BLKÖ:Schletterer, Jacob

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schleyer
Band: 30 (1875), ab Seite: 95. (Quelle)
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Schletterer, Jacob (Bildhauer, geb. zu Wenns im Oberinnthale Tirols im Jahre 1700, gest. zu Wien 20. Mai 1774). Schletterer kam nach Wien, wo er ein Schüler von Stanetti, einem jener Italiener wurde, welche Prinz Eugen von Savoyen verschrieben hatte, um von ihnen seine Paläste und Gärten ausschmücken zu lassen, Stanetti war berechtigt, zu seiner Arbeit Gehilfen aufzunehmen, deren Leistungen, wie ja das noch heutzutage, leider zum Nachtheile manchen schönen Talents, der Fall ist, als Werke des Meisters, als des Trägers der Firma, gelten. So arbeitete auch der talentvolle Schletterer bei Stanetti und wurde bei dessen wichtigsten Werken verwendet. Nach einiger Zeit reiste S. zur weiteren Ausbildung nach Venedig, wo er manches Werk vollendete. Um diese Zeit fand die Errichtung der zwei Denksäulen vor der Karlskirche in Wien Statt. Dieselben sollten nach dem Vorbilde der trajanischen Säule in Rom ausgeführt und mit halb erhabenen Figuren in Stein, welche die Thaten des heiligen Karolus Borromäus darstellen, verziert werden. Mit der Ausführung dieser Arbeit wurde Christoph Mader [Bd. XVI, S. 241] betraut, der nun Schletterer von Venedig kommen ließ, um mit ihm zugleich daran zu arbeiten. Füßli’s Darstellung dieser Angelegenheit in den „Annalen der bildenden Künste für die österreichischen Staaten“ (Wien 1801, Schaumburg, 8°.) II. Theil, S. 18 u. f., in den „Bemerkungen über die Bildhauerei in Wien“, ist ungemein parteiisch. Füßli setzt Mader herab, nennt ihn schwach in seiner Kunst, was mit anderen Zeitstimmen über Mader’s Leistungen nicht übereinstimmt. Wenn Schletterer ein sehr geschickter Arbeiter war, was nicht zu bezweifeln ist, so braucht deßhalb Mader kein Stümper gewesen zu sein. Ein ähnlicher Fall von Künstlerrivalität, welche zuletzt in Anfeindung ausartete, bestand auch zwischen Klieber [Bd. XII, S. 92], Schärmer [Bd. XXIX, S. 62] und Johann Schaller [Bd. XXIX, S. 98]. Also Schletterer arbeitete an den Karlssäulen, und zwar entwarf er für dieselben ebensowohl einzelne Modelle, als er sich mit der Ausführung derselben beschäftigte. Daß Mader den eigentlichen Nutzen davon genoß, ist ebenso glaublich als erklärlich, wenn auch nicht gerade billig; aber so waren eben immer die Arbeiterverhältnisse und auch dieser Punct fällt in die vielen der socialen Fragen, mit deren Lösung die Gegenwart sich beschäftigt. Füßli erzählt nun allerlei von Mader’s Ränken, der, um die Ehre der Arbeit ganz allein zu genießen, Schletterer zu entfernen suchte. Und dieser habe die nächstbeste Gelegenheit wahrgenommen und sei mit Raphael Donner [Bd. III, S. 366] nach Salzburg gereist, wo Donner bedeutendere Arbeiten auszuführen hatte, in welchen ihn eben wieder Schletterer unterstützte, worüber aber Füßli nichts zu bemerken findet. Die Arbeiten an den beiden Säulen der Karlskirche sind aber gewiß vorzüglich, und wenn Füßli daran die weise Anordnung der an den Säulen angebrachten großen Menge von Figuren, die ungezwungene Contrastirung, Formen und Wendungen, die grandiose und wahre Behandlung der mannigfaltigen Draperien, verbunden mit einer wissenschaftlichen Zeichnung aller Formen, [96] rühmt, so thut er ganz recht daran, und hat nebst Schletterer auch Mader gleichen Antheil. Schletterer hielt sich mit Donner längere Zeit in Salzburg auf, dann kehrte er nach Wien zurück, wo er, als Donner bald darauf gestorben war – wie Füßli berichtet, wieder aus „Abneigung gegen Wien wegen der Mader’schen Chicanen“ – sich in der Nähe von Wien ein kleines Anwesen kaufte, auf dem er mehrere Jahre für die umliegenden Kirchen und Klöster verschiedene Arbeiten ausführte. Endlich mochte ihm doch der Aufenthalt auf dem Lande für die Dauer nicht behagen und der Bedarf an Bildhauerarbeit in der nächsten Umgebung für geraume Zeit gedeckt gewesen sein. S. verkaufte daher sein Besitzthum und kehrte nach Wien zurück, wo er nunmehr seinen bleibenden Aufenthalt nahm, in einiger Zeit auch als Professor der Bildhauerkunst an der dortigen k. k. Akademie der bildenden Künste angestellt wurde, als welcher er an derselben seine wichtigen Grundsätze in der Kunst seinen Schülern vortrug. Schletterer verfertigte nun, wie Füßli meldet, noch verschiedene, nicht unbeträchtliche Werke für einige Kirchen und zur Verzierung einiger schöner Privathäuser in Wien, die, wie Füßli selbst schreibt, „theils von ihm selbst, theils unter seiner Leitung ausgeführt wurden“ [also wieder von Anderen, aber unter Schletterer’s Leitung]. Nun, ein Gleiches war ja auch bei Mader und Schletterer der Fall. Von Schletterer’s Arbeiten sind zu nennen: in der Kriegskanzleikirche (wohl die heutige Kirche am Hof) die zwölf Apostel von Stein von verschiedener Größe am Frauenaltar; in der Augustinerkirche in der Leopoldstadt vier Heilige dieses Ordens am Hochaltar in Lebensgröße aus Holz; mehrere Statuen auf dem Parterre des kaiserlichen Lustschlosses Schönbrunn. Sein noch heute in der k. k. Akademie der Künste befindliches Aufnahmsstück ist eine Alabaster-Gruppe (1 Schuh 5 Zoll hoch), welche „Die über Neid und Unwissenheit siegende Minerva“ darstellt. Die neueren Beschreibungen Wiens denken weder der zwei imposanten, den Trajan’schen nachgebildeten Säulen vor der Karlskirche, noch Schletterer’s und seines Antheils an denselben.

Staffler (Joh. Jac.), Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen (Innsbruck 1847, Fel. Rauch, 8°.) Bd. I, S. 277. – Tirolisches Künstler-Lexikon (Innsbruck 1830, Felic. Rauch, 8°.) S. 217. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1839, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. XV, S. 273. – Tschischka (Franz), Kunst und Alterthum in dem österreichischen Kaiserstaate (Wien 1836, Beck, gr. 8°.) S. 54, 74 u. 396.