ADB:Zastrow, Wilhelm von
v. Boden, am 22. December 1752 zu Ruppin geboren, trat im Mai 1766 beim Kürassierregimente Nr. 11, dem Leib-Carabinierregimente, in den Dienst, wurde aber schon im September d. J. in das zu Berlin garnisonirende Infanterieregiment Graf Lottum versetzt und in diesem 1768 zum Fähnrich, 1774 zum Secondlieutenant befördert. Da er die Mängel seiner wissenschaftlichen Ausbildung fühlte, war er bestrebt, dieselben durch Fleiß und Unterricht auszugleichen. Es gelang ihm so gut, daß, als er an dem auf Befehl des Königs jungen Officieren der Berliner Garnison gegebenen Unterrichte theilnahm, Friedrich der Große ihm im Jahre 1778 für einen von Z. entworfenen plan de campagne für das Vordringen eines österreichischen Heeres aus Böhmen durch Sachsen gegen Spandau (also nicht wie häufig erzählt ist, für eine Zeichnung) den Orden pour le mérite verlieh. Während des Bairischen Erbfolgekrieges war Z. Adjutant des Generals v. Ramin, nach Friedensschlusse verblieb er bei diesem als Inspectionsadjutant der Berliner Inspection; nach Ramin’s 1782 erfolgtem Tode kam er in gleicher Eigenschaft zur pommerschen Inspection nach Potsdam, 1787 wurde er Major im Infanterieregimente v. Brünneck zu Köslin. Von seiner fortgesetzten wissenschaftlichen Thätigkeit zeugen mehrere von ihm den Königen Friedrich II. und Friedrich Wilhelm II. eingereichte Arbeiten über militärische Gegenstände. Der Letztere berief ihn am 22. December 1792 als Flügeladjutanten in sein Hauptquartier zu Frankfurt am Main; in dieser Stellung wohnte Z. den Ereignissen des Feldzuges vom Jahre 1793 und namentlich der Belagerung von Mainz bei. Von hier begleitete er den König in den Krieg nach Polen. Der Entwurf zur Schlacht bei Rawka am 7. Juni 1794 war sein Werk. Des Königs Dank bestand in Zastrow’s mit Uebergehung von 47 Vorderleuten erfolgender Beförderung zum Oberstlieutenant; als nach Beendigung des Feldzuges Grundbesitz verschenkt wurde, erhielt er das 7 Meilen von Posen gelegene Gut Deutsch-Preß. Am 12. December 1794 wurde er Generaladjutant, am 10. Januar 1796 Oberst, gleichzeitig trat er an die Spitze des Militärcabinets, womit ihm die Leitung der persönlichen Angelegenheiten der Officiere zufiel. Von den Geisterbeschwörungen und sonstigem Unfuge, mit welchem Unwürdige den König umgaben, hielt er sich fern. König Friedrich Wilhelm III. beließ ihn daher nach seinem Regierungsantritte in den von ihm bekleideten Stellungen und schenkte ihm das nämliche Vertrauen, welches der Vorgänger ihm entgegengebracht hatte. Am 11. Januar 1801 ernannte er ihn zum Generalmajor. Rücksicht auf die eigene Gesundheit hatte Z. kurz vorher veranlaßt, um die Enthebung von seiner aufreibenden Thätigkeit nachzusuchen. Seine Bitte war durch die Verleihung eines Regiments in der Stadt Posen erfüllt. Hier beugte er bald darauf durch geschicktes Verhalten dem Vorkommen aufrührerischer Bewegungen vor. Im J. 1805, als es sich um den Beitritt Preußens zur dritten Coalition handelte und Wintzingerode aus diesem Anlasse nach Berlin gekommen war, hatte er eine Sendung an den Petersburger Hof zu erfüllen.
Zastrow: Friedrich Wilhelm Christian von Z., königlich preußischer General der Infanterie, ein Sohn des am 30. Juni 1758 in dem Gefechte bei Domstädtel in Mähren als Commandeur des Infanterieregiments Prinz Ferdinand von Preußen Nr. 34 gefallenen Majors v. Z. und einer Tochter des Finanzministers[722] Nachdem er im Winter 1805/6 zu dem in Sachsen aufgestellten Observationscorps gehört hatte, wurde ihm im Frühjahr 1806 die südpreußische Inspection übertragen, im August stieß er mit seinem Regimente zu dem bei Glogau sich sammelnden Corps des Fürsten Hohenlohe, am 18. September aber wurde er als königlicher Vertrauensmann in das Hauptquartier berufen, daneben sollte er das Commando einer aus vier Bataillonen und einer Batterie bestehenden Brigade führen. Am Schlachttage von Auerstädt, dem 14. October, befand er sich in der Umgebung des Königs, welcher ihn am 13. Abends zu sich beschieden hatte; dann begleitete er diesen bis nach Küstrin. Von hier wurde er am 26. October nach Charlottenburg entsandt, um gemeinsam mit dem Staatsminister Graf Lucchesini mit Napoleon über den Frieden zu unterhandeln. Ihr Bemühen, erträgliche Bedingungen zu erlangen, war fruchtlos; von Posen, wohin sie den Kaiser begleitet hatten, kehrten die Bevollmächtigten Ende November zum Könige zurück. Dieser übertrug nun Z. im December an des zurückgetretenen Graf Haugwitz Stelle das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, am 26. Januar 1807 wurde er zum Geheimen Staats- und Cabinetsminister und zum Chef des auswärtigen Departements ernannt. Die Stellung, welche er gegen seine Neigung übernommen hatte, wurde ihm jedoch bald verleidet als auf Betreiben des Kaisers Alexander von Rußland Hardenberg, dessen Grundsätze und Ansichten den seinigen durchaus zuwiderliefen, in das Ministerium trat. Ebensowenig sagte Z. seinem Collegen zu. Der König entband ihn daher am 4. Mai von dieser Stellung und übertrug ihm unter gleichzeitiger Beförderung zum Generallieutenaut das Commando der Infanterie beim Corps des Generals von L’Estocq. Z. trat diese Stellung jedoch nicht an, sondern bat um seine Entlassung, welche am 14. Juni bewilligt wurde und nahm seinen Wohnsitz in Berlin, mußte die Stadt aber bald wieder verlassen, weil er durch die Regierung des Großherzogthums Warschau genöthigt wurde, in den Grenzen desselben zu wohnen, innerhalb deren der ihm gebliebene Theil des 1796 erhaltenen Grundbesitzes lag; das Meiste davon war eingezogen und dem früheren Besitzer zurückgegeben. Er entäußerte sich jenes Theiles jedoch alsbald und erwarb das Gut Baudach bei Crossen an der Oder, wo er bis 1813 lebte.
Dann bat er von neuem im Heere verwendet zu werden. Seinem Gesuche wurde gewillfahrt. Er erhielt zunächst das Commando der Landwehren in Schlesien, vertauschte diese Stellung aber, welche in eine thatkräftigere Hand gelegt werden sollte und daher von Gneisenau übernommen wurde, bei Beginn des Waffenstillstandes mit der als Militärgouverneur zwischen der Weichsel und der russischen Grenze; diese hatte er bis zum Sommer 1814 inne. Nach Napoleon’s Rückkehr wurde er, um die Truppenaufstellungen der sogenannten norddeutschen Fürsten zu betreiben, nach Cassel entsandt und sollte später dort Gesandter werden; er trat den Posten jedoch nicht an, weil er schon bei Erfüllung des ersten Auftrages in Zwistigkeiten mit dem Minister v. Schmerfeld gerathen war, und ging statt dessen als Gesandter nach München. In dieser Zeit wurde ihm auch ein Ersatz für die 1806 verlorenen Güter durch Ueberweisung eines Theiles der ehemaligen Johanniter-Comthurei Lagow im neumärkischen Kreise Ost-Sternberg zugestanden. Aus Anlaß der während Zastrow’s Thätigkeit als Gesandter am bairischen Hofe stattgehabten Verlobung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin Elisabeth von Baiern erhielt jener am 25. Septemper 1823 den preußischen Orden vom Schwarzen Adler, bald darauf auch den Baierischen Sanct Hubertusorden. Seiner Bitte, sich nun ganz zurückziehen zu dürfen, wurde nicht entsprochen. Dagegen erhielt er einen noch ruhigeren Posten, indem er zum Gouverneur des Fürstenthums Neuchâtel ernannt wurde. Daneben ward ihm erlaubt, alljährlich acht Monate auf Urlaub zuzubringen. [723] Am 30. März 1824 zum General der Infanterie befördert, vertrat er Preußen 1825 bei der Krönung König Karl’s X. von Frankreich. Am 22. Juli 1830 starb er während eines Sommeraufenthaltes im Schloße Bied bei Colombier am Neuenburger See.
Z. war ein starrer Anhänger der Regierungsgrundsätze, welche vor dem Jahre 1806 in Preußen die maßgebenden gewesen waren, und Gegner einer jeglichen fortschrittlichen Aenderung derselben wie aller Vertreter von Neuerungen; als Soldat in den Ueberlieferungen der Fridericianischen Zeit aufgewachsen, war er nicht im Stande, sich von dem Glauben an das Veraltete frei zu machen. Hofgunst und äußere Vorzüge, eine gewinnende Persönlichkeit, Redegewandtheit und einflußreiche Verbindungen öffneten und erleichterten ihm den Weg zu den höchsten Stellungen. Scharnhorst und die ihm anhingen beurtheilten ihn sehr abfällig, auch Blücher schätzte ihn gering. H. v. Treitschke (Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, I, 152) nennt ihn einen dünkelhaften Gegner jeder Reform und rechnet ihn zu denen, welche König Friedrich Wilhelm III. übersah, von denen er sich aber doch beeinflussen ließ. Auch in den Erinnerungen aus dem Leben des Generals v. Boyen (herausgegeben von Friedrich Nippold, Leipzig 1889/90) wird er nicht vortheilhaft geschildert. Boyen meint, Z. sei lebensklug gewesen, habe aber das Kriegswesen durch die alte preußische Exercierbrille angesehen; als Z. Minister wird, nennt er ihn schlau, vielseitig und lebensgewandt; daß derselbe, auf diese Verwendung pochend, das ihm 1807 übertragene Commando verschmäht und in solcher Zeit das Heer verlassen hatte, tadelt er bitter; gelegentlich der Uebertragung des Militärgouvernements in Preußen im J. 1813 schildert er ihn mit den Worten: „Ein kluger, dem Geschäfte wol gewachsener Mann; wenn die öffentliche Meinung ihn auch beschuldigte, daß seine Neigung, mit dem Winde zu segeln, etwas stark sei, so konnte das glücklicher Weise hier keinen Einfluß haben.“
- O. von Zastrow, Die Zastrowen, Berlin 1872, S. 74. – Militär-Wochenblatt, Berlin 1840.