung zur Lectüre philosophischer Werke und Abfassung philosophischer Arbeiten zu ersetzen sind, wobei Bücher und Themata aus den verschiedenen classischen Epochen der Philosophie gewählt werden müssen. Auf die Angelegenheiten der Berliner Universität, wie der philosophischen Facultät übte T. einen großen Einfluß aus. Er war dreimal Rector der Universität, fünfmal Decan der philosophischen Facultät und solange Mitglied des Senats, als dieses überhaupt zulässig ist. – Im Zusammenhang mit seinem Lehramt war T. von 1835 bis 1866 ordentliches Mitglied der königl. wissenschaftlichen Prüfungscommission, auch eine Zeit lang Director derselben. Die allgemeinen Bestimmungen über die Prüfung in der sogenannten allgemeinen Bildung, im philosophischen und pädagogischen Fache verdanken seinen Rathschlägen ihren Ursprung, doch machen sie gegenwärtig manche Aenderungen dringend wünschenswerth. Wie in dieser Angelegenheit, so wurde Tredelenburg’s Rath und sein Gutachten in vielen Fällen von der höchsten Unterrichtsverwaltung in Anspruch genommen, auch bei Besetzung von Stellen wurde er vielfach gefragt und war die entscheidende Persönlichkeit. 1846 wurde T. zum ordentlichen Mitgliede der königl. preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt und am 1. Juli eingeführt. Er übernahm es, die Geschichte der Philosophie in derselben zu vertreten und stellte dabei seine Thätigkeit unter den Schutz der Erinnerung an Leibniz und Schleiermacher. 1847 wurde ihm das Secretariat der philosophisch-historischen Classe übertragen, das er bis August 1871 mit großer Umsicht und Sorgsamkeit geführt hat. Er hatte demnach nicht nur wissenschaftliche Abhandlungen in der Akademie zu lesen, sondern auch die neu eintretenden Mitglieder zu begrüßen und die Reden an den wissenschaftlichen und patriotischen Gedenktagen zu halten. Die meisten seiner historisch-kritischen Aufsätze und Abhandlungen, die er in der Akademie gelesen hat, sind in den historischen Beiträgen zur Philosophie enthalten. Der erste Band erschien 1846 [572] gleichzeitig mit der Aufnahme in die Akademie. Er enthält eine gründliche Untersuchung über die Kategorienlehre, der zweite Band folgte 1855, der dritte 1867 nach. Diese Abhandlungen gruppiren sich um die Namen Aristoteles, Spinoza, Leibniz, Kant und Herbart, sind der Methode der Forschung nach als musterhaft zu bezeichnen und begründen das Urtheil, daß, wenn T. auch keine Bearbeitung einer ganzen Periode der Geschichte der Philosophie veröffentlicht hat, doch im Gebiet der Geschichte der Philosophie seine größte wissenschaftliche Bedeutung zu suchen ist. Die Vorträge an den Gedenktagen, wie einige andere kleinere Abhandlungen sind in der Sammlung: „Kleine Schriften“, Leipzig 1871, 2 Bde., enthalten. In der systematischen Philosophie hat T. zwei Versuche veröffentlicht, die zwar als fleißige und sorgfältige Forschungen überall anerkannt sind, aber gerade in ihren grundlegenden Behauptungen, selbst von den Freunden Trendelenburg’s nur Widerspruch erfahren haben. Es sind dies „Die logischen Untersuchungen“, 2 Bde., 1840, 1862, 1870, und „Das Naturrecht auf dem Grunde der Ethik“, 1860, 1868. Wenn T. die antike Weltansicht eines Platon und Aristoteles zur Grundlage seiner Philosophie macht, so vergißt er, daß die moderne Physik sich im Gegensatz gegen die Aristotelische entwickelt hat, und daß das moderne sociale, politische und kirchliche Leben andere Voraussetzungen für die neuere Ethik darbietet, als sie im griechischen Volksleben für die Ethik des Platon und Aristoteles vorhanden waren. Von Trendelenburg’s sonstigen Hypothesen hat namentlich die Idee einer constructiven Bewegung, worauf das Erkennen des Realen beruhen soll, nicht viel Anhänger gefunden.

Noch ist als Beweis des Vertrauens, das T. genoß, zu erwähnen, daß er von 1849–51 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses war. Er vertrat mit besonnener Mäßigung die nationale Politik und legte sein Mandat nieder, als es ihm nicht vergönnt war, für ein deutsches Preußen zu wirken. – Auch sonst fanden seine Verdienste durch Verleihung hoher Orden, zuletzt des Ordens pour le mérite, noch äußere Anerkennung. Er war Ehrendoctor der Rechte und der Theologie und Mitglied vieler gelehrter Körperschaften, z. B. seit November 1859 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu München. – Ueber Recht und Unrecht in seinem Streit mit der Hegel’schen und Herbart’schen Schule sind die Acten noch nicht abgeschlossen.

Tr. wurde am 21. Januar 1870 von einem leichten Schlaganfall getroffen. Zwar genas er so weit, daß er seine Thätigkeit theilweise wieder aufnehmen konnte, doch starb er infolge wiederholten Schlaganfalls am 24. Januar 1872 und wurde auf dem Neuen Domkirchhofe in Berlin am 27. Januar bestattet.

Kleinert, Grabrede. Berlin 1872. – H. Bonitz, Zur Erinnerung an F. A. Trendelenburg. Berlin 1873. – C. Prantl, Gedächtnißrede. München 1873. – E. Bratuscheck, Biographie. Berlin 1873. (Etwas überschwänglich.)


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zuwirken
  2. Vorlage: Kritikt (Komma hinzugefügt)
  3. Vorlage: Schrif, (vergleiche Zeilenende oberhalb)