Zum Inhalt springen

ADB:Wigand, Johann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wigand, Johann“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 452–454, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wigand,_Johann&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 18:33 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wigand, Georg
Band 42 (1897), S. 452–454 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johannes Wigand in der Wikipedia
Johann Wigand in Wikidata
GND-Nummer 117383317
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|42|452|454|Wigand, Johann|Adolf Brecher|ADB:Wigand, Johann}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117383317}}    

Wigand: Johann W., lutherischer Theolog, starker Polemiker, Mitarbeiter an den Magdeburger Centurien, Bischof von Pomesanien und zuletzt auch von Samland in Preußen, geboren 1523 in Mansfeld, † am 21. October 1587 zu Liebemühl in Preußen. Nachdem er seine erste Schulbildung auf der damals recht guten Schule seiner Vaterstadt erhalten hatte, bezog er die Universität Wittenberg, um Luther und Melanchthon zu hören (1539). Nach zwei Jahren aber ging er, wol wegen Mangels an Mitteln, nach Nürnberg als Lehrer an die Lorenzschule. Nach drei Jahren kehrte er aber nach Wittenberg zurück, um seine Studien fortzusetzen. Er bereitete sich auf ein akademisches Lehramt vor. Aber der Tod Luther’s und der Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges zerstörten seine Pläne. Er nahm 1546 (Michaelis) einen Ruf als Prediger in Mansfeld an. Sein Amt erlaubte ihm auch, an der dortigen Schule Unterricht zu ertheilen, besonders in Dialektik und Physik; auch botanische Studien, welche er in Wittenberg begonnen hatte, beschäftigten ihn. Endlich machte er sich auch litterarisch durch seine Erstlingsschriften: „Catechismi maioris Sidonii refutatio“ (Magdeb. 1550) und „Warnung vorm Katechismo Sidonii“ (Magdeburg 1550) bekannt; beide Schriften waren gegen die Brevis institutio ad christianam pietatem (Moguntiae 1549), kurzweg „Mainzer Katechismus“ genannt, des Michael Helding, Bischofs von Sidon i. p. (daher Sidonius) gerichtet. Von nun an erscheint er fast in allen den zahlreichen Kämpfen, die die lutherische Kirche der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts durchzufechten hat, weniger als Gegner der Katholiken, als als Feind der Philippisten, Kryptocalvinisten, Synergisten und Sacramentirer, immer mit Gewandtheit und Streitfertigkeit eintretend für die Aufrechterhaltung und dogmatische Vertiefung des reinen und strengen Lutherthums. Lange Zeit kämpfte er an der Seite des M. Flacius, mit dem ihn persönliche Freundschaft und geistige Verwandtschaft längere Zeit verbunden hält. Davon zeugen besonders seine Schriften: „De neutralibus et mediis“ (Francofurti 1552) und „De adiaphoristicis corruptelis“ (Magdeb. 1559) (diese in Gemeinschaft mit Judex verfaßt), welche er im Verlaufe der adiaphoristischen Streitigkeiten veröffentlichte. – 1553 zum Pfarrer an der Ulrichskirche in Magdeburg erwählt, gelangte er in die Hochburg des ausschließlichen Lutherthums. Er unterzeichnete 1555 das gegen Osiander erlassene Gutachten der Magdeburger Geistlichkeit, verfaßte 1556 eine Schrift wider die Jesuiten und gleichzeitig mit Flacius die „Sententia de scripto synodi Isenacensis“ gegen Justus Menius. 1557 (Jan.) nahm er an den Verhandlungen in Koswig theil, um ein schärferes Vorgehen gegen Melanchthon zu bewirken. Aber nicht nur in diesen Streitigkeiten sehen wir ihn mit Flacius eng verbunden, sondern auch in wissenschaftlichen Arbeiten, welche beiden zu hohem Ruhme gereichen. So arbeitete er mit seinem Collegen Judex an den vier ersten Bänden der Magdeburger Centurien mit, welche Flacius 1560 in Basel drucken ließ. Auch als Flacius 1559 nach Jena übersiedelte, entzog er ihm seine Mithülfe nicht. 1560 wurde er selbst nach Jena als Professor berufen und bildete nun mit seinen Collegen Flacius, Judex und Musäus die Säulen der strengsten lutherischen Rechtgläubigkeit. Bei der Disputation in Weimar (1560) zwischen V. Strigel und M. Flacius über die Erbsünde war er als Protocollführer gegenwärtig, gerieth aber selbst mit Flacius über dessen Lehre, daß die Erbsünde die Substanz des gefallenen Menschen sei, in Zwiespalt. Dies hinderte jedoch nicht, daß er mit ihm und den anderen Collegen alle, die ihnen entgegentraten, in Wort und Schrift auf das kräftigste bekämpfte. Dadurch zogen sie sich in Sachsen wie im Auslande immer größere Feindschaft zu, so daß, als sie sich auch der Einsetzung eines Landesconsistoriums im Herzogthum Weimar widersetzten und gegen Stößel, der sich in ihren Händeln gegen [453] Strigel für diesen erklärt hatte, in einer Klageschrift so rücksichtslos vorgingen, daß auch die Universität sich beleidigt fühlte, am 9. November 1561 eine herzogliche Commission erschien und Flacius und W. (Judex und Musäus waren schon vorher beseitigt worden) ohne weiteres absetzte. – Nach kurzem Aufenthalte in Magdeburg, wo er vergeblich eine Wiederanstellung erstrebte, folgte er einem Rufe der Herzöge Johann und Ulrich von Mecklenburg als Superintendent in Wismar 1562. Eine Menge von Aufgaben warteten hier seiner, besonders die Bekämpfung der Anabaptisten und Sacramentirer, welche sich bedenklich in dem Herzogthum ausgebreitet hatten. Es gelang ihm durch den Unterricht der Jugend im Katechismus und durch die strengere Verpflichtung der Geistlichen auf die Kirchenlehre die Gemeinden bald zu festigen und vor den Secten zu sichern. Auch seine litterarische Thätigkeit setzte er fort. Er schrieb Erläuterungen zu den Propheten und stellte in Gemeinschaft mit M. Judex in der Zeit von 1562 bis 1567 nicht weniger als sieben Bände der Centurien her (V-XI). Bei den letzten Bänden wurde er von seinem Schwiegersohne Andreas Corvinus und dem Prediger Thomas Holzhuter unterstützt. Dabei verfaßte er noch eine ganze Reihe von Streitschriften: Ueber die Lehre vom freien Willen, über die vom Abendmahl gegen P. Eberus, gegen Major u. A. – Nach der Aechtung des Herzogs Johann Friedrich des Mittleren von Sachsen und dem Regierungsantritt Johann Wilhelm’s ergab sich auch für W. wieder günstigere Aussicht, nach Sachsen zurückzukehren. 1568 wurde er zum zweiten Male nach Jena berufen, um mit Coelestin, Heßhusen und Kirchner das reine Lutherthum zu lehren. Damit begann der alte Kampf zwischen Wittenberg und Jena von neuem. Das Religionsgespräch zu Altenburg führte keinen Frieden herbei. Aber zugleich gerieth W. auch mit seinem alten Gesinnungs- und Kampfgenossen Flacius in Streit über die Lehre von der Erbsünde und diesmal heftiger als vorher. Er endete mit dem völligen Bruche zwischen Flacius und den Jenensern. W. war durch alles dies in Jena zu immer größerem Ansehen gelangt. So übertrug ihm sein Herzog die Kirchen- und Schulvisitation in seinen Landen, nahm ihn mit auf den Reichstag nach Speyer und billigte seine Abweisung aller Versöhnungsversuche mit seinen Gegnern, besonders den Philippisten (1569). Als aber 1573 Kurfürst August von Sachsen die vormundschaftliche Regierung in Weimar übernahm, ließ er W. und Heßhusen als „ehrenrührige Betrüber gemeinen Friedens“ ihrer Aemter entsetzen und „binnen vier Tagen“ des Landes verweisen. Beide gingen nach Braunschweig und von dort, durch den Herzog Julius und Martin Chemnitz empfohlen, nach Preußen. W. wurde vom Herzoge Albrecht Friedrich als Professor an die Universität Königsberg, Heßhusen zum Bischof von Samland berufen. Schon 1575 erhielt auch W. ein Bisthum, das von Pomesanien. – Trotz der großen Menge von Verpflichtungen, welche dies Amt ihm auferlegte, ruhte seine Theilnahme an den Kämpfen und Streitigkeiten in der Kirche nicht. Immer wieder zog er gegen den sächsischen Kryptocalvinismus zu Felde und auch die anderen Händel der Zeit ließen ihn nicht unbetheiligt. Dabei behielt er doch Spannkraft genug auch an den Centurien weiter zu arbeiten. Bald sah er sich indeß in nächster Nähe in einen entscheidenden Kampf verwickelt. Er gerieth mit Heßhusen über die Lehre von der Gottheit Christi in einen heftigen Streit, der bald die ganze preußische Kirche in Mitleidenschaft zog. Heßhusen behauptete freilich, das sei nicht der eigentliche Grund ihrer Feindschaft gewesen; man habe ihn verdrängen und seinen Platz haben wollen; während W. Heßhusen vorwarf, er habe seinen Schwiegervater Musäus zum Bischof von Pomesanien einsetzen wollen. Gewiß aber hat jener dogmatische Dissensus dazu beigetragen, die Erbitterung zwischen beiden zu verschärfen. Allerdings trat W. erst selbst hervor, als seine Freunde [454] schon längere Zeit gestritten hatten. Er bat Heßhusen brieflich, die anstößige Lehre zu widerrufen. Als sich dieser hierzu aber nicht verstand, wurde diese auf einer Pastoralconferenz, an der auch W. theilnahm, für gotteslästerlich erklärt. Heßhusen war auch jetzt noch nicht zum Widerruf zu bringen, kaum daß er sich herbeiließ, die angefochtenen Sätze als mißverständlich anzuerkennen. Da keinerlei Einwirkung auf ihn Erfolg hatte, wurde er am 5. Mai 1577 vom Herzoge von Preußen seiner Aemter entsetzt und die Verwaltung des Bisthums Samland zu der des Bisthums Pomesanien W. übertragen. – Damit war dieser Streit indes keineswegs beendet. In Preußen wie in Braunschweig tobte der Kampf zwischen den Anhängern Heßhusen’s und Wigand’s noch lange fort. Das Gutachten, welches die in Herzberg a. H. versammelten Theologen Andreae, Chemnitz, Selnecker u. A. am 25. August 1578 erstatteten, ließ W. nicht ohne scharfen Tadel, besonders weil er gegen seinen Amtsgenossen Ankläger und Richter zugleich gewesen sei und ihn über seinen Irrthum nicht früher aufgeklärt habe. Es rieth sogar zur Absetzung Wigand’s. Aber obgleich die Regierung in Preußen geneigt war, diesem Rathe zu folgen, erklärten sich die preußischen Landstände dagegen und bestimmten, daß beide Bisthümer in der Hand Wigand’s vereinigt blieben. So behielt er sie denn bis an das Ende seines Lebens, dessen letzte Jahre er ganz im Gegensatz zu seiner dürftigen Jugend und seinem bewegten Mannesalter im Genuß seiner reichen Pfründe in Ruhe und Frieden verlebte. Auch an den Centurien fortzuarbeiten ward er nicht müde. Er stellte noch die XIV., XV. und die XVI. Centurie fast ganz fertig. Seine Grabschrift, von ihm selbst verfaßt, lautete: In Christo vixi, morior vivoque Wigandus; Do sordes morti, caetera Christo tibi.

Sein Leben hat er selbst beschrieben, vgl. Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen. Leipzig 1738, S. 601–620. Auch seine zahlreichen Schriften hat er dort aufgeführt. – Außerdem giebt Beiträge zu seiner Lebensgeschichte sein Freund Konrad Schlüsselburg, oratio funebris de vita et obitu D. J. Wigandi, Francof. 1591; sodann Melchior Adam, Vitae German. theologorum p. 633 ff. – Zeumer, Vitae professorum Jenensium p. 43 ff. Unter den Neueren sind besonders zu vergleichen: Arnold, Preußische Kirchengesch., S. 346 ff. – J. G. Walch, Historische u. theol. Einl. in d. Religionsstreitigkeiten 1, 57 ff. und 4, 100 ff. – G. J. Planck, Gesch. des protestant. Lehrbegriffs 4, 195 ff. – Preger, Matth. Flacius 1, 32; 2, 34 ff. – Schulte, Beiträge zur Entstehungsgesch. der Magdeburger Centurien. Neiße 1877. – F. X. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie, S. 328 ff. – Wagenmann in d. R.-Encyklop. für prot. Theologie und Kirche. 2. Aufl. Bd. 17, S. 104 ff.