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ADB:Ziegler, Hieronymus

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Artikel „Ziegler, Hieronymus“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 173–175, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ziegler,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
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Ziegler: Hieronymus Z., Humanist und Schuldramatiker des 16. Jahrhunderts. Um 1514 zu Rottenburg a. d. Tauber geboren, erwarb er sich nach absolvirtem Studium zu Ingolstadt 1534 den Magistertitel und ging dann als Lehrer an das von Sixt Birck (Betulius) geleitete St. Anna-Gymnasium zu Augsburg, wo er mit einer zweijährigen Unterbrechung von 1535 bis 1548 wirkte. In diesem Jahre ward er als Nachfolger von Christoph Bruno zum Rector der Poetenschule nach München berufen; 1554 übernahm er die Professur der Dichtkunst an der Universität Ingolstadt, an der er schon vorübergehend 1540 bis 1542 als Lehrer der Philosophie gewirkt hatte. Hier starb er am 28. Januar 1562.

Z. hat als Herausgeber, Uebersetzer und Dichter eine sehr rege Thätigkeit entfaltet; Wiedemann’s Verzeichniß seiner Schriften zählt, obwohl unvollständig, 31 Nummern. Hier seien hervorgehoben seine Editionen des damals dem jüngeren Plinius zugeschriebenen Liber de viris illustribus des Aurelius Victor (Augsburg 1542), von Boccaccio’s De casibus virorum illustrium (ebd. 1544, fol.), sowie von Joh. Aventin’s werthvollen Annales ducum Boioariae (Ingolstadt 1554, fol.). Letzteres war keine leichte Arbeit, da Z. nach dem Auftrage Herzog Albrecht’s V. Unwesentliches, Fabelhaftes und Ausfälle gegen den Klerus in Aventin’s hinterlassenem Manuscripte zu tilgen hatte. So machte er es weder Aventin’s unbedingten Verehrern, wie Oswald v. Eck, zu Dank, noch konnte er verhindern, daß das wiederholt aufgelegte Werk auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt ward. Eine vollständige Ausgabe haben wir erst 1882–84 durch Riezler erhalten. – Deutsche Uebersetzungen veröffentlichte er 1545 bei dem rührigen Augsburger Verleger Steyner von Lucian’s Philopseudes, von Plutarch’s Ehebüchlein (s. Hauffen, Fischarts Ehezuchtbüchl., in d. Symbolae Pragenses 1893) und von Boccaccio’s Historien vnd exempel etc. (fol. m. d. Holzschnitten Pseudo-Burgkmair’s); 1546 von Ant. Gazius Schatzcammer der gesundheit (Augsburg, 4°), während seine 1558 unternommene Verdeutschung von Aventin’s Annalen (Münchner Cod. germ. 1573–80), nach Wiedemann’s Urtheil eine sehr flüchtige Leistung, ebenso wie seine bairische Reimchronik vom Jahre 1561 (Cod. germ. 1599–1600; Cod. lat. 1385) ungedruckt blieb. Aus ähnlichen Studien ist auch sein letztes Buch ‚Illustrium Germaniae virorum historiae aliquot singulares‘ (Ingolstadt 1562, 4°), hervorgegangen. Zur Belebung des vaterländischen Sinnes erzählt er darin 104 lateinische Geschichten (eigentlich hatte er deutsch schreiben wollen, um die gangbaren Schwankbücher zu verdrängen) aus der deutschen Vergangenheit, z. B. vom Mäusethurm Hatto’s, Seifried Schweppermann, Agnes Bernauerin, vom falschen Waldemar, Frauenlob, Neithart und dem Pfaffen von Kalenberg, auch von der Erfindung des Pulvers und des Buchdrucks.

Als dramatischer Dichter wandelte der Katholik Z., der schon als Student zu Ingolstadt in Schulkomödien mitgespielt hatte und der Celtes als den Erneuerer des antiken Dramas in Deutschland preist, zunächst gleich seinem Augsburger Collegen Diether und seinem jüngeren Freunde Balticus in den Fußstapfen des protestantischen Schulrectors Betulius. Wie dieser beschränkt er sich auf alttestamentliche Stoffe und macht nur einen interessanten Abstecher von der Comoedia sacra zum profanhistorischen Drama. Seiner Vorlage schließt er sich gewissenhaft an und wahrt, wo diese zu eigner Erfindung und Ausgestaltung nöthigt, durchaus das historische Colorit; Genrescenen oder satirische Beziehungen auf die Gegenwart liegen seiner friedlichen und drastischer Komik durchaus abholden Natur fern. Den Dialog führt er meist gewandt, verfügt auch über pathetischen Ausdruck (z. B. im Cyrus) und rhetorische Gemeinplätze (so im Eli [174] über Kindererziehung, im Samson über arge Weiber); aber dann überrascht er wieder durch Ungeschicklichkeit in der Charakterzeichnung und Ausnutzung einer dramatischen Situation; sein Abraham, sein Astyages schweigen bisweilen ganz zur Unzeit. Weit trockener jedoch und steifer zeigt sich Z. bei der Dramatisirung neutestamentlicher Gleichnisse, der er sich in München unter dem unverkennbaren Einflusse des allegorisirenden Niederländers Zovitius (Ovis perdita, 1539) zuwandte. Während Birck gegenüber dem Neuen Testamente Zurückhaltung geübt hatte, dehnt er im Vorworte zum ersten dieser kurzen Parabeldramen das Gebiet des geistlichen Schauspiels auf die Reden Jesu aus (proponantur ea, quae Dei nutu acta sunt aut Jesu Christi ore promulgata) und verweist 1549 zu seiner Rechtfertigung auf die allenthalben üblichen Passionsdarstellungen. Nur ist im „Weinberg“ und im „Schalksknecht“ die Verquickung der Handlung des Gleichnisses mit Scenen aus dem Wanderleben des Heilands nicht bloß undramatisch, sondern auch unlogisch; und wenn in der „Königlichen Hochzeit“ und in den „Zehn Jungfrauen“, wo Christus um die Kirche als seine Braut mit den Worten des Hohenliedes wirbt, dieser Mangel fortfällt, so verliert man doch hier ebensowenig das Gefühl, daß leblose Begriffe und Typen, nicht Menschen mit Fleisch und Bein vor uns stehen. In seinen letzten Stücken ist Z. übrigens wieder zu seiner früheren Weise zurückgekehrt. In deutscher Sprache hat er leider nur eins seiner lateinischen Schauspiele, den „Isaak“, bearbeitet, und zwar durchaus gewandt in Sprache und Versmaß, wie er auch 1545 in der Vorrede zum Boccaccio trotz der humanistischen Bevorzugung der „Kunst und Holdseligkeit“ des Lateinischen hervorhebt, „das täglich nichts dest minder die Teutsche sprach hoch zunimpt vnd steygt“. Den weitreichendsten Einfluß, bis in die süddeutschen Bauerndramen unsres Jahrhunderts, hat seine von Hans Sachs verdeutschte „Schöpfung“ ausgeübt. Es erübrigt noch, die Stücke selber aufzuzählen: 1. „Immolatio Isaac“ (Augsburg 1543; deutsch von Ziegler ebd. 1544). Die Chorlieder am Actschluß erscheinen bei Z. nur noch im Heli. Der in der deutschen Ausgabe als Schlußredner auftretende Calliopius, der in Nr. 4, 11, 12, bei Gnapheus, Betulius u. A. wiederkehrt, stammt aus der mißverstandenen Subscriptio der Terenzhandschriften (Creizenach, Gesch. des Dramas I, 6); 2. „Paedonothia (Heli)“ (Augsburg 1543); deutsch von einem Anonymus: „Ein schöne Tragedi von Heli“ (Nürnberg 1548). Am Schlusse breite Darstellung eines Abortus, die Hebeamme epilogirt. Hans Sachs verführt in seinem zehn Jahre späteren Eli (3, 1, 62) in manchen Dingen geschickter; 3. „Protoplastus“ (Augsburg 1545); deutsch von Hans Sachs 1548 (Folioausgabe 1, 1, 1. Löbner, Vierteljahrsschrift f. Litteraturgesch. 4, 621); 4. „Nomothesia“; in den 1547 bei Oporinus in Basel erschienenen Dramata sacra, die auch Nr. 1–3 wiederholen, Bd. 1, 330–394. Nach 2. Mose 15–34. Gute Volksscenen, der Schluß matt. Im Argument erscheint der Titel als Akrostichon, wie schon bei Crocus und Zovitis und weiterhin in Nr. 5, 6, 7, 8, 11; 5. „Samson“ in den Dramata sacra 1547, 1, 394–451; 6. „Cyrus maior“ (Augsburg 1547). Nach Herodot und Justin, weit besser als Hans Sachsens Tragedia von 1557 (3, 2, 222). Dem Sohne Seb. Schärtlin’s gewidmet; 7. „Christi vinea“ (Vorrede von 1548) zusammen mit Nr. 8. Nach Matth. 22; 8. „Ophiletes“, 1549 in München gespielt und gedruckt. Nach Matth. 18; 9. „Regales nuptiae“ (Augsburg 1553). Nach Matth. 22; 10. „De decem virginibus“ (1552 in München gespielt) zusammen mit Nr. 11. Nach Matth. 25; 11. „Infanticidium“ (1554 in München gespielt, Ingolstadt 1555); deutsch von Wolfg. Herman (Salzburg 1557); 12. „Abel iustus“ (Ingolstadt 1559). Die Vorrede ist abgedruckt in Lipowsky’s Nazional-Garde 7, 63 (Jahrbuch für Baiern 1815). Eine Handschrift in Paderborn.

[175] Die Hauptquellen sind Wiedemann, J. Turmaier 1858. S. 92–99, 257 f., 282 und Goedeke, Grundriß2 II, 137, 381, 405. – Ferner vgl. Scherer in Wagner’s Archiv I, 482 (1874). – Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität I, 212, 327, 338. II, 494 (1872). – Trautmann, Jahrbuch f. Münchner Gesch. I, 205, 274. II, 280. – v. Reinhardstöttner, ebd. III, 55 f. IV, 74 f., 141.