Actenstücke die Aufnahme der Französischen Emigranten in Franken betreffend

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Autor: Anonym
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Titel: Actenstücke die Aufnahme der Französischen Emigranten in Franken betreffend
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 4, S. 257–264
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1792
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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XII.
Actenstücke die Aufnahme der Französischen Emigranten in Franken betreffend.


A) Grundsätze diesen Gegenstand betreffend.

1. Die Kreisverfassungen überhaupt gehen in ihrer Entstehung, so wie in ihrem Zweck, auf öffentliche und allgemeine Sicherheit.

2. Wenn öffentliche und allgemeine Sicherheit anderwärts auch ohne Kreisverfassung bestehen kann, so verlangt gerade Franken eine Kreisverfassung zur öffentlichen und allgemeinen Sicherheit.

3. Die Ursache liegt in dem Localverhältnisse von Franken, wo vielleicht kein Fränkisches Land zwey Stunden lang ununterbrochen zusammenhängt, wo oft in einem Dorfe 3, 4 und mehr verschiedene Gerichtbarkeiten zusammentreffen.

4.In Franken findet also gar keine Maaßregel, keine Fürsorge, die Beziehung auf öffentliche Ruhe und Sicherheit haben kann und soll, ohne societätsmäßiges Einverständniß der Stände, nach Maaßgabe der Kreisverfassung statt.

5. Wie das Herkommen hierunter der Verfassung zur Seite stehe, darüber können Beyspiele ohne Zahl, das neueste in den eben jetzt in Behandlung stehenden Armenanstalten, angeführt werden.

6. Einseitige Maaßregeln und Entschliessungen scheinen daher immerzu an sich schon mit Verfassung und Herkommen unvereinbar zu seyn.

7. Der vorliegende Fall, in Ansehung der Französischen Auswanderer, trifft vornämlich den Punct der öffentlichen und allgemeinen Ruhe und Sicherheit.

| 8. Bis jetzt bekennen gedachte Auswanderer sich ohne Scheu zu der Absicht, angreifende Feinde ihrer Nation zu seyn.

9. Sie können also nicht unter die Kategorie bloßer Gastfreunde genommen werden.

10. Bis jetzt sieht Teutschland die Französische Nation noch nicht anders, als in der Gestalt einer benachbarten freundschaftlichen und solchen Nation an, mit der man, weit entfernt vom feindlichen Angriffe, vielmehr in Negotiationswege über die vorhandenen Beschwerden sich benehmen will.

11. Es fragt sich also, ob und wie sich die Aufnahme und der Schutz von Auswanderern, die erklärte angreifende Absichten gegen ihre Nation haben, so lange sie solche haben, mit dem bis jetzt bestehenden Verhältniß von Teutschland zu vereinbaren sey.

12. In so ferne diese Frage in Hinsicht grösserer politischer Verhältnisse zu verwegen scheinen könnte; so scheint es doch andern Ständen nicht verargt werden zu können, wenn sie sich strenger an die Verhältnisse, wie sie liegen und bekannt sind, halten und darin eben so viel Pflicht als Recht setzen.

13. Sie haben Pflicht und Recht, gegen jenseitige Maßregeln aufmerksam zu seyn, deren mögliche Folgen sie unvermeidlich mit treffen würden.

14. Sie haben also Pflicht und Recht, noch die besondere Frage bey sich aufzustellen, und uns zur anderweiten Beherzigung hinzugeben:

a) Wie es möglich sey, die Auswanderer bey ihren erklärten Absichten in den Schranken blosser Gastfreunde, die den Wirth nie geniren dürfen, zu halten?

b) wie es möglich sey, ihre erklärten Absichten zu toleriren, ohne selbst Feind der Französischen Nation zu werden?

c) wo es mit jenen erklärten Absichten hinaus solle, wenn man sie nicht zu eigenen Absichten machen will?

| d) was aus den Gastfreunden und aus ihrem Anhang werden könne, wenn ihre erklärten Absichten nicht Fortgang finden?

e) wie benachbarte Stände dabey für sich, für ihre Angehörige, und für ihre Gerichtbarkeiten gedeckt seyen, wenn der Fortgang sich in Umsturz auflöse?

15. Die Beyspiele an den weiter gegen Frankreich vorliegenden Kreisen, das eigene Beyspiel des Reichsoberhaupts sind bekannt. Soll der Fränkische Kreis, soll irgend ein Stand des Fränkischen Kreises, diesen Beyspielen entgegen handeln, und wer kann, wer will die Folgen auf sich allein nehmen?

16. So bald aber von bloßen unverfänglichen, keine widrigen Folgen drohenden gastfreundschaftlichen Personen die Rede ist, so bald fällt alle Besorgniß, alle Frage von Kreisverband, und von kreisständischen Pflichten und Rechten weg.


B) Weitere Bemerkungen über diese Sache.

A) Die eigenthümliche Beschaffenheit des Fränkischen Kreises schließt alle Anwendung von Beyspielen anderer geschlossener Provinzen aus.

B) Sie schließt also auch insbesondere das Beyspiel aus, welches hin und wieder von den Östreichischen Niederlanden, und den Maaßregeln genommen werden will, die das dasige General-Gouvernement in Ansehung der Französisch. Auswanderer getroffen hat.

C) Dort findet sich eine Oberste Gewalt, deren Centralkraft allenthalben gleich stark und thätig sich äussern kann, – Eine ins Allgemeine gehende Policey, die alles unter einem Hauptblick zu fassen im Stande ist, – Eine ununterbrochene zusammenhängende Gränze, die an jedem Schlupfwinkel von Zollbedienten, jetzt auch noch von einem militairischen Kordon bewacht wird, und wo es deshalb| äusserst schwer hält, unbemerkt und ununtersucht durchzukommen, – Eine Menge großer haltbarer Plätze und über das alles dermahlen noch als Springfeder für den öffentlichen Ruhestand eine beträchtliche Armee, die innen und aussen Respect macht.

D) In Franken findet sich von allen diesem das Gegentheil. Statt einer obersten Gewalt, 27 von einander unabhängige, dabey aber doch unter einander vermischt und noch dazu nur allzuhäufig miteinander in Streit liegende Stände; statt Einer ins allgemeine gehenden Policey, die bloße kreisgesellschaftliche Verbindung der Stände für den Zweck des allgemeinen Wohls überhaupt und den der öffentlichen und allgemeinen Sicherheit insbesondere; gar keine zusammenhängende Gränze des gesamten Kreises, weniger der einzelnen Kreisstände unter sich; nur sehr wenige große haltbare Pläze; und kaum so viel Militair, als für das stille friedliche Franken und seine eigenen noch zur Zeit ruhigen Einwohner nothwendig zu seyn scheint.

E) Bey dem Mangel aller zusammenhangenden Gränze fällt in Franken gleich von vorne her der erste und wichtigste Theil der Vorsichtsregeln weg, den das niederländische General-Gouvernement bey dem Eintritt von Auswanderern wirksam machen kann und will. Es läßt sich keine Möglichkeit gedenken, wie man zu den dort vorgeschriebenen enseignements über die Personen und ihre Umstände – dann zu der dieserhalb erforderlichen Sicherstellung gelangen könne.

F) Da vielmehr der diesseitige Kreis sich mit den vorliegenden Schwäbischen und Rheinischen Kreisen an den Gränzen allenthalben durchkreuzet; so scheint es immer schon wesentliches Bedürfniß der Sache zu seyn; so wie es ohnehin bestimmte Vorschrift der vielfältigen Assoziazions-Recesse ist, daß der ganze Fränkische Kreis sich in einer den gesammten Ruhestand im Reiche so nahe angehende Sache keineswegs isoliren kann.

| G) Noch vielweniger scheint dieß der Fall einzelner Kreisstände seyn zu können.

H) In so ferne man sich diesen Fall denken soll, so muß man sich nothwendig noch zwey verschiedene Fälle hinzudenken, nemlich: daß entweder alle übrige Kreisstände ein gleiches thun, oder nicht.

I) Der erste von diesen beyden Fällen setzt immerzu vorheriges societätsmäßiges Einverständnis und Anpassung auf alle innere und äussere Verhältnisse des Kreises voraus. Er steht also eigentlich schon mit dem Hauptfall, daß ein einzelner Stand sich isoliren wollte, im directen Widerspruch.

K) Doch man will einmahl annehmen, daß Verfassung und Widerspruchs-Recht der andern Stände hier schweigen sollten und daß sogar die andern Stände sich das Beyspiel der Östreichischen Niederlande und ein davon abgezogenes näheres Beyspiel sich allenfalls zur Nachahmung vorsetzen wollten; so müßten diese nach ihrer überaus vermischten Lage sich dabey entweder blind dem Schicksale und der eigenen Discretion der Auswanderer überlassen, welches ihnen niemand, und am wenigsten ein Mitstand zumuthen wird, oder es muß ein vorheriges ins Ganze gehendes Einverständniß vorhanden seyn. Und so sieht man gleich wieder an dem Falle eines directen Widerspruchs mit dem Hauptfalle, daß irgend ein einzelner Stand sich isoliren wollte.

L) Will man einwenden, daß die Auswanderer, so wie in den Niederlanden, überall nur einzeln, und nicht in großen Haufen zu dulden seyen; so muß man erst wissen, wie die großen Haufen abzuhalten, oder wenn sie sich nach und nach bilden, wieder zu zerstreuen seyen und wie die vielen mindermächtigen Stände dabey zu rechte kommen sollen.

M) Die einzige Möglichkeit, die dergleichen Ständen und Kreis-Angehörigen noch ausser dem Fall eines allgemeinen Einverständnisses im Kreise| übrig seyn könnte, beschränkt sich auf eigene Bewaffnung ihrer Unterthanen.

N) Unwiderstehlich drängt sich hier der Gedanke von National-Garden, und von allen dem schrecklichen Unheil auf, das damit in unzertrennlicher Verwandschaft steht.

O) Unvermeidlich müßte denn ohnehin der meistentheils noch ruhige und zufriedene Landmann in Franken, durch die Französischen Auswanderer selbst, die ihm nie willkommen seyn können, mit den Antithesen der Gesinnungen und Begriffe, die sie mitbringen, bekannt und vertraut werden.

P) Vorläufig darf es also immer für ausgemacht, und zwar aus sehr guten Gründen für ausgemacht angenommen werden, daß andere Stände wenigstens keinen Theil an der Aufnahme der Französischen Auswanderer werden haben wollen. Von Zwang gegen sie kann ohnehin keine Frage seyn. Und es bleibt also nur noch der andere Fall übrig, daß ein oder der andere Mitstand allein den Französischen Auswanderern seine Lande öffnen will.

Q) Was man auf diesen Fall von der eigenen Einsicht des Standes in Ansehung der Pflichten gegen sich selbst voraus zu setzen hat, ist, daß derselbe sich unfehlbar auf alle Fälle nicht nur stark, sondern auch gefaßt genug fühlen wird, um über jede Inconvenienz in seinen eigenen Landen beruhigt zu seyn.

R) Was aber auch andere Stände von der Gerechtigkeits-Liebe, von dem Patriotismus und von der Anhänglichkeit an die Verfassung eines solchen Standes vorauszusetzen haben, ist, daß auch sie über alle Inconvenienzen in ihren benachbarten und vermischten Landen vollständig beruhigt seyn müssen.

S) Und hier muß man denn freymüthig sagen, daß eine dergleichen Beruhigung schlechterdings ins Unmögliche falle. Denn hier treten nicht nur alle die Umstände und Schwierigkeiten ein, die man schon in den ersten Bemerkungen dem Umrisse nach bezeichnet hat, sondern es kommen auch noch folgende bestimmtere Fragen hinzu.

| 1) Wo fangen die Lande eines solchen Standes an und wo hören sie auf?

2) Wie helfen sich die überall mit jenen Landen vermischt liegenden andern Stände?

3) Wann auch der Stand die Französischen Auswanderer in dem Innern seiner Lande, nach dem Beyspiel von den Östreichischen Niederlanden in Ordnung halten kann, wie kann er sie in das Innere seiner Lande einschließen?

4) Ist es nur denkbar, den Zusammenhang und das ständische Verkehr zwischen sämtlichen Kreislanden abzuschneiden?

5) Und wenn dieß nicht denkbar ist, wie kann man den Französischen Auswanderern wehren, in benachbarten Kreislanden ihre Niederlage zu nehmen, und dort über alles Beyspiel der Östreichischen Niederlande sich hinauszusetzen?

6) Wer bürgt, daß nicht früher oder später sich ganze Haufen von den untern Classen der Auswanderer in die Wälder und Gebirge sich verlaufen, und von dort aus allgemeine Unsicherheit verbreiten?

7) Wer bürgt, daß nicht auch in diesem Fall dem Fränkischen Landmann, zumahl bey dem Mangel anderer ausgiebiger und Endemachender Hülfe, die Geduld ausgehet und daß derselbe sein Heil auf das Faustrecht setzet?

8) Wer hilft, wenn Schwaben und besonders Würtemberg, wie es schon den Anschein nimmt, gegen Franken die Sperre anlegt, und wenn denn vielleicht gar wieder Particular-Sperren im Innern des Kreises hinzukommen?

 Principiis obsta, sero medicina paratur.
 Nürnberg, den 14 Febr. 1792.


C) Königlich-Preußische Verordnung an den dirigirenden Minister, Freyherrn von Hardenberg.
Wir haben gnädigst beschlossen, einem Theil der Französischen Auswanderer den Aufenthalt in| unserer dortigen Provinz zu gestatten, und dabey diejenige Behandlungsart zum Grund zu legen, welche in den Östreichischen Niederlanden gegen sie beobachtet wird. Wir befehlen Euch dahero, denen, welche sich in unsere dortigen Lande begeben möchten, die Rechte der Gastfreyheit, alle übrige Sicherheit, und den Schutz angedeihen zu lassen, der andern Reisenden bewilliget wird, aber schlechterdings nicht zu gestatten, daß sie Werbungen anstellen, sich in Haufen versammeln, in den Waffen üben, Lager halten, Magazine oder Waffenplätze anlegen, Pferde kaufen, oder irgend etwas unternehmen, was das Ansehen einer Kriegsrüstung hätte. In Ansehung der Pässe und der gemeinen Soldaten, welche bewaffnet ankommen, habt ihr eben das Verfahren zu beobachten, welches in den Östreichischen Niederlanden vorgeschrieben ist, bey zweifelhaften Fällen zur Gewinnung der Zeit an das Vorderöstreichische Gouvernement zu schreiben, und Nachricht zu erbitten, wie es dort gehalten wird, indeme Unsere höchste Absicht dahin gehet, daß die Französischen Auswanderer in Unsern dortigen Landen eben so behandelt werden sollen. In bedenklichen und unbestimmten Fällen habt Ihr Euch an Unser Cabinets-Ministerium zu wenden. Wir empfehlen Eurer besondern Wachsamkeit die Französischen Emissarien, welche fast in allen Ländern herumziehen, um den Geist der Empörung zu verbreiten. So bald sie sich durch aufrührische Reden oder Verbreitung empörerischer Schriften kenntbar machen, habt Ihr sie sogleich über die Gränze zu schaffen, und bey zweifelhaften Fällen an Unser Cabinets-Ministerium zu berichten. Bey den Schriften in dasiger Provinz, welche zum Aufruhr verleiten könnten, müßt Ihr die schärfste Censur beobachten, und die Verbreitung auf das sorgfältigste hindern. Berlin den 4 Febr. 1792.
Friedrich Wilhelm.