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ADB:Wigand, Georg

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Artikel „Wigand, Georg“ von Karl Friedrich Pfau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 449–451, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wigand,_Georg&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:57 Uhr UTC)
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Wigand: Georg W., der Bruder von Otto W. (s. u. S. 457), einer der bedeutendsten Verleger Deutschlands, der sich ganz besondere Verdienste um die künstlerische Entwicklung des Illustrationswesens auf dem Gebiete des Holzschnittes erworben hat, und der zu jenen Männern gehört, welche äußeren Umständen wenig oder nichts, eigener Anstrengung und Ausdauer aber alles zu [450] verdanken haben und die darum auch mit Recht von der Geschichte des Buchhandels als Bahnbrechende bezeichnet werden. Georg W. wurde am 13. Febr. 1808 zu Göttingen als das zwölfte Kind seiner Eltern geboren, zu einer Zeit, wo Deutschland durch die Kriegszustände verarmt und innerlich völlig zerrissen war. Unter solchen Verhältnissen hatten auch die Eltern Wigand’s viel zu leiden und waren ihnen Einschränkungen aufgelegt, die bei der Erziehung ihrer jüngeren Kinder zum Ausdruck gelangten. So war W. schon als Knabe genöthigt, durch allerhand kleine Dienstleistungen für seinen Lebensunterhalt mit zu sorgen, denn im elterlichen Hause ging es häufig sehr knapp zu. Unter solchen Umständen konnte seine Ausbildung naturgemäß nur eine dürftige sein; aber was dem Knaben zu erlernen nicht vergönnt war, das lernte in seinem ernsten Wissensdrang später der Jüngling und Mann. Im J. 1822 ging W. nach der oberungarischen Stadt Kaschau, wohin ihn sein daselbst etablirter Bruder Otto, nach einem Besuche in Göttingen, kommen ließ, um ihn in seinem Geschäft auszubilden. Mit unermüdlichem Fleiße war er darauf bedacht, die Lücken seines Schulunterrichts auszufüllen, ohne dabei seinen Beruf zu vernachlässigen, für den er praktisches Talent und viel Energie zeigte, die sich besonders auf seinen Geschäftsreisen, welche er für seinen Bruder im Ungarlande – ohne ein Wort von der Sprache zu verstehen – machen mußte, glänzend bewährte. Als vier Jahre später Otto W. Kaschau verließ, um zuerst in Preßburg, darnach in Pest sich niederzulassen, zeigte sich die glänzende Begabung des jungen Mannes aufs trefflichste, denn Georg leitete nunmehr das Geschäft ganz allein bis 1828, wo er für einige Zeit zu seinem Bruder nach Pest ging. Nach einer unter merkwürdigen Umständen gemachten Geschäftsreise nach Paris kehrte er im Herbst 1829 wieder nach Kaschau zurück, um das dortige Geschäft seines Bruders als Filiale auf eigene Rechnung zu übernehmen. In dieser ganz selbständigen Thätigkeit entwickelte er eine eben so große Rührigkeit in seinem Sortimentsgeschäft, als eine durch die engen Grenzen zwar beschränkte, aber das spätere große Wirken verrathende erfindungsreiche Thätigkeit im Verlage. Allein bald wurde ihm die Kleinstadt zu eng; außerdem verleideten ihm die österreichischen Censurplackereien den Aufenthalt in Kaschau in hohem Maaße, obgleich er daselbst bereits 1831 seinen häuslichen Herd gegründet hatte. Es zog ihn nach Deutschland zurück. Im J. 1833 besuchte W. die Leipziger Ostermesse zum ersten Male und dieser erste Besuch wurde von bestimmendem Einflusse auf ihn. Bereits ein Jahr darauf, Frühjahr 1834, finden wir ihn von neuem in Leipzig, woselbst er alsbald ein neues Geschäft eröffnete. Die Niederlassung in Leipzig war mit bangen Sorgen verknüpft, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel gestatteten nur einen bescheidenen Anfang. Allein W. verzagte nicht. Glücklich überwand er alle ihm entgegentretenden Schwierigkeiten, langsam aber stetig gewann sein Geschäft an festem Boden und seine Beharrlichkeit erreichte endlich das erstrebte Ziel: seine Existenz als Verleger war nach Verlauf weniger Jahre gesichert.

Zwei Unternehmungen waren es besonders, die seine Stellung begründeten: die erste deutsche Volksausgabe Shakespeare’s und das durch eine Actiengesellschaft ermöglichte „Malerische Deutschland“. Der alle Erwartungen weit übersteigende Erfolg dieser beiden Verlagsartikel ermuthigte zu neuen Unternehmungen; zugleich wurden sie bestimmend auf Wigand’s künstlerischen Geschmack und seine Vorliebe für den Holzschnitt, auf dessen Entwicklung er unbestritten den entscheidendsten Einfluß ausgeübt hat. Zur Zeit der Uebersiedlung Wigand’s nach Leipzig befand sich die Holzschneidekunst noch in ihrem Entwicklungstadium. Durch Unger und Gubitz in Berlin aus der Vergessenheit wieder hervorgezogen, [451] war ihr bis zum Beginn der 30er Jahre wenig Gelegenheit geboten, zu zeigen, was sie leisten konnte. Erst die Befruchtung des deutschen Verlagsbuchhandels durch englische Ideen und das Bestreben der Veranschaulichung mit Hülfe von Illustrationen boten der bis dahin stiefmütterlich behandelten Kunst Gelegenheit, sich neu emporzuschwingen. Hatte man sich anfänglich an englische Vorbilder angelehnt, so strebte man später nach Originalunternehmungen. Zu solchen Originalunternehmungen gehörte das bereits erwähnte Verlagswerk Wigand’s „Das malerische Deutschland“ und später die Duller’sche „Geschichte des deutschen Volkes“, illustrirt von J. Kirchhoff und Ludwig Richter. Die dadurch eingeleitete Verbindung Wigand’s mit Richter sollte für die Folge von bestimmendem Einfluß auf den Charakter des jung aufstrebenden Verlags werden. Wie W. bestrebt war, dem neu gewonnenen Freunde ein neues Schaffensgebiet zu eröffnen, so war es andererseits Richter und seine Zeichnungsweise, die W. zu einem Gegner der englisch-französischen Holzschnittmanier machte. Aus diesem innigen Zusammengehen beider Männer sind eine Reihe prächtiger Leistungen geschaffen und dem deutschen Volke zugänglich gemacht worden, deren Gesammtaufzählung hier unmöglich ist. Nur einige seien genannt: das Beschauliche und Erbauliche, das Goethe-Album und die Illustrationen zu Bechstein’s Märchen, Hebel’s alemannischen Gedichten, Goethe’s Hermann und Dorothea u. s. w. Eine Auswahl aus diesen Werken, sowie aus anderen fremden Verlags findet sich vereinigt in dem bekannten „Richter-Album“, durch dessen Herausgabe W. dem Künstler eine besondere Freude bereitete. Diese wie auch alle übrigen Leistungen Richter’s sind sämmtlich Gemeingut des deutschen Volkes geworden und trugen wie natürlich dem Künstler wie Verleger reichliche Mittel zu. Mit Ludwig Richter verband W. ein ausnehmend inniges Baud der Zuneigung und aus diesem seltenen Freundschaftsbündnisse sind zweifellos meist die herzigen Zeichnungen entstanden, die Richter’s Griffel schuf und die W. dem Volke zugänglich machte. Ein weiteres, s. Zt. Epoche machendes Unternehmen Wigand’s war die von Schnorr herausgegebene „Bibel in Bildern“, deren Entstehen wol ausschließlich auf Wigand’s Initiative zurückzuführen ist. Die Herausgabe dieses Unternehmens nahm Wigand’s volle Thätigkeit in Anspruch und bewunderungswürdig ist, wie er nebenbei noch Zeit für seine Freunde, für anderweite Unternehmungen, sowie für Ehrenämter aller Art finden konnte. Diese umfassende und aufreibende Thätigkeit hatte auch den frühzeitigen Tod des genial angelegten Mannes zur Folge. Nach einem mehrwöchentlichen Leiden raffte den energischen und thatkräftigen Mann am 9. Februar 1858 ein Leberleiden hin. Nach dem Tode Wigand’s wurde das Geschäft von seiner Wittwe Karoline W. geb. Heckenast fortgeführt, unterstützt von Albrecht Kirchhoff, dem es gelang, dasselbe auf der bisherigen Höhe zu erhalten. Einige Jahre darauf trat Albrecht W., der ältere Sohn, in die Firma mit ein, zunächst als Procurist und seit 1. Januar 1867 als alleiniger Inhaber. Albrecht W. legte aber das Geschäft schon im Juli des gleichen Jahres in die Hände der Mutter zurück, A. Kirchhoff übernahm von neuem die Geschäftsleitung, welche er aber überhäufter Geschäfte wegen 1869 an A. H. Hirsch (früheren Theilhaber der Firma Friedlein & Hirsch) abtrat. Am 1. Januar 1874 übernahm alsdann der jüngste Sohn Martin W. das Geschäft und führte es bis zu seinem am 10. Januar 1891 infolge einer Lungenentzündung eingetretenen Tode weiter.

Seit Januar 1891 endlich befindet sich die Firma Georg Wigand im Besitze von Ferdinand Lemnitz (geb. am 12. Dec. 1862 in Naumburg), der das offenbare Bestreben zeigt, der alten Firma ihren Glanz zu bewahren und durch Neuschöpfungen sie zu weiterer Höhe zu bringen.