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ADB:Wagner, Friedrich (evangelischer Theologe)

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Artikel „Wagner, Friedrich“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 492–493, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Friedrich_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 21:50 Uhr UTC)
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Wagner: Friedrich W., evangelischer Geistlicher, † 1760. In dem Streite zwischen Pietismus und Wolfianismus hat W. als Hauptpastor und Senior des geistlichen Ministeriums in Hamburg einen nicht unbedeutenden Einfluß auf Theologie und Kirche ausgeübt, indem er, vom Pietismus supra–naturalistisch bestimmt, doch zwischen Wolfianern und Anti-Wolfianern eine besonnene Mitte zu halten sich bemühte und den Interessen der Frömmigkeit und denen der Wissenschaft zugleich gerecht werden wollte. Als Prediger, Gelehrter und Kirchenmann erwarb er sich dadurch bei vielen Zeitgenossen hohe Achtung. Geboren wurde er am 21. Januar 1693 in dem Dorfe Kahrau oder Caro bei Magdeburg, wo sein Vater, Christoph Wagner, Prediger war. Nachdem ihm bis in sein 13. Jahr Unterricht in seiner Heimath, besonders von seinem Vater selbst zu theil geworden war, besuchte er seit Ostern 1706 die öffentliche Schule zu Tangermünde und seit Ostern 1710 die zu Brandenburg. Von 1712 an studirte er in Halle, wo er unter den Koryphäen des damaligen Pietismus, Breithaupt, Francke, Anton, Lange und Michaelis, Theologie studirte. Noch bestand damals nicht der später so schroff gewordene Gegensatz zwischen diesen Lehrern und dem Philosophen Wolf; daher ist es auch nicht verwunderlich, daß der Zuhörer der Pietisten mit Eifer die Vorlesungen Wolf’s besuchte. Und dieser Philosoph hat einen nachhaltigen Eindruck auf W. gemacht; W. ist zwar kein blinder Anhänger des viel angefeindeten Mannes geworden; er hat die von Wolf vertretene Lehre von der prästabilirten Harmonie und dessen Monadologie nicht gebilligt, aber dennoch für viele Wolf’sche Gedankengänge ein offenes Verständniß gehabt, besonders für die, welche sich im apologetischen Interesse zu Gunsten des Christenthums verwerthen ließen. Eine berufsmäßige Wirksamkeit fand W. zunächst am Pädagogium der Francke’schen Stiftungen zu Halle, wo er 1716 als Lehrer angenommen wurde; aber obgleich er große Neigung zum Schulamt zeigte, wurde er doch nach einigen Jahren 1719 in ein Pfarramt berufen und zwar als Feldprediger eines in Berlin garnisonirenden Regimentes. In dieser Stellung lernte ihn der pietistisch gesinnte König Friedrich Wilhelm I. von Preußen kennen und hochschätzen. Daher übertrug er ihm 1721 das Amt des Inspectors und Pastors primarius zu Nauen in der Mittelmark. Dasselbe behielt W. bis 1732. In diesem Jahre ernannte der König den verdienstvollen Geistlichen zum Consistorialrath im Herzogthum Pommern und Fürstenthum Kamin, zum Propst und obersten Pastor bei der Hauptkirche zu St. Marien in Stargard, wie auch zum ersten Professor der Gottesgelehrtheit und der hebräischen Sprache an dem akademischen Gymnasium daselbst. Aber schon 1736 folgte er einem Rufe als Hauptpastor an die Michaeliskirche zu Hamburg, [493] wozu der König von Preußen nach langen Verhandlungen endlich seine Einwilligung gegeben hatte. 1743 wählte ihn der Rath zu Hamburg zum Senior des Ministeriums daselbst. In dieser Stellung erlebte W. 1750 die furchtbare Katastrophe, welche über die berühmte Michaeliskirche hereinbrach, als ein Blitzschlag sie traf und einäscherte. Zwar war es W. vergönnt, 1751 bei der Grundsteinlegung zum Neubau die Festrede zu halten; aber die Einweihung desselben hat er nicht mehr erlebt. Nachdem er noch 1758 bei dem Jubiläum der Jenaischen Universität von der theologischen Facultät derselben wegen seiner Gelehrsamkeit und seiner Verdienste um die Kirche zum Doctor der Theologie ehrenhalber promovirt worden war, starb er am 6. Juli 1760. – Verheirathet war er seit 1721 mit Charlotte Eleonore Schartow, Tochter eines preußischen Kriegscommissars zu Berlin, die er heimgeführt hatte, ehe er die Stelle in Nauen antrat.

Schriften von ihm sind in großer Zahl vorhanden; wissenschaftlich verdienen wohl seine Untersuchungen über den wahren Begriff der Freiheit des Willens (1730) und seine Widerlegungen Dippel’s (1732 und 1733) die meiste Beachtung; ihre Titel lauten: „Versuch einer gründlichen Untersuchung, welches der wahre Begriff von der Freiheit des Willens sei? Darin nicht allein der wahre Begriff von der Freiheit aus dem Grunde hervorgesucht, entwickelt und behauptet, sondern auch der Einfluß desselben in die natürliche und geoffenbarte Moral und Theologie gezeigt, und insonderheit die Freiheit der Menschen mit der Vorsehung, auch gemeinen und besonderen Mitwirkung Gottes bei ihren freien Handlungen conciliiret wird.“ Berlin 1730. „Christianus Democritus autocatacritus d. i. der sich selbst verurtheilende Democritus oder schrift- und vernunftmäßige Widerlegung seines ganzen Lehrbegriffs von dem Mittleramte Jesu und der Ordnung des Heils“. Berlin 1732. – „Fortgesetzte schrift- und vernunftmäßige Widerlegung des ganzen Lehrbegriffs Christiani Democriti vom Mittleramte Jesu und der Ordnung des Heils“ (ebd. 1733). Seine eigene Auffassung vom Christenthum sprach er positiv außerdem in einigen darauf folgenden Schriften aus, so in dem Werke „Allgemeine Betrachtungen über die geoffenbarten göttlichen Geheimnisse der christlichen Religion überhaupt“ (Hamb. 1737); „Die seligmachende Erkenntniß Gottes, in ausführlichen Betrachtungen über die christlichen Glaubenslehren“ (ebd. 1737–1739); „Ordnung des Heiles, d. i. ein kurzer Entwurf der christlichen Glaubenslehre“ (ebd. 1741). – „Denkmal der Liebe, dem nunmehr in Gott ruhenden Herrn F. G. Reinbeck gestiftet“ (ebd. 1743), (worin besonders nicht bloß über Reinbeck’s, des Berliner Propstes, Stellung zu Wolf, sondern auch über die von W. selbst zu diesem, ausführliche Nachrichten gegeben werden). Außerdem veröffentlichte W. eine große Anzahl von einzelnen Predigten und Predigtsammlungen, in jungen Jahren auch einige Schriften für den Jugendunterricht z. B. eine „Anweisung zur Arithmetik“ (Halle 1721). – Eine vollständige Aufzählung seiner Schriften geben Meusel, Ernesti und Döring (siehe unten). Wagner’s Bildniß befindet sich vor seinen oben erwähnten Schriften: „Versuch einer gründlichen Untersuchung, welches der wahre Begriff von der Freiheit des Willens sei“ (Berlin 1730); und „Allgemeine Betrachtungen“ u. s. w. (Hamb. 1737).

Zu vgl. Memoria Fried. Wagneri, auct. H. S. Reimaro. Hamb. 1760 fol. – Nova acta hist. eccl. Th. 12. S. 517 ff. – Schröckh in der Unpart. Kirchenhistorie Th. 4, S. 492–495. – Hirsching-Ernesti, Hist.-lit. Handbuch Bd. 15 (1812), S. 212–222 (recht ausführlich). – Meusel, Lexikon der … teutschen Schriftsteller Bd. 14, (1815), S. 315–319. – H. Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands Bd. 4 (1835), 611–614.