ADB:Wendelin, Marcus Friedrich

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Artikel „Wendelin, Marcus Friedrich“ von Friedrich Wilhelm Cuno in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 714–716, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wendelin,_Marcus_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:00 Uhr UTC)
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Wendelin: Marcus Friedrich W., hervorragend als reformirter Theologe von Anhalt wie auch als Schulmann, geboren 1584 zu Sandhausen bei Heidelberg, wo sein Vater das Predigtamt bekleidete, † am 7. August 1652 zu Zerbst. Schon in seinem elften Lebensjahre wurde er dem Pädagogium zu Heidelberg übergeben. Mit Einschluß seiner Universitätszeit brachte er 14 Jahre als kurfürstlicher Stipendiat im dasigen Sapienzcollegium zu. Anfangs wurde das Lernen ihm sehr schwer, auch wirkte die strenge Schuldisciplin nur abschreckend auf ihn, aber mit der Zeit erfaßte ihn eine solche Begierde zu den Studien, daß seine Lehrer sich nicht genug darüber verwundern konnten. Als Student trieb er fleißig die ramistische Philosophie und hörte in der Theologie vornehmlich den berühmten David Pareus (s. A. D. B. XV, 167). Im Jahre 1607 nahm er die Magisterwürde an und begleitete hierauf 1609 zwei junge Adelige nach Genf, wo er den Hofmeister der Prinzen Johann Kasimir, Christian [715] und Friedrich Moritz von Anhalt, Peter v. Sebottendorf, kennen lernte, der ihn für den Unterricht seiner Fürstensöhne heranbildete. Diese begleitete er nun auf ihrer Reise durch Frankreich, und als Prinz Friedrich Moritz 1610 in Lyon erkrankte und starb, erhielt er den Auftrag, die Leiche desselben nach Dessau zu bringen. Auf solche Weise wurde er der fürstlichen Familie daselbst bekannt, welche ihn bald nachher zum Erzieher ihrer beiden Söhne berief. Nach dem Tode des Rectors Gregor Bersmann an dem Gymnasium zu Zerbst wurde W. dessen Nachfolger. Diese Stelle bekleidete er 40 Jahre lang zum Wohle des Staates, sowie der Kirche und Schule. Sein Ruf als Schulmann wurde durch seine „Medulla priscae puraeque latinitatis“ begründet, ein Auszug aus Robert Stephan’s Thesaurus linguae latinae, eine zum Lateinschreiben vornehmlich aus Cicero, Terenz und Plautus gesammelte Phraseologie, welche lange Zeit auf den deutschen Gymnasien in Gebrauch war und viele Auflagen erlebte. In den oberen Classen lehrte W. auch philosophische und theologische Disciplinen, was ihm reichliche Gelegenheit bot, auch in diesen beiden Wissenschaften schriftstellerisch thätig zu sein. Mehrere philosophische Schriften, darunter einige Compendien über die Logik des Ramus, sowie eine philosophische Sittenlehre nach dem Muster des Abraham Scultetus (s. A. D. B. XXXIII, 492) erwarben ihm nach dem Zeugniß des Historienschreibers Beckmann ein solches Ansehen, daß viele aus der Ferne, selbst solche, welche widriger Religion waren, es für eine Ehre hielten, mit ihm in Correspondenz treten und seine Freundschaft genießen zu dürfen. Am meisten hing aber W. an der Theologie, in welcher er sich einen berühmten Namen erworben hat. Denn unter den Dogmatikern der reformirten Kirche nimmt er einen hervorragenden Rang ein durch seine „Christianae theologiae libri III“, nach der Methode des pfälzischen Hofpredigers Bartholomäus Pitiscus eingerichtet, durch sein „Compendium theologiae christianae“, besonders aber sein „Systema majus“ u. A. In greifbare Fragen zerlegt er jedes Dogma und definirt daran dann dasselbe in scharfer Präcision, welche sich fern hält von unfruchtbaren, scholastischen Erörterungen und Spitzfindigkeiten. Seine unter dem Namen Collatio bekannte „Symbolik der reformirten und lutherischen Kirche“ gibt in treffender Kürze und scharfer Lehrbestimmung die Unterschiede beider Bekenntnisse an, wie solches selten klarer und verständlicher geschehen ist. Mit großer Anerkennung spricht unter den neueren Theologen Gaß von W., den er mit Recht einen Mann nennt von religiösem Geiste und streng confessionellem Bewußtsein, dessen größeres ungemein geschickt und scharfsinnig gearbeitetes Werk Gelegenheit gibt, auf alle Feinheiten der reformirten Doctrin einzugehen. Genuin reformirt sonst in allen Lehrsätzen folgt er nur inbetreff des Verständnisses der obedientia activa Christi nicht der allgemein geltenden Lehrbestimmung der reformirten und auch lutherischen Kirche, sondern der subjectiven Meinung Piscator’s (s. A. D. B. XVI, 180), wobei er sich auch auf einen Ursinus (XXXIX, 369), Zanchius und andere reformirte Koryphäen beruft.

Seine „Systema majus theologiae christianae“ wurde ins Holländische und von dem siebenbürgischen Fürsten Michael Apaffi ins Ungarische übersetzt. Aber auch an theologischen Gegnern fehlte es nicht. Professor Christoph Franck in Kiel schrieb Exercitationes Anti-Wendelinae wider ihn, und der große Dogmatiker der lutherischen Kirche, Johann Gerhard, ist gegen ihn aufgetreten in seinem Collegium Antiwendelinum. Mehrere höchst ehrenvolle Rufe nach den Niederlanden, an die Universität Heidelberg, Frankfurt a. O. u. a. ergingen an ihn. Alle aber schlug er aus; denn von hier aus stehe nur sein Verlangen nach dem himmlischen Vaterlande. – Ein Verzeichniß der Schriften von W. gibt Beckmann, das Universal-Lexicon und Jöcher.

Beckmann, Historie des Fürstenthums Anhalt. – A. Zahn, Das gute [716] Recht des reform. Bekenntnisses in Anhalt. – Großes Universal-Lexicon. – Jöcher. – Herzog, Realencykl. – Gaß, Gesch. d. protestant. Dogmatik. – Morhof. – Walch, Relig. Streitigk. außer der ev.-luth. Kirche. – J. A. Weber, Einleitung in die Historie der lateinischen Sprache.