BLKÖ:Stellwag von Carion, Karl

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stella (Sängerin)
Band: 38 (1879), ab Seite: 173. (Quelle)
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Stellwag von Carion, Karl (Augenarzt und Fachschriftsteller, geb. zu Langendorf, Herrschaft Eulenberg in Mähren am 28. Jänner 1823). Sein Vater war Hoch- und Deutschmeister’scher Justitiar zu Eulenberg, wo schon der Großvater und der aus Mergentheim an der Tauber eingewanderte Urgroßvater eine lange Reihe von Jahren Amtsvorsteher gewesen sind. Das Nähere über die Familie siehe S. 176 in den Quellen. Noch im Herbste 1823 kam S. nach Freudenthal in k. k. Schlesien, wohin sein Vater als Justiz-Oberamtmann versetzt worden war. Hier besuchte er die Piaristen-Hauptschule, vollendete sodann das Gymnasium zu Olmütz, die philosophischen Studien zu Olmütz und Prag und bezog im Jahre 1841 daselbst die Hochschule. Im October 1843 ging S. an die Universität Wien, wo er am 9. März 1847 die medicinische Doctor- und innerhalb Jahresfrist die Magisterwürde der Geburtshilfe und das Doctorat der Chirurgie erlangte. Nun meldete er sich zum Spitaldienste im k. k. allg. Krankenhause zu Wien und wurde als Externist der internen Abtheilung des Primararztes Dr. H. Bittner zugetheilt. Ursprünglich hatte S. die Absicht, sich der gerichtlichen Medicin zuzuwenden, und hatte auch im Hinblick auf dieses Vorhaben eine ziemlich umfangreiche Dissertation: „Die Körperverletzungen als Gegenstand der gerichtsärztlichen Begutachtung“ (Wien 1847) verfaßt, welche in juridischen Kreisen günstige Aufnahme fand. Am 15. Juli 1847 wurde Stellwag zum Internisten und am 1. October 1848 zum ersten Secundararzt der Augenkranken-Abtheilung ernannt. Tüchtig geschult in der pathologischen Anatomie, welche zu jener Zelt unter Rokitansky [Bd. XXVI, S. 288] und Kolletschka [Band XII, Seite 352] mit wahrem Feuereifer von Schülern und jungen Aerzten betrieben wurde, und ganz erfüllt von den fortschrittlichen Ideen der neuen Wiener Schule, welche damals im hellsten Ruhmesglanze strahlte, mußte sich S. bald in hohem Grade beengt fühlen von den starren dogmatischen Formeln, in welche die Ophthalmologie von den unmittelbaren Schülern des Reformators J. Beer [Bd. I, S. 222] eingezwängt worden war. Eifriges Studium der vorhandenen älteren und neueren Fachliteratur erweiterte wesentlich seinen Gesichtskreis, offenbarte ihm aber auch die kolossalen Lücken, die Schwäche so vieler als felsenfest ausgegebener Fundamente und damit die Nothwendigkeit des Umbaues der ganzen Lehre auf neu zu beschaffenden naturwissenschaftlichen Grundlagen, S. ging nun mit Eifer an die Erwerbung möglichst ausreichender mathematischer Kenntnisse und widmete einen großen Theil seiner Zeit der feineren Untersuchung kranker Augen, welche er sich unter jahrelang fortgesetzter täglicher Musterung der im k. k. allgemeinen Krankenhause vorhandenen Leichen und durch Geschäftsverbindung mit den Gehilfen des städtischen Abdeckers zu verschaffen wußte. So hatte sich bald ein ganz außerordentlich großes Material an fachwissenschaftlichen Auszügen, an mikroskopischen Befunden und an klinischen Beobachtungen gehäuft, [174] als S. am 30. September 1851, nach Vollendung der gesetzlichen Dienstzeit, sich mit einem Male dienstlos und auf sich selbst angewiesen sah. Ohne Mittel glaubte er nicht hoffen zu dürfen, den eingeschlagenen Forscherweg weiter verfolgen und das angesammelte Material verwerthen zu können. Er entschloß sich demnach zur Ausübung der Praxis. Doch schon nach einem halben Jahre befand er sich wieder auf dem alten Geleise und griff, von den Koryphäen der Wiener Schule mächtig angeeifert und auch werkthätig unterstützt, zu seiner gewohnten wissenschaftlichen Thätigkeit. S. veröffentlichte nun mehrere kleinere Aufsätze und 1853 die im 5. Bande der Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien enthaltene Abhandlung: „Ueber doppelte Brechung und davon abhängige Polarisation des Lichtes im menschlichen Auge“. Doch war die hauptsächlichste Thätigkeit auf Sichtung und Verarbeitung des von ihm angesammelten wissenschaftlichen Materiales gerichtet. Als Frucht derselben erschien in den Jahren 1853 bis 1858 seine „Ophthalmologie vom naturwissenschaftlichen Standpuncte“. (Die Titel von Stellwag’s wissenschaftlichen Arbeiten folgen auf S. 175). Das Werk wurde auf das umfangreichste angelegt und sollte eine Art Repertorium für das gesammte ophthalmologische Wissen der damaligen Zeit werden, nebenbei aber auch mittelst des erhofften Buchhändlerhonorars dem Verfasser die Subsistenzmittel schaffen. Der Erfolg entsprach nach beiden Richtungen nicht ganz den gehegten Erwartungen und konnte, was ersteren Punct betrifft, auch kaum entsprechen, da die Oculistik damals selbst noch nicht jenen Höhepunct erreicht hatte, auf den sie später durch den Fortschritt der übrigen Disciplinen in der Medicin gelangen sollte. Immerhin darf das umfangreiche Werk (2152 Seiten) als eines der wichtigsten Fundamente des ophthalmologischen Neubaues und als eine der reichsten Fundgruben für Jene bezeichnet werden, welche ihr Wissen nicht bloß aus den Ephemeriden der jüngsten Tagesliteratur construiren, sondern tiefer greifen und auch der Entwicklung des Faches die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Auf Grundlage des ersten Bandes wurde Stellwag am 10. Juli 1854 vom hohen k. k. Unterrichtsministerium zum „Privatdocenten über die Lehre von gesunden und kranken Augen, soweit diese auf anatomischen und physikalischen Untersuchungen fußt“ ernannt. Aber erst in der Wiedererrichtung des höheren Curses der medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie fand S. den lange gesuchten Weg zu einer gesicherten Existenz. Rasch war der Entschluß gefaßt. Von den Spitzen der feldärztlichen Branche freundlichst aufgenommen, war S. am 16. Juli 1854 in das feldärztliche Corps übergetreten, wurde mit der Leitung der Augenkranken-Abtheilung des Garnisonsspitales Nr. 1 und weiter als Docent der Josephs-Akademie einstweilen mit dem oculistischen Unterrichte der Zöglinge des niederen Curses betraut. S. fand in dieser Stellung wieder Gelegenheit zu fortgesetzten klinischen Beobachtungen und zur Abhaltung sehr besuchter Privatcurse, nachdem ihm von seinem Collegen Dr. Endlicher das reiche Augenspiegelmaterial des städtischen Versorgungshauses am Alserbache zugänglich gemacht worden war. Am 12. April 1855 trat Stellwag mit den „Accommodationsfehlern des [175] Auges“ (Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Akademie der Wissensch. 16. Band) vor die Oeffentlichkeit. Es war damit zum erstenmale die Lehre von den Refractions- und Accommodationsanomalien des menschlichen Auges in wissenschaftlicher Form als ein Ganzes und Zusammenhängendes dargestellt, die Existenz und das Wesen der Hypermetropie festgestellt und neben einer Fülle von unbestrittenen Einzelheiten das Fundament geschaffen für eines der wichtigsten Capitel der Augenheilkunde. Am 15. December 1855 wurde Stellwag von dem Professorencollegium der Wiener medicinischen Facultät für die erledigte Lehrkanzel der Augenheilkunde an der Wiener Universität vorgeschlagen. Er erhielt diese Stelle aber nicht, und wurde „in Anbetracht seiner verdienstlichen Leistungen als Lehrer und Schriftsteller“ mittelst ah. Entschließung Seiner Majestät vom 15. Mai 1857 zum außerordentlichen Professor der Augenheilkunde an der Wiener Universität ernannt. Am 8. September 1857 erfolgte die Ernennung zum außerordentlichen Professor an der medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie, am 25. September 1858 die Ernennung zum wirklichen Professor an dieser Lehranstalt und nun auch sein Uebertritt in den Civilstand. Im Jahre 1861 erschien die erste Auflage seines „Lehrbuchs der Augenheilkunde“, welcher bald mehrere und auch einige Uebersetzungen in fremde Sprachen folgten. Als endlich die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie den seit ihrem Bestande fast ununterbrochen und mehrseitig nicht mit den lautersten Motiven und Mitteln geführten Kämpfen erlegen war, wurde Stellwag am 9. September 1873 zum ordentlichen Professor der Augenheilkunde an der Wiener Universität ernannt, in welcher Stellung er zur Stunde noch für sein Fach wissenschaftlich thätig ist.

Stellwag’s von Carion wissenschaftliche Arbeiten, a) Selbständige Werke „Ophthalmologie vom naturwissenschaftlichen Standpuncte“, 2 Bände (Wien 1853 bis 1858, gr. 8°.). – „Lehrbuch der praktischen Augenheilkunde“ (Wien 1862, Braumüller, XIII und 737 S.). – Zweite umgearbeitete Auflage (ebd. 1864, VI und 807 S. mit eingedr. Holzschn. und 2 lith. Tafeln). – Dritte verbesserte Auflage (ebd. 1867, XIV und 886 S., mit eingedr. Holzschnitten und 3 Chromolith.). – Vierte verbesserte und vermehrte Auflage (ebd. 1870, VI und 963 S., mit 109 eingedr. Holzschn. und 3 chromolith. Tafeln; alle vier Auflagen in gr. 8°.). – Eine italienische Uebersetzung der zweiten Auflage dieses Werkes erschien unter dem Titel: „Manuale di Oculistica pratica“ (Milano 1864, Vallardi); – die dritte Auflage wurde ins Englische übersetzt: „Treatise on the diseases of the eye“ (New York 1868), und ins Ungarische: „A Gyakorlati szemészet tankőnyve“ (Pesth 1868). – „Der intraoculäre Druck und die Innervations-Verhältnisse der Iris, vom augenärztlichen Standpuncte aus betrachtet“ (Wien 1868, Braumüller, VII und 100 Seiten, gr. 8°.). – b) In gelehrten Fachschriften. Außer den in der obigen Lebensskizze erwähnten, u. zw. in Ammon’s „Zeitschrift für Ophthalmologie“, IX. Band: „Das Hornhautgeschwür“. – In der „Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien“, 1850: „Beiträge zur Lehre von dem Accommodationsvermögen des menschlichen Auges“; – 1852: „Zur Lehre von den Glashäuten im Allgemeinen“; – 1852: „Die Ekrasie des Schlemm’schen Canales“; – „Statistische Beiträge zur Lehre vom grauen Staare und seiner Heilung durch Operation“; – 1854: „Beiträge zur Lehre von dem angeborenen Mangel der Regenbogenhaut“; – 1854: „Beitrag zur Lehre von Hemmungsbildungen des menschlichen Auges“; – „Theorie der Augenspiegel“; – „Beitrag zur Pathologie der Gehilfsnerven des menschlichen Auges“; – 1855: „Zur Lehre von dem Albinosauge und von dem Leuchten des Auges“; – 1856: „Ueber die Behandlung der Hornhautgeschwüre“; [176] – „Entgegnung an Professor Rothmund, die künstliche Pupillenbildung betreffend“; – 1861: „Zur Literatur der Refractions- und Accommodationsanomalien“; – „Theoretische und praktische Bemerkungen zur Lehre von den Thränenableitungsorganen“; – 1869: „Ueber gewisse Innervationsstörungen bei der Basedow’schen Krankheit“. – In den „Wiener Jahrbüchern für Kinderheilkunde“, II. Band: „Die Behandlung des Bindehautschleimflusses bei Neugeborenen und Kindern“. – In der „Wiener medicinischen Wochenschrift“, 1854: „Die Chorioiditis vom wissenschaftlichen Standpuncte aus betrachtet“; – 1855: „Die Behandlung des Bindehautschleimflusses“; – „Ueber Amaurosis in ihrer Beziehung zu den Leistungen des Augenspiegels“; – 1860: „Ueber das Verfahren mit Kurzsichtigen am Assentplatze“; – 1864: „Ueber leuchtende Augen“; – „Der Mechanismus der Thränenleitung“ [Fortsetzung im Jahrgange 1865]; – 1865: „Der Mechanismus der Thränenleitung, durch neue Versuche begründet“; – „Das gelbe amorphe Quecksilberoxyd“; – 1866: „Zur Lehre von den hämodynamischen Verhältnissen des Auges und vom intraoculären Drucke“; – 1867: „Die unblutige Behandlung des von Uebersichtigkeit abhängenden convergirenden Schielens“.