Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H06
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Krummenhennersdorf, in Urkunden auch Krummenheinrichsdorf genannt, soll nach der Chronik des Klosters Altzelle seinen Namen von den Krümmungen der vorbeifliessenden Bobritzsch erhalten haben. Das Dorf liegt an zwei Bergen; im Thale zieht sieh ein kleiner Bach hin, der Schönaer Bach genannt, welcher in die Bobritzsch mündet die das niedere Ende des Dorfes berührt und hier auf kurzer Strecke viermal überbrückt ist. Die neuangelegte Strasse nach Freiberg, welche jedoch nur ein Gut berührt, nimmt ihre Richtung nach Süden, sonst hat das Dorf eine völlig südwestliche Richtung. Die Seiten des romantisch-schönen Bobritzschthales sind hier meist steil, bewaldet und felsig. Der Ort steht unter der getheilten Gerichtsbarkeit des hiesigen Rittergutes und des eine Stunde entfernten Rittergutes Bieberstein und zählt mit Einschluss der Forst- und Hofmühle zweiundneunzig Häuser mit fast achthundert Bewohnern, grösstentheils Bergleuten.
Das stattliche Rittergut zu Krummenhennersdorf liegt am Niederdorfe oder dem Theile welcher vom Erbgerichte (dem Kirschnergut) bis an das nördliche Ende des Ortes reicht. Die südliche Seite der Gebäude enthält das mit einem Thürmchen geschmückte Herrenhaus worauf eine Schlaguhr angebracht ist. Das Rittergut umschliessen nördlich und östlich waldige Höhen‚ auf denen angenehme Promenaden einen kleinen reizenden Park bilden. Zu dem Rittergute gehören auch der mit starker Brauerei versehene Gasthof an der Freiberg-Dresdner Chaussee zu Niederschönau, nebst dem grössten Theile dieses Dorfes, ein Theil von Hutha, der Sand bei Halsbrücke und ein Paar Halbhufen in Coschütz bei Dresden, welche letztere, sowie zwei Feuerstätte daselbst dem Rittergute Krummenhennersdorf nur erbgerichtlich zustehen. Ebenso gehört demselben eine sehr bedeutende Wiese in dem zwei Stunden von hier entlegenen Dorfe Steinbach, von welcher die Sage geht, dass vor langer Zeit ein Fräulein von Deschwitz sie an einen Herrn von Schönberg auf Krummenhennersdorf verspielt habe. In Niederschönau hat das Rittergut Krummenhennersdorf die Collatur über Kirche und Schule. Die Fluren desselben sammt der Unterthanenflur sind begrenzt durch Oberschaar, die Bobritzsch, Falkenberg, Conradsdorf, die Mulde‚ Rothenfurth‚ Haida oder Naundörfchen, Gotthelffriedrichsgrund, wiederum die Bobritzsch, Oberreinsberg, Dittmannsdorf.
Krummenhennersdorf war wie viele andere in der Umgegend liegende Dörfer in den ältesten Zeiten Eigenthum des reichen Klosters Altzelle. Als man im Jahre 1545 das Kloster säkularisirte, erhielt der letzte Abt, Andreas Glasewald, das Rittergut zu lebenslänglicher Nutzniessung, die im Jahre 1560 mit Glasewalds Tode erlosch. Das Gut blieb eine Zeit lang Eigenthum des Landesherrn bis es an die reiche in Sachsen vielfach begüterte Familie von Schönberg kam, der es zur Zeit noch gehört.
Schon im Jahre 1195 wird des Dorfes Krummenhennersdorf Erwähnung gethan, indem Markgraf Albrecht der Stolze hier seinen Tod fand. Dieser Markgraf war ein Sohn Ottos des Reichen, der seinen jüngeren Prinzen Dietrich bei der Ländertheilung etwas bevortheilt hatte, worüber der heftige Albrecht sich so erbittert zeigte, dass er den Vater gefangen nahm und auf das Schloss Düben (Döben bei Grimma?) brachte, bis ein Machtspruch Kaiser Heinrichs VI. dem alten Fürsten die Freiheit zurückgab. Eine Summe von 2000 Pfunden Silber, welche Markgraf Otto im Kloster Marienzelle niedergelegt hatte, nahm Albrecht mit Gewalt an sich, warb dafür Truppen und verjagte seinen Bruder Dietrich aus dem Lande, so dass diesem Prinzen nur das Schloss zu Weissenfels blieb welches Albrechts Heer ungestüm belagerte. Inzwischen hatte Prinz Dietrich sich mit Landgraf Hermanns von Thüringen Tochter vermählt und jetzt liess der Landgraf dem Markgrafen Albrecht entbieten sich mit dem Bruder zu versöhnen oder zu erwarten, dass er dessen Parthei ergriff. Albrecht wusste recht gut, dass er einem so mächtigen Feinde nicht gewachsen war, deshalb setzte er zwar einen Tag zur Versöhnung fest, blieb aber aus, und zeigte sich überhaupt so eigenwillig, dass Landgraf Hermann zu den Waffen griff und den stolzen Albrecht zwang mit seinem Bruder die väterlichen Länder gleichmässig zu theilen.
Kaum war indessen der Landgraf in der Heimath angekommen, als ihm Kunde wurde, dass Albrecht wiederum die Fehde begonnen habe und dem Landgrafen öffentlich beschuldigte, Kaiser Heinrich nach Reich und Leben getrachtet zu haben. Der erbitterte Landgraf beschuldigte Albrecht der Lüge und forderte ihn zum Zweikampf, den der Markgraf indessen nicht annahm. Jetzt mischte sich der Kaiser in den Streit und berief die Gegner an den Hof nach Altenburg, wo ihnen jedoch bald klar wurde, dass Heinrich VI. mehr Verlangen nach Hermanns Landen und Albrechts reichen Bergwerken trug, als nach ihrer Versöhnung. Rasch schlossen deshalb die feindseligen Fürsten Frieden und setzten dadurch den Kaiser in solchen Schrecken, dass er eiligst nach dem Rheine flüchtete, aber hier die Erzbischöfe von Mainz und Cöln gegen den Landgrafen hetzte, so dass dieser, als Albrecht wiederum den Frieden brach, keinen genügenden Wiederstand leisten konnte. Als nun die Erzbischöfe Grünberg erobert hatten, und der Landgraf vor dessen Mauern lag, hoffte Albrecht durch einen Ueberfall ihn zu vernichten‚ jedoch im Anzuge überfiel ihn der Landgraf so gewaltig, dass sein Heer gänzlich zersprengt [42] wurde, Albrecht nur mit Mühe auf einem verwundeten Rosse in Begleitung von vier Edelleuten sich zu retten vermochte und verkappt in Mönchskleidern nach Leipzig floh.
Von hier ging Albrecht nach Italien, wo Kaiser Heinrich sich eben aufhielt; der Empfang war indessen so ungnädig, dass der Markgraf es für nöthig erachtete bei Nacht und Nebel, nur von einigen Getreuen begleitet, das Hoflager zu verlassen. Im Meissnerlande angekommen erhob Albrecht nunmehr sein Banner gegen den Kaiser, liess die Festungen seines Landes, mit Ausnahme von Leipzig, Meissen und Hamburg niederreissen, (damit die kaiserlichen Truppen keinen Punkt zum Festsetzung finden sollten) und warb ein Heer; es sollte indessen nicht zum Kampfe kommen. Wie erzählt wird, gab auf Verlassung Kaiser Heinrichs ein Edelmann Namens Hugold dem Markgrafen ein Giftpulver, so dass der Unglückliche nicht mehr weiter konnte, sondern von Schmerzen zerrissen in eine Sänfte gehoben werden musste. In Krummenhennersdorf brachte man Albrecht, der von Freiberg nach Meissen wollte, in ein Bauerhaus wo er kurze Zeit rastete. Als er sich wohler fühlte und nach Meissen sehnte, trat er aufs neue die Reise an, kam jedoch blos bis zu der am nördlichen Ende des Dorfes gelegenen Beckenmühle, wo Hugold durch eine zweite Giftgabe ihn tödtete. Albrecht ruht im Kloster Altzelle, das Bauergut aber und die Beckenmühle, wo einst der Unglückliche rastete, geniessen noch heute Befreiung von allen Gemeindelasten und geistlichen Diensten. – Im dreissigjährigen Kriege hat Krummenhennersdorf durch die Nähe Freibergs nicht wenig gelitten‚ indem bei den beiden berühmten Belagerungen dieser Stadt die Feinde auf die Dörfer streiften und die unglücklichen Landleute entsetzlich misshandelten. So brach am 1. October 1632 ein Haufen kaiserlicher Soldaten hier ein und verwandelte durch Mord, Raub, Plünderung und viehische Rohheit das friedliche Thal in einen Pfuhl des Jammers und Verderbens. Bessere Schicksale hatte Krummenhennersdorf in dem verhängnissvollen Kriegsjahre 1813 wo aus den beunruhigten Dörfern eine grosse Anzahl Leute hierherflüchteten und den erwarteten Schutz genossen, indem in dieser Richtung wenigstens keine Hauptmärsche stattfanden.
Die Kirche zu Krummenhennersdorf steht unter Collatur des Rittergutes Bieberstein und ist Mutterkirche des Filials Oberschaar. Dieselbe steht am äussersten Ende des ziemlich langen krummen Dorfes und zwar auf der niedrigsten Stelle des Friedhofes, so dass von aussen hinab nach den Weiberständen sechs Stufen führen. Ohne Zweifel bestand die Kirche ursprünglich aus einer kleinen Kapelle die späterhin durch das jetzige Schiff erweitert wurde. Das Innere des Gotteshauses ist 1831 restaurirt und mit einer neuen Orgel, einem Werke Heckers aus Borna, ausgestattet, welches durch geschmackvolles Aeussere und trefflichen Ton der Kirche zur Zierde gereicht. In der Kirche befand sich seit dem Jahre 1514 eine interessante Glasmalerei, die leider bei der obenerwähnten Restauration durch Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit verloren ging. Das Gemälde war ein Geschenk Benedikt Bergers, des letzten hiesigen katholischen Pfarrers. Oben befand sich ein Christuskopf in durchsichtigem Glase, die Seiten mit Lilien eingefasst und das Ganze mit einer Dornenkrone umgeben. Unter der Dornenkrone stand ein Herz, in der Mitte gespalten, durch welches ein Kreuz mit der Inschrift J. N. R. J. ging. Hinter dem Herzen ragten Hände und Füsse Christi mit den blutigen Nägelmahlen hervor. Unter dem Kreuze standen drei Nägel mit daneben stehenden leuchtenden Sternen, und unter dem Kreuze kniete Benedikt Berger im Chorhemde, ausrufend: Domine miserere mei! – Eingepfarrt in die Kirche zu Krummenhennersdorf ist Sand mit Grüneburg mit 400 Einwohnern, welches am Ende des siebzehnten Jahrhunderts auf Rittergutsgebiet zu erbauen angefangen wurde.
Eine erhebende Kirchenfeier, welche seit dem Jahre 1814 in Krummenhennersdorf besteht, ist Schöpfung der Frau Kammerherrin von Schönberg. An jedem letzten Jahrestage ruft das Abendläuten die Gemeinde in das völlig erleuchtete Gotteshaus, worauf nach Absingung eines angemessenen Liedes der Pfarrer vor dem Altare eine kurze zur Dankbarkeit gegen Gott auffordernde Rede hält, welche er kniend durch ein Gebet beschliesst. Dem Prediger sind für diesen Gottesdienst drei Thaler und dem Schullehrer anderthalb Thaler, sechs Thaler aber zur Bestreitung des Kirchenaufwandes ausgesetzt. Alte Nachrichten besagen, dass im Kirchthurmknopfe folgende originelle Verse, deren Verfasser der hiesige Pfarrer Scheuchler († 1645) war, niedergelegt sind:
Nach Christi Geburt 1626 Jahr
Als Wittenberg neu befestigt war
Und man sich böses befaren musst
Weil der unruhig calvinisch Wust
Und Pabstisch Geschmeiss einander zugegen
Auch Gefahr sich bei unserer Grenz thät regen
Und Halle schon erlitten grosse Noth
Auch mancher Mann war blieben todt
Ward dieser Thurm und Kirche frei
Gebessert und gedecket neu.
Thomas Günther allhier Zimmermann
Sich solch Gebäuds nahm treulich an.
Die Decke der Kirch und das Gestühl
Macht neu Andreas Wetzelpiel
Romanus Richter, Maler gut
Den Knopf mit Golde zieren thut
Collator Moritz von Hartzsch genannt
Von Mehltheuer vertrieben aus Böhmerland
Wegen der reinen Lutherischen Lehr
Zum Bieberstein wohnet er.
Als die Gemahlin des Moritz von Hartitzsch im Jahre 1629 mit Tode abging erzählte Pastor Scheuchler seinen Zuhörern in der Leichenrede: „Am Diensttage zu Abend, war der 4. August, da man schon hatte Licht aufgetragen und abgespeiset gingen wir, nämlich der Herr Wittwer, Herr Hans Sigemund Däntzky und ich, der Pfarr, in der grossen Stube [43] auf und nieder, redeten mit einander von unserer Patientin und ihrer Krankheit, ob auch eine Hoffnung der Besserung ihres Lebens sein möchte; als wir also in Kümmerniss gehen und an das Fenster und Erker kommen so nach dem Abend stehet, da hören wir draussen vor dem Schlosse ein gar helles Glöcklein klingen, gleich oben über den Bäumen, nicht anders als wenn man wollte anfahen zu Grabe zu läuten, wir stehen still, hören ihm zu, sehen einander an und fragen wo das herkomme und was es wohl bedeuten möge. Bald darauf hören wir einen lieblichen Klang, als wenn kleine Kindlein sängen. Wir schwiegen still und gedachten jedes seinen Theil. Aber bald des Morgens wiese sich es aus was hierdurch angedeutet worden, nämlich dass es gewesen gleich einer Offenbarung und Vorbote, dass es mit unserer nunmehr seligen Frauen, wolle Feierabend machen und sie als eine gerechte heilige auch aufrichtige Seele ausgespannt und zur Ruhe gebracht werden solle, drum haben ihr auch die lieben Engelein und frohen Geisterlein gleich zuvor in der Luft müssen singen und zu Grabe läuten. –“
Obschon das Krummenhennersdorfer Niederdorf mit den Gebäuden des Rittergutes sich von verschiedenen Seiten ganz vorzüglich reizend darstellt, so ist doch einer der schönsten Punkte für einen trefflichen Ueberblick auf der westlichen Grenze zu suchen, wo man die Mulde mit ihren felsigen Ufern und mehrere nahe liegende alte und neue Denkmäler und Gebäude, wie die sogenannte Altväterbrücke, das Hebehaus und Amalgamirwerk, sowie Mühlen, Hammerwerke, und viele Privatwohnungen in bunter Abwechselung vor sich liegen sieht. Bei der dreihundertjährigen Feier der Augsburgischen Confession bildete sich hier eine Gesellschaft welche zum Andenken an jenes so wichtige Ereigniss unter Gesang und nach einer gehalten Rede auf der höchsten Spitze eines Felsens ein hölzernes Kreuz befestigte und den Jahrestag bis in die neueste Zeit durch gesellschaftliche Vergnügungen feierte.
Drei Stunden von Freiberg und begrenzt von den Fluren der Ortschaften Saida und Grosswaltersdorf liegt das schöne Dorf Grosshartmannsdorf, dreiviertel Stunde von Süden nach Norden an einem Bache sich hinstreckend. Dasselbe hat 277 Häuser mit mehr als 1600 Einwohnern und zeigt namentlich in der Nähe der Kirche ein völlig städtisches Ansehen, auch wohnen hier viele Handwerker die sich zum Theil mit Barchentweberei, Bleicherei und Segeltuchfabrikation beschäftigen. Die Gründung des Dorfes fällt in das zwölfte Jahrhundert. Früher theilte man den Ort in Ober- und Niederdorf als zwei besondere Gerichtsherrschaften ein.
Das Rittergut zu Grosshartmannsdorf bildet seit hundert Jahren ein Majorat der alten reichsfreiherrlichen Familie von Carlowitz, wozu auch noch seit 1774 Liebstadt gehört. Die Bewirthschaftung des Gutes ist sehr gut angebracht, hat grösstentheils ebene Felder, treffliche Viehzucht mehrere Teiche und schöne Waldungen. Kurze Alleen führen zu dem ansehnlichen und gut gebauten Gehöfte des Rittergutes. Erwähnenswerth ist auch der hiesige grosse Garten den zu umschreiten zwanzig Minuten erforderlich sind, und den eine vier Ellen hohe Mauer umgiebt. – Der Ort liegt in etwas gebogener Richtung an dem Grosshartmannsdorfer oder Müdisdorfer Bache hinauf bis zu dem oberen Bergwerksteiche; vom unteren Ende des Dorfes verbreitet sich der untere oder grosse Teich, sowie nordwestlich der neue Teich, welcher zwar an Umfang der kleinste, jedoch von allen der tiefste – wie behauptet wird sogar aller Sächsischen Teiche – ist. Von den beiden letztgenannten Teichen aus erhebt sich an einer Bergeshöhe ein ansehnlicher Theil des Dorfes Grosshartmannsdorf mit dem Namen der „Zehntel“ worin jedoch keine Güter befindlich sind, vielleicht aus jener Zeit so genannt, wo seine Häuserzahl den zehnten Theil des Orts betrug, während der Zehntel jetzt mindestens fünf und dreissig Häuser zählt. Im Westen steigt aus dem hiesigen Thale das Gebirge weder flach noch steil an, hingegen ist es im Osten ziemlich flach, wesshalb auch das ganze Thal so erscheint. Der Dörnthaler Kunstgraben berührt den obern, neuen und untern Teich und verbindet sich unterhalb des Dorfes mit dem Zethauer Kunstgraben. Der grosse Teich ist das Hauptreservoir für das bei Freiberg nöthige Aufschlagewasser, und schon Churfürst August kaufte 1562 von einem Herrn von Alnpeck auf Grosshartmannsdorf die Teichstätte nebst der auf dem Damme stehenden jetzt wohlgebauten und beim Teichfischen als Belustigungsort bekannten Mahl- und Bretmühle um 4000 Gulden. Hierdurch ist der Beweis geliefert, dass der Teich nicht erst wie viele glauben, 1726 angelegt sondern in diesem Jahre nur erweitert worden [44] ist, was auch vor etwa vierzig Jahren in der Richtung nach Helbigsdorf hin geschah. Der Teich hält bei sechszehn Ellen Tiefe 32693 Quadratruthen oder 217 Scheffel Land und nach einer muthmasslichen Berechnung (wenn er nämlich ganz voll ist, was aber höchst selten stattfindet) 655/9 Millionen Kubikfuss Wasser. Das Ablassen und Fischen dieses Teiches geschieht in der Regel aller drei Jahre und ist ein heiteres Fest für die weite Umgegend, denn von Würfel- Trink- und Essbuden umgeben bildet die Dammmühle den Mittelpunkt einer lustigen Volksmenge, die durch Tanz und Schmaus den längst erwarteten Fischzug gründlich feiert. Das Ablaufen des Wassers erfordert einen Zeitraum von einem Monat, doch bleibt auf den tiefern Stellen noch soviel zurück dass einige hundert Bergleute den Rest ausschöpfen müssen. Hechte und Karpfen von achtundzwanzig Pfunden Gewicht sind hier nicht selten, und der Verkauf geschieht nur nach Vorzeigung eines beim Bergamte gelösten Abonnementbillets.
Die älteste urkundliche Nachricht von Grosshartmannsdorf geht bis auf das Jahr 1375 zurück, wo das Kloster zu Chemnitz den Herrn von Waldenburg Rabenstein abtauschte, und Grosshartmannsdorf zur Hälfte mit in den Kauf gebracht wurde‚ daher sich auch die Verbindung des Ortes mit dem Amte Wolkenstein herleitete. Von 1444 bis 1490 gehörte der Ort den Herren von Vitzthum, von denen er obern Theils an Rudolf von Bünau, Rath des Herzogs Heinrich gelangte, während Heinrich von Weichert das Niederdorf besass. Beide Theile erkaufte 1524 Apolionia von Alnpeck und bei dieser Freiberger Patricierfamilie blieb Grosshartmannsdorf bis zum Jahre 1676 wo es an die Pfaffrodaer Linie der Schönberge kam, aus der das Gut der Oberberghauptmann von Schönberg erwarb, dessen Nachkommen es 1720 Paul Selig in Freiberg überliessen. Seit 1730 gehört Grosshartmannsdorf der Familie von Carlowitz aus der Carl Adolf von Carlowitz, königlich Polnischer und churfürstlich Sächsischer Kammerherr Oberaufseher und Kreiscommissar sich vielfach um den Ort verdient machte, und auch der Gründer des erwähnten Majorats wurde. Der jetzige Majoratsherr ist seit 1851 Herr Georg Carl von Carlowitz, königlich Preussischer Major a. D. welcher seinen Wohnsitz auf Liebstadt hat.
An der Westseite des Mitteldorfes befindet sich die Kirche, ein schönes geräumiges helles Gebäu mit einem fünfundsiebzig Ellen hohen Thurme, das unter dem Collator, Kammerherrn Oberaufseher und Kreiscommissar Carl Adolf von Carlowitz im Jahre 1738 erbaut wurde und aus weiter Umgebung sichtbar ist. Das Altargemälde, eine Kreuzigung darstellend, ist ein Werk des Malers Groni und auf Kosten des ebengenannten Herrn von Carlowitz hergestellt worden. Interessant ist auch die reichvergoldete mit trefflicher Bildhauerarbeit versehene aus einem einzigen Steine gearbeitete Kanzel, sowie die älteste der vier Glocken welche die Jahreszahl 1424 zeigt. Die Orgel mit zwei Clavieren ist ein kostbares Werk des berühmten Silbermann. – Vor der Reformation hatten die hiesigen Geistlichen die Verpflichtung in der Kapelle zu Gränitz welches damals nach Grosshartmannsdorf eingepfarrt war, zu bestimmten Zeiten eine Messe zu lesen, wesshalb noch heute der Pfarrer aus dem Vermögen der Gränitzer Kirche jährlich zwölf Groschen empfängt. So war auch Helbigsdorf bis 1667 Filial von Grosshartmannsdorf und der hiesige Pfarrer erhält für die Auspfarrung desselben, gleichfalls jedes Jahr, dreiundzwanzig Thaler, die ein von der Helbigsdorfer Gemeinde gegründetes eisernes Kapital gewährt. Unter den Pfarrherren von Grosshartmannsdorf befand sich auch Caspar Horny, ein sehr reicher Mann, der sein Amt freiwillig niederlegte und sich im Orte ein Haus baute, aber das Unglück hatte von eine Rotte streifender Soldaten misshandelt und durch einen Schuss getödet zu werden. Den Pfarrer Christoph Feller traf das Unglück im Jahre 1670 seine Habe durch eine Feuersbrunst einzubüssen‚ wobei das Pfarrhaus sammt den Kirchenbüchern und anderen wichtigen Dokumenten verbrannte und seine Frau in Folge des gehabten Schrecks – das Feuer entstand durch einen Blitzstrahl – nach einigen Tagen starb. Die jetzige Pfarrwohnung ist 1807 ganz neu und massiv erbaut worden und sämmtliche dazu gehörige Gebäude tragen Blitzableiter, so dass diese Pfarre wohl mit Recht zu den schönsten und stattlichsten Predigerwohnungen des Landes gezählt werden kann. – – Sie soll ihr Dasein einem glücklichen Eigensinne zu verdanken haben. – Der höchste Punkt im Bereiche der Parochie ist die sogenannte Butterhöhe, nordwestlich gelegen, an welche nördlich die Langenauer Höhe und das Freiholz stossen. In der Nähe des grossen Teiches befinden sich zwei bedeutende reichhaltige Torflager, welche die Umgegend mit einem vorzüglichen Brennmaterial versorgen. – In Bezug auf das Herrenhaus ist noch zu erwähnen, dass die ersten sicheren Nachrichten über Erweiterungen und Umänderungen desselben auf das Jahr 1565 zurückgehen, und die Wirthschaftsgebäude durch einen Blitzstrahl 1775 in Asche gelegt wurden, ein Schicksal dass sie auch im Jahre 1846 betraf.
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Alle die zahlreichen Orte dieses Namens sind durchgängig, trotz des scheinbar deutschen Namens, wendischen Ursprungs und bedeuten eine fruchtbare zum Gebrauch der Sichel (Schuna) geeignete Gegend. Somit gehört unser Schönau zu den ältesten Dörfern des Landes und ist wahrscheinlich zu gleicher Zeit mit Chemnitz oder doch sehr bald nachher entstanden. Chemnitz soll die früheste Ansiedelung in der Supanie Chutzizi, wozu die hiesige Gegend gehörte, gewesen sein, und als nach Unterjochung der Ureinwohner nordöstlich von Altchemnitz eine berühmte Wallfahrtskapelle entstand (939) begann auch der Ort sich zu heben, jedoch nicht so schnell als Zwickau, das schon im zehnten Jahrhundert zu einer bedeutenden Stadt geworden war. Otto der Grosse gründete im Jahre 954 bei der vielbesuchten Wallfahrtskirche vor Chemnitz ein Marienkloster das er mit Kanonikern oder Geistlichen besetzte die nach einer bestimmten Klosterregel lebten. Aber das kleine Kloster war ein ärmlicher schon 1127 dem Einsturze naher Holzbau, so dass Kaiser Lothar und seine fromme Gemahlin Reichenza sich entschlossen vor der Stadt ein Benediktinerkloster zu gründen. Dieses Kloster brannte zwar im Jahre 1236 nieder und sollte wegen gänzlicher Mittellosigkeit eingehen, doch die Mönche sammelten eine Collekte und konnten 1274 einen Neubau vornehmen. Seit dieser Zeit gelangte das Benediktinerkloster, auch Bergkloster genannt, durch Schenkungen und Vermächtnisse zu bedeutendem Vermögen, so dass im funfzehnten Jahrhundert bereits ausser verschiedenen Lehnsrechten‚ Zehnten, Mühlen‚ Höfen und Grundstücken es gegen dreissig Dörfer besass und ein Mönch des Klosters sagen konnte „die ganze Umgegend des Klosters, so weit das Auge reiche, sei mit Ausnahme der Stadt Chemnitz dessen Eigenthum“. Durch diesen Reichthum wurden nun aber die Aebte bald so stolz und übermüthig, dass sie sich nicht nur von der Aufsicht des Bischofs von Meissen‚ sondern sogar von der Hoheit des Landesherrn freizumachen suchten und sich „von Gottes Gnaden“ nannten. Da sie endlich verwegen genug waren, sich die Obergerichte über die Stadt und das Patronatrecht darin anmassen zu wollen geriethen sie mit den Chemnitzern und benachbarten Edelleuten in Fehde (1293, 1388 und 1413) die indessen zu Gunsten des Klosters ausfiel, indem die erste Streitigkeit durch Vermittelung des Bischofs von Meissen beseitigt wurde, die zweite den Kirchenbann für die Edelleute nach sich zog, so dass sie beim römischen Stuhle um Gnade bitten mussten, und die dritte der Landesherr verglich.
Im Jahre 1515 legte der Abt Johann von Schleinitz den Grund zu einer neuen Klosterkirche und 1522 war hier der katholische Gottesdienst noch allgemein üblich, indem der Landesherr Herzog Georg der Bärtige die gemessensten Befehle ertheilt hatte die Verbreitung der lutherischen Lehren zu verhindern und die Widersetzlichen zu bestrafen. Als aber am 17. April 1539 Herzog Georg auf dem Schlosse zu Dresden mit Tode abging und die Reformation mit Macht um sich griff, ordnete der neue Landesherr, Heinrich der Fromme, trotz der Drohungen Kaiser Ferdinands und der Vorstellungen des Bischofs von Meissen überall den protestantischen Cultus an, und bildete zu dem Behufe sogar eine besondere mit gehöriger Vollmacht versehene Commission. Den Klöstern zu Chemnitz, – es befand sich in der Stadt noch ein 1481 entstandenes Franziskanerkloster – wurde vorläufig untersagt Novizen anzunehmen und Beichte zu hören, auch sollte der Gebrauch der Monstranz und das Horasingen bei offenen Thüren unterbleiben. Erst im Jahre 1540 erfolgte die vollständige Aufhebung der Klöster. Der Abt des Benediktinerklosters Hilarius Rehfeld fügte sich ziemlich willig der hohen Verordnung und zog nach Chemnitz wo er mit einer anständigen Pension sich am Rossmarkt einmiethete und auch daselbst starb. Die Mönche wanderten theils nach Böhmen‚ theils begnügten sie sich mit Abfindungssummen oder Pensionen und blieben in Chemnitz. Ueber das Eigenthum des Benediktinerklosters verfügte späterhin Herzog Moritz.
Zu den dreissig Dörfern, welche das Benediktinerkloster vor Chemnitz in weitem Umkreise besass, gehörte auch Schönau, das Herzog Moritz im Jahre 1544 für die geringe Summe von 500 Gülden an Peter Büttner in Chemnitz verkaufte, mit welcher er ihn an den Pfarrer zu Schellenberg wies, der besser dotirt werden sollte. Büttner starb erst 1611, und vermöge seines darauf haftenden Vorkaufsrechtes erwarb es 1623 der Oberlandjägermeister und Herr auf Oberrabenstein Hans Georg von Carlowitz von dem Obersten Gabriel Pechmann, und zwar für 4800 Thaler. Nach dem Oberlandjägermeister besass Schönau der Hauptmann Wolf Georg von Carlowitz dem auch Stein und Zschöppernitz gehörte. Von ihm gelangte der Ort an den Obristen von Tuppau (1668) und dann an einen Herrn von Rödebeck, später einen Herrn von Günther, alsdann einen Herrn von Bretschneider und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die Familie von Schönberg. Der kaiserlich Oestreichische Oberst Anton von Schönberg besass Schönau bis 1727 und nach ihm die Gräfin von Schönberg zu Limbach; von 1754 bis 1767 aber der königl. Würtembergische Hofrath von Ziegesar und bis um 1814 ein Herr Jauch zu Leipzig. Im Jahre 1819 gehörte Schönau dem Edlen Carl Gottlob von der Planitz, 1823 einem Major von Weissenbach und 1833 einem Herrn Meyer. Der jetzige Eigenthümer des Gutes ist der Freiherr Herr C. von Uckemann. [46] Schönau ist ein schönes starkbevölkertes Fabrikdorf, gehört zu der grossen Dörferreihe des Cappelgrundes, ist eine Viertelstunde lang, ziemlich breit, stösst oberwärts an Neustadt, unten an Cappel, und liegt sehr angenehm in kaum halbstündiger Entfernung von Chemnitz an der Zwickauer und Hohnsteiner Strasse. Gegen Nordwest erhebt sich das Gebirge ziemlich steil und trägt das einst viel ausgedehntere, wahrscheinlich von der Klostermühle sogenannte Mühlenholz, an welchem die grosse Ziegelei des Rittergutes steht. Die Cappel vereinigt sich hier mit der von Süden kommenden einen seichten Grund bildenden Stelzenbach und beide Flüsschen sind von grossen fruchtbaren Wiesen umgeben. Schönau enthält über hundertzwanzig Häuser mit mehr als tausend Einwohnern, doch sind im Orte nur fünf Bauergüter, und hat derselbe in neuerer Zeit erst sich durch viele Anbaue zu seiner Bedeutung aufgeschwungen, auch hat er mehr das Ansehen einer Vorstadt als eines Dorfes. Die Einwohner Schönaus treiben hauptsächlich Strumpfwirkerei, Weberei, und Spinnerei und ein grosser Theil ist in den Chemmnitzer Fabriken beschäftigt, doch befinden sich auch in Schönau Fabriken. Ausserdem besitzt der Ort einen Gasthof und zwei Mühlen, darunter eine sehr schöne, welche 1817 in der Nähe des Rittergutes auf der Stelle der abgebrannten erbaut wurde. – Das Rittergut hat ein hübsches Herrenhaus, schöne grosse Wirthschaftsgebäude, eine starke Brauerei, wo ein sehr beliebtes Bier bereitet wird, mehrere Teiche, gute Waldung, Schäferei und die bereits erwähnte Ziegelei. Bemerkenswerth für die Geologen ist der auf hiesigen Fluren vorkommende rothe oder auch bunte Thonstein und der rothe bolusähnliche Thon.
Schönau ist mit der Amtsvorstadt Niklasgasse und den Dörfern Cappel Helbersdorf Altendorf und Höckericht in die Nikolaikirche zu Chemnitz eingepfarrt. Noch vor Erbauung dieser Kirche hatte das Kloster dem heiligen Nikolaus, ehemaligen Bischof von Myra in Lydien, zu Ehren eine Capelle errichtet, wodurch das Dorf Cappel entstand. Die jetzige Nikolaikirche wurde im Jahre 1487 vom Churfürsten Friedrich dem Weisen gegründet, brannte jedoch schon 1519 wieder ab, ein Schicksal das ihr auch 1532 wiederfuhr. Im Jahre 1547 riss man sie nebst den übrigen geistlichen Gebäuden der Vorstädte nieder, und als 1632 der berüchtigte Holke Chemmnitz heimsuchte, ging sie sammt dem Schulhause abermals in Flammen auf. Sie wurde 1634 wieder erbaut und hat seit jener Zeit keine Veränderungen erlitten. Ausser einem guten Altargemälde enthält die Nikolaikirche auch noch einige alte Grabmäler. Die Pfarrstelle besetzt das Cultusministerium.
Rauenstein, in Urkunden Rowenstein, Rawenstein und noch vor zweihundert Jahren Ravenstein geschrieben, hat den Namen nicht von seiner rauhen Lage sondern von dem adligen Geschlecht der Rabe oder Rabod, welches vor vielen Jahrhunderten auf der hiesigen Felsenburg hauste und dieselbe auch erbaut haben mag. In der frühesten Zeit war Rauenstein eine bedeutende Herrschaft und gehörte zu dem Gebiet, welches Friedrich der Kleine ein Sohn Heinrichs des Erlauchten und seiner dritten Gemahlin Elisabeth von Maltitz, an den König von Böhmen abzutreten gedachte. Die Herrschaft Rauenstein grenzte mit den Dynastieen Wolkenstein, Scharfenstein, Schellenberg und Lauterstein, so dass sie einen Umfang von drei Meilen enthielt.
Das Dorf Rauenstein gehört zu dem hiesigen altschriftsässigen Rittergute und liegt sehr zerstreut, so dass die äussersten Häuser wohl ziemlich eine Stunde von einander entfernt sind. Das Schloss liegt zwei und eine halbe Stunde von Zschopau, eine Viertelstunde von Lengefeld und fünf Stunden von Freiberg an der Annaberg-Freiberger Strasse, die sich hier an dem hundertfunfzig Ellen hohen Rottenberge hinaufzieht. Ausser dem Rittergute enthält der Ort noch die Häuser an der Flöhe, nämlich die Schlossmühle, das Zollhaus, zwei Häuser am rechten Ufer des Flusses, und das Marterbüschel, welches letztere aus einer verpachteten Mühle sowie einigen Häusern besteht, die erst in neuer Zeit angebaut wurden und seinen Namen im dreissigjährigen Kriege empfing. Das Hölzchen nach dem der Ort benannt ist hat keine Bedeutung.
Westlich von hier beginnt der grosse königliche Wald welcher sich durch drei Aemter verbreitet und bei einer freilich nicht ganz regelmässigen Form vier bis fünf Stunden im Umfange hat. Im Augustusburger Amte, bei Krumhermsdorf und Börnichen, heisst er der Forst, im Wolkensteiner die schwarze Laide oder der Lengefelder Wald und im Lautersteiner, in Lauta und Lauterbach, der Hauptwald. In letzterem befinden sich die zwei höchsten Berge der Gegend von denen man eine [47] ausserordentlich weite Aussicht geniesst, und die sich auch durch ihre besondere Form auszeichnen. Die Hammermühle, welche ebenfalls zu Rauenstein gehört, liegt eine halbe Stunde nördlich von Lengefeld am Lauterbache, der aus einer finstern dreihundert Ellen tiefen Thalschlucht, die zum Theil von dem sonderbar gestalteten Spitzberge gebildet wird, hervorströmt und hier ein reizendes Wiesenthal bewässert. Zu der Mühle gehört ein Schankhaus, das von den Zschopauern fleissig besucht ist, und nahe bei derselben liegt auch die Wünschendorfer Ziegelei; westlich aber, am Waldrande, sieht man die sehr zerstreuten zu Börnichen gehörenden Häuser, welche Neunzehnhain heissen. Den Namen hat die Mühle von einem vormals hier befindlichen Zainhammer. Die Jägerwohnung, unweit der Stelle wo der Lauterbach in die Flöhe mündet, liegt auf dem reizendsten Punkte des Thales. Niederrauenstein, ehedem ein Vorwerk, besteht jetzt nur aus einigen Scheuen und Schoppen sowie Oberrauenstein, auch ein vormaliges Vorwerk, jetzt die Schäferei enthält.
Zu dem Rittergute Rauenstein gehören auch das Städtchen Lengefeld, und das im Amte Lauterstein, jedoch nur eine Viertelstunde vom Rauensteiner Schlosse, gelegene Dörfchen Reifland, welches letztere eigentlich ein besonderes neuschriftsässiges Gericht bildet. Der untere Theil Lengefelds besteht aus etwa funfzig Häusern, die, grösstentheils auf Grund und Boden des Rittergutes erbaut, das Städtchen vollkommen mit diesem verbinden. In alten Zeiten gehörte auch Wünschendorf und Stolzenhain hierher. Rauensteins Oekonomie ist auf das Gehöfte am Schloss auf Ober- und Unterrauenstein und ein Zweihafengut in Reifland vertheilt, welches letztere jedoch erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts zum Rittergute gehört, wo es ein Herr von Carlowitz dazu kaufte. Die beiden grossen Kalköfen und die Kalkniederlage an der schwarzen Laida gehören nicht nach Rauenstein, sondern unter das Rentamt zu Wolkenstein.
Das Schloss Rauenstein steht auf einem steilen 1160 Pariser Fuss über Meereshöhe emporragenden Felsen, dessen Fuss in einem tiefen vielfach gewundenen Thale wurzelt, eingefasst von ziemlich hohen mit den schönsten Eichen, Buchen und Birken bewachsenen Bergen zwischen denen die Flöhe ihre hellen Wellen dahintreibt. Herrlich ist die Aussicht in dieses Thal namentlich von dem Wege welcher Rauenstein mit Reifland verbindet, vor Jahrhunderten aber näherte man sich nicht ohne Furcht und Zagen der finstern in Höhen und Waldungen versteckten Burg, denn sie war damals ein höchst gefürchtetes Raubnest von wo aus die Ritter von Rabod verwegene Streifzüge unternahmen, die nahen Ortschaften belästigten und Reisende beraubten. So trieben es die Herren auf dem Rauensteine bis in das funfzehnte Jahrhundert, wo durch ein landesherrliches Aufgebot der Bürger von Freiberg und Zschopau eine Belagerung des Raubschlosses stattfand, die mit der Vertreibung der Schnapphähne endigte. Im Jahre 1443 war die Burg Eigenthum des Churfürsten und 1476 des Herzogs Albrecht der in diesem Jahre Rauenstein an seinen Rentmeister Hans von Günterode, einen Thüringischen Edelmann, verkaufte. Hans von Günterode hatte seinen Wohnsitz in Freiberg wo seine Nachkommen sich Jahrhunderte hindurch in hohem Ansehen erhielten und im Rathsstuhl wie bei dem fürstlichen Bergwesen die höchsten Aemter bekleideten. Hans von Günterode starb 1496 und wurde in der Domkirche zu Freiberg beerdigt. Nach ihm besass Rauenstein durch Erbschaft Albrecht von Günterode, der jedoch ebenfalls in Freiberg wohnte und 1519 gestorben zu sein scheint, denn im nächsten Jahre wurden seine beiden Söhne Heinrich und Albrecht mit dem Gute belehnt, 1540 aber besass es Albrecht allein. Dessen Söhne Heinrich und Albrecht verkauften Rauenstein mit Lengenfeld und Reifland, im Jahre 1567 für 54874 Gulden an den Churfürsten August, der bereits 1559 von Hans von Günterode Wünschendorf an sich gebracht hatte. Der Churfürst verwandelte Rauenstein in ein Amt, das nach einem noch vorhandenen alten Register aus dem Städtlein Lengefeld, drei Dörfern, hundertfunfzig gesessenen Leuten, dem Vorwerk Wünschendorf, Ober- und Niederrauenstein, zwei Mühlen, drei Teichen, bedeutender Waldung u. s. w. bestand. Der Pacht betrug damals 984 Gulden und an Zinsgetreide wurden 158 Scheffel grosses Maas geschüttet. Der Churfürst baute das zum Theil verfallene Schloss wieder auf, und sein Nachfolger, Christian schlug das Amt 1596 zu Wolkenstein, obgleich es mit diesem nur in geringer Breite grenzte. Das Vorwerk Wünschendorf wurde zu einem besonderen Rittergute erhoben und vom Churfürsten einem Herrn von Böhlau in Lehn gegeben. Rauenstein überliess 1651 der Churfürst Johann Georg I. an Jobst Christoph von Römer für 24000 Gulden, der grösste Theil der schönen Waldungen aber mit den darin befindlichen Kalkbrüchen und Kalköfen blieb landesherrliches Eigenthum, woher es auch kommt, dass Rauenstein nicht mehr Waldung besitzt als für den Bedarf des Gutes nöthig ist. Unter den Herren von Römer, welche Rauenstein besassen sind namentlich zu bemerken der Kreisoberaufseher Christoph von Römer und der um die Kirche zu Lengefeld so verdiente Carl Gottlob von Römer, der 1743 kinderlos starb. Im Jahre 1748 heirathete dessen Wittwe den Domherrn, auch geheimen Kriegs- und Appellationsrath von Spohr der 1750 mit Tode abging, worauf das Gut durch Erbschaft in Besitz des Appellationsrathes Baudiss gelangte. Dessen Sohn, Andreas Gottfried Baudiss starb 1784 ohne Nachkommen, seine Wittwe aber, die früher mit einem Herren von Carlowitz verheirathet gewesen war, überliess die Besitzungen bei ihrem am 9. Februar 1810 erfolgten Tode ihrem Sohne [48] erster Ehe dem Rittmeister Georg Friedrich von Carlowitz, der Rauenstein 1816 an den Kaufmann August Hänel in Schneeberg für mehr als 100000 Thaler verkaufte. Dieser verkaufte das Gut wiederum 1843 an den Oberbergamtsassessor Ernst Wolfgang von Herder in Freiberg dessen Wittwe Frau Therese von Herder geborne von Wolf es jetzt noch besitzt.
Das Schloss Rauenstein grösstentheils in einen Gneusfelsen gehauen, welcher vor der Erbauung desselben eine freistehende Klippe bildete, besteht aus einer Menge sehr kurzer offenbar ohne alle Ordnung zusammengesetzter Flügel, welche auch einen kleinen Hof einfassen, und in der Mitte einen viereckigen Thurm zeigen‚ der Spuren hohen Alterthums trägt. Früher war dieser Thurm viel höher und wurde, wie auch der vordere Flügel des Gebäues, erst in neuerer Zeit erniedrigt, wodurch freilich das alte Schloss eine seiner besten Zierden verloren hat. In der Halle des Schlosses befinden sich verschiedene interessante Hirschgeweihe und die Bilder eines ungeheueren Hirsches, eines in der Nähe geschossenen Luchses, eines Wolfes der 1621 im Amte Altenberg lebendig gefangen wurde und 130 Pfund wog, eines Steinadlers und eines Pelikans, geschossen in der Hoyerswerdaer Haide am 5. Mai 1617. – Auf einem Flügel der zum Theil neuen Wirthschaftsgebäude befindet sich ein Thürmchen mit einer Uhr, auch ist die Mauer hier mehrfach aus dem Felsen gehauen. Die Ebenung des Hofes muss bei der Härte des Gesteins viele Mühe verursacht haben. Interessant ist auch die Auffahrt in den Schlosshof indem sie einen aus dem Felsen gearbeiteten siebzig Ellen langen Gang bildet, an dessen Gewölbe durch das unaufhörlich herabträufelnde Wasser sich Tropfsteinzapfen gebildet haben. Das Schloss bietet aus dem Grunde eine hübsche Ansicht während es von den Höhen wegen seiner versteckten raubnestmässigen Lage (ausser von Nordost) nirgends wahrgenommen werden kann.
Das Rittergut Rauenstein ist nebst Lengenfeld den königlichen Kalköfen, Marterbüschel und den Dörfern Reifland, Pockau und Wünschendorf mit Stolzenhain und den neuen Häusern zwei Mahlmühlen und zwei Baumwollenspinnereien in die Kirche des Städtchen Lengefeld eingepfarrt. Erst seit dem Jahre 1831 besitzt Lengefeld Stadtgerechtigkeit und jeder seiner Bewohner muss das Bürgerrecht erwerben, daher man auch oft noch von einem Oberdorfe und Unterdorfe Lengefeld reden hört. Der Hauptnahrungszweig der Einwohnerschaft besteht in Baumwollenweberei und Feldbau, auch befand sich noch vor wenigen Jahren hier eine bedeutende Dosenfabrik die viel Verkehr mit dem Orte herbeiführte. – Die Gründung der Stadt fällt in das sechszehnte Jahrhundert, sie erhielt ihren Namen von den Leinwandlängen, welche man hier fertigte, die damals den Haupterwerbszweig der Einwohnerschaft bildeten.
Im dreissigjährigen Kriege hatte Lengefeld harte Drangsale durch die Soldateska und verheerende Seuchen auszustehen. Auch im Jahre 1680 herrschte hier eine schreckliche Pest, so dass ganze Häuser ausstarben, aber auch viele Kranke dem Hunger erlagen, weil die Gesunden sich scheuten ihnen Nahrungsmittel zu bringen. Die Leute flüchteten auf das Feld und in die Waldungen, wo sie sich Hütten errichteten, als aber zärtliche Besorgniss um die hülflosen Kranken Einzelne nach Lengefeld zurückführte, nahmen diese die Seuche mit, so dass auch in den Hütten der Tod zu wüthen begann. Der damalige Pfarrer Major verlor sein Weib und die einzige Tochter, dann starb auch der Knecht und endlich die Magd – da wünschte der tieferschütterte Mann noch einmal das Abendmahl zu geniessen und dann zu sterben. Sein Beichtvater war der Pastor zu Lauterbach, der aber den Muth nicht hatte, mit dem Pfarrer Major zusammen zu treffen. Da hörte der Pastor Rümmler in Lippertsdorf[VL 1] von des unglücklichen Amtsbruders Sehnsucht nach dem heiligen Mahle und liess ihm wissen er werde auf dem Wege zwischen Lengefeld und Lippersdorf ihn erwarten. Noch jetzt bezeichnet ein Stein mit eingehauenem Kelche den Ort, wo die beiden Priester zusammentrafen und die rührende Feier abhielten. Der Pastor Major lebte noch bis 1688. – Die Spuren jener unglücklichen Zeilen sind nun längst verschwunden und Lengefeld das 1710 etwa 300 Einwohner hatte, zählt jetzt deren fast 2500 in 230 Häusern.
Die Kirche zu Lengefeld ist ein hübsches freundliches Gebäude, das in den Jahren 1725 bis 1729 einen Umbau erfuhr der einem Neubau glich, wozu der damalige Herr auf Rauenstein, Oberflossaufseher und Kriegscommissair Carl Christoph von Römer, 8000 Thaler, hundert Stämme Holz und den Kalk schenkte, seine Gemahlin aber Kanzel und Altar auf ihre Kosten herstellen liess. Die Orgel der Kirche, ein Werk Hildebrands, eines Schülers des berühmten Silbermann, hat zwei Manuale und zweiundzwanzig klingende Stimmen. – Die Pfarrwohnung entstand im Jahre 1730, seit 1843 besteht aber auch in Lengefeld ein Diakonat, welches von dem damaligen Kirchenpatron Kaufmann Hänel auf Rauenstein zur Erleichterung des Pfarrers gegründet wurde. Die Schule ist 1826 erbaut. – – Das Dorf Reifland, an der alten Strasse nach Freiberg auf einer Ebene gelegen hat 64 Häuser (15 Begüterte und 49 Häusler) mit fast 500 Einwohnern. In der Nähe des Ortes befinden sich bedeutende Torfstiche.
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Anmerkungen der Vorlage
- ↑ handschriftliche Korrektur: Lippersdorf
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