ADB:Trieps, Eduard

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Artikel „Trieps, Eduard“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 601–605, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Trieps,_Eduard&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Trieps: Jacob Peter Eduard T., Jurist und Staatsmann, wurde am 31. März 1811 in Braunschweig geboren, † 1884. Sein Vater, der das Gewerbe eines Korbmachers betrieb, war aus Magdeburg zugezogen, eines Unterofficiers Sohn und katholischer Religion († 1832). Seine Mutter Joh. Dorothee Henriette geb. Pell, aus Braunschweigischen Bürgerkreisen stammend, war eine ernst religiöse Natur und auf den Sohn von großem Einflusse († am 5. Oct. 1842). Die Eltern lebten in ärmlichen Verhältnissen, doch fanden sich bald edle Herzen, die dem talentvollen Knaben, der evangelisch-lutherisch getauft und erzogen wurde, eine höhere Laufbahn ermöglichten. Der verdienstvolle Leiter der östlichen Bürgerschule Braunschweigs, Karl Aug. Daubert, erkannte bald seine ungewöhnliche Befähigung und fand Mittel und Wege, die ihm den Uebergang auf das Gymnasium gestatteten, wo Friedemann insbesondere sein anregender Lehrer war, und später auf das Collegium Carolinum, wo er den Unterricht von Petri, Emperius, Griepenkerl (mit dessen Sohne, dem Dichter Rob. G. er im Verkehre stand), Henke u. A. genoß. Dieses besuchte er von Michaelis 1829 bis Ostern 1831. So auf das gründlichste in den humanen Wissenschaften sowie in der Mathematik ausgebildet und mit einem glänzenden Reifezeugniß versehen, bezog er im Mai 1831 die Universität Leipzig, um sich den Alterthumswissenschaften zu widmen. Da dieses Studium ihm aber bald nicht mehr zusagte, so siedelte er für das folgende Semester nach Jena über, wo er nun mit Eifer Rechtswissenschaften studirte. Er hörte bei Francke Institutionen und Pandekten, daneben bei Fries aber auch Philosophie, mit der er sich im Vereine mit seinem Freunde Heinr. Schleiden eingehend beschäftigte. Im October 1832 ging er nach Göttingen, wo er noch drei Semester blieb und sich besonders an Professor Albrecht anschloß, dessen er sich stets mit Dankbarkeit erinnerte. Er löste hier eine Preisaufgabe über das Thema: „quae in definiendo tempore, quo initium capiat ius pignoris, consideranda sint“ mit bestem Erfolge; zu einem Drucke der Schrift, mit der er später (9. Aug. 1887) in Jena die Doctorwürde sich erwarb, ist es nicht gekommen. Im Jahre 1834 kehrte er nach Braunschweig zurück und bestand am 5. December die erste juristische Prüfung in vorzüglicher Weise. Er hatte sich damit das Recht der Advocatur erworben, die er, schon um sich den Lebensunterhalt zu gewinnen, sogleich ausübte; unterm 3. März 1835 wurde er zum Notar ernannt. Bei seiner Meldung zum zweiten Examen (Febr. 1837), das zur Erlangung einer Richterstelle erforderlich war, erfuhr er einige Weiterungen, da er inzwischen (Febr. 1836) wegen Theilnahme an burschenschaftlichen Bestrebungen in Untersuchung [602] gezogen worden war. Er hatte der Burschenschaft in Leipzig und der Arminia in Jena etliche Wochen als „Renonce“ angehört, sich aber, da er den studentischen Angelegenheiten überhaupt wenig Geschmack abgewinnen konnte, bald davon losgesagt und auf seine Studien zurückgezogen. Das Ministerium ließ ihn dann auch ohne Bedenken durch Rescript vom 8. Aug. 1837 zu der Prüfung zu, die er am 23. März 1839 wiederum mit Auszeichnung beendete. Noch in demselben Jahre (10. Oct.) vermählte er sich mit Auguste Daubert, der Tochter seines Wohlthäters. Seine Thätigkeit als Anwalt hatte inzwischen einen bedeutenden Umfang gewonnen; als Dr. Fr. (v.) Liebe (der spätere braunschweigische Ministerresident in Berlin) 1837 zum Kreisgerichtsassessor in Wolfenbüttel befördert wurde, übernahm er auch einen großen Theil von dessen Praxis. Er war ein ebenso gesuchter wie geachteter Anwalt, dabei aber nichts weniger als ein Mann, der seine Stellung geschäftsmäßig auszunutzen verstanden hätte. Dazu besaß er eine viel zu hohe Auffassung von seinem Berufe. Das Recht zu finden und zu vertreten, war ihm eine sittliche Pflicht; auf viele seiner handwerksmäßigen Collegen sah er vornehm herab. Als der Stadtdirector Wilh. Bode, mit dessen gleichnamigem Sohne T. von frühester Jugend an auf das innigste befreundet war, 1848 von seinem Amte zurücktreten wollte, wünschte er ihn zu seinem Nachfolger zu haben. Doch vereitelten die Hetzereien eines neidischen Collegen die Wahl, die dann auf einen Dritten fiel.

Von den sogenannten drei Standesclassen wurde Tr. 1845 in die Ständeversammlung gewählt, wo er in den tollen Jahren 1848 und 1849 in liberalem, constitutionellem Sinne wirkte und durch sein entschiedenes Auftreten, das von einer packenden Beredtsamkeit unterstützt wurde, vor allem die Entlassung des Geheimraths Fr. Schulz aus dem Staatsministerium durchsetzte, von den Uebertreibungen der äußersten Linken sich aber besonnen fern hielt. Durch die Stände gelangte er dann auf das Gebiet, das seinen Neigungen und Fähigkeiten wohl am meisten entsprach, in die höhere Richterlaufbahn, indem diese ihn für eine der beiden Stellen im herzoglichen Oberlandesgerichte zu Wolfenbüttel wählten, deren Präsentation ihnen damals verfassungsmäßig zustand. Unterm 12. Dec. 1849 ward diese Wahl von dem Herzoge Wilhelm bestätigt. Als am 1. Juli des folgenden Jahres die neue braunschweigische Gerichtsverfassung, insbesondere die Strafproceßordnung, an deren Berathung er im Landtage hervorragenden Antheil genommen hatte, in Kraft trat, war er für ein Jahr Substitut des Oberstaatsanwalts und als solcher insbesondere für die Einführung des Schwurgerichtsverfahrens in die Praxis thätig; er trat dann aber wieder ins Obergericht zurück, in dem er bis in das Jahr 1857 auf das erfolgreichste wirkte. Inzwischen hatte die braunschweigische Regierung auf Anregung der Handelskammer in Braunschweig beschlossen, ein Mitglied zu der Commission abzuordnen, die seit Anfang 1857 in Nürnberg ein allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch bearbeitete. Die Wahl fiel auf T., der unterm 19. Mai 1857 mit dieser Aufgabe betraut wurde. Er hat dann in Nürnberg und, als die Commission zur Berathung des 5. Theiles, des Seerechts, nach Hamburg übersiedelte, hier sich an den Arbeiten auf das wirksamste betheiligt. Die Gewandtheit, mit der er hier auch die ihm von Haus aus fern liegenden Verhältnisse des überseeischen Handels- und Weltverkehrs – ein Gebiet, für das ihm jedoch aus seiner Anwaltszeit eine gründliche Einsicht in den Geschäftsbetrieb der großen Braunschweigischen Handelshäuser eine gewisse Vorbereitung gab – schnell und sicher auffaßte und beurtheilte, erweckte die Aufmerksamkeit der Hanseaten und den Wunsch, die tüchtige Kraft in ihren Dienst zu ziehen. Seine Erfüllung wurde ihnen dadurch sehr erleichtert, daß T. doch etwas enttäuscht war, als er in Wolfenbüttel nach v. Schmidt-Phiseldeck’s Tode († am 5. Nov. 1856) die [603] Stelle des Oberstaatsanwalts nicht bekommen hatte. Er forderte und erhielt unterm 15. Nov. 1860 mit dem Ausdrucke des Bedauerns in Braunschweig seinen Abschied und wurde Mitglied des Obergerichts zu Hamburg. Gleich darauf wurde er von hier nach Nürnberg gesandt, um jetzt als Hamburgischer Abgeordneter dort an der 3. Lesung des ganzen Handelsgesetzbuches Theil zu nehmen. Als die drei Staaten Oesterreich, Preußen und Baiern die meisten der hier von den Mittel- und Kleinstaaten aufgestellten Fragen von vornherein verwarfen, verfaßte T. zwar gegen dieses gewaltsame Vorgehen einen scharfen Protest, trat dann aber doch dem so beschleunigten, wenn nicht erst ermöglichten praktischen Ergebnisse bei, indem er das Gesetz in einem ausführlichen Berichte, den er in Gemeinschaft mit Dr. Versmann u. A. an den Hamburger Senat erstattete, zur Annahme empfahl. Diese fand dann auch statt und das war wohl der Anlaß, daß viele schwankende Staaten dem Vorgange sich anschlossen. In die Zeit seines ersten Hamburger Aufenthalts fällt eine seiner wenigen in Druck erschienenen Arbeiten, ein Vortrag: „über Nationalität und Einheit des bürgerlichen Rechts“ (Hamburg 1860), in dem er in geistvoller Weise Wünsche und Forderungen aussprach, deren Erfüllung wir jetzt entgegengehen.

Trotz der geachteten Stellung, die er in Hamburg einnahm, sehnte er sich doch nach der Heimath, an der er mit Liebe und Treue hing, zurück, und als ihm nach Breymann’s Tode († am 18. Juni 1863) die Stelle des Obergerichtspräsidenten in Wolfenbüttel angeboten wurde, nahm er diesen Ruf mit Freuden an und brach die Verhandlungen ab, die zugleich über seinen Eintritt in das Oberappellationsgericht zu Lübeck schwebten. Seine Anstellung in Wolfenbüttel erfolgte unterm 4. Aug. 1863. Von allgemeinerer Bedeutung ist aus der zunächst folgenden Zeit das von ihm abgefaßte Gutachten über die Frage der Theilbarkeit der Bauergüter, das unterm 6. März 1866 von dem Plenum des Herzogl. Obergerichts an das Ministerium erstattet, und in der mit Entschiedenheit aus Gründen des Rechts wie der Staatswohlfahrt für ihre Geschlossenheit eingetreten wurde. Es ist erst im Jahre 1872 ohne Nennung des Verfassers unter dem Titel „Theilbarkeit oder Geschlossenheit der Bauergüter?“ veröffentlicht worden, als diese Frage aufs neue auf der Tagesordnung der Landesversammlung stand. Anfang des Jahres 1868 wurde er nach Berlin in die Commission berufen, die für den Norddeutschen Bund eine neue Civilproceßordnung entwerfen sollte, doch schied er wegen Meinungsverschiedenheiten, in die er hier gerieth, nach etwa anderthalbjähriger Thätigkeit wieder aus ihr aus. Unterm 22. Mai 1869 wurde er zum Mitcurator der Verwaltung des Vermögens Herzog Karl’s ernannt und als dieser wenige Jahre darauf starb († am 19. Aug. 1873) hat er mit dessen Erbin, der Stadt Genf, als Vertreter des regierenden Herzogs Wilhelm die Verhandlungen in kurzer Zeit in einer beide Theile völlig befriedigenden Weise zu Ende geführt. Hierdurch kam er in nähere persönliche Beziehungen zu seinem Landesfürsten, dem die gewandte und vornehme Art, wie er die ihm etwas peinlichen Angelegenheiten erledigte, ausnehmend gefiel. Es hat dies wohl nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß nach dem Tode des Staatsministers Campe († am 14. Oct. 1874) T. als wirklicher Geheimer Rath unterm 5. Nov. 1874 in das Ministerium berufen wurde, wo er das Departement der Justiz und des Cultus erhielt.

Wandte er hier, wie bei seinem Entwickelungsgange natürlich ist, sein Hauptinteresse auch der Justiz zu, so hat er doch auch das andere Gebiet keineswegs vernachlässigt. Insbesondere hat er sich um das Polytechnikum, das hauptsächlich durch sein energisches Eintreten und seine beredten Worte in den Verhandlungen der Landstände vor dem Untergange bewahrt wurde, wesentliche Verdienste erworben. Die Gymnasien entzog er – hier Anregungen, die vor [604] seinem Amtsantritte lagen, folgend – der Aufsicht des Consistoriums, indem er ihre Leitung, um sie in fachmäßige Hände zu bringen, der neuerrichteten Oberschulcommission übergab; doch trug er auch hier durch die Aufnahme eines tüchtigen Geistlichen in die Commission dem Interesse der religiösen Erziehung Rechnung. Noch mehr wollte er den christlichen Charakter der Volksschule gewahrt wissen und ließ er daher ihren Verband mit den kirchlichen Behörden in keiner Weise lockern. In kirchlicher Beziehung war er kein Parteimann, doch waren seinem juristischen Verstande und seiner geschichtlichen Auffassung feste Grundsätze sympathischer als unklare Gedanken; von Seiten der Liberalen ward später wohl nicht mit Unrecht von ihm behauptet, daß er die Orthodoxen begünstigt hätte. Mehr noch am Herzen lag ihm jedenfalls die Neuorganisation des Justizwesens, die auf Grund der Reichsgesetze zum 1. Oct. 1879 auszuführen war. Hier innerlich und äußerlich die Hoheit der Justiz zu wahren, betrachtete er als seine vornehmste Aufgabe. Von ihm selbst oder nach seinen Angaben und unter seiner Leitung wurden die zahlreichen Landesgesetze ausgearbeitet, die zur Einführung der neuen Reichsjustizgesetze erforderlich waren; bei dieser Arbeit unterstützte ihn besonders der damalige Obergerichtsrath Wilhelm Mansfeld, der, wie die „Ausführungsgesetze“ (Braunschw. 1879), auch die um diese Zeit erlassenen „Grundbuchgesetze des Herzogthums Braunschweig mit Motiven und Erläuterungen“ (Braunschw. 1878) herausgab. T. sorgte sodann – z. Th. nicht ohne lebhaften Widerspruch des Landtags, in dem sein energisches Auftreten eine vorher nicht gekannte Opposition hervorrief – für Errichtung würdiger Gerichtsgebäude, für angemessene Aufbesserung der Gehalte; auch durch strenge Auswahl unter den Anwärtern suchte er den Stand der Richter nach Möglichkeit zu heben und so den alten guten Ruf der braunschweiger Justizpflege auch für die Zukunft zu bewahren. Die Erhaltung eines selbständigen Oberlandesgerichts, die manchen ein kostspieliger Luxus däuchte, erschien ihm als eine staatliche Nothwendigkeit, da ihm seine Aufgabe im wesentlichen ein Verzicht auf die Justizhoheit und damit auch auf das wichtigste der durch die Reichsverfassung gewährleisteten Souveränitätsrechte bedeutet haben würde. Er aber hatte, wie der ihm befreundete Abt Dr. Thiele an seinem Sarge treffend hervorhob, „den Muth zu glauben, daß auch in der neuen Gestaltung des deutschen Reichs- und Staatsrechts ein kleines Land als Glied im Ganzen sehr wohl seine berechtigte Stelle finden und wahren könne, wenn es genugsam Zeugnis geben könne nicht nur über sein materielles Vermögen, sondern auch über die zur Selbstregierung erforderlichen geistigen Kräfte. Er traute das seinem Lande zu.“

Aus dieser Gesinnung ist auch das Regentschaftsgesetz vom 16. Febr. 1879 entstanden, das die Regierungsverhältnisse nach dem Tode des Herzogs Wilhelm sicher stellen sollte und in der Hauptsache ganz Trieps’ Arbeit ist. Frühere von Andern gemachte Versuche die Sache zu ändern waren gescheitert, da sie rein auf bestimmte Persönlichkeiten zugeschnitten waren. T. unternahm es zuerst die obschwebenden Fragen generell durch einen Zusatz zur Verfassung (der neuen Landschaftsordnung vom 12. Oct. 1832) zu regeln. So schaffte er einen festen Rechtsboden, der bei dem Tode des Herzogs die Möglichkeit bot, ohne äußere Störungen die Staatsverwaltung fortzuführen und die unzweifelhaften Rechte der Dynastie unter Berücksichtigung der realen Verhältnisse für die Zukunft sicher zu stellen. Das Gesetz ist, wie sich jetzt inzwischen herausgestellt hat, für Haus und Land Braunschweig von unberechenbarem Segen gewesen und läßt diesen auch für die Zukunft erhoffen. Neben dieser Thätigkeit wandte T. sein Interesse natürlich auch den anderen Zweigen der Staatsverwaltung zu, die zunächst in das Ressort der übrigen Minister gehörten, für die er aber bei dem collegialen [605] Charakter der obersten Staatsbehörde gleichfalls die Verantwortung glaubte mit übernehmen zu müssen. Er gerieth hierdurch zu seinen Collegen in einen gewissen Gegensatz, der seinen inneren Grund in einer verschiedenen Auffassung von dem Wesen und den Aufgaben des Staates und seiner Leitung hatte und insbesondere auch bei der Berathung über die Stellung des vierten nicht stimmberechtigten Mitgliedes des Ministeriums zum Austrage kam. Da T. seine Ansicht nicht durchzusetzen vermochte, so reichte er seinen Abschied ein, der ihm zum 1. Juli 1881 bewilligt wurde. Ungern ließ der Herzog ihn gehen und nach dem Abgange des Staatsministers Wilhelm Schulz (1. Oct. 1883) scheint er nochmals versucht zu haben, ihn in seinen Rath zurück zu bekommen.

T. lebte nun in Braunschweig äußerlich zurückgezogen in reger geistiger Arbeit, mit juristischen und philosophischen Studien beschäftigt. Leider hat er hier auf seinem Hauptfelde, der Jurisprudenz, wo Leute wie Thöl, Gerber, Wächter, Gneist u. A. ihn als ebenbürtigen Kenner achteten, kein abgeschlossenes Werk hinterlassen. Oeffentlich ist er, wenn wir von dem deutschen Schriftstellertage in Braunschweig im Jahre 1882 absehen, wo er den Vorsitz im Festausschusse führte, nicht wieder hervorgetreten. Bei voller geistiger und körperlicher Kraft machte ein Gehirnschlag am 5. Juni 1884 seinem Leben plötzlich ein Ende. Der schönen Worte Thiele’s an seinem Sarge, die im Drucke erschienen, ist oben bereits gedacht worden. Die Leiche wurde in Wolfenbüttel beigesetzt, wo seine Gattin ruhte, die ihm bereits am 4. Februar 1859 im Tode vorangegangen war. – T. war einer der seltenen bedeutenden Männer, bei denen Verstand, Gemüth und Herz in schönem Gleichmaße stehen. Mit einer hervorragenden Schärfe des Geistes, die auch die schwierigsten und fremdesten Verhältnisse schnell durchdrang und klar erfaßte, mit einer leidenschaftlichen Willenskraft, die mit urwüchsiger Gewalt der Schwierigkeiten Herr wurde, rastlos das Ziel verfolgte und Widerstand, der ihm unberechtigt erschien, schroff zurückstieß, mit einer reichen allgemeinen Geistesbildung und einer organisatorischen Schaffenskraft, die nicht am Einzelnen haftete, sondern das Ganze übersah und alle Angelegenheiten von einem hohen Gesichtspunkte überblickte und zurechtlegte, mit einer ungewöhnlichen dialectischen Gewandtheit und einer fesselnden Redegabe, die zu Herzen ging, weil sie von Herzen kam, verband er ein tiefreligiöses Gemüth, eine aufrichtige Herzensgüte, die überall gern half und Anderen lebenslang treue Dankbarkeit bewahrte, einen frohen, heiteren Sinn, der leicht in munterem Scherz und geistvollem Humor emporsprudelte und, zumal im Kreise alter Freunde, zu harmlos ausgelassener Freude sich hinreißen ließ. Hatte er auch Alles, was er geworden war, durch sich selbst und auf geraden Wegen erreicht, so hat er trotz dem berechtigten Selbstbewußtsein, das er bei der Offenheit seines Wesens nicht mit falscher Bescheidenheit zu verdecken suchte, sich niemals überhoben oder seine schlicht bürgerlichen Lebensgewohnheiten aufgegeben, wenn er auch dabei seiner Abneigung gegen Formen und Etiquettenwesen mitunter wohl etwas mehr, als klug und nöthig war, Ausdruck gab. Daß er ein lauterer Charakter war, der nur das allgemeine Beste im Auge hatte und selbstsüchtige Interessen nicht kannte, haben auch seine Gegner anerkannt, an denen es einem so entschiedenen Charakter wie ihm natürlich nicht fehlte. Unter den verdienten Staatsbeamten des Braunschweiger Landes wird ihm stets ein Ehrenplatz gebühren.