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Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H06

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Heft 5 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 6 der Section Leipziger Kreis
Heft 7 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Sahlis
  2. Brandis
  3. Rochsburg
  4. Falkenhain


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Sahlis.


Sahlis, früher auch Sahlitz geschrieben, nahe beim Städtchen Kohren in einem herrlichen Thale gelegen, enthält ausser dem Rittergute nur Gärtner- und Häuslerwohnungen mit ungefähr zweihundertundzwanzig Einwohnern. Das Rittergut Sahlis war früher ein Vorwerk des Schlosses Kohren und erst nach dem Verfalle dieser Burg baute man hier ein Herrenhaus.

Die alte Burg Kohren (Corin und Chorun) soll von einem Wendenfürsten, Choro, erbaut worden sein, der von hier die an der Wyhra wohnenden Sorben beherrschte. Historisch wird die Burg zuerst im Jahre 974 erwähnt, wo Kaiser Otto II. sie dem Bisthum Merseburg schenkte, dessen Bischof, Giseler, sein Liebling war. Der bekannte Geschichtschreiber Bischof Dittmar von Merseburg nennt die Burg sein Landgut und besuchte sie am 2. Mai 1018 auf einer Reise nach Rochlitz, wohin ihn ein Zwist der Söhne Eckardts I. wegen der Rochlitzer und Colditzer Waldungen rief. Am 1. December 1018 soll Bischof Dittmar auf der Burg Kohren gestorben sein, doch kam er noch früher einmal hierher und berief seine Vasallen auf das Schloss, um mit ihrer Hilfe die widerspenstigen Grafen Eckardt und Hermann zu demüthigen, Beweis dafür, dass dem Bischof nicht nur die geistliche sondern auch die weltliche Macht über Kohren zustand. Ein Bischof zu Merseburg trat aus unbekannter Ursache dem Markgrafen von Meissen, als Lehnsherrn, die Burg Kohren wieder ab und dieser überliess sie den nachmaligen Herren von Chorun. Als Markgraf Conrad 1190 den Verkauf des Dorfes Rannstädt bei Leipzig an das Kloster Celle bestätigte, wird Heinrich von Chorun als Zeuge genannt, auch befand er sich zehn Jahre darauf auf dem Landtage am Colm. Er war einer der Edelleute, welche das Bündniss Kaiser Otto IV. mit Markgraf Dietrich dem Bedrängten zu Frankfurt schliessen halfen und gehörte zu dem Gefolge des Markgrafen, als der Kaiser am 14. April 1213 das von Dietrich gestiftete Augustinerkloster St. Thomä zu Leipzig bestätigte. Zuletzt erwähnt ihn als Zeugen die Bestätigungsurkunde Markgraf Dietrichs über eine Schenkung, welche Ritter Günther von Rochsburg 1220 dem Kloster Buch widmete. Zur Zeit Heinrichs von Chorun werden auch Luitfried und Ulrich von Chorun hin und wieder genannt; vielleicht waren es seine Brüder.

Das Geschlecht der Herren von Chorun erlosch wahrscheinlich zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, denn 1303, wo Thimo II. von Chorun in einem Kaufbriefe des Klosters Buch genannt wird, geschieht dieses Namens das letzte Mal Erwähnung. Die Burg Kohren fiel als erledigtes Lehn an den Markgrafen von Meissen, der sie zum Schutze des Landes gewissen Burgmännern als Burglehn zur Verteidigung übergab, ohne dass diese wirkliche Besitzer der anvertrauten Veste waren. Als solche Burgmänner auf Kohren werden 1357 in dem Friedensvertrage zwischen Landgraf Friedrich dem Strengen und den Voigten von Plauen, genannt Friedrich von Schönburg und Burggraf Otto II. von Leissnig. Ersterer war vermuthlich der Besitzer des Schlosses Crimmitzschau, welcher 1338 starb. Er hatte 1335 mit anderen Edelleuten den Landgrafen Friedrich befehdet, bis dessen Schwiegervater, Ludwig V. von Baiern, ernstlich Ruhe gebot. Vielleicht verlor er zur Strafe das Burglehn Kohren, welches Otto Burggraf von Leissnig empfing. Bei dem bereits erwähnten Vertrage von 1357 verzichtete der Burggraf Otto um so leichter auf das Burglehn, weil er der Schwiegersohn Heinrichs des Langen von Plauen war, dem der Vertrag selbiges zusicherte. Zugleich mit Heinrich dem Langen wurden auch dessen beide Söhne mit Kohren beliehen. Als 1382 Landgraf Balthasar und Markgraf Friedrich, sowie ihres Bruders Friedrichs des Strengen drei Söhne Friedrich, Wilhelm und Georg ihre Länder theilten, fiel Kohren an die letztgenannten drei Brüder, welche am 25. Juni 1388 ihre Vettern Conrad und Dankwart von Harburg, und wenn diese ohne rechte Lehnserben sterben sollten, Günthern von Konritz, Burgmann zu Kohren, mit dem im Dorfe Sahlis gelegenen Vorwerke belehnten. Dies ist das erste Mal, wo Sahlis als Ritterlehn erscheint.

Als 1397 die Familie Heinrichs des Langen von Plauen erlosch, kam das Schloss Kohren lehnsweise an Hansen von Lanse. Unter ihm wurde Syverd von Schönefeld Burgmann zu Kohren und empfing für die Vertheidigung der Burg: Acker, soviel mit einem Pfluge bestellt werden kann, Holz und Wiesen, zwei Schock zwölf Groschen jährliche Zinsen nach Freibergischer Münze, zwei Pfund Wachs, zwei Teiche, die Lehn über die Kapelle bei der Pfarrkirche zu Kohren mit einem Schock neunzehn Groschen zu Sahlis und vier Groschen daselbst jährlichen Zinsen und einem Teiche zu Sahlis. Als Hans von Lanse 1428 ohne Lehnserben gestorben war, verkauften die Herzöge Friedrich und Sigismund, denen Kohren nach der Erbeinigung von 1410 gehörte, das Schloss Kohren mit allem Zubehör am Sonnabend vor St. Elisabeth 1429 an Melchior von Meckau oder Meggau, der die Lehn darüber zugleich mit seinem Bruder Balthasar empfing. Deren Vater, Hans von Meckau, besass schon vorher Grundstücken in der Nähe Kohrens, die nach seinem Tode Margarethe, seine Gemahlin, zum Leibgedinge erhielt, worunter sich auch das jetzige Lindenvorwerk befand. Die beiden Vettern Georg und Helfreich von Meckau (jener Melchiors, dieser Balthasars Sohn) wurden 1448 vom Burggrafen Otto III. von Leissnig mit allen Gütern beliehen, die ihre Väter von demselben zur Lehn getragen hatten. Helfreich von Meckau heirathete seines Oheims Melchior Wittwe, Elisabeth, deren Leibgedinge in einigen bei Altenburg gelegenen Gütern [50] bestand. Diese Güter verwirkte ihr Gemahl dadurch, dass er im Jahre 1451 an den Churfürsten Friedrich den Sanftmüthigen einen Fehdebrief erliess und am 8. Juli desselben Jahres die Stadt Altenburg stürmte und anzündete, wodurch das ganze Bartholomäuskirchspiel in Asche sank. Churfürstliche Soldaten hatten ihm nämlich während des Bruderkrieges sein Haus in Gnandstein (nicht das Schloss) beschädigt und mehrere zum Leibgedinge seiner Hausfrau gehörige Güter verwüstet.

Auf Verwendung seines Oheims, des Obermarschalls Hildebrand von Einsiedel, erhielt Georg von Meckau die Anwartschaft auf diese Güter, sobald seine Mutter Elisabeth mit Tode abgehen sollte. Diese verkaufte mit Bewilligung ihres Gemahls an ihren Sohn Georg von Meckau das Vorwerk Sahlis. Am Montage nach Allerheiligen 1453 wurde Hildebrand von Einsiedel auf Gnandstein vom Churfürsten Friedrich für den Fall, dass Georg von Meckau ohne rechte Lehnserben sterben sollte, mit allen Gütern desselben beliehen und nahm sie 1454, wo dieser Fall eintrat, in Besitz. Einen Theil dieser Güter, welche zum Leibgedinge seiner Schwester Elisabeth von Meckau gehört hatten, kaufte Hildebrand von Einsiedel seinen Neffen ab, als diese nach Oesterreich auswanderten.

Der Obermarschall Hildebrand von Einsiedel vereinigte mehrere angekaufte Vorwerke, wie das zu Walditz, welches einem Ritter von Hopfgarten zustand, sowie ein anderes, das Carl von Taupadel gehörte, mit Sahlis, und gründete auf diese Art das jetzige Rittergut, worüber er 1455 die Gesammtbelehnung erhielt. Als Helfreich von Meckau mit Tode abging, suchten dessen Brüder, Melchior, Caspar und Balthasar ihre Ansprüche an Kohren, das jetzt in Einsiedelschem Besitz war, gegen den Obermarschall Hildebrand geltend zu machen, dieser aber schloss mit den Brüdern zu Grimma einen Vergleich, worin er sie mit vierhundert alten Schocken zufrieden stellte. Hansen von Zehmen auf Imnitz, kaufte Ritter Hildebrand 1459 ein Schock und zehn Groschen jährliche Zinsen zu Flemmingen und Frommsdorf ab, nachdem er 1455 von Hans von Kaufungen bereits das Kirchenlehn und Erbgericht in erstgenanntem Orte käuflich an sich gebracht hatte; daher die noch jetzt bestehenden Gerechtsame des Ritterguts Sahlis in Flemmingen und Frommsdorf. Nachdem Hildebrand von Einsiedel im Jahre 1459 noch das Dorf Langenleube-Oberhain mit Zinsen und Gerichten an sich gebracht, starb er 1461 auf seinem Stammschlosse Gnandstein und wurde in der Ortskirche daselbst beerdigt. Seine Schwester Anna war die Gemahlin des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen, der in mehreren Kohren betreffenden Urkunden als Zeuge erscheint. Nach Kaufungens Hinrichtung bezog dessen Wittwe einen Theil ihres Leibgedings vom Schlosse Kohren, und wohnte auf einen nahen Vorwerke. Sie soll in der Kirche zu Kohren begraben liegen.

Die sehr bedeutenden Güter des Hofmarschalls von Einsiedel, darunter Gnandstein, Wolftitz, Sahlis, Syhra und Scharfenstein, gingen auf seinen Sohn Heinrich über, der Dienstags nach St. Thomastag vom Churfürsten Friedrich damit belehnt wurde, und gleich darauf im sechsundzwanzigsten Jahre seines Alters nach Palästina zog, um dort am heiligen Grabe die Ritterwürde zu erlangen. Späterhin leistete Heinrich von Einsiedel den Fürstlichen Brüdern Ernst und Albrecht als Rath wichtige Dienste, und brachte die Theilung der väterlichen Länder zwischen ihnen zu Stande (1485). Er war dreimal vermählt, zuerst mit Katharina von Schönberg auf Rothschönberg, dann mit Margarethe von Schleinitz und endlich mit Ilse von Schönberg auf Stollberg, die ihn überlebte und sich als Oberhofmeisterin am Churfürstlichen Hofe aufhielt. – Da die Brüder Heinrich und Wenzel von Rüdigsdorf noch einige Ansprüche an das Kohrener Burglehn besassen, so kaufte Heinrich von Einsiedel ihnen durch eine Summe Geldes nicht nur diese Anrechte sondern auch einen Theil des Vorwerks Rüdigsdorf nebst etlichen Zinsen zu Neumörbitz, Schönbach, Meusdorf und Linda ab (1471). Heinrich von Einsiedel starb am 10. Mai 1507 und hinterliess drei Söhne, Namens Hugold, Heinrich und Abraham und acht Töchter.

Der älteste dieser Söhne, Hugold oder Haubold führte während der Minderjährigkeit seiner Brüder deren Vormundschaft. Er war geistlichen Standes und Domherr zu Naumburg, bekannte sich aber später zur lutherischen Kirche und starb 1522. Heinrich II. und Abraham von Einsiedel zeichneten sich durch ihren Eifer für die Reformation aus, und namentlich Ersterer, ein sehr wissenschaftlicher Mann, führte mit Luther, Melanchthon und Spalatin einen eifrigen Briefwechsel. Trotz der Verfolgungen des streng katholischen Herzogs Georg des Bärtigen, liessen sich die beiden Brüder nicht abhalten mit Eifer für die neue Lehre zu wirken, weshalb Luther sie auch „ein seltenes Licht des Adels ihrer Zeit“ nannte. Die Belehnung über die väterlichen Güter empfingen die Brüder im Jahre 1508, und zwar vom Churfürsten Friedrich über Kohren, Sahlis, Hopfgarten und Wolftitz, vom Herzog Georg über Syhra, Scharfenstein und einige kleinere Güter, vom Burggrafen Hugo von Leissnig über Gnandstein und vom Abt zu Chemnitz über Elbisbach und Dittersdorf. Als Valentin von Einsiedel, einer ihrer Vettern im Jahre 1533 mit Tode abging, erbten die Brüder das Rittergut Priessnitz.

Heinrich und Abraham von Einsiedel hatten bereits im Jahre 1533 den Entschluss gefasst, die ererbten Güter zu theilen, er kam indessen erst 1534 zur Ausführung, und auf dem Schlosse Scharfenstein schlossen die Brüder den Vertrag, dass Heinrich Gnandstein, Priessnitz und Syhra, Abraham hingegen Scharfenstein, Wolftitz und Sahlis mit Kohren besitzen sollte. Von dieser Zeit an hörte man auf Sahlis und Gnandstein als ein Gut zu betrachten. Abraham von Einsiedel wohnte indessen nicht auf Sahlis sondern auf dem Schlosse Scharfenstein, wo er auch 1568 im vierundsechszigsten Lebensjahre starb, und in der Kirche zu Olbersdorf seine Ruhestätte fand. Da er keine Söhne hinterliess, kamen seine Güter auf seines Bruders Heinrich zahlreiche Nachkommen, welche sich dahin verglichen, dass Scharfenstein und Wolftitz von Sahlis getrennt, Wolftitz mit Priessnitz vereinigt und von Sahlis einige kleinere Grundstücke an Wolftitz und Syhra abgetreten werden sollten. Das alte, unbewohnte schon damals als wüst bezeichnete Schloss Kohren, erhielt mit Sahlis der älteste Bruder, Heinrich III. von Einsiedel, der am 12. November 1568 damit beliehen wurde, aber schon im Jahre 1572 mit Tode abging, und in der Kirche zu Kohren begraben liegt. Von seinen beiden Söhnen übernahm der ältere, Georg Heinrich das Gut Sahlis, der jüngere empfing eine Summe Geldes und zog nach Altenburg.

Georg Heinrich von Einsiedel erlebte vieles Unglück. Nicht nur dass Misswachs, Pest und eine Feuersbrunst die das Rittergut Sahlis verzehrte, ihn in seinen Vermögensverhältnissen beeinträchtigten, auch Glaubenshass verbitterte [51] ihm das Leben. Er war ein Anhänger des Calvinismus und lebte deshalb mit seinen protestantischen Geschlechtsvettern in Unfrieden. Als nun nach dem Tode Churfürst Christians I. die Verfolgung der Calvinisten begann, wandte sich Georg Heinrich von Einsiedel nach mancher erlittenen Unbill mit seiner ganzen Familie in das reformirte Anhalt, kaufte dort das Schloss Raschwitz bei Bernburg, sowie andere Güter und starb 1633 mit Hinterlassung mehrerer Söhne als Bernburgischer Regierungspräsident. Einer seiner Nachkommen war der bekannte Oberst und spätere General von Einsiedel, welcher unter Friedrich Wilhelm I. das sogenannte Riesenregiment in Potsdam kommandirte.

Im Jahre 1602 hatte Georg Heinrich von Einsiedel das Gut Sahlis für den Spottpreis von 60000 Gulden an Wolf Löser auf Brandis verkauft. Der neue Besitzer nahm seinen Wohnsitz in Sahlis, starb aber schon 1604 auf einer Geschäftsreise – er war Oberhofgerichtsassessor und Obersteuereinehmer – zu Leipzig und wurde in Kohren begraben. Seine Gemahlin Anna, eine geborne Einsiedel von Gnandstein übernahm die Vormundschaft ihrer beiden Söhne Wolf und Hans, welche nach erlangter Volljährigkeit im Jahre 1611 sich in die väterlichen Güter theilten, so dass Hans Sahlis, Pretzsch, Heinichen und Nenkersdorf, Wolf aber Brandis und Reinhards erhielt. –

Hans Löser war ein sehr unterrichteter für das Wohl seiner Gemeinden äusserst besorgter Mann, der freilich durch die aufgeregte Zeit des dreissigjährigen Krieges behindert war, alles Gute auszuführen was er beabsichtigte. Die Jahre 1606, 1610, 1611, 1612 und 1616 brachten Misswachs und Theurung, die späteren Jahre aber wilde Kriegshorden, welche mit Brand und Mord das Land verwüsteten. Am Michaelistage 1632 zog der kaiserliche Feldmarschall Holke über die Gegend, und liess durch seinen Obersten Korpitz die Stadt Kohren in Brand stecken, so dass nur wenige Häuser, die Pfarre und Kirche von den Flammen verschont blieben, doch wurden aus letzterer tausend Gulden und die silbernen Kelche geraubt. In Jahnshain erschossen die viehischen Kroaten drei Einwohner, plünderten das Dorf und hausten daselbst auf das Unmenschlichste. Bald darauf kamen die Schweden und trieben es wo möglich noch entsetzlicher als die Kaiserlichen. Die Felder wurden verwüstet, das Vieh geraubt, und wer sich widersetzte, musste sterben. Diesem unerträglichen Zustande suchte Hans Löser dadurch ein Ziel zu setzen, dass er einige Compagnieen bewaffneter Männer bildete, die unter Anführung eines Offiziers und einer Anzahl zu Korporalen ernannter entschlossener Bürger und Bauergutsbesitzer allen feindlichen Angriffen streifender Partheien erfolgreichen Widerstand entgegensetzten. Der damalige Pfarrer M. Grosch, welcher nahe am südlichen Wartthurm des Schlosses wohnte, hatte das Pulver und Blei in seiner Verwahrung, und schlug, wenn es galt selbst tüchtig mit auf das militärische Raubgesindel los. Das Schloss wurde mit Pallisaden und Einschnitten befestigt, und jeder Dorfschaft war ihr Platz zu Vertheidigung angewiesen; so hatten die Bauern von Langenleube den vorderen Thurme zu schützen. Wer gegen die eingeführte Ordnung fehlte, verfiel in Strafe. – Ehe indessen der dreissigjährige Krieg zu Ende ging, starb Hans Löser (5. September 1644) und hinterliess seine Besitzungen dem jüngeren seiner beiden Söhne, Curt, der die von seinem Vater organisirte Communalgarde noch verstärkte und ihr einen Edelmann, Matthias von Witchensdorf, als obersten Befehlshaber gab. Von diesem Curt Löser existirt noch eine Verordnung, welche die Einwohner von Kohren und Sahlis zu Vertilgung der herumstreifenden, Menschen und Thiere bedrohenden Wölfe auffordert.

Zu Ende des sechszehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts wurde das alte Dorf Sahlis, welches zwischen dem jetzigen Rittergute und dem Dorfe Waldis lag, und aus sechs Bauerngütern bestand, allmälig abgebrochen, und aus fünfen dieser Güter das jetzige grosse Vorwerk gebildet. Curt Löser liess das neue Dorf Sahlis, sowie die Häuser am Kohrener Schlossberge aufbauen, das erste Haus an diesem Berge aber errichtete der tapfere M. Grosch, welcher es während des Bestehens der obenerwähnten Compagnieen zum Zeughause hergab. Am 20. April 1670 starb Curt Löser und liegt in der Kirche zu Kohren begraben. Seine Söhne, die bei des Vaters Tode noch unmündig waren, übernahmen die Güter erst im Jahre 1682, und der älteste, Hans, verkaufte im Jahre 1700 die ihm durch das Loos zugefallenen Besitzungen, Sahlis und Nenkersdorf für 100000 Gulden an Friedrich von Eckhardt. Seiner zweiten Gemahlin, die 1689 im Wochenbette starb, hatte Hans Löser in der Kohrener Kirche ein prachtvolles Denkmal aus Marmor und Alabaster errichten und ein zweites im sogenannten Todtenberge aufstellen lassen; Eckhardt aber liess letzteres wegen eines Streites mit Hans Löser boshaft zerstören und abbrechen.

Friedrich von Eckhardt, Domprobst in Braunschweig und Hannöverscher Berg- und Kammerrath, wurde am 25. Juni 1700 mit Sahlis belehnt, lebte aber zu Goslar, und überliess die Verwaltung des Rittergutes einem alten Hauptmann nebst einem Inspektor, die eine heillose Wirthschaft führten, die Gemeinden drückten, und ihren Herrn schmählich betrogen. So kam es, dass Eckhardt sich gezwungen sah, im Jahre 1720 Sahlis zu veräussern. Der neue Besitzer war der Oberhofgerichtsassessor Abraham von Einsiedel auf Gnandstein, der dafür 22000 Thaler zahlte und die Güter Döllnitz und Burg im Saalkreise mit in den Kauf gab. Abraham von Einsiedel, verkaufte in den Jahren 1740 bis 1742 von Sahlis die Hainmühle zu Kohren, die Lindenmühle und das Pastholz. Nach seinem 1744 erfolgten Tode, kamen die Güter an den Lieutenant Abraham von Einsiedel, seinen Sohn, der ebenfalls wie sein Vater beträchtliche Grundstücken von Sahlis veräusserte, worunter ein bedeutendes Stück Waldes, das Jagdgut zur Linde und das Lindenvorwerk, letzteres an Gottlieb Apel für 2700 Thaler. Endlich verkaufte der Lieutenant von Einsiedel auch Sahlis an den Kammerrath Leberecht Crusius, einen reichen Kaufmann aus Chemnitz, welcher es einundfunfzig Jahre besass, und in dieser Zeit mit seinen Unterthanen manches Ungemach zu ertragen hatte, indem er den siebenjährigen Krieg, den Bairischen Erbfolgekrieg, die Theurung von 1771 und 1772 und viele Wetterschäden und Feuersbrünste erlebte. Er gründete die hübschen Anlagen, welche noch jetzt vorhanden sind, kaufte das Lindenvorwerk von Sahlis zurück, nachdem es zweiunddreissig Jahre vom Gute getrennt gewesen war, und starb am 21. October 1805. Da er ohne Leibeserben abschied, vermachte er das Gut einem Vetter, dem älteren Bruder des jetzigen Besitzers, der aber kurze Zeit nach dem Antritt der Erbschaft starb. Auch dieser hatte keine Nachkommen, und so gelangte Sahlis in den Besitz von seinem Vater, dem Buchhändler und Besitzer des Hauses die Marie zu Leipzig, Siegfried Leberecht Crusius, der von den Erben des Oberstlieutenants von Raysky 1810 auch das Rittergut Rüdigsdorf erkaufte. Nachdem sein nunmehr [52] einziger Sohn, Wilhelm Leberecht Crusius sich vermählt hatte, bestimmte er Rüdigsdorf zu dessen Wohnsitz, während der Vater selbst Sahlis bewohnte. Nach des Letzteren 1824 erfolgtem Tode, trat Herr Dr. Wilhelm Leberecht Crusius das väterliche Erbe an, ein hochverehrter Mann, der als Deputirter der ersten ständischen Kammer, als Director verschiedener, gemeinnützig wirkender Gesellschaften, sowie als eifriger Beförderer der Leipzig-Dresdner Eisenbahn sich viele Verdienste um das Vaterland erworben, und den ihm angehörenden Gemeinden stets als wohlwollender Herr und Freund mit Rath und That beigestanden hat.

Otto Moser, Red.     




Brandis.


Das Städtchen Brandis liegt, drei und eine halbe Stunde östlich von Leipzig und eine halbe Stunde südlich von der Leipzig-Dresdner Eisenbahn entfernt, in einer fruchtbaren Niederung voller kleiner Teiche, umgeben von flachen Anhöhen. Der Ort hat zweihundert und elf Häuser mit einer Bevölkerung von mehr als fünfzehnhundert Einwohnern, die sich hauptsächlich mit Ackerbau beschäftigen. In Brandis werden jährlich drei Märkte abgehalten.

Der Name Brandis ist slavischen Ursprungs und von dem Worte Bor abgeleitet, welches einen Wald bedeutet und zugleich auch ein beliebter slawischer Mannesname war. Somit ist die Gründung des Ortes durch einen der sorbischen Volksstämme, welche in Folge der Völkerwanderung ihre Wohnsitze jenseits der Elbe verliessen und sich an den Flussgebieten der Elster, Pleisse und Mulde festsetzten, nicht zu bezweifeln. Zu welcher Zeit das Christenthum hier Eingang fand ist unbekannt, doch behauptet die Sage, dass Bonifacius, der Apostel der Deutschen, im Jahre 728 in hiesiger Gegend die neue Lehre nicht ohne Erfolg verkündete. Historisch erwiesen ist, dass Brandis (Borintizi) schon 974 ein nicht unbedeutender Ort war und zu dieser Zeit, nebst einigen anderen nahen Ortschaften, vom Kaiser Otto II. dem Stifte Merseburg übergeben wurde. Namentlich Wigbert, Bischof von Merseburg, erwarb sich um die Verbreitung des Christenthums in den seiner Aufsicht anvertrauten Distrikten hohe Verdienste.

Schon im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts befand sich in Brandis ein Schloss, auf welchem die Ritter von Brandis hausten. Gozwinus von Brandis bewohnte die Burg um das Jahr 1212, und sein Sohn, Johannes von Brandis, 1225. Friedrich von Brandis wird 1256 genannt und Gebhard von Brandis 1268. Letzterer verkaufte das Dorf Machern, welches bis dahin zu Brandis gehört hatte, an das Kloster Neuwerk. 1352 werden Johann und Heinrich von Brandis (Brandeyss) genannt, die damals Zinsen von vierzehn Hufen in Zochau an das Kloster Sitzenroda verkauften. Im Jahre 1415 besass das Schloss Albrecht von Heynitz und 1511 erkaufte es von seinen Vettern für 7400 Gulden ein Herr von Bünau auf Jetzschen der zugleich das Leipziger Amtsdorf Gerichshain nebst dem Erbgericht auf der wüsten Mark Posthausen und Oeltsche für 576 Gulden an sich brachte. Der Hofmarschall, Rudolph von Bünau, empfing 1533 vom Churfürsten Johann Friedrich über Brandis die Lehn.

Unter dem Hofmarschall von Bünau begann die Reformation und da in dem ganzen Amte Grimma, welches der Ernestinischen Linie unseres Regentenhauses angehörte, die Einführung der lutherischen Lehre sehr begünstigt wurde, so fand bereits 1529 in Brandis der erste protestantische Gottesdienst statt, während in Leipzig und vielen anderen Orten unseres Vaterlandes, welche Herzog Georg dem Bärtigen gehörten, das Lutherthum erst 1539, wo Herzog Georg starb, zur Geltung gelangte. Rudolph von Bünau, ein eifriger Katholik, bemühte sich vergeblich die neue Lehre von seinen Unterthanen fern zu halten. Von den drei katholischen Geistlichen, welche damals in Brandis fungirten und zugleich Gerichshain, bis 1343 Machern und vorher wohl auch Beucha als Filiale besorgten, traten zwei zum Protestantismus über, einer wurde Pfarrer der andere Schulmeister, der dritte aber blieb dem alten Glauben treu und wurde auf Verwendung des Hofmarschalls von Bünau katholischer Pfarrer zu Gerichshain, welches Dorf dem Herzog Georg gehörte und folglich katholisch bleiben musste. Der Pfarrer zu Gerichshain hatte zu gleich im Schlosse Brandis Messe zu lesen. Dieses Verhältniss dauerte bis 1539, wo auch Gerichshain, wie alle übrigen noch katholischen Orte, mit dem Regierungsantritte Herzog Heinrichs des Frommen, die neue Lehre annahm. Verschiedene Geld- und Naturaleinnahmen, welche noch jetzt die Pfarrer und Schullehrer in Beucha und Gerichshain von dem Rittergute Brandis, sowie der Pfarrer und Cantor in Brandis von dem Dorfe Gerichshain und dem Rittergute Machern beziehen, sind aus diesen Verhältnissen entstanden.

Im Jahre 1535 kam Brandis durch Kauf (25000 Gulden) an Nikolaus von Ende, Geheimerath des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthigen. Von ihm gelangte das Gut 1554 an Ehrenfried von Ende, welcher stets in Brandis wohnte und als ein grosser Freund und Beförderer des Protestantismus gerühmt wird. Er starb 1578 und Brandis wurde Eigenthum Wolf Dietrichs von Körbitz, von dem in hiesiger Kirche ein Söhnlein begraben liegt, dessen Leichenstein, ein betendes Kind in Priesterkleidung darstellend, noch jetzt vorhanden ist. Dem Herrn von Körbitz folgte im Besitze des Schlosses Brandis Wolf Löser auf Sahlis der mit Anna von Einsiedel aus dem Hause Gnandstein vermählt war, deren Vater, Hildebrand von Einsiedel, 1598 auf dem Schlosse Brandis starb. Von 1604 bis 1612 gehörte Brandis August von Lüttichau, dem 1612 Oswald aus dem Winkel folgte, welcher auch Otterwisch und Heinichen besass. Diese Familie blieb im Besitze von Brandis bis 1690 und während ihrer Herrschaft trafen den Ort die Verwüstungen und Drangsale des dreissigjährigen Krieges. So wurde nach einer Nachricht im Pfarrarchive am 19. August 1633 Frau Elisabeth, Abrahams von Ende hinterlassene Wittwe, also jedenfalls eine der hiesigen Rittergutsherrschaft verwandte Bewohnerin des Schlosses, hier begraben, die von den Croaten gestochen und gehauen [53] im Garten todt aufgefunden worden war. Die Pest raffte in diesem Jahre in Brandis dreihundert fünfundzwanzig Menschen hin. Am 2. Februar 1637 verzehrte eine Feuersbrunst fast den ganzen Ort und am 1. April 1664 die Wirthschaftsgebäude des Rittergutes.

Auf Oswald aus dem Winkel folgte, von 1627 bis 1636, Christoph aus dem Winkel, dessen Sohn, Hans Christoph aus dem Winkel, Brandis bis 1675 besass. Die Vormundschaft über des Letzteren minorenne Kinder führten der Kammerherr Vitzthum von Eckstädt auf Neuhaus und Friedrich von der Schulenburg auf Leipnitz. Während dieser Zeit hatte das hiesige Rittergut Leo Sahrer von Sahr in Pacht, der als ein christlich frommer Mann gerühmt wird, denn im Pfarrarchiv findet sich bei Erwähnung seines 1680 erfolgten Todes nachstehende Bemerkung:

Der hochedle Herr Leo Sahrer von Sahr bürtig aus der Cron Böhmen aus einem uralten Geschlechte, so mit den Croatischen Fürsten A. C. 644 und also vor 1000 Jahren im Böhmen kommen, dessen Herr Vater der evangelischen Religion halber verlassen ein kostbar erbautes Schloss Pröligk, acht Rittersitze, ein Städtlein, siebenunddreissig Dörfer und 70000 Gulden verbriefte Schuldforderungen. Er selbst, ein gelehrter und recht christlicher von Adel, parens undecim liberorum vivorum starb am 16. December 1680 etc. – Sein Leichnam wurde nach Zschorta bei Delitzsch, wo er ein Rittergut besass, abgeführt. Die Rittmeisterin Anna von Bibrüsch aus Modlischkowitz starb in Brandis am 24. August 1681 im achtzigsten Lebensjahre, und ihr mit dem Familienwappen geschmückter noch vorhandener Leichenstein bezeugt, dass auch sie um ihrer Anhänglichkeit an den evangelischen Glauben halber aus Böhmen habe flüchten müssen.

Eine Tochter des Herrn von Sahr verheirathete sich am 9. August 1687 mit Christoph aus dem Winkel, Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn auf Brandis, doch schon 1690 kam das Gut durch Kauf an Kraft Burchard von Bodenhausen, churfürstlich Sächsischen Kammerherrn. Auch er wird als ein gelehrter und frommer Herr geschildert, der mit Hülfe des würdigen Pfarrers Brunner die durch Sittenrohheit und Unwissenheit demoralisirte Gemeinde mit Strenge und durch gutes Beispiel zur Sittlichkeit zurückführte, welche Bemühung um so leichter gelang, da die Gemüther durch eine Feuersbrunst an den Ernst göttlicher Strafgerichte kräftig erinnert und von der Vergänglichkeit des Zeitlichen auf den Werth des ewigen Heils hingelenkt wurden. Das Feuer entstand am 11. Mai 1696 früh acht Uhr in dem Hause des Kochs Lange und verzehrte zweiundvierzig Häuser, den grössten Theil des Rittergutes, das Rathhaus, Pfarre und Schule. Auch der Kirchthurm erlitt eine starke Beschädigung, die kleine Glocke zerschmolz, die Thurmuhr wurde verdorben, die Orgel beschädigt und sonst noch vieles Unheil angerichtet.

Kraft Burchard von Bodenhausen starb 1716 und nach ihm kam sein Sohn, der Kreishauptmann Otto Wilhelm von Bodenhausen auf Radis, Wülfingerode und Sallstädt, Hofrichter in Wittenberg und Inspektor der Landesschule zu Grimma, in den Besitz von Brandis. Er hat sich um den Ort vielfache Verdienste erworben und namentlich der Verschönerung des Gotteshauses grosse Opfer gebracht, z. B. 1732 den noch jetzt stehenden Kirchthurm erbaut. Sein Tod erfolgte 1754 und es erbte Brandis sein Sohn, der Kammerherr Christoph August Leberecht von Bodenhausen, welcher 1756 starb und das Gut seinem Sohne, dem Kammerherrn Leberecht Gottlob von Bodenhausen, hinterliess. Letzterer wendete sich schon 1815 von Brandis weg, während welcher Zeit das Gut von einem Pachter Kuffs verwaltet wurde und verkaufte endlich dasselbe an die Frau Hofräthin Schirmer, nach deren 1849 erfolgtem Tode Brandis an ihren Schwiegersohn, den königlich Sächsischen Major der Cavalerie a. D., Freiherrn von Pentz, gelangte, der es noch jetzt besitzt.

Brandis gehört zu den Gütern ersten Ranges und besitzt ein schönes modernes Schloss, drei Etagen hoch und neunzehn Fenster breit, mit hübscher Aussicht auf den Schlossgarten und Umgegend. Im Schlossgarten befindet sich ein im Jahre 1854 für die jetzigen Besitzer erbautes Mausoleum von reiner Steinarbeit, in Dorischem Baustyl ausgeführt vom Bauinspector Kahnitz in Leipzig. Zum Rittergute gehört das Vorwerk Posthausen, welches an der Leipzig-Dresdner Eisenbahn gelegen ist. Das Rittergutsareal besteht aus 1600 Morgen Feld, Wiesen und Teichen und 1600 Morgen Waldung. Ausser der Stadt Brandis gehören zum hiesigen Gute die Dörfer Kämmerei Beucha, Borsdorf und Gerichshain, sowie das Kirchenpatronat und Collaturrecht über Brandis, Beucha und Gerichshain.

Im Jahre 1847 besuchte Sr. Majestät der hochselige König Friedrich August Brandis, stieg im dasigen Schlosse ab, verweilte einige Zeit daselbst und nahm den Schlossgarten in Augenschein. Im Jahre 1851 wählte, während des Cantonnements, S. königl. Hoheit der jetzige Kronprinz Albert das Schloss Brandis als Hauptquartier, wobei auch S. Majestät der jetzige König einige Tage daselbst verweilte.

Die Kirche zu Brandis besteht nach ihrer jetzigen Beschaffenheit aus vier zu verschiedenen Zeiten gebauten Theilen. Der Altarplatz und das Thurmgewölbe sind sehr alt und stammen noch aus der Zeit des Katholicismus. Zur Linken des Altars befindet sich ein Sanctuarium in Rochlitzer Stein ausgehauen mit ziemlich hübsch gearbeiteter Sculptur. Die Leichenhalle ist nach der eingehauenen Jahrzahl 1570 erbaut und die Sacristei mag aus gleicher Zeit stammen, das eigentliche Schiff der Kirche wurde nach dem grossen Brande von 1637 wieder aufgebaut, jedoch erst 1648 vollendet, so dass dieser Theil der Kirche Jahre lang wüst lag. Der Thurm erlitt bei dem Brande von 1696 in seinen oberen Theilen starke Beschädigungen und wurde von dem Gerichtsherrn, dem Kreishauptmann von Bodenhausen, 1732 vom Gewölbe an neu aufgeführt. Knopf, Fahne, Stern und Zifferblatt der Uhr empfingen 1789 verschiedene Reparaturen und neue Vergoldung.

In dem an hiesiger Kirche angebauten herrschaftlichen Erbbegräbnisse stehen vierzehn Särge, darunter ein kupferner, in welchem die am 1. August 1737 verstorbene Gemahlin des Kreishauptmanns, Otto Wilhelm von Bodenhausen, Hedwig Elisabeth, geborene aus dem Winkel, ruht. Mehrere der hiesigen Schlossherren und ihrer Familienglieder sind in das Erbbegräbniss derselben nach Radis abgeführt worden. Die Kirche ist im Jahre 1854 durch die Güte der Patronin Frau Majorin Baronesse von Pentz im Innern restaurirt und mit kostbarem Kanzel- und Altarschmuck versehen worden, wodurch sie ein recht freundliches Aussehen gewonnen hat. Eingepfarrt in die Kirche zu Brandis ist das unmittelbar an die Stadt sich anschliessende Dorf Kämmerei, welches jedoch eine besondere Gemeinde bildet und etwa 350 Einwohner zählt.

F.     



[54]
Rochsburg.


Die alte Veste Rochsburg deckt den Gipfel eines etwa hundert Ellen hohen Berges, welcher aus den Höhen des linken Muldenufers schroff hervortritt. Der Strom ist hier ziemlich schmal und drängt sich um den Fuss des Schlossberges, wodurch ein von bedeutenden Berghöhen umgebener Kessel gebildet wird, den jedoch das Vorgebirge, auf dem das Schloss ruht, fast gänzlich ausfüllt. Die Berge sind nach der linken Seite hin mit dem Flecken Rochsburg und seinen Obstgärten, sowie mit herrschaftlichen Fluren und Buschholz bedeckt, während die rechts gelegenen Höhen mit ihren herrlichen Waldungen die unbeschreiblich reizende Aussicht vom Schlosse noch mehr vervollständigen. Die herrliche Lage des Schlosses Rochsburg lässt sich mit der des königlichen Schlosses Wesenstein vergleichen, doch liegt ersteres weniger einsam und wegen seiner grösseren Erhebung über den Fluss viel freier, ist aber trotzdem nur von wenigen entfernten hohen Orten, zum Beispiel dem Rochlitzer Berge und der Langenberger Höhe bei Hohnstein, sichtbar, weil die ringsumher liegenden Berge den Schlossberg überragen. Vor der Erfindung des Pulvers und selbst noch zu der Zeit, wo die Artillerie auf keiner hohen Stufe der Ausbildung stand, war die Rochsburg ein äusserst festes Schloss, dessen Widerstandsfähigkeit allerdings durch die Kunst bedeutend vermehrt wurde, denn tief in den Felsen arbeitete die Menschenhand feste Kasematten, sowie einen Graben über den eine Brücke nach dem inneren Thore führt. Ehe man indessen die Brücke, vormals eine Aufziehbrücke, erreicht, geht der Weg durch ein sogenanntes Rondel, einen runden mit hohen Mauern und Schiessscharten versehenen Vorhof. Das erste Schlossthor ist zum Theil aus dem Felsen gesprengt und führt zwischen dem eigentlichen Schloss und einem kleinen vom Castellane bewohnten Thurme in den Zwinger, welcher auf einer Seite von den ungeheuren Mauern des Schlosses, auf der anderen von einer Ringmauer mit bedecktem Gange und Schiessscharten begrenzt ist. Am Ende des Zwingers befindet sich das zweite Thor, durch welches man in den äusseren Schlosshof kommt, der grösstentheils von Oekonomiegebäuden umschlossen, nach ziemlicher Ausdehnung an dem Pulverthurme endigt. Westlich von diesem Hofe gelangt man nach dem eigentlichen inneren Schlosse und steigt auf einer breiten Treppe durch einen Flügel desselben hindurch in den inneren Hof. Das Schloss ist im Quadrat erbaut und enthält in drei Etagen die prachtvoll eingerichteten herrschaftlichen Wohnzimmer, mehrere zum Theil sehr alterthümliche Säle, die Schlosskapelle und den Hauptthurm, welcher rund und fast in der Art gebaut ist wie die Wartthürme auf den Schlössern Gnandstein und Scharfenstein. Durch eine 1582 im Schlosse ausgebrochene Feuersbrunst wurde auch der obere Theil des Thurmes zerstört, so dass er bis auf etwa sechzig Ellen abgetragen werden musste und ein haubenförmiges Schieferdach erhielt. Die im Jahre 1500 erbaute Capelle, in welcher der Ortspfarrer den Gottesdienst zu verrichten verpflichtet ist, woher er den Titel eines Hofpredigers führt, erlitt nach dem schon erwähnten Brande eine gründliche Restauration, zu welcher Zeit Adam Lorenz zu Freiberg auch die schöne Altartafel anfertigte. Die Capelle wird nur noch bei besonderen Gelegenheiten benutzt. Der erste Hofprediger, welcher 1576 sein Amt antrat, nicht aber zugleich auch das Pfarramt im Flecken Rochsburg verwaltete, hiess Held, und war ein tüchtiger Geistlicher, den man zu Lausigk als Flacianer removirt hatte. Er starb als Pfarrer zu Burgstädt. Bevor Held als Hofprediger auf die Rochsburg kam war der Dorfpfarrer zugleich auch Schlossprediger, durfte indessen nicht den Titel eines Hofpredigers führen, welche Auszeichnung Churfürst August erst um das Jahr 1560 aus besonderem Wohlwollen für den damaligen Besitzer des Schlosses, Wolf den Aelteren Grafen von Schönburg, dem Pfarrer der Schlosskapelle ertheilte. Graf Wolf von Schönburg hatte bei dem Churfürsten angesucht, dass der Hofprediger nur dem Superintendenten zu Chemnitz untergeordnet sein möge, der Churfürst aber bewilligte, dass er dem Superintendenten zu Rochlitz untergeben sei, welche Abhängigkeit indessen bereits 1588 wieder aufhörte. Die Kirche befindet sich im westlichen Theile des Schlosses der eine Schieferbedachung trägt und durch eine Anzahl verzierter Spitzgiebel ein stattliches Ansehen erhält. Der Hauptthurm und der viereckige Pulverthurm, welcher letztere nur etwa vierzig Ellen hoch ist, sind mit Blitzableitern versehen. Im Schlossgraben bemerkt man den Eingang zu einer Höle.

Das Schloss ist mit Gärten und bei aller Einfachheit herrlichen Spaziergängen umgeben, die bald frei bald in Laubgehölzen an den felsigen Rändern des Berges auf- und abwärts führen und dem Auge unaufhörlich die reizendsten Landschaftsbilder, indessen nirgends eine Fernsicht, bieten. Die letzten Besitzer des Schlosses haben auch einige benachbarte Berge durch einfache Anlagen zu trefflichen Spaziergängen umgeschaffen, doch ist nirgends eine kostspielige gartenkünstlerische Ausschmückung wahrnehmbar, indem man die richtige Ansicht hegte, dass hier die Gebilde der schöpferischen Natur nicht corrigirt, sondern in ihrer grossartigen Einfachheit erhalten werden müssten. Eine vorzüglich reizende Aussicht geniesst man von der einstigen Zugbrücke der Burg hinab auf die Mulde, das Wehr und die nahe Mühle. Ein an Naturschönheiten unbeschreiblich reich ausgestattetes Thal öffnet sich hier in der Richtung nach Lunzenau; von wahrhaft grossartiger Schönheit aber ist der zwischen Rochsburg und Penig gelegene Muldengrund. Hier hat der Muldenstrom in unzähligen kurzen Windungen das mit Schwarzwald bedeckte Gebirge durchbrochen und füllt das enge Thal, welches er durchfliesst, gänzlich aus. Die Berge ragen steil und gewaltig empor und von ihrer Höhe zeugen die Felsenwände, welche hier und da fast hundert Ellen aus dem Thalgrunde aufstreben. Kaum eine halbe Stunde von Rochsburg erhebt sich eine Gruppe solcher riesigen Felsen, welche an einzelne Parthieen des Plauenschen Grundes erinnern. Nicht weit davon ragt ein achtzig Ellen hoher Fels empor, an dessen Gipfel der Eingang einer Höle sichtbar ist, wie es denn hier überhaupt mehrere interessante Klüfte und Hölen, z. B. „die Amtsmannskluft“ und das „Brauseloch“ giebt. Unweit dieser Felsengruppen befindet sich ein Steinbruch, der sehr guten Granit liefert. Einige Bäche rinnen durch finstere, verwaldete in das Hauptthal auslaufende Seitenthäler, [55] mischen ihr Plätschern in das durch häufige Hemmnisse und Fälle bewirkte Rauschen des Muldenstromes und vermehren das Interesse eines Thales, welches unbedingt zu den reizendsten Parthieen unseres Vaterlandes gehört.

Die Herrschaft Rochsburg war ursprünglich nur ein altschriftsässiges Meissnisches Rittergut führt aber wegen ihres bedeutenden Umfangs den Namen einer Herrschaft schon seit mehreren Jahrhunderten und die Burgherren waren stets mächtige und einflussreiche Männer. Bis in das vierzehnte Jahrhundert gehörte die Rochsburg den Burgrafen von Altenburg, welche einen grossen Theil des an den Pleissner oder Altenburger Gau grenzenden Gaues Chutici innehatten und daselbst die Burgen Rochsburg, Drachenfels, Zinneberg und Liebchnstein erblich besassen. In frühester Vorzeit war die Herrschaft Rochsburg nördlich von der Grafschaft Rochlitz – zu welcher das damalige Kloster Zschillen mit dem grössten Theile der jetzigen Herrschaft Wechselburg gehörte – östlich und südwestlich vom Chemnitzer Reichslande und mehreren adeligen Besitzungen, südwestlich von dem Gebiet der Bolkenburg oder jetzigen Wolkenburg und westlich vom Pleissnerlande umgeben; die später sogenannte Herrschaft Penig gehörte zu Rochsburg.

Der Ursprung des Schlosses Rochsburg ist unbekannt. Die Annahme, es sei die Burg Resigeberg, bis zu welcher im Jahre 830 die um Colditz wohnenden Slaven zurückgedrängt wurden, entbehrt jedes historischen Beweises, soviel ist indessen gewiss, dass Rochsburg zu den ältesten Schlössern des Landes gehört und bereits im neunten Jahrhundert vorhanden war. Urkundlich wird die Burg zuerst im Jahre 1200 erwähnt, wo ihr Besitzer Ritter Günther von Rochsberg bei dem allgemeinen Landtage, welchen Markgraf Dietrich auf dem Colmberge hielt, sich unter den versammelten Vasallen befand. Noch 1220 lebte Ritter Günther und trug damals seine Güter vom Markgrafen Conrad, Dedos Sohne, zur Lehn. Vielleicht starb Günther von Rochsberg 1229, denn in diesem Jahre wird Rochsburg zuerst eine Besitzung der Burggrafen von Altenburg genannt. Burggraf Albrecht besass das Schloss von diesem Jahre bis 1270, und als er starb theilten die beiden hinterlassenen Söhne Albrecht und Dietrich des Vaters Besitzungen dergestalt, dass unter anderen auch die Rochsburg an Dietrich gelangte. Dietrich bewohnte die Rochsburg, nannte sich nach ihr und brachte 1290 auch die burggräfliche Würde wieder an seine Linie. Um das Jahr 1320 vermählte sich Burggraf Otto I. von Leissnig mit Elisabeth, Burggräfin von Altenburg, wodurch die Rochsburg an die später mit fürstlicher Würde begabten Burggrafen von Leissnig kam, bei denen sie fast zwei Jahrhunderte blieb. Die Burggrafen von Leissnig legten auf die Herrschaft Rochsburg hohen Werth, indem sie in derselben mancherlei Gestifte und Anstalten von Bedeutung gründeten, und ihrem Titel fast immer auch den eines Herrn von Rochsburg hinzufügten. Zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts verpfändeten die Burggrafen das Schloss und die Herrschaft Rochsburg an den Herzog Albrecht von Sachsen, und da der Pfandschilling nicht zurückgezahlt wurde, verlieh der Herzog selbige den mächtigen und reichen Rittern von Ende, von denen Wolf von Ende Oberster und Statthalter des Bischofs Philipp von Zeitz und später der Churfürsten Moritz und August geheimer Rath der letzte Besitzer Rochsburgs war, indem er es um 60000 Gulden an die Vormünder der Gebrüder Johann Ernst, Georg, Hugo und Wolf von Schönburg verkaufte. Nach einer anderen Nachricht soll schon Burggraf Albrecht III. von Leissnig der letzte Herr seines Geschlechts auf Rochsburg gewesen und 1448 die Herrschaft an Heinrich Reuss den Mittlern zu Gera verkauft haben. – Wolf von Ende verkaufte Rochsburg am 17. Januar 1548, doch ertheilte ihm der Churfürst nur ungern die Erlaubniss dazu. Als die Gebrüder von Schönburg ihr Erbe antraten, empfing Wolf die Herrschaft Rochsburg, Penig und Wechselburg, und seitdem ist das Schloss nie wieder aus dem Besitz der Familie Schönburg gekommen. Zur Zeit residiren auf dem Schlosse Rochsburg J. Erlauchten die Grafen Heinrich und Ernst von Schönburg-Rochsburg, Söhne des verstorbenen Grafen Ludwig von Schönburg-Hinterglauchau.

Der unter dem Schlosse befindliche Flecken Rochsburg liegt beinahe gänzlich am linken Ufer der Mulde, grösstentheils am Abhange mehrerer Berge und namentlich desjenigen, aus welchem der felsige Schlossberg in südöstlicher Richtung als ein Vorgebirge hervortritt. Der Ort ist etwas zerstreut gebaut, weil Gänge und Felsklippen die freie Benutzung des Raumes nicht erlaubten, und dehnt sich fast eine Viertelstunde hin bis zu den nordöstlich gelegenen herrschaftlichen Gebäuden, worunter die berühmte Stammschäferei, welche man früher für die edelste in Deutschland hielt. Die hiesige Kirche stand einst unter dem Kloster Zschillen und war schon 1333 bedeutend dotirt, namentlich durch den Pfarrer Conrad, denn es gehörte bereits damals eine Mühle in Lunzenau dazu, in welcher später der Pfarrer einen Dingestuhl hegte. Kirche, Pfarre und Schule sind ziemlich hoch gelegen und mithin von Norden und Westen weithin sichtbar. Die meisten Bewohner Rochsburgs (700 Köpfe) besitzen schöne Obstgärten und treiben Spinnerei, Weberei, Strumpfwirkerei und Waldarbeit. Ausser dem Pfarrer (Hofprediger) fungirte seit 1678 an hiesiger Kirche auch ein Diakonus, der aber seit 1834, wo das Städtchen Lunzenau zu einer selbstständigen Parochie erhoben wurde, das Pfarramt daselbst erhielt, durch welche Trennung die Einkünfte des Rochsburger Pfarrers bedeutend geschmälert worden sind.

Zur Herrschaft Rochsburg gehören die beiden Städte Burgstädt und Lunzenau, Schloss und Flecken Rochsburg, die Dörfer Arnsdorf, Burkersdorf, Dittmannsdorf, Höllsdorf, Hoyersdorf, Mohlsdorf, Nieder- und Oberelsdorf und Antheile an Berthelsdorf, Kleinchursdorf, Obergräfenhain, Schlaisdorf und Wernsdorf; dazu kommen die Obergerichte über den grössten Theil von Thierbach, Antheile an Dürrengerbisdorf und Dittmannsdorf und über die andere Hälfte von Berthelsdorf.

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Falkenhain
bei Wurzen.


Falkenhain liegt an der nach Torgau führenden ziemlich belebten Strasse, kaum eine halbe Stunde von der Grenze entfernt, und gehört zu den ansehnlichsten und bedeutendsten Ortschaften des Stiftes und Amtsbezirks Wurzen, nicht nur wegen der Menge und Grösse seiner Güter, sondern auch wegen [56] der Fruchtbarkeit des Bodens und des Wohlstandes der Einwohnerschaft. Ausser dem beträchtlichen Rittergute befinden sich in Falkenhain elf sogenannte Grossbauergüter, siebenundzwanzig Halbhufengüter, ziemlich ebenso viele Viertelland- und Grosshäuser und eine gleiche Anzahl Häuslernahrungen. Mit Einschluss der Kirche besteht das Dorf aus achtundneunzig Feuerstätten mit siebenunddreissig Einwohnern, welche ausser Ackerbau und Handwerken auch beträchtlichen Getreide- und Holzhandel nach dem nahen Torgau betreiben. Die Lage Falkenhains ist zwischen den Dörfern Voigtshain, Frauwalde, Heyde, Köhnitzsch und Müglenz in sanft abdachender ziemlich waldiger Gegend. Die Tradition und ein alter Bericht im Falkenhainer Kirchenbuche erzählen, dass einst die Heiden in hiesiger Gegend einen Abgott, Namens Falko, verehrten, der im sogenannten „Haine“ unfern des Fussweges nach Dornreichenbach gestanden habe. Von ihm soll Falkenhains Namen herrühren. Allerdings wurde der Götze Falko von den slavischen Volksstämmen zwischen der Elbe und Saale angebetet, und noch bis vor wenigen Jahren standen zwischen Falkenhain und Zschorna einige uralte Eichbäume, von denen die Sage behauptete, dass unter jedem derselben ein besonderer Gottesdienst stattgefunden habe. Wahrscheinlich bezieht sich diese Tradition auf die Verkündigung der christlichen Lehre, da die Missionaire nach dem Sturze des Heidenthums zu ihrem Gottesdienste gewöhnlich die Stätten wählten, wo bisher ein Slavengott verehrt worden war, weil den Neubekehrten dieser Ort noch immer lieb und ehrwürdig blieb. Aus gleicher Ursache pflegte man auch die ersten christlichen Kirchen über den umgestürzten Opferaltären der Slavengötter zu errichten, und da in uralter Zeit zu Voigtshain eine solche Capelle stand, welche der Priester zu Müglenz zu versorgen hatte, so erscheint die erwähnte Volkssage nicht ohne historischen Grund. Der Besitzer des Rittergutes Falkenhain und einige Bauern mussten dem Pfarrer zu Müglenz wegen dieser seit Jahrhunderten verschwundenen Capelle bis in die neueste Zeit einen Jahreszins entrichten.

Im dreizehnten Jahrhundert gehörte Falkenhain einem ritterlichen Geschlecht, das sich nach seinem Edelsitze „von Falkenhain“ nannte. Rudolph von Falkenhain wird 1216 in einer Urkunde Bischof Eckards von Merseburg als Zeuge genannt und Conrad von Falkenhain hatte 1231 eine Streitigkeit mit der Stadt Wurzen. Einer des Geschlechtes, Johann von Falkenhain, war Propst des St. Thomasklosters zu Leipzig und begleitete 1448 den Bischof Johann IV. von Meissen zur Visitation und Reform des Klosters St. Afra. Veranlassung zu dieser Visitation gab ein Canonicus, der so vollständig betrunken in die Kirche kam, dass er auch die gewöhnlichen Gebete nicht lesen konnte. – Bereits im fünfzehnten Jahrhundert gehörte Falkenhain den Bischöfen zu Meissen, deren Küchengut es blieb bis zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, wo es Hans von Truchsess aus dem Hause Bornitz erkaufte; indessen muss das Gut bald wieder an das Kloster gekommen sein, denn 1538 verkaufte es Bischof Johann VIII. (von Saalhausen) an Christoph von Truchsess. Diesem folgte im Besitze Falkenhains und Voigtshains Heinrich von Truchsess, welcher 1556 starb und die Güter einem Junker Georg von Koseritz hinterliess, nach dessen 1604 erfolgtem Tode Heinrich August von Lüttichau sie für 28000 Gulden erkaufte. Dessen Sohn, August von Lüttichau erbte die väterlichen Besitzungen 1631 und behielt dieselben bis an seinen 1686 erfolgten Tod, worauf sein Sohn, Rudolph von Lüttichau, die Erbschaft antrat und 1725 starb. Nach ihm gehörten Falkenhain und Voigtshain bis 1772 Georg Rudolph von Lüttichau und nach dessen Tode Hans Georg von Lüttichau, der 1785 starb, nachdem er das Rittergut Voigtshain an August Gottfried von Hessling verkauft hatte. Das Rittergut Falkenhain blieb zwar noch einige Jahre unter vormundschaftlicher Administration im Besitze der Lüttichauischen Familie, wurde jedoch 1796 an die verwittwete Frau Kreiscommissar Adolphine Caroline Wilhelmine von Carlowitz verkauft, welche es 1805 der Frau Kammerherrin von Schönberg auf Thammenhain überliess. Von deren Sohne, Dam Ferdinand von Schönberg, erlangte Falkenhain der jetzige Besitzer Herr Hans Adolf Job von Carlowitz, kön. Sächsischer Major der Cavalerie a. D. und Ritter des St. Heinrichsordens.

Zu Falkenstein gehörten einst zwei, noch jetzt in den Flurbüchern als wüste Marken genannte Ortschaften, Poppeln und Lampertswalde, über deren Zerstörung alle Nachrichten mangeln. Dass, wie viele andere Dörfer, auch diese beiden der viehischen Wuth des Schwedischen Kriegsvolks im dreissigjährigen Kriege zum Opfer fielen ist nicht wahrscheinlich, da in dem vorhandenen ältesten Kirchenbuche von 1658 sowie in dem Gerichtsarchive der Zerstörung dieser Ortschaften keine Erwähnung geschieht; dagegen ist kaum zu zweifeln, dass Poppeln und Lampertswalde ihren Untergang durch den Einfall eines Hussitenschwarms fanden, der bis Leipzig hinabstreifte und das Städtlein Taucha verbrannte. In Schöttgens Anhang der Documente werden die zerstörten Dörfer: „villae cum supremo judicio quas in feudum tenuerint dicti Truchses“ genannt.

Die Kirche zu Falkenhain hatte seit der Reformation mannigfache Veränderungen und Reparaturen erfahren, namentlich im Jahre 1550, wo Heinrich von Truchsess auch einen neuen Hauptthurm erbauen und einen „Schütt“ oder „Getreidesöller“ darauf anbringen liess; die Baufälligkeit und Beschränktheit der sehr alten Kirche aber bestimmte endlich den äusserst reichen Collator Rudolf Heinrich von Lüttichau im Jahre 1708 die Kirche abbrechen und auf eigene Kosten von Grund aus neu erbauen zu lassen, wobei man so rüstig zu Werke ging, dass schon nach einem halben Jahre die Einweihung des neuen Gotteshauses stattfinden konnte. Das Bildniss des Erbauers, Heinrich von Lüttichau, der Chursächsischer Hauptmann war und ausser Falkenhain und Voigtshain auch die Rittergüter Rithnitz, Döbrichau und Nauendorf besass, schmückt die Kanzelseite der Kirche und auf dem Altargemälde befinden sich unter den dargestellten Personen Portraits seiner Familie. Die neue gut gearbeitete Orgel ist ein Werk Knoblauchs. Unter den 1408 Thaler betragenden Legaten, deren Zinsen im Interesse theils der Schule und Pfarre theils der Armen verwendet werden, ist das beträchtlichste 1684 von August von Lüttichau fundirt, dessen aus fünfunddreissig Thalern bestehende Zinsen an einen Studenten der Theologie, zunächst aus Falkenhain, gezahlt werden, wofür dieser aber alljährlich eine Predigt über einen vom Pfarrherrn aufgegebenen Text zu halten hat. Das Vermögen der Kirche beträgt fast 11000 Thaler.

M.     




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