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ADB:Walesrode, Ludwig Reinhold

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Artikel „Walesrode, Ludwig Reinhold“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 729–730, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walesrode,_Ludwig_Reinhold&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Walesrode: Ludwig Reinhold W., Journalist, geboren am 14. April 1810 zu Altona, † am 20. März 1889 in dem Männerkrankenhaus Salon bei Ludwigsburg, war der Sohn des jüdischen Musikers J. C. Cohen, der seinem Namen den seiner Vaterstadt Walsrode in der Lüneburger Heide beigefügt hatte. Ludwig selbst schrieb sich schlechtweg Walesrode; als Schriftsteller gebrauchte er zuweilen das Pseudonym Emil Wagner. Auf dem Christianeum, dem akademischen Gymnasium von Altona, vorgebildet, bezog er im J. 1832 die Universität München, um dort Philologie zu studiren, trieb aber mehr Philosophie und bemühte sich daneben eifrig um das Verständniß der alten und neuen Kunst. Schon damals nahm das Cotta’sche Morgenblatt Beiträge von ihm auf. Im J. 1835 wurde W. Hauslehrer in Danzig, von wo er im J. 1837 nach Königsberg i. Pr. übersiedelte. Hier gab er Unterricht in der englischen Sprache und Litteratur, veröffentlichte auch im J. 1840 eine Uebersetzung von Shakespeare’s Gedichten im Versmaße des Originals. Neben lebhafter Thätigkeit als Journalist hielt er seit dem Winter 1841 Vorlesungen über Zeitfragen, welche im J. 1842 unter dem Titel: „Glossen und Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit“ im Drucke erschienen und in kurzer Frist mehrere Auflagen erlebten. Mit Joh. Jacoby befreundet, gerieth W. jetzt immer tiefer in die Politik hinein und diente der radicalen Partei als beliebter Humorist und Satiriker. Man fand in seiner Schreibweise eine Verbindung von Börne’scher Schärfe mit Jean Paul’scher Weichheit. Eine zweite Schrift „Unterthänige Reden“ aus dem Jahre 1843 trug ihm ein Jahr Festungsstrafe ein, das er im J. 1845–46 zu Graudenz verbüßte. Seine Feder rächte sich durch ein Pamphlet „Der Humor auf der Anklagebank“. Ein „Königsberger Taschenbuch“, das er im J. 1846 mit Joh. Jacoby u. a. herausgab, erlebte nur diesen einen Jahrgang und eine humoristisch-satirische Wochenschrift „Die Glocke“ brachte ihn nach lebhafter Betheiligung an der Bewegung im Jahr 1848 und 1849 wieder auf 9 Monate ins Gefängniß. Die Königsberger Bürgerschaft, die er bald nach der Uebersiedelung in ihre Stadt mit einem „humoristischen Fremdenführer durch Königsberg“ erfreut hatte, wählte ihn im J. 1850 in ihr Stadtverordnetencollegium; allein die zahlreichen polizeilichen Maßregelungen entleideten ihm den dortigen Aufenthalt so sehr, daß er im J. 1854 nach Hamburg übersiedelte. W. redigirte hier mit Karl Volckhausen den „Kompaß“, der aber bald wieder einging, und im J. 1862 in Berlin das Wochenblatt „Der Fortschritt“. Mit diesem zog er, um den häufigen Preßprocessen zu entgehen, im J. 1863 nach Gotha. Die dortigen Stadtbehörden verliehen ihm als Schutz gegen die preußischen Auslieferungsgesuche das Bürgerrecht. Als aber im J. 1866 in Gotha der preußische Einfluß überwog, ging W. nach Stuttgart. Er fand daselbst politischen Anschluß bei der württembergischen Volkspartei und führte im Verkehr mit litterarischen Genossen, wie W. Vollmer, E. Höfer, M. Hartmann und F. Freiligrath, dem er besonders nahe stand, ein bescheidenes aber behagliches Junggesellenleben. Sein milder und weitherziger Sinn erwarb ihm auch über den Kreis seiner Parteigenossen hinaus manche Freunde. Walesrode’s litterarische Thätigkeit bestand [730] zumeist in feuilletonistischen Beiträgen humoristischen Inhalts für demokratische Zeitungen und Zeitschriften. Dem Schwabenlande, in dem er sich allmählich ganz heimisch fühlte, trug er seine Dankesschuld ab mit einer anziehenden Beschreibung der Ulmer Gewerbeausstellung des Jahres 1872, welche in zweiter, unveränderter Auflage im folgenden Jahre unter dem Titel „Deutscher Fleiß und deutsches Werk. Culturhistorische Skizzen und Bilder“ erschien. Von seinen zerstreuten Humoresken veröffentlichte W. im J. 1869 eine Auswahl als „Lose Blätter“ Bd. 1 (u. einz.). Eine bleibende Stätte in der Gunst der deutschen Familien verdient die im J. 1857 zum ersten, im J. 1881 zum zweiten Male ausgegebene Idylle in Prosa „Der Storch von Nordenthal. Ein wahrhaftiges Märchen“, welche sich den besten Stücken von Andersen zur Seite stellen darf.

W. fand, nachdem er wegen Altersschwäche am Ende des Jahres 1888 in das Männerkrankenhaus Salon bei Ludwigsburg übergesiedelt und dort an einem Schlaganfall gestorben war, sein Grab auf dem Uffkirchhofe zu Cannstatt in unmittelbarer Nähe des Freiligrath-Denkmals. Seine Freunde ließen einen Obelisk aus Granit mit einem Bronzerelief von A. Donndorf darauf stellen.

Vgl. Brümmer, Lex. d. deutsch. Dichter II, 447. – Gottschall, Die deutsche Nationallitt. II (1861), 675 ff. – Buchner, F. Freiligrath II (s. d. Reg.). – G. Freiligrath, Beiträge zur Biogr. F. Freiligrath’s S. 105. – Nekrolog im (Stuttgarter) Beobachter, Jahrg. 1889 Nr. 71.