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ADB:Vogel, Wilhelm

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Artikel „Vogel, Wilhelm“ von Alexander von Weilen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 126–127, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vogel,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 01:25 Uhr UTC)
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Vogel: Wilhelm V., Schauspieler und Dichter, ist am 24. September 1772 in Mannheim aus guter Bürgerfamilie geboren, studirte Medicin, wandte sich aber dem Theater zu, unter Leitung Böck’s, kurze Zeit war er bei Schröder in Hamburg; 1794 ist er in Düsseldorf, wo er sich mit der Sängerin Catharina Dupont sehr jung verheirathete, mit ihr ging er nach Mannheim, wo er als Schauspieler Iffland’s Nachfolger wurde und sich mit einem Drama „Gleiches mit Gleichem“ als Theaterdichter glücklich einführte. Gegen Ende des Jahrhunderts zog er sich von der Bühne zurück und lebte als Schriftsteller und Professor der Declamation durch mehrere Jahre. Iffland bewog ihn zum Theater zurückzukehren, er übernahm 1798 die Straßburger Bühne, 1808 die Karlsruher, nachdem er dort von Seite der Intendantur financiellen Schwierigkeiten begegnete, dankte er ab, und zog sich bald darauf (1811) in die Schweiz zurück, von wo aus er verschiedene Kunstreisen, sogar bis Amsterdam, unternahm. Dann ging er nach Wien, wo seine Frau am Theater an der Wien engagirt wurde, seine litterarische Wirksamkeit wie ein Gastspiel in Berlin 1819 machten wieder auf ihn aufmerksam, 1822 wurde er zum Generalsecretär des Theaters an der Wien ernannt. In dieser Stellung wirkte er bis 1825 als maßgebender Rathgeber Palffy’s. Seine Bemühungen gehen zunächst dahin, das Theater zu heben. Er gewann Rott und den jungen Fichtner, den er energisch zu protegiren wußte, veranstaltete ein großes Gastspiel Eßlair’s, aber die Spektakelstücke waren nicht auszurotten und V. gibt bald willenlos nach, er bringt den berühmten Thierimitator Mayerhofer, englische Kunstreiter, Seiltänzer u. a. Intriguen seiner Gegner verwickeln ihn in einen Proceß wegen Veruntreuung, aus dem er nach Costenoble’s Versicherung glänzend gerechtfertigt hervorgeht. Die folgenden [127] Jahre lebt er als Privatmann in Wien, von Karlsruhe aus bringt er die talentvolle Sophie Reinecke nach Wien. Daselbst ist er am 15. März 1843 gestorben, ob wirklich in so großer Noth, wie Schlögl schildert, läßt sich nicht feststellen.

Wie in seiner Directionsführung die wenigen höheren Gesichtspunkte unter der gemeinen Speculation zu Grunde gehen, so auch in seiner dramatischen Production, deren Ausdehnung heute nicht mit Sicherheit mehr sich überblicken läßt. Eine Unzahl von Bearbeitungen aus dem Englischen, Französischen und Italienischen ist bis auf den Namen verschwunden. Er gehört zu den Lieferanten des Wiener Theaters wie Kurländer, Castelli und Andere. Zunächst begann er mit Ifflandiaden, in denen die Misère die gewöhnliche Hauptrolle spielt, ein wohlthätiger Unbekannter auftritt und die seltsamsten Erkennungen erfolgen (z. B. der Ersatz, gedruckt 1808). In diesem Sinne hat er auch Schröder’sche Stücke umgearbeitet, zum großen Verdrusse Costenoble’s. Dann geht er auch bei Kotzebue in die Schule, dessen Pagenstreiche er durch eine elende Posse: der letzte Pagenstreich (Prag 1828 gedruckt), ergänzt. Die Effecte werden immer raffinirter, die Handlung immer unwahrscheinlicher, Wahnsinn und seine Heilung in dem Drama: „Der Giftmischer“ (hschftl.) mit großen Rührscenen vorgeführt. „Ein Handbillet Friedrich’s II. oder Incognito-Verlegenheiten“ wurde von der Berliner Intendanz preisgekrönt (1843). Hier, wie oft, bringt V. Liebe zwischen Personen ungleichen Standes; fast ausnahmslos enthüllt sich im Laufe des Stücks eine geheimnißvolle hohe Abkunft für den niedriger Gestellten. Theatergeschick, wie ein wol sehr salopper, aber gut sprechbarer Dialog verhalfen vielen dieser Stücke zu Bühnenerfolgen, auch am Burgtheater, wenn eines einmal durchfiel, folgte sogleich ein neues nach. – Bei Iffland liegt auch der Ausgang für sein Ritterdrama, aber die Schicksalstragödie gibt meist den Vers, das Theater an der Wien die scenischen Effecte und die komischen Beigaben. So z. B.: „die Höllenbraut oder Liebesrache“ (hs.), in der das Motiv der Geschwisterliebe ganz nach Muster der Ahnfrau behandelt wird; das Räuberdrama „Salvatore Furioso, der Bandit von Ragusa, oder: die Ruine im Walde der Madonna“ (hs.), ein Sammelsurium der haarsträubendsten Effecte, sogar mit einer großen Wahnsinnsscene der weiblichen Hauptfigur; „Gertrude und Reinhold“ (gedruckt o. O. u. J.) ungemein deutschthümelnd mit einem Geheimbunde der „Männer des heimlichen Gemachs“, und viele andere. – E. T. A. Hoffmann’s Majorat dramatisirte er in seinem „Erbvertrag“ (gedruckt 1828); man kann sich die Gräuel schon nach Angabe der Quelle vorstellen; aber dieses Stück, im Burgtheater von 1825 ab 38 Mal gegeben, bot eine Paraderolle mit dem alten Diener Daniel, mit der La Roche bei seinem Gastspiele im Burgtheater 1832 großen Erfolg erzielte. V. behandelt dasselbe Thema etwas verändert in „Gewissens-Folter“, als Ritterstück mit noch unmöglicheren Erkennungen ausgestattet. Interessant ist, daß V. auch eine Bearbeitung von Shakespeare’s Timon unter dem Titel: „Der Verschwender oder die zwey Gastmahle“ nach der Uebersetzung von Regis versuchte. Seine Veränderungen treffen, außer Namen und starker Kürzung, hauptsächlich den zweiten Theil, indem er Timon mit einer treuen Gefährtin und durch einen aufgefundenen Schatz seines Vaters neu bereichert, wieder in die Stadt ziehen und hier abschließend die zweite Mahlzeit für die falschen Freunde veranstalten läßt.

Wurzbach 51, 197–202. – Goedeke III, 808/9. – Costenoble, Aus dem alten Burgtheater. – Viele Stücke handschriftlich in der Hofbibliothek. – Wiener Theater-Kritik 1799, 1800. – Schlögl, Vom Wiener Volkstheater, S. 60.