ADB:Wladislaw II.
Albrecht II., wurde am 1. März 1456 geboren. Seine Erziehung leitete der bekannte Geschichtsschreiber Dlugoß. Schon verhältnißmäßig früh wurde der junge Prinz statt für die Nachfolge seines Vaters, für die Herrschaft Böhmens in Aussicht genommen. Die Vertretung der Ansprüche, die die Jagellonen infolge der Heirath Kasimir’s mit der Tochter des Kaisers Albrecht gewonnen zu haben meinten, blieb das Hauptaugenmerk ihrer dynastischen Politik. Eine Erreichung der gesteckten Ziele schien möglich, als der Usurpator Georg Podiebrad, von der Curie, Kaiser Friedrich, seinen katholischen Unterthanen und dem Könige Matthias von Ungarn bedrängt, an der Behauptung des Königreichs für sein Haus verzweifelte und für augenblickliche polnische Hülfe die Gewährleistung der polnischen Nachfolge versprach und dies durch den böhmischen Landtag bekräftigen ließ (1469). Aber diese Hülfe mochte Kasimir seinem durch den 13jährigen Preußenkrieg erschöpften Lande nicht zumuthen. Er wollte überdies den Papst nicht erzürnen, dessen Herzenswunsch die Zurückführung der ketzerischen Böhmen zum katholischen Glauben bildete, und dessen Wohlwollen er brauchte, da er von ihm die Bestätigung des Thorner Friedens nachsuchte. Er traute sichs zu, wenn die beiden sich bekämpfenden und um die böhmische Krone ringenden Gegner Georg und Matthias sich gegenseitig aufgerieben, ohne Mühe und Opfer die Erbschaft vielleicht in beiden von den Luxemburgern ehemals beherrschten Königreichen (Ungarn und Böhmen) antreten zu können. Erst als er wahrnahm, daß Georg sich durchaus nicht auf Polen allein verließ, und daß in seinen Berechnungen auch der Ausgleich mit dem schlimmsten Gegner, mit Matthias, eine große Rolle spielte, und eine Verständigung auf der Grundlage, daß Matthias Georg’s Nachfolger werden sollte, in Aussicht schien, raffte er sich zu größerer Activität auf. Da inzwischen auch der Kaiser mit Matthias brach, erreichte er, daß Georg die einem Theile seiner Unterthanen genehmen Verhandlungen mit Matthias aufgab und von neuem die Annäherung an Polen betrieb (Februar 1471). Bevor jedoch die Verbindung zwischen dem Kaiser, Polen und Böhmen irgendwie wirksam werden konnte, starb König Georg, am 22. März 1471.
Wladislaw (Wladyslaw), ältester Sohn des Königs Kasimir von Polen und seiner Gattin Elisabeth, der Tochter des KaisersIrgend eine Gewähr für die polnische Nachfolge war noch nicht erreicht. König Kasimir erhielt die Kunde vom Tode Georg’s fern in Litthauen und konnte zunächst nicht mehr thun, als durch eine eilige Botschaft die Ansprüche [689] seines Hauses gewissermaßen anzumelden. Es zeigten sich ernste Schwierigkeiten. Ein Theil der böhmischen Wähler machte Miene, aus dem Wahlrechte Vortheil zu ziehen, bald die, bald jene auswärtige Candidatur aufzustellen, auf den verschiedensten Seiten Hoffnungen zu erregen. Herzog Albrecht von Sachsen, der unter dem Einflusse Gregor Heimburg’s stand, trat in der That als Bewerber auf. Seine Anstrengungen blieben aber erfolglos. Die böhmische Nation stand zu sehr unter dem Eindrucke der heftigen Kämpfe mit Ungarn, als daß Erwägungen, die nach dieser Richtung hin nicht eine klare Auseinandersetzung versprachen, hätten durchdringen können. Es fehlte nicht an Stimmen, die den langen Hader dadurch auszugleichen riethen, daß man jetzt Matthias anerkannte und damit die Wiedervereinigung von ganz Böhmen erreichte. Es war zu erwarten, daß er wegen der nöthigen Garantieen mit sich reden ließ. Von der den Böhmen so anstößigen Sonderwahl, durch die er sich 1469 in Mähren von seinen Anhängern hatte auf den Thron erheben lassen, schwieg er jetzt völlig. Er wandte sich an die gesamte böhmische Nation. Der in seiner Gefangenschaft befindliche Sohn König Georg’s, Victorin, wurde sein bester Fürsprecher. Es schien auch nicht unmöglich, daß seine Brüder, darunter der mächtige und allbeliebte Heinrich von Münsterberg sich ihm anschließen könnten. Noch bei Lebzeiten Georg’s hatten Anhänger beider Könige auf einem Tage zu Polna die Möglichkeiten eines Ausgleichs erörtert. Nun wurde ein Landtag auf den 30. April nach Deutschbrod ausgeschrieben, der die Vereinigung beider Parteien zur Vornahme der Wahl erzielen sollte. Noch vor diesem Tage trafen aber am 27. April drei polnische Gesandte in Prag ein und sprachen für W., den Sohn ihres Königs. Da nur ein Theil der Wahlberechtigten dort versammelt war, konnten sie keinen endgiltigen Bescheid erhalten. Sie erreichten aber durch übermäßige Versprechungen, durch die Betonung der Verwandtschaft der polnischen und böhmischen Zunge, durch Aufzählung aller der Beziehungen und Hülfsquellen, die den vereinigten Böhmen und Polen bei einem erneuten Kampfe mit Ungarn zur Verfügung stehen würden, daß der Haß gegen Matthias wieder heftig emporloderte und die friedlichen Stimmungen der ersten Wochen verflogen. Die polnische Candidatur gewann unversehens eine kaum erklärliche Popularität. Die Deutschbroder Versammlung setzte lediglich einen Wahltag auf den 18. Mai fest und bestimmte als Wahlort entgegen dem Herkommen, das Prag vorschrieb, das beiden Parteien unverdächtige Kuttenberg. Der Hauptförderer der Wahl Wladislaw’s war der angesehene Stibor Towacowski von Cimburg, einer der Führer der Utraquisten. Anfang Mai befand er sich in Polen. Auf dem Kuttenberger Landtage war wieder eine polnische Gesandtschaft zur Stelle. Beide Parteien maßen sich in erregten Wortgefechten; aber die Polen sprachen eindringlicher. Herzog Victorin erntete wenig Beifall, sein Bruder Heinrich blieb völlig neutral. Am 25. Mai verließen die Anhänger des Matthias den Landtag, um nicht überstimmt zu werden. Am 27. Mai erfolgte durch die Zurückgebliebenen die Wahl Wladislaw’s zum böhmischen Könige. Am folgenden Tage ließ sich allerdings auch Matthias in Iglau feierlich zum Könige krönen. Eine Gesandtschaft der Kuttenberger Versammlung ging nach Krakau zu W. Zum Landesverweser während der Zwischenzeit wurde Heinrich von Münsterberg ernannt.
Am 16. Juni nahm W. die Wahl an. Er versprach die Anerkennung der Compactaten, die Neubesetzung des Prager erzbischöflichen Stuhles mit einem duldsamen, den eigenartigen böhmischen Verhältnissen Rechnung tragenden Manne. Er bekannte sich zu den zum Theil ungeheuerlichen Versprechungen, die seine Abgesandten in Prag und Kuttenberg zugesagt hatten, z. B. der Uebernahme [690] der riesigen Landesschulden, der Auslösung des gefangenen Victorin u. A. Er machte durch sein liebenswürdiges gewinnendes Auftreten den besten Eindruck. Von seinem Erbrechte sprach er so gut wie gar nicht. Als seine hervorstechendsten Eigenschaften wurden früh erkannt eine bis zur Schwäche gehende Gutmüthigkeit, ein starker Familiensinn, eine ihm von seinem Lehrmeister Dlugoß anerzogene, streng kirchlich gerichtete Frömmigkeit, wie sie dem Beherrscher Böhmens eigenthümlich anstand. Dazu kamen eine gewisse Scheu vor persönlicher Verantwortung, ein Zurücktreten hinter die Rathgeber, ein Eingehen auf Einflüsterungen, eine kindische, freilich meist verborgene, Empfindlichkeit. Nur wenn er abseits von seiner Hauptstadt auf der Jagd weilte, fühlte er sich wohl und wagte er sich ungezwungen zu geben.
Er gelangte nicht ohne Gefahren in sein Königreich und wurde am 22. August 1471 unter glänzenden, auch aus Deutschland stark besuchten Festlichkeiten gekrönt.
Die Erhebung Wladislaw’s war das Werk derjenigen Partei gewesen, die im Vertrauen auf polnische Hülfe vor der Fortsetzung des Krieges gegen Ungarn nicht zurückschreckte. König Kasimir leistete ihr jetzt wirklich Beistand. So wenig bei der Wahl seines Sohnes von dessen Erbrechte, von der Anerkennung der Berechtigungen des luxemburgischen Blutes die Rede gewesen, die Thatsache, daß diese halb vergessenen Ansprüche sich hatten in Böhmen durchsetzen lassen, mußte ein Sporn sein, sie auch in Ungarn geltend zu machen. Nur eine Niederwerfung des Corvinen konnte Wladislaw’s Stellung sichern. Aber eine polnische Expedition, die im Vertrauen auf unzufriedene Magnaten nach Ungarn ging, scheiterte kläglich. Der Kaiser, der sie begünstigt hatte, mußte sich infolge der drohenden Haltung des siegreichen Matthias dazu bequemen, ihn förmlich als böhmischen König anzuerkennen. König Kasimir konnte nicht umhin, am 31. März 1472 einen Frieden zu schließen, und auch Böhmen mußte sich infolge dessen zu einem Waffenstillstande – bis Mai 1473 – verstehen. Die einem Ausgleich mit Ungarn günstige Strömung gewann wieder einigen Boden. Am 31. Mai 1472 tagte eine Versammlung der Anhänger beider Parteien in Deutschbrod. Sie ernannte für jeden Kreis zwei Obmänner aus den Obedienzen beider Könige zur Schlichtung aller localen Streitigkeiten und den Herzog Heinrich von Münsterberg und den Zdenko von Sternberg zu Landesverwesern. W. trat ganz in den Hintergrund. Im Anschluß an diese Friedensbestrebungen griff auch die Curie in die Vermittelung ein. In Rom war man zufrieden, daß statt des Ketzers Georg der fromme W. Böhmenkönig geworden, man hoffte, daß er allmählich gegen den Unglauben einschreiten würde; man brauchte überdies Matthias nöthiger gegen die Türken und bemühte sich daher, trotz aller Kraftworte gegen die Ketzerei und ihre Begünstiger, den Streit auszugleichen. Mit der Ketzerei selbst wollte man allerdings nicht pactiren, aber man wollte es wieder einmal mit Ermahnungen versuchen. Ein Verhandlungstag zu Neiße März/April 1473 führte zur Ernennung von Schiedsrichtern. Als Obmann sollte Karl von Burgund oder Albrecht von Brandenburg, welcher von beiden Matthias genehm wäre, entscheiden. Matthias wählte Karl. Ein Tag zu Beneschau (28. Mai ff.) ratificirte die Neißer Abmachungen und verlängerte den Waffenstillstand bis zum 28. September 1474. Aber ein Troppauer Tag (Sept. 1473), der in Gegenwart der Könige eine Versöhnung stiften sollte, verlief ergebnißlos. Der päpstliche Legat konnte sich trotz guten Willens nicht soweit beherrschen, Worte zu vermeiden, die den böhmischen Utraquisten Anstoß bieten mußten. Matthias waren die Verhandlungen offenbar unlieb. Er fürchtete, daß seine böhmischen Anhänger in dem Bestreben, die böhmischen Lande wieder zu vereinigen, sich den Gegnern zu sehr nähern könnten. Er hoffte selber gar [691] nicht mehr auf den ketzerischen Theil Böhmens und wollte nur seine Eroberungen behaupten und durch den Besitz der böhmischen Kurwürde allmählich den Aufstieg zum römischen Königsthron vorbereiten. Auf böhmischer Seite dachte man dagegen in erster Linie an die Wiedergewinnung der verlorenen Lande. An dieser verschiedenen Auffassung mußten die Bemühungen scheitern. Auch die Böhmen hatten übrigens verhältnißmäßig früh gegen die ungarischen Absichten starkes Mißtrauen gefaßt, da sie Matthias’ energische Thätigkeit wahrnahmen, während der Zeit der Waffenruhe Wladislaw’s Stellung nach Kräften zu untergraben. Selbst an Mordanschlägen soll er betheiligt gewesen sein. Jedenfalls suchte er Wladislaw’s schwierige Lage soviel wie möglich auszubeuten. Der junge König, der während der Ausgleichsverhandlungen einen guten Theil seiner Macht an die ernannten Verweser abgeben mußte, war nicht im Stande gewesen, die vagen Versprechungen, die er beim Regierungsantritt gegeben, einzulösen. Die Söhne des verstorbenen Königs mit ihrer Beliebtheit und ihrem wohl erworbenen Kriegsruhme waren eine lebendige Anklage gegen den thatenlosen Fürsten, ihre Macht, die sie über die anderen Vasallen hinaushob, eine beständige Drohung. Als Herzog Victorin seine Freikaufung aus der ungarischen Gefangenschaft begehrte, als sich die ungeduldigen Staatsgläubiger meldeten und die versprochene Besetzung des Prager Erzbisthums mißlang, gerieth W. in die größte Verlegenheit. Die Herzöge von Münsterberg wurden katholisch und standen ihm theils feindlich, theils mit kühler Zurückhaltung gegenüber. Versuchen, einzelne Großen wie z. B. den Burian von Guttenstein durch Gunstbeweise zu gewinnen, trat Matthias durch geschickte Querzüge entgegen. Der in seiner Hand befindliche Victorin mußte immer von neuem die versprochene Auslösung fordern. Ebenso wurde Wladislaw’s Streben nach der Anerkennung durch die deutschen Fürsten von ihm vereitelt. Er selber aber, dem wegen seiner weiteren Pläne an Sitz und Stimme im Kurfürstencollegium viel gelegen war, fand zunächst mit den Sachsen, die seit der fehlgeschlagenen Bewerbung Herzog Albrecht’s um die böhmische Königskrone dem glücklicheren W. zürnten, hierüber leicht eine Verständigung. Mit beiden Wittelsbachern im Kurfürstencollegium – Pfalz und Köln – war er in enger Verbindung. Mit Albrecht von Brandenburg erzielte er wenigstens ein farbloses Bündniß. An Albrecht hatte sich aber auch W. gewandt und lief bei ihm dem Corvinen am Ende den Rang ab. Der Markgraf plante in den Jahren 1473 und 1474 ein großes Bündniß, das den Kaiser, Burgund, Polen, Böhmen und Brandenburg umfassen und gegen Matthias, dessen Gefährlichkeit er früh ahnte, und die ihm anhangenden deutschen Fürsten gerichtet sein sollte. Karl von Burgund in diese Coalition zu bringen, erwies sich als unmöglich (Trierer Begegnung). Aber unter dem Einflusse des Markgrafen erkannte der Kaiser W. als König von Böhmen an und verabredete mit böhmischen und polnischen Gesandten, die ihn im Februar und März 1474 zu Rothenburg und auf dem Augsburger Reichstage aufsuchten, einen Angriffskrieg gegen Matthias. Man hoffte, der steten Bedrohung durch Matthias dadurch ein für allemal ein Ende zu bereiten. Aber der in Aussicht genommene Sommertermin verstrich unbenutzt infolge der Bedenklichkeit des Polenkönigs, und als dieser und sein Sohn im Herbste doch noch losschlugen, war der Kaiser durch den inzwischen ausgebrochenen burgundischen Krieg an der Theilnahme verhindert. Der Feldzug, den Kasimir und W. ausschließlich in Schlesien führten, endete kläglich. Sie mußten sich im November/December 1474 zu einem Breslauer Frieden verstehen, der den augenblicklichen Besitzstand bestätigte und alle Händel auf drei Jahre vertagte. W. war indessen immer noch nicht entmuthigt. Als in den folgenden Jahren die Mißstimmung der hart gedrückten Schlesier gegen die Ungarn wuchs und Matthias an der Südgrenze seines Reiches gegen die [692] Türken focht, wagte er einen neuen Vorstoß. Im März 1476 starb ein ungarischer Parteigänger, der schlesische Herzog Heinrich von Glogau-Krossen. W. bestätigte nun nach kurzem Schwanken als König von Böhmen der jungen Wittwe des Verstorbenen, Barbara (A. D. B. II, 49), einer Tochter des Markgrafen Albrecht, das ihr verschriebene Herzogthum. Kurz darauf warben drei königliche Unterhändler zu Frankfurt a. O. um die Hand der jungen Fürstin, und wenig später, am 19. August, fand in Frankfurt das durch Procuration vollzogene Beilager statt. W. hat später behauptet, die Abgesandten nur zur Verlobung ermächtigt zu haben; auf brandenburgischer Seite und von dem Führer der Unterhändler ist dies bestritten worden. Trotz der unheimlichen Raschheit, mit der die Angelegenheit in Frankfurt erledigt wurde, ist nicht daran zu zweifeln, daß Albrecht und der die Ehe einsegnende Lebuser Bischof sowie die böhmischen Sendlinge unbedingt lautende Vollmachten zu haben glaubten, und daß die Ehe rechtmäßig geschlossen worden. Diese Heirath und die darauf folgende Uebernahme des schlesischen, bisher zu Matthias haltenden Herzogthums, das die Mitgift Barbara’s bildete, bedeuteten einen Bruch mit Matthias. W. wagte sogar, die Unzufriedenen in Schlesien und Mähren an sich zu ziehen, mit ihnen Abkommen zu treffen, und begab sich im Frühjahr 1477 zum Kaiser, um sich von ihm die versprochenen Regalien Böhmens verleihen zu lassen. An dem nun sich entwickelnden Kriege zwischen dem Kaiser und Matthias, der für den ersteren sehr unglücklich verlief, mochte er aber nicht theilnehmen. Sein Vater Kasimir war durch schwere Zwistigkeiten mit den Preußen beschäftigt. Matthias errang einige Erfolge in Wladislaw’s Nachbarschaft und wußte die Häupter der unzufriedenen Vasallen mit raschen Schlägen zu treffen. Das schlesische Herzogthum Barbara’s war inzwischen durch einen kühnen Einfall eines unruhigen Prätendenten, Hans von Sagan, verloren gegangen. W., der mit einer mitgiftlosen Gattin nicht vor die böhmischen Großen hintreten mochte, schob zuvörderst den Termin der Heimführung der Gattin hinaus und gab schließlich der Werbung um Barbara’s Hand die oben erwähnte Auslegung, es habe sich nur um eine Verlobung, nicht um eine Ehe gehandelt. Durch den ärgerlichen Briefwechsel, der sich nun mit dem Markgrafen entspann, gerieth der König immer mehr in eine tiefgehende Abneigung gegen die junge Fürstin und ihr Haus hinein. Bei einer anderen, glänzenderen Ehe, die der König in diesen Tagen zu schließen hoffte – mit Maria von Burgund – kam ihm der Sohn des Kaisers zuvor. W. dachte nun daran, wenigstens die luxemburgischen Lande aus dem Nachlasse Karl’s des Kühnen kraft seines Erbrechtes in Anspruch zu nehmen. Er mußte aber bald davon abstehen und fand nicht einmal einen Käufer, dem er diese zweifelhaften Berechtigungen hätte cediren können.
Die wiederholten Mißerfolge der Kämpfe mit Matthias brachten allmählich die böhmische Bevölkerung wie W. zu der Ueberzeugung, daß ein endgiltiger Ausgleich unumgänglich nöthig sei. Im März 1478 tagten die Anhänger beider Könige in Brünn und schlugen vor, Matthias solle Schlesien, Mähren und die Lausitzen besitzen bis zur Einlösung durch W. mit 400 000 Ducaten. W. erhalte von ihm den böhmischen Königstitel, Matthias stehe es frei, ihn sich auch beizulegen. Matthias sorge dafür, daß der Papst die religiösen Forderungen der Böhmen berücksichtige. W. nahm diese Abmachungen an, Matthias verwarf sie, erlaubte aber neue Verhandlungen. Am 30. September 1478 willigte er ein, von nun an Frieden zu halten. Beide Prätendenten sollten sich König anreden, W. erst nach Matthias’ Tode die Nebenländer um 400 000 Ducaten auslösen dürfen. Ueberlebe Matthias seinen Rivalen und werde er dann überall in Böhmen anerkannt, sollen ohne weiteres alle böhmischen Lande vereinigt sein. Eine persönliche Begegnung beider Fürsten sollte dies Abkommen besiegeln und [693] über den Ausgleich zwischen Böhmen und Rom berathschlagen. Die Kurstimme behielt W. Juli 1479 trafen sich die Könige in Olmütz und ratificirten die Verträge. Auch mit Polen wurde dauernder Friede geschlossen.
Seitdem war das Verhältniß leidlich. Matthias hörte allerdings noch nicht auf, W. gewisse Schwierigkeiten zu bereiten. Er ließ es z. B. nicht zu, daß der Papst ihm die Anerkennung gewährte oder in der Compactatenfrage Erleichterungen zugestand. Er verhinderte alle Heirathspläne seines Nebenbuhlers, seine Versuche, sich von Barbara zu trennen, sowol wie die Versuche derer die diese traurige Verbindung doch noch zu regeln unternahmen. Dem Corvinen mußte schon mit Rücksicht auf die eigenthümlichen Bestimmungen des Olmützer Friedens viel daran gelegen sein, daß W. geradeso wie er der legitimen Nachkommenschaft entbehrte. Aber im Allgemeinen blieben die Beziehungen gut. W. mischte sich nicht in den österreichischen Krieg, der Matthias die nächsten Jahre beschäftigte. Als Matthias um die Wende 1481 und 1482 mit den Sachsen zerfiel, benutzte dies W. allerdings dazu, um den alten aus der Zeit der Königswahl (1471) herrührenden Hader mit den Sachsen auf billige Bedingungen hin beizulegen. Die dafür zugesagte Hülfe brauchte er aber schließlich nicht zu leisten, da sich die Sachsen am Ende mit Ungarn vertrugen. Bei dem regen Verkehre zwischen den beiden Königen wagten die deutschen Fürsten in den Jahren 1485/1486 nicht, W. in die Pläne, Maximilian zum römischen Könige zu machen, einzuweihen, und schlossen Böhmen von der Ausübung der Kurstimme aus. Die darüber in Böhmen ausbrechende nationale Erbitterung diente Matthias dazu, mit W. in noch engere Verbindung zu treten und ihn anzustacheln, von den Fürsten, vornehmlich von Brandenburg und Sachsen, für die Beleidigung Genugthuung zu verlangen. Erst als Matthias nach der völligen Besiegung des Kaisers über die schlesischen Fürsten herfiel (1487), um sie zu Gunsten seines natürlichen Sohnes Johann Corvin ihrer Lande zu berauben, und damit die Aussichten Wladislaw’s, Schlesien nach Matthias’ Tode zu erlangen, merklich verkürzte, griff der junge König zu Gunsten der bedrängten Münsterberger ein und rettete sie vor dem völligen Erliegen. Das rief wieder eine kleine Spannung mit Matthias hervor. Dieser hatte es auch übel genommen, daß W. eine kurze Entfremdung zwischen Papst Innocenz und Ungarn dazu benutzt hatte, um sich endlich die ersehnte päpstliche Anerkennung ertheilen zu lassen (1487). Als Matthias im April 1490 starb, trat auch W. mit Zustimmung seiner Unterthanen, die auf diesem Wege am leichtesten eine Vereinigung der verlorenen Nebenländer mit Böhmen ohne Geldzahlungen ermöglichen zu können meinten, als Bewerber um Ungarn auf und siegte über alle Nebenbuhler. Am 11. Juni 1490 wurde er zu Ofen als König proclamirt. Seinen Bruder Johann Albrecht, der ihm entgegentrat, fand er nach zwei siegreichen Feldzügen mit schlesischen Herzogthümern, den römischen König Maximilian mit der Anerkennung des habsburgischen Erbrechtes ab; den natürlichen Sohn seines Vorgängers Johann Corvinus besiegte er und verglich sich dann mit ihm. Einer Vermählung mit der Königinwittwe Beatrice, die ihm beharrlich ihre Hand antrug, wußte er sich mit päpstlicher Hülfe zu entziehen. Auch die leidige Ehe mit Barbara vermochte er schließlich zu lösen. Kurfürst Albrecht hatte ihn bisher unausgesetzt mit päpstlichen und kaiserlichen Machtsprüchen zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten lassen. Nach Albrecht’s Tode (1486) wollten dessen Söhne sich ihre Einwilligung in die Trennung der Ehe durch Landschenkungen abkaufen lassen. Eine eigenmächtige neue Verlobung, die Barbara einging, erleichterte aber dem Könige die Scheidung, die nun von Rom aus nicht mehr verweigert werden konnte. Zur Veruneinigung mit Barbara’s Brüdern führte übrigens diese Wendung der Eheangelegenheit nicht. W. bestätigte ihnen 1493 die Erwerbungen des Kamenzer [694] Friedens (1482) und den Ankauf von Zossen (1490) und förderte die Pläne des Markgrafen Friedrich, seine starke Nachkommenschaft zu versorgen. Auch mit den übrigen benachbarten deutschen Fürsten, den Sachsen und den Bayern hielt W. Frieden. Selbst die Unterstützung, die er dem Löwlerbunde gewährte, entzweite ihn nicht dauernd mit Herzog Albrecht IV. von Bayern. Er hielt sogar zu ihm während des Landshuter Erbfolgekrieges, konnte es jedoch nicht wehren, daß tausende seiner Unterthanen seinem Gegner, dem Pfalzgrafen, um Sold dienten. Die schwere Niederlage der böhmischen Hülfsvölker des Pfalzgrafen bei Schönberg kann man den Schicksalstag der böhmischen Kriegsmacht nennen. Seitdem ging es mit dem Ansehn der böhmischen Kriegskunst reißend bergab. Als König von Ungarn hatte W. vornehmlich mit einigen ehrgeizigen Großen, vor allem mit Lorenz Ujlaky und den Zapolya zu schaffen. Sein Nebenbuhler Johann Corvin starb 1504. Die Zapolya wandten sich nicht direct gegen ihn, traten sogar durch die Vermählung einer der Ihren mit Wladislaw’s Lieblingsbruder Sigmund seinem Hause nahe, störten aber infolge der Dreistigkeit, mit der sie ihre Herrschaft für die Zeit nach Wladilaw’s Tode vorbereiteten, seine Pläne und minderten sein Ansehn. Zu ernsthaften Kriegszügen gegen die Türken kam es nicht, obwol es der Papst und Maximilian nicht an Ermunterungen fehlen ließen. Ein Jagellonischer Familiencongreß zu Leutschau 1494 hatte nur einen ergebnißlosen Feldzug in die Wallachei zur Folge. Ein mächtiges Kreuzheer, das sich 1514 in Ungarn versammelt hatte, konnte, da W. den kurz vorher mit dem Sultan geschlossenen Frieden nicht zu brechen wagte, nicht vor den Feind geführt werden und verband sich mit dem über die Bedrückungen des Adels erbitterten ungarischen Landvolke. Nur mit Mühe und unter entsetzlichen Gräueln konnte die blutige Erhebung, die auch nach Böhmen übergriff, niedergeworfen werden. Die ungarischen Großen benutzten ihren Sieg, um die Bauern vollends in die Leibeigenschaft zu versetzen. W. konnte ihren Versuchen, den ganzen Staat ihren Zwecken dienstbar zu machen, nicht wehren. Auch in Böhmen hatte er von Anfang an in den inneren Wirren nur geringe Energie gezeigt. Markgraf Albrecht pflegte zu spotten, er sei so mächtig wie der Abt von Ochsenstein, den die Mönche die Stiege hinabgeworfen, und die zahlreichen Epigramme des Bohuslaus von Hassenstein zeigen, daß auch seine Schmeichler heroische Tugenden an ihm nicht entdecken konnten. Seit der Erwerbung Ungarns bereitete ihm die Eifersucht der beiden Königreiche auf einander schwere Verlegenheiten. Fast bei jeder Verfügung, die er für Schlesien oder Mähren traf, hatte er mit der Schwierigkeit zu kämpfen, sich entscheiden zu müssen, ob er als böhmischer oder ungarischer König vorgehe. In vielen Fällen mußte er, um nicht einen von beiden Theilen zu verletzen, überhaupt jeden Eingriff unterlassen. In Böhmen machten ihm vor allem die ständischen Händel viel Aergerniß. Das Bestreben des Herren- und Ritterstandes, die Landtagsfähigkeit der Städte auf die specifisch städtischen Angelegenheiten zu beschränken, unterstützte er anfänglich, ebenso wie er die Herabdrückung des Landvolkes in die Leibeigenschaft nicht hinderte. Später aber näherte er sich den Städten und suchte im Bunde mit ihnen und dem Herzoge Bartholomäus von Münsterberg der allzugroßen Macht der Herrengeschlechter entgegenzuarbeiten. Er erreichte die allerdings nur vorübergehende Verminderung der Amtsbefugnisse einzelner hoher Würdenträger. 1510 gab er den großen Majestätsbrief, der die Unveräußerlichkeit böhmischen Landes an Fremde erklärte. Mit den Herzögen von Münsterberg schloß er nach anfänglichen Händeln ein dauerndes Abkommen (1495). Sie verkauften die meisten böhmischen Güter und Glatz, behaupteten sich aber in Münsterberg und erwarben Oels.
In Schlesien, wo er sich längere Zeit durch seinen Bruder Sigmund vertreten [695] ließ, ertheilte er 1498 und 1504 große Privilegien, die dem Lande das Indigenat für alle Beamten und Lehnsleute sicherten, das Breslauer Bisthum den Unterthanen der böhmischen Krone vorbehielten. 1506 drang allerdings hier der Ungar Thurzo durch. Viele Maßnahmen des Königs Matthias erlaubte er rückgängig zu machen. Den handelspolitischen Kämpfen der Breslauer schenkte er eine Zeitlang Interesse. Unter seine Regierung fällt das Entstehen der ersten schlesischen Standesherrschaften.
Besondere Energie entfaltete W. in den kirchlichen Angelegenheiten Böhmens. Er begünstigte die Katholiken, ohne doch die Compactaten zu brechen und den Utraquisten wirkliches Aergerniß zu geben. Er erbat in Rom besondere Gnaden für Prag und andere Städte, um dadurch auf die Kelchner zu wirken. Die Besetzung des Prager erzbischöflichen Stuhles und die Aussöhnung Böhmens mit Rom gelang ihm nicht. Mit ungewöhnlicher Härte verfolgte er unter dem Beifalle der Katholiken wie der Utraquisten die Brüdergemeinden, ohne sie indes vernichten zu können.
Trotz der verunglückten früheren Heirathsversuche – sogar mit einem grenzmaidel wollte er sich verbinden – erreichte er doch noch seine Verehelichung. 1502 heirathete er ungeachtet aller Versuche Maximilian’s, dies zu hindern, die kluge und energische Anna von Foix. Am 23. März 1504 schenkte ihm seine Gattin eine Tochter, Anna, die im März 1506 mit Ferdinand, dem Enkel Maximilian’s verlobt wurde. Gleichzeitig wurde ein etwaiger männlicher Thronerbe für eine Enkelin des Kaisers bestimmt. Die Abneigung der ungarischen Machthaber gegen jeden fremden Herrscher hatte schon im J. 1505 zu einem Landtagsbeschlusse geführt, der sich deutlich gegen die 1491 bestätigte österreichische Anwartschaft richtete und nur geborene Ungarn für regierungsfähig erklärte. Um sein Recht zu schützen unternahm Maximilian im Mai 1506 unmittelbar nach dem Abschlusse des Verlöbnisses einen Einfall nach Ungarn, dem indeß, da am 1. Juli 1506 W. ein Thronerbe, Ludwig, geboren wurde, wodurch die Erbschaft in weite Ferne gerückt wurde, am 19. Juli 1506 ein Friede folgte. Das österreichische Erbrecht wurde anerkannt, der Landtagsbeschluß allerdings nicht aufgehoben.
W. verstand es, seinen Kindern die Nachfolge schon bei Lebzeiten zu sichern. In Böhmen wurde der junge Ludwig schon 1507, in Mähren 1510 anerkannt; in Ungarn wurde er 1508 gekrönt. Und nur in Schlesien wurde mit Rücksicht auf das unklare umstrittene staatsrechtliche Verhältniß des Landes keine Entscheidung getroffen. Die endgültige Verlobung der Kinder erfolgte erst 1515. Gegen Verzicht auf die dem Bruder des Königs, Sigmund von Polen, schädlichen Zettelungen mit Moskau und dem Deutschen Orden erreichte der Kaiser, daß er sich selber mit Prinzessin Anna für einen seiner Enkel – Karl oder Ferdinand – trauen lassen durfte, während Ludwig mit der kaiserlichen Enkelin Maria verlobt wurde. Maximilian gab auch das schwerlich ernst gemeinte Versprechen, Ludwig zum römischen Könige wählen zu lassen.
Im folgenden Jahre, am 13. März 1516, starb W., seine Gattin hatte er bereits 1506 verloren. Unter seiner Regierung hatten in allen seinen Ländern die Abschließung der Stände, das Emporsteigen ihrer höchsten Glieder riesige Fortschritte gemacht, die religiösen Gegensätze hatten sich gemildert, die socialen waren unerträglich geworden. Zur Abwehr der Türkengefahr war nichts ernstliches geschehen. Die Befürchtungen Maximilian’s und anderer Nachbarn, daß die Jagellonenherrschaft in den drei mächtigen östlichen Reichen Polen, Ungarn und Böhmen, zu einer ausgreifenden, großartigen jagellonischen Familienpolitik führen würde, waren grundlos gewesen. Die drei Reiche, geleitet durch eine von fester Tradition beeinflußte Oligarchie der Vornehmsten, gingen eigene Wege. [696] Ein stark besuchter und mit viel Geheimnißkrämerei umgebener Hauscongreß zu Leutschau hatte gar keine praktischen Ergebnisse gehabt. W. verzichtete darauf, 1501 und 1506 nach dem Ableben zweier Brüder Ansprüche auf Polen zu erheben. Für die specifisch polnischen Interessen, z. B. in der preußischen und der von Breslau wieder angeregten Stapelangelegenheit zeigte er nur vorübergehend, wie 1515, Verständniß, und er plante, wenn man nicht die von ihm schließlich erlaubte Verbindung seines Bruders Sigmund mit den Zapolya dahin rechnen will, auch keine Verfügungen, die die Fortdauer der Jagellonenherrschaft, die Succession des polnischen Zweiges seines Hauses beim Erlöschen des ungarisch-böhmischen verbürgen konnten.
- Palacky, Gesch. Böhmens V. – Caro, Gesch. Polens V. – Huber, Gesch. Oesterreichs III. – Grünhagen, Gesch. Schlesiens I. – Rachfahl, Die Organisation der schles. Gesammtstaatsverwaltung. – Ulmann, Kaiser Maximilian I. II. – Szalay, Gesch. Ungarns, deutsch von Wögerer III. – Feßler, Die Gesch. der Ungarn V. – Scriptores rer. Silesiacarum X, XIII, XIV. – Priebatsch, Die politische Correspondenz des Kurf. Albrecht Achilles I. II.– Bachmann, Reichsgesch. II. – Höfler, Barbara, und die an den angef. Stellen mitgetheilte Litteratur.