Zum Inhalt springen

ADB:Wolfradt, Anton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wolfradt, Anton“ von Árpád Győry von Nádudvar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 389–396, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfradt,_Anton&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 00:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wirz, Achilles
Nächster>>>
Wurm, Christian
Band 55 (1910), S. 389–396 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Anton Wolfradt in der Wikipedia
Anton Wolfradt in Wikidata
GND-Nummer 118033581
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|389|396|Wolfradt, Anton|Árpád Győry von Nádudvar|ADB:Wolfradt, Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118033581}}    

Wolfradt *): Anton W., Fürstbischof von Wien, Hofkammerpräsident und Abt von Kremsmünster, geboren 1581, † 1639.

Am 9. Juli 1581 als Sohn mäßig begüterter Bürgersleute in Köln a. Rh. geboren, ward er, wie sein älterer Bruder Gerhard, für den geistlichen Stand bestimmt. Durch diesen Bruder, der schon am Collegium Germanicum studirte, dort empfohlen, zog er am 5. August 1599 in Rom ein. Gemeinsames Studium und religiöse Begeisterung hatten ihn sammt sieben gleichgesinnten Collegen bestimmt, nach Clairvaux unter die Jünger des hl. Bernhard zu gehen, wo er dann auch sein Noviziat ablegte. Der neu gewählte Abt Paul von Heiligenkreuz in Nieder-Oesterreich, bestrebt, seine vereinsamte Abtei wieder durch Gewinnung hervorragender Brüder zu heben, erbat sich vom Ordensgeneral hierzu geeignete Männer. Dieser sendete als solche W. sammt seinen Freunden dahin, wo sie [390] auch im folgenden Jahre, 1604, die Profeß ablegten. Der Abt, die Fähigkeiten Wolfradt’s erkennend, schickte ihn wieder nach Rom zur weiteren Ausbildung, der er in der Zeit von 1604–1608 oblag. In Rom wurde er 1606 zum Priester geweiht und vollendete seine Studien mit einer so durch Geist und Dialektik ausgezeichneten Disputation vor den versammelten Cardinälen, daß kein geringerer als Cardinal Bellarmin, sein Opponent bei der Disputation, ihm, als er sich niederkniete, um dessen Hand zu küssen, lächelnd sein eigenes Cardinalbarett aufs Haupt setzte mit den Worten: „Ueberhebe dich nicht, wenn ein gleiches Käppchen und Schicksal dir zu Theil wird.“ Ein ähnliches Geschick, auf der Höhe zu wandeln, ward dem jungen Cistercienser wohl zu Theil, doch das scharlachrothe Barett ward ihm vorenthalten, so oft verschiedene weltliche Mächte, insbesondere Spanien, es ihm auch in der Ferne als Belohnung für Förderung ihrer Interessen in Aussicht stellten.

Der Heimweg sollte ihn nicht bis nach Heiligenkreuz zurückführen. Noch im steirischen Cistercienserstift Reun hielt ihn der Abt Matthias Gülger, gleichfalls Profeß von Heiligenkreuz, zurück und veranlaßte ihn, die Pfarre Gratwein zu übernehmen, welche eben vom Salzburger Erzbischofe im Tauschwege überlassen und in ziemlich vernachlässigtem Zustande übernommen worden war. Die Energie, mit der W. in kurzer Zeit diesen zu beheben wußte, all das administrative Talent, das der junge, bisher nur den höchsten Studien obliegende Cistercienser plötzlich auf weltlichem Gebiete entfaltete, zog die Augen des Abtes und, wie es eben der Zufall wollte, des auf der Fahrt von Graz nach Wien durchreisenden allmächtigen Bischofs und Ministers Khlesl auf sich. Er sah Geist von seinem Geiste im Gratweiner Pfarrer und sah recht, denn dieser wurde später sein, wenngleich nicht so berühmter Nachfolger in den meisten Stellungen. Nach Rücksprache mit dem Abt Gülger lenkte Khlesl die Aufmerksamkeit des Königs Matthias auf den kaum 30jährigen „der hl. Schrift Doktorn ob seiner guetten Qualiteten und Geschicklichkheit halben geruembten frater“, als es galt, der stark verwahrlosten Cistercienserabtei Wilhering in Oberösterreich ein neues Oberhaupt zu geben. Seine Ernennung erfolgte am 10. April 1612. Doch kaum übers Jahr sollte seine Regierungszeit hier dauern. Eine viel mächtigere Abtei im Traungau, die altehrwürdige Benedictinerordensstiftung der Agilolfinger, Kremsmünster, ward durch den Tod ihres Vorstehers, März 1613, verwaist und es hieß, einen würdigen Nachfolger zu finden. K. Matthias selbst war es, der bei seinem zufälligen Aufenthalt im Stifte, Juli 1613, den Brüdern die besonderen Eigenschaften des Wilheringer Abtes pries und ihnen dessen Wahl oder vielmehr Postulation empfahl. Sie geschah bald darauf. Der Kaiser bestellte W. zum Administrator; Papst und Generalabt ertheilten dem Jünger des hl. Bernhard die Erlaubniß zum Uebertritt in den stammverwandten älteren Orden des hl. Benedict, und so konnte am 18. December desselben Jahres, 1613, die feierliche Installation des neuem Abtes in Kremsmünster erfolgen. Fast 26 Jahre führte er die Zügel mit starker Hand, die sich allüberall fühlbar machte, wenngleich er mehr vom Stifte abwesend war, als je einer seiner Vorgänger. Zu welch hohen Würden ihn das Schicksal auch emporhob, er fühlte sich immer zunächst als der Abt seines Stiftes; einfach „Kremsmünster“ unterzeichnet er sich in manch’ späterem diplomatischen Schriftstücke, und Papst wie Kaiser belassen ihm diese Würde bis zu seinem Tode neben all den anderen, die er sonst erhielt. Wenn Mutter und Schwester aus fernen Rheinlanden herbeieilen zur feierlichen Installation, wenn der Gönner Khlesl sich gleichfalls einfindet, ja 2 Monate später er sich in dem von seinem Wiener Bischofsitze weit entfernten Kloster die Bischofsweihe ertheilen läßt – 12 Jahre nach seiner Ernennung –, so sind das Züge der [391] Anhänglichkeit und Sympathie, die uns den Menschen nahe bringen, ebenso wie sein Mahnwort an den Convent in den schweren Kriegszeitläuften „ante omnia lasset Euch neben Haltung guter Disziplin auch die Verrichtung des Gottesdienstes, meditation … und dgl. geistliche arma bestens angelegen sein, darbey gleichwol alle guette Fürthuung in militaribus nit schaden khan“. W. also setzte kräftig ein, wo sein bedeutender Vorgänger Abt Alexander a Lacu aufgehört hatte. Seine Thätigkeit beschränkte sich zunächst auf Reformationen im Hause selbst. Kirche und Stiftsgebäude sollten zweckmäßige und schöne Umwandlungen erfahren; war dies geschehen, sollten gleicher Sorge die auswärtigen Pfarrhöfe theilhaftig werden. Doch innerer Thatendrang und die Zeiten wiesen ihn bald hinaus auf die Arena politischen Wirkens. Es war in allen Ländern der deutschen Habsburger die Zeit des gewaltigen Ringens der Stände mit der Fürstengewalt; Hand in Hand damit ging der Kampf der Protestanten gegen die katholisirenden Bestrebungen des Herrscherhauses. Dem Drängen der Länder folgend und bedürftig ihrer Geldbewilligungen, hatte der Wiener Hof eine Versammlung der Abgeordneten sämmtlicher Gebiete des Erzhauses im Juli 1614 nach Linz berufen. Auf ihr offenbarte sich zum ersten Male das Getriebe der großen Politik dem erst kürzlich von den oberösterreichischen Ständen zum Verordneten gewählten jungen Abte von Kremsmünster. Auch zum Generallandtage in Prag, der im Sommer des folgenden Jahres alle Vertreter der Länder des Hauses Oesterreich neuerdings vereinen sollte, war W. gesandt worden. Verlief diese Versammlung auch resultatlos, so sah W. hier wenigstens im großen den Kampf der gleichen Gewalten wie im kleinen Lande Oberösterreich. Daheim, in und außerhalb der Landstube, die Gefahren desselben nach Thunlichkeit abzuwenden oder abzuschwächen, ward fortab seine vornehmste Aufgabe; zunächst freilich mit wenig Erfolg. Die protestantische Partei wuchs fort an Macht, man verband sich noch enger mit den Glaubensgenossen in den Grenzgebieten, und der alternde Kaiser hatte nicht mehr die Kraft, den Geistern, die er gerufen, zu gebieten.

Mitten in diesen Wirrsalen starb K. Matthias (März 1619). Sein Nachfolger Ferdinand II., wohl wissend, daß Erfolge nur mit Opfern erkauft werden können und daß sein eigenes Vermögen zu gering sei, um der Umtriebe Herr zu werden, geht auf der Heimkehr von der Kaiserkrönung, Ende September 1619, in München das Bündniß mit der katholischen Liga und Baiern ein, als dessen zunächst offen einbekannter Preis die Verpfändung Oberösterreichs an den Nachbar gelten sollte. Ein langwieriges Verhandeln beginnt zwischen den Ständen, deren überwiegende Mehrheit noch immer Hülfe von den Glaubensgenossen in Böhmen erhofft, und dem Kaiser und später dem Herzoge von Baiern wegen der zu leistenden Huldigung und endlichen Unterwerfung. Als Unterhändler des Kaisers tritt neben dem Grafen Meggau auch W. auf, dem der Kaiser durch die bald erfolgte Verleihung des Titels eines kaiserlichen Rathes sein besonderes Vertrauen beweisen wollte. So gut kaiserlich und katholisch W. auch gesinnt war, nimmt er doch, gedrängt von seiner Anhänglichkeit an Oberösterreich, Theil an den Verhandlungen der, meist protestantischen, weltlichen Stände in Grieskirchen mit dem Baiernherzog; diese Anhänglichkeit machte ihm der bald darnach, 19. August 1620, zum Statthalter eingesetzte Graf Adam v. Herberstorff zum steten Vorwurf, wo immer der oberösterreichische Prälat für seine Landsleute eintrat und die Härten, ja Grausamkeiten des fremden Landesverwesers abzuschwächen suchte, der in seiner Feindschaft ihm geradezu egoistische Motive unterschob, wenn er die Lasten, die das Land bedrücken sollten, nach Möglichkeit zu verringern trachtete. So sehen wir ihn des öfteren den Weg an den Hof des Kaisers wie des Kurfürsten machen, [392] um Milderung der Contributionen und endlich die Befreiung des geliebten Landes von der Invasion zu erreichen, denn „daß man mit unsern Patrioten so ybel content, trag ich ein herzlich miterbarmen, weil wir doch alles thuen, was wir thuen muessen …“.

Eine abermalige Fahrt in dieser Angelegenheit nach dem kaiserlichen Lustschlosse in Ebersdorf, im September 1623, sollte bestimmend für die weiteren Schicksale Wolfradt’s werden. „Mir geht der Hund (sic!) vor dem Angesicht um, als sei es auf ein anderes angesehen und wölle man mich zu einem anderen anspannen“; – und er hatte Recht. W. hatte, seit er die Inful des Stiftes Kremsmünster trug, nicht bloß diesem, seinen Pfarreien, Vogteien u. s. w. seine zielbewußte Fürsorge angedeihen lassen, er übertrug sie auch auf andere Klöster, deren Administration im Argen lag; Schlierbach, Gleink und Spital am Pyrhn verdanken ihm neuen wirthschaftlichen und damit auch religiösen Aufschwung. Was Wunder, daß der Ruf dieses tüchtigen Finanzmannes im geistlichen Gewande in dem Kaiser den Gedanken zur Reife brachte, denselben sich und dem Vaterlande in diesen kriegerischen, so geldbedürftigen Zeiten nutzbar zu machen. W. wurde im October 1623 zum Hofkammerpräsidenten ernannt und nahm von da an seinen ständigen Wohnsitz in Wien, das er zeitlebens dauernd nicht mehr verlassen sollte, so oft ihn auch die verschiedensten diplomatischen Sendungen später zeitweise hinwegführten. Der neue Präsident stand vor einem zerrütteten Finanzwesen: Oberösterreich verpfändet, die Schuldenlast auf 8 Millionen Gulden angewachsen, aus den böhmischen und anderweitigen Güterconfiscationen kein sonderliches Erträgniß, da der hochherzige Herrscher seine Getreuen nur allzu verschwenderisch belohnte, ein kostbarer Hofhalt, leere Cassen, und als Hauptfehler: keine Centralisation in der Verwaltung. Ein umfangreiches Memorandum Wolfradt’s an den Kaiser, vom 4. Juli 1624, erörterte zwar die Art, wie diesen Uebelständen abzuhelfen wäre; es waren darin aber mehr platonische Wünsche zum Ausdruck gebracht, neue Einnahmequellen wurden jedoch nicht gezeigt. Der Vorschlag, den W. im Juni 1625 von neuem dringlichst empfahl, eine Hauptcasse in Wien zu errichten, in die alle Einkünfte einfließen und aus der ohne Bewilligung und Controlle der Hofkammer keine Auszahlungen erfolgen sollten, kam nicht zur Ausführung, ebensowenig als der ebenso gesunde Rath, die Ausgaben des Staates von denen der Hofhaltung und den persönlichen Auslagen des Herrschers zu trennen, „zumaln da das nit beschicht, Mühe, Arbeit und alle gute Disposition verloren, ja alle Direction und des Präsidenten Ambt umsonst ist“. W. zog sich nur das Uebelwollen mancher Kreise zu, die im Trüben fischen wollten. Der Herrscher verfügte weiter über die Geldmittel der Kammer, über die Einnahmen aus Herrschaften und Gefällen wie über sein Privatvermögen. Eigentliche Realisirung fand nur ein einziger Vorschlag: die Vereinigung der niederösterreichischen Kammer mit der Hofkammer, die erst im Februar 1627 vollständig zur Ausführung gelangte. Auch dies war nur ein Stückwerk, denn – so unglaublich es klingt – es blieben die Grazer Hofkammer, von der die ganze Ländergruppe der inneröstereichischen Verwaltung abhing, also Steiermark, Kärnten und Krain, und gar die Hofkammer des so reichen Landes Böhmen noch auf Jahrzehnte hinaus von der Vereinigung mit der Wiener Hofkammer ausgeschlossen.

Daß auch der tüchtigste Administrator unter solchen Umständen nichts Ersprießliches leisten konnte, liegt auf der Hand. Dazu kam die so häufige Verwendung Wolfradt’s, der schon durch seine im Juli 1624 erfolgte Ernennung zum Geheimen Rathe Mitglied des ersten Rathscollegiums des Reiches geworden war, in auswärtigen Geschäften. Fällt doch in diese Jahre der Bauernaufstand [393] in Oberösterreich. Wie W. hier ausgleichend wirkte, indem er die Rechte seines Herrn mit der Billigkeit gegenüber den nicht nur durch eigenes Unrecht zum Aeußersten gebrachten Bauern in Einklang zu bringen wußte, erfüllt eines der schönsten Ruhmesblätter der Lebensgeschichte dieses Mannes. Mit Recht konnte W. beim Ausbruche des Kriegs, da Fadinger gegen Kremsmünster zog, dessen Prior auffordern, den Bauern „zu Gemuett zu führen, daß Ich vor wenig Jahren in dem bayerischen Einzug in das Landt das ganze Traunviertel vor aller der Soldaten Einlosirung und Gewalt errättet, Ihnen einige Beschwärnus nicht zugemuttet, sonder jederzeit mit ihnen Gedult getragen, und Ihnen in ihren Nöthen, sonders bey der großen Theuerungszeit treulich und vätterlich geholffen“. Dies Bewußtsein kam auch klar zu Tage, als die Bauern nach Fadinger’s Tode sich in Verhandlungen mit dem Kaiser einlassen wollten und neben Meggau vor allen den Abt von Kremsmünster als kaiserlichen Unterhändler begehrten. Wäre nicht das holsteinische Kriegsvolk sengend und brennend ins Land eingefallen, wodurch die Bauern zu neuer Empörung gebracht wurden, so hätte Wolfradt’s Milde und warmes Empfinden für seine Landsleute, das ihm die Pfandinhaber so sehr verübelten, bald den Frieden mit den Bauern zu Stande gebracht. So aber konnte W. seinen besänftigenden Einfluß, nachdem der Aufstand mit blutiger Hand niedergerungen war, erst als Mitglied der strafgerichtlichen Commission in Linz, Beginn 1627, geltend machen und erreichen, daß die Angeklagten nicht des Verbrechens der beleidigten Majestät, sondern nur des Aufruhrs schuldig erkannt wurden. Daß dabei doch manche Todesurtheile erflossen, war nicht zu hindern.

Die Durchführung der Katholisirung ward nun definitiv erklärt. Der allgemeine Wunsch, die Baiern das Land verlassen zu sehen, sollte endlich auch durch die Ueberlassung der oberen Pfalz und der am rechten Rheinufer gelegenen Theile der Unterpfalz erfüllt werden, und so konnte W. am 1. Mai 1628 das geliebte österreichische Land feierlich aus den Händen des Grafen Herberstorff namens des angestammten Herrn übernehmen.

Wenn W. in diesen Zeiten des Vortheiles seines Hauses nicht vergaß und von außer Landes ziehenden oder geächteten Protestanten Güter und Häuser erwarb, so die ehemals Jörger’sche Herrschaft Scharnstein und ein Haus in Wien (in der Herrengasse), das er völlig umgebaut später der Familie Trautmansdorff weiter verkaufte, oder die Dietman v. Grienthal’sche Herrschaft Kremseck, weiter Pernstein bei Kirchdorf von der Wittwe des Landeshauptmanns Grafen Herberstorff und sonst Häuser in Linz und anderwärtes käuflich an sich brachte und vom Kaiser die Exemption dieser Güter von fremder Gerichtshoheit erlangte, so wird ihn darob wohl niemand tadeln.

Die Friedensverhandlungen des Jahres 1629 führten W. als kaiserlichen Abgesandten nach München; sie fanden ihr Resultat im Abschluß des Lübecker Friedens. Immer mehr aber regte sich der Unmuth der katholischen Liga über die Bedrückung ihrer Gebiete durch die kaiserlichen Kriegsvölker, wie die Unzufriedenheit mit der kaiserlichen Politik und ihrem Heerführer Wallenstein. Hierüber sich zu berathen, hatten die Mitglieder der Liga eine Bundesversammlung nach Mergentheim für December 1629 ausgeschrieben. Die Interessen des Kaisers hier zu vertreten, hatte dieser den Abt von Kremsmünster als eine „wollqualificierte vnd dem werkh genugsamb gewachsene Person vnd Gesandten“ ausersehen. Der Convent ging (Januar 1630) ohne wesentliches Ergebniß auseinander, trotz der eifrigen Bemühungen des kaiserlichen Gesandten, der auch seinen Freund, den Herzog von Friedland, vor dem dräuenden Unwillen der Liga nur schwer zu vertheidigen vermochte. Der Kaiser kam dem Wunsche der Versammlung nach einem Reichstage nach und schrieb ihn nach Regensburg [394] für den 3. Juni aus. Mit den diplomatischen Vorbereitungen und Vorverhandlungen hiezu, speciell mit Baiern, wie später in Regensburg selbst mit den Verhandlungen mit Frankreich in der mantuanischen Frage, die dann zum Frieden von Chierasco führten, ward neuerdings W. betraut, der diesen Aufgaben um so leichter obliegen konnte, als der Kaiser seinen wiederholten Bitten um Enthebung von dem ihm zur Bürde gewordenen Amte eines Hofkammerpräsidenten endlich unter allen Gnadenbezeugungen willfahrte. W. wurden 100000 fl. aus im Reiche confiscirten Gütern, speciell Niederwerren in Franken, als Recompensation angewiesen; ob er je in den Besitz der Summe gelangte, ist – bei Vergleichung mit ähnlichen Fällen – ziemlich fraglich. Bemerkenswerth ist jedoch, daß ihm als Geheimem Rathe eine jährliche Besoldung von 6000 fl. ausgeworfen wurde. Der Reichstag in Regensburg, wo Ferdinand II. in Begleitung sämmtlicher geheimen Räthe, also auch Wolfradt’s, am 19. Juni eintraf und bis zum 13. November verblieb, hielt nicht, was der Einberufer sich von ihm versprach. Im Gegentheile. Der Kaiser ward gezwungen seinen Generalissimus zu verabschieden; zur Vornahme der Wahl seines Sohnes zum Römischen König erklärten die Gesandten der Fürsten mangels Instruction nicht ermächtigt zu sein, und so mußte der Kaiser in der äußerlichen Ceremonie der Krönung seiner Gemahlin zur Kaiserin eine geringe Entschädigung für das Fehlschlagen seiner Pläne erblicken.

Mittlerweile war der Wiener Bischofssitz durch den Tod Khlesl’s am 18. September 1630 erledigt worden. Der vielgeprüfte 78jährige Greis hatte in seinem Testamente seinen ehemaligen Schützling W. zum Principal-Executor desselben ernannt, wohl mehr in sicherer Kenntniß als in bloßer Vorahnung, daß Kaiser Ferdinand II. diesen zu seinem Nachfolger im Bisthum ausersehen habe. Wenige Monate darnach (16. Decbr. 1630) präsentirte der Kaiser thatsächlich W. als Bischof von Wien in Rom; erst ein halbes Jahr später erfolgte von dort die Bestätigung; worauf am 3. August 1631 die feierliche Consecration in Anwesenheit des Kaisers im St. Stephansdom erfolgte. Tags vorher hatte K. Ferdinand II. seinen treuen Rathgeber (wie von da an seine Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle in Wien) in den deutschen Reichsfürstenstand erhoben. Das Diplom hebt bei ausführlicher Schilderung seines Lebensganges besonders seine Verdienste hervor „in variisque legationibus in rebus secretissimis ad diversos Principes obeundis“. Die kommende Zeit sollte hierin nichts ändern. Die Schlacht bei Breitenfeld war geschlagen; dem Zuge des Schwedenkönigs nach Süddeutschland stand nichts hindernd im Wege; Sachsen unter Arnim’s Führung besetzt Böhmen; die Sache der Liga und des Kaisers steht schlecht. Aller Augen, auch die der erbittertsten Gegner, wenden sich dem Friedländer zu. Es gelingt dem Fürsten Eggenberg, Wallenstein zur Uebernahme des Generalates auf drei Monate zu bewegen. Als der Termin jedoch abgelaufen, hält Krankheit Eggenberg in Graz zurück und hindert ihn, die Verhandlungen mit Wallenstein wegen dauernder Uebernahme des Obercommandos weiterzuführen; an seiner Statt wird Bischof Antonius nach Znaim geschickt, von dem der Kaiser im Beglaubigungsschreiben vom 25. März 1632 sagt: „Da ich Ihro L. wohl versichern kann, daß er, Bischoff, es gar gut mit deroselben meinet.“ Eggenberg hatte bei seinem späteren Zusammentreffen mit Wallenstein nur die mit W. vereinbarten Punkte zu ratificiren; der Friedländer war dauernd dem Heere gewonnen. Die Schlacht bei Lützen war vorbei, der Schwedenkönig war gefallen, aber auch Pappenheim; beide Armeen waren geschwächt, und der Friedländer zog sich nach Böhmen zurück. Es stellte sich ein Friedensbedürfniß ein; neue Verhandlungen begannen in Leitmeritz mit dem Landgrafen Georg zu Hessen-Darmstadt namens Kursachsens; Ferdinand [395] entsendet den Bischof Antonius dahin: „dieweill Ich weiß“, schreibt er an Wallenstein, „daß Euer Liebden zue ihme Bischoffen ohne das ein besonder guetes Vertrauen haben …“. W. berichtet auf der Heimkehr über Prag dem Herzog mündlich über die Conferenz. Von hier ging er über Wien nach Kremsmünster, doch unterhielt er eine rege Correspondenz mit dem Herzog, wie auch der Kaiser ihm dessen Briefe mittheilte. Unthätig liegt Wallenstein in Böhmen; das Mißtrauen seiner Gegner am kaiserlichen Hofe gegen ihn, wo die Berichte über das falsche Spiel des Herzogs immer größeren Glauben finden, wächst; erleichtert athmet daher W. auf, als Wallenstein sich endlich gegen den Feind in Bewegung setzt, woraus „Euer Liebden real und teutsches procedere der ganzen ehrbaren Welt genugsam offenbahrt werden“. Die kriegerischen Unternehmungen sollten nicht von langer Dauer sein. Die Feinde des Friedländers in Wien gewinnen durch sein zweideutiges Verhalten fortwährend an Boden; Eggenberg kann selbst dem Drängen nicht widerstehen und muß im Vereine mit Trauttmansdorff und W. nach Einlangen der Nachrichten vom ersten Pilsener Reverse sich zum Vorschlage bequemen, eine Beschränkung der Vollmachten des Herzogs eintreten zu lassen. W. verzweifelt noch nicht an Wallenstein, da er ihn am 1. Februar 1634 um Befreiung des Landes Oberösterreich von den Kriegsvölkern bittet. Wallenstein bedauert in seiner Antwort vom 13. Februar, dem Wunsche Wolfradt’s nicht entsprechen zu können, er vertröstet ihn aber, „so baldt nur die sommerszeitt herannahen wird, auf gäntzliche liberirung des Landes bedacht … zu sein“. Wenige Tage darnach war Friedlands Stern erloschen. Damit sollte auch der seines Gönners Eggenberg erbleichen, der im Gefühle, das volle Vertrauen seines Herrn verloren zu haben, sich vom Hofe zurückzog.

Anders W. Er trat vielmehr, soweit es die Führung der auswärtigen Geschäfte in Wien betrifft, an die Stelle des einstigen Favoriten. Als nach der siegreichen Schlacht von Nördlingen die Friedensverhandlungen mit Sachsen wieder ernster in Angriff genommen wurden, lag die Leitung dieser Sache im Geheimen Rathe in den Händen Wolfradt’s, dem der Kaiser nach endlichem Abschluß des langersehnten Friedens in Prag, 15. Juni 1635, als Zeichen seiner Anerkennung das Amt Möckmühl in Württemberg als „Ergötzlichkeit“ schenkte, welches W. dauernd mit seinem Bischofssitze vereinte; galt ja doch diesem die Hauptsorge der letzten Zeit seines Lebens. Mancher Propst, selbst Pfarrer auf dem Lande sei besser dotirt als der Bischof der kaiserlichen Residenz, sagt Ferdinand II. in seinem Stiftungsbriefe (vom Martinitage 1634) mit dem er die Dotation des Bisthums um 100 000 fl. vermehrte. Doch auch zum Baue des neuen Bischofspalastes leistete der Kaiser Beiträge: Holz aus den kaiserlichen Wäldern, „jedoch ohne schaden des wildts“, Kalk, Kupfer aus den ungarischen Bergstädten wurden angewiesen. W. konnte seinen neuen Palast wohl 1638 schon bewohnen, vollendet wurde er jedoch erst 1641. Die Errichtung eines Priesteralumnates, eine neue Pfarreintheilung, wie die Hebung des geistigen Niveaus im Säcular- und Regularclerus ist gleichfalls Wolfradt’s Verdienst. Seien doch unter seiner Regierung in Kremsmünster „mehrer Doctores Theologiae zu finden als vor Mönich gewesen“. Selbst die Wiederherstellung der ältesten Mönchsniederlassung in Ungarn (ca. 1001), der berühmten Benedictinerabtei Martinsberg (Pannonhalma), ist Wolfradt’s energischem Eingreifen zuzuschreiben. Zum Ausbau des zweiten Thurmes des Stephansdomes, wie ihn W. plante, kam es nicht. Als Kaiser Ferdinand gegen Ende des Jahres 1636 nach Regensburg zog, um die Wahl seines Sohnes zum römischen Könige vollziehen zu lassen, begleitete ihn W. gleichfalls dahin und leitete die Verhandlungen mit dem englischen Gesandten wegen [396] Restituirung des Pfalzgrafen. Kaum zwei Monate darnach, am 15. Februar 1637, starb der vielgeprüfte Herrscher in Wien.

Die Gunst des Vaters für W. erbte sich auf den Sohn fort. Entschuldigt doch Bischof Anton in seinem Berichte an den Papst die Unterlassung der peregrinatio ad limina S.S. Petri et Pauli mit dem Umstande, quia vero tanta, tam sub pientissimae recordationis quam moderni Augustissimi … regimine, non solum in Intimis consiliis quotidie, et absque intermissione inserviendo, sed etiam in publicis commune bonum concernentibus negotiis oblata mihi fuerint munia, ut vix diei … spacio ab Augustissimi … negotiis abesse liceat. Führte er wirklich den Titel eines Directors des Geheimen Rathes oder nicht, ist actenmäßig bisher nicht erwiesen, doch erscheint er dort in der Sitzung der geheimen Räthe stets an erster Stelle genannt; so blieb es auch bis zu seinem Tode, der nach kurzer Krankheit am 1. April 1639 diesem bewegten, arbeitsreichen Leben ein frühzeitiges Ende bereitete. Wolfradt’s Leiche wurde in der Katharinencapelle des St. Stephansdoms zu Wien, sein Herz in Kremsmünster beigesetzt. Die Grabschrift hatte er sich selbst gegeben mit den Worten:

„Fui Abbas, Episcopus, Princeps,
Sum Pulvis, Umbra, Nihil.“

Sie bedeckt eine Persönlichkeit, der eigenthümlicherweise die Nachwelt Popularität versagt hat. Nur im Stifte blieben unvergessen die Verdienste dieses größten seiner Aebte. Den späten Diöcesanen aber ruft der Anblick des in Stein gehauenen geistreichen Kopfes mit dem Schnurr- und Knebelbarte, das Barett auf dem Haupte, in der Nische oberhalb der Gruft keinerlei Erinnerung an den ersten Fürstbischof wach, der, wenn auch angefeindet von seinem Capitel, dessen Unabhängigkeitsbestrebungen er einzudämmen wußte, doch finanziell das Bisthum, unbeirrt durch den Vorwurf der Habgier, auf kräftigste Weise förderte; und der Nachwelt im ganzen, die der Zeit des 30jährigen Krieges noch immer volles Interesse entgegenbringt, angeeifert auch durch die Werke des großen Dichters, ihr verschwindet die Gestalt des unermüdlichen geistigen Mitarbeiters im Benedictinergewande, durch dessen emsige Hände die feinsten Fäden der Staatskunst seiner Zeit liefen, hinter der äußerlich glänzenden Persönlichkeit des ersten Günstlings am Wiener Hofe, des Fürsten Eggenberg. –

Fellner-Kretschmayr, Die österreichische Centralverwaltung I/1. – Gsell in den „Studien O.S.B.“ 1882/83. – Günter, Die habsburger Liga, 1625–1635. Briefe und Acten aus dem General-Archiv zu Simancas. – Hartenschneider, Historische und topographische Darstellung des Stiftes Kremsmünster in Oesterreich ob der Enns. – Hallwich, Wallensteins Ende. – Hopf, Anton Wolfradt. – Khevenhüller’s Annales Ferdinandei. – Conterfet Kupfferstich deren … Ministern, … so … Kaysers Ferdinand des Andern … Kayserl. Majestät gedienet. – Lindner, Monasticon Metropolis Salzburgensis antiquae. – Pachmayr, Hist.-chronol. Series Abbatum et Religiosorum Monasterii Cremifanensis. – Stieve, Der oberösterreichische Bauernaufstand d. Jahres 1626. – Watzl, Die Cistercienser von Heiligenkreuz.

[389] *) Zu S. 118.