BLKÖ:Subarić, Milan

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Subbotić, Johann
Band: 40 (1880), ab Seite: 256. (Quelle)
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Subarić, Milan (socialistischer Wanderprediger, geb. zu Glina in der Militärgrenze am 15. Juli 1843, ertrunken bei einem Fluchtversuch im Innflusse am 12. September 1869). Sein Vater ist wahrscheinlich Marcus Subarić (geb. zu Glina 20. December 1795, gest. zu Verona 17. Juni 1865), der am 22. November 1806 in die Wiener-Neustädter Militär-Akademie aufgenommen, aber auf Requisition der französischen Regierung, welche damals Illyrien occupirt hielt, am 27. October 1812 wieder aus dem Institute entlassen [257] wurde. Im Jahre 1825 Lieutenant bei Erzherzog Franz Karl-Infanterie Nr. 52, rückte er im Regimente stufenweise bis zum Hauptmann vor und trat im Jahre 1842 als Major in den Ruhestand, in welchem er, 70 Jahre alt, zu Verona starb. Milan Subarić begann seine Studien in der Realschule zu Gratz, kam dann in das Cadeten-Institut zu Marburg und aus diesem am 1. December 1859 in die Wiener-Neustädter Militar-Akademie, aus welcher er aber bereits am 6. Jänner 1860 wieder entlassen wurde. Nun wollte er sich durch Selbstunterricht weiter bilden, begann auch die Classiker, verschiedene historische und geographische Werke zu lesen, aber, gestatteten es die Verhältnisse der Eltern nicht, oder waren andere Motive maßgebend, diese Selbstbildungsära nahm ein baldiges Ende, da er, dem Willen des Vaters folgend, als Cadet in das Infanterie-Regiment Wimpffen Nr. 22 eintrat, in welchem er sechs oder sieben Jahre diente. Ungeachtet mehrfacher Disciplinarstrafen brachte er es doch zum manipulirenden Feldwebel. Im Jahre 1866 bekam das Regiment Marschordre nach Italien. In Venetien angelangt, erhielt er Nachricht, daß er zum Officier befördert sei. Ueber diese Beförderung nichts weniger als erfreut, da er eine Verantwortlichkeit für Ansichten, die er nicht theilte, nimmermehr übernehmen wollte, beschloß er, das Regiment heimlich zu verlassen, und da er das zur Anschaffung von Civilkleidern erforderliche Geld nicht hatte, nahm er eine kleine, von einem Kameraden ihm übergebene Summe mit, von welcher er den Ankauf des nöthigen Gewandes bestritt. Er erreichte auf der Flucht den Gardasee, welchen er überschwimmen wollte, wurde aber entdeckt und als er bereits zwei Stunden im Wasser und völlig erschöpft war, von dem ihn verfolgenden österreichischen Boote erreicht und gezwungen, es zu besteigen. Anfänglich ward er als Spion, später als Deserteur behandelt. Um der sicheren Strafe zu entgehen, machte er einen Selbstmordversuch, indem er sich mehrere Stiche versetzte, die jedoch nicht tödtlich waren. Er kam in das Spital von Peschiera, wo der Anblick der im Kampfe schwer verwundeten Soldaten seinen Haß gegen den Soldatenstand nur noch steigerte. Nachdem er seine Strafe abgebüßt hatte, wurde er im Jahre 1867 in Triest superarbitrirt. Nunmehr frei, griff er seinen ursprünglichen Plan, sich selbst zu bilden, wieder auf. Er begab sich zu seiner in Gratz lebenden, mittlerweile Witwe gewordenen Mutter und widmete sich ernstlich dem Studium der Geschichte, der Staatswissenschaften, mit Vorliebe aber jenem der Philosophie, in welchem ihn vor Allem die philosophischen Systeme Kant’s und Schopenhauer’s, dann die religiösen Systeme, sowie in der Geschichte Rotteck anzogen. Ohne entsprechende Vorbildung schlang er Alles unvermittelt, regellos und wohl auch unverstanden hinab. Sich selbst überschätzend, durch sein Vorleben und namentlich seine Verurtheilung wegen Desertion und Veruntreuung in seiner Ehre gebrandmarkt und an seinem Fortkommen doch mehr oder minder behindert, suchte er nach einem Auswege, auf welchem die erwähnten Bedenken entfielen. Die politischen Verhältnisse sollten ihm unerwarteter Weise über Alles hinweghelfen. Es begann sich nämlich unter den freieren Zuständen in Oesterreich vornehmlich das Vereinswesen in ungeahntem Maße zu entwickeln, und so wendete er sich mit Begeisterung den Agitationen der Arbeiter [258] zu, die ihm als die Meistbedrückten erschienen. In Gratz trat er zum ersten Male öffentlich auf, aber bald fand er in den Verhältnissen der dortigen Arbeitervereine, in welchen die Meister und Fabrikanten durch umsichtige Reformen jeden Keim der Unzufriedenheit zu ersticken verstanden, nicht mehr den für seine vorgeschrittenen Ansichten geeigneten Boden. Er versuchte es wohl mit den Lehren der Demokratie, in denen er sich auf breiteste Basis stellte, aber nicht lange währte es, so machte selbst die Journalistik gegen ihn Front und er sah sich genöthigt, Gratz zu verlassen und in Wien einen für seinen Zweck geeigneteren Schauplatz aufzusuchen. Dort trat er als „Wanderprediger für Volksausklärung“ auf, wenigstens liebte er es, sich selbst so zu nennen. In Dreher’s Bierhalle auf der Landstraße kündete er seinen ersten Vortrag an, in welchem er über den menschlichen Aberglauben, dann über den Wunder-, Geister- und Hexenglauben, über die Wettermacher und andere Ueberbleibsel menschlicher Unwissenheit sprach. Da aber an dem nämlichen Tage eine Arbeiterversammlung bei Zobel außerhalb der Mariahilfer Linie stattfand, sprach er vor einem wesentlich anderen Publicum, als er erwartet hatte, meist nämlich vor Leuten aus dem Bürgerstande, ohne den gewünschten Erfolg. Ein zweiter Vortrag aber ward polizeilich untersagt. Somit gab er vorderhand das Wanderpredigen auf und wendete sich wieder den Arbeiterversammlungen zu. Er trat nun zu Leobersdorf nächst Wien mit einem Vortrage auf, worin er das Loos unserer Arbeiter mit dem der Sclaven des Alterthums verglich und dabei den Grundsatz aufstellte, daß die Arbeiter jetzt viel schlechter daran seien, als zur Zeit des Spartacus. In dieser Weise ging es weiter fort: Er verlangte die Aufhebung des Erbrechtes und gleichmäßige Vertheilung des Eigenthumes. Er stellte die Lehrsätze Proudhon’s, Saint-Simon’s auf, ja ging noch über Cabet hinaus. Ungeachtet dessen legte man ihm noch immer nichts in den Weg. Einige Tage später eiferte er in einem Vortrage bei Zobel in aufregendster Weise gegen den Adel, die Priester, die Fabrikanten. Er sagte, daß hinter dem Worte Religion Berge von Unsinn und Betrug stäken, daß die Religion den Pfaffen nur dazu diene, um Geld und Gut zu erlangen. Er erklärte, daß im Socialismus jener Faden verschwinde, den die Heuchler brauchten, um das Hier mit dem Jenseits zu verbinden. Ungeachtet das Aufregende dieser Vorträge am Tage lag, konnte er doch kurze Zeit danach in Wiener-Neustadt wieder vor den Arbeitern sprechen und ihnen empfehlen, zusammenzuhalten, weil die Regierung nicht durch Bitten, sondern durch Furcht sich bewogen fühle, auf die Wünsche der Arbeiter einzugehen. Endlich aber schritt die Staatsanwaltschaft ein, indem sie gegen den Agitator die Anklage auf das Verbrechen der Religionsstörung und das Vergehen der Aufreizung erhob. Am 15. Februar 1869 hatte sich Subarić vor dem Gericht zu verantworten. Dasselbe sprach ihn schuldig, und der Staatsanwalt beantragte eine 23monatliche Kerkerstrafe. Diese wurde, nachdem der Vertheidiger des Angeklagten Milderungsumstände geltend zu machen verschmäht und auf Nichtschuldig zu erkennen verlangt hatte, auf sieben Monate Kerker festgesetzt. Subarić kam in die Strafanstalt Suben in Oberösterreich, wo er mit Pater Florencourt in ein und derselben [259] Zelle seine Strafe abbüßte. Nur wenige Tage fehlten noch zu seiner Freilassung. Da aber unmittelbar nach derselben eine neue Untersuchung gegen ihn begonnen werden sollte, beschloß er, sich derselben durch die Flucht zu entziehen. Thatsächlich sprang er auch am 12. September, als er im Gefängnißgarten zur Erholung sich befand, über die Gartenmauer und in den unmittelbar an derselben hinfließenden Inn. Da er ein tüchtiger Schwimmer war, mußte er beim Sprunge ins Wasser verunglückt, oder sonst unfähig geworden sein, weiter zu schwimmen, denn er ertrank. Wenige Tage nach seiner Flucht, am 20. September, wurde von der Donau in der Gegend zwischen Enns und Melk ein männlicher Leichnam an das Ufer gespült. Aus den Schriften, die in der Brieftasche des Ertrunkenen sich vorfanden, gewann man die Ueberzeugung, daß Subarić der Verunglückte sei. Vor der Flucht hatte er seine sämmtlichen Papiere versiegelt seinem Zellengenossen Pater Florencourt übergeben. Kurze Zeit nach Subarić’s Flucht erschien eine amtliche Commission im Gefängnisse, untersuchte die Zelle und die darin befindlichen Personen Pfeiffer und Florencourt auf das genaueste und nahm die von dem Flüchtling an den Letzteren übergebenen versiegelten Papiere an sich. Als aber dieser dagegen Protest erhob, wurde ihm bedeutet: ein Sträfling könne, so lange er unter der Hausordnung stehe, ohne vorherige Vermittelung der Hausvorstehung weder Eigenthum noch Besitz erwerben, auch solchen nicht, der etwa außerhalb der Hausordnung wieder auflebe. Florencourt erhielt demnach auch nach seiner Freilassung die von Subarić ihm zugedachten Papiere nicht, und was mit ihnen geschehen, ist nicht bekannt. Subarić, der unter anderen Verhältnissen, unter einer einsichtsvollen Erziehung ein seltener Denker, eine vielleicht nicht gewöhnliche Menschenerscheinung geworden wäre, besaß eine große Rednergabe und hatte ganz das Zeug zu einem Volksredner, kräftige Stimme, Gedanken- und Bilderreichthum, letzteren leider stark roth angehaucht, und einen Muth, das Gewagteste zu sagen. Freilich saß Niemand über ihm, der die Glocke hätte ertönen lassen; mit einer Verwegenheit ohne Gleichen sprach er seine Ansichten über die Wirkungen des Kreuzzeichens, des Weihwassers, der Amulete aus, er stellte den Satz auf, daß der Aberglaube so lange dauern müsse, bis das höhere und niedere Volksschulwesen auf die Basis der Naturwissenschaft gestellt werde; er bedauerte, daß die Leute so dumm seien, an Wunder zu glauben, und erklärte, daß eine große Zahl Jener, deren Amt es sei, für den Wunderglauben einzustehen, an jene „Fluth von Dummheit“ selbst nicht glauben; er nannte gewisse Gebete ein „triviales Lippenturnen“ und meinte, daß der „Jungfrauenverein“ aus vielen Müttern bestehe. Niemand erhob sich gegen diese öffentlichen frivolen Angriffe auf unbesprechbare Dinge, und der Haufen johlte ihm lachend und lärmend zu. Subarić hatte sozusagen den Hexentanz der Arbeiterbewegung, der ein paar Jahre lang Wien beunruhigte, eröffnet, aber in Oesterreich hatte Niemand mit den Arbeitern pactirt und sie zu politischen Zwecken ausgenützt und so den Teufel heraufbeschworen, den man dann nicht wieder los wird. Ein sicheres energisches Auftreten der Regierung machte dem Rummel bald ein Ende. Man hätte auch mit Subarić pactiren können, um [260] vielleicht die gar Manchem unliebsame Verfassung zu beseitigen, man hat es nicht gethan und somit sich auch nicht erniedrigt. Die Strophen aber, welche ihm der „Floh“ (1869 Nr. 1) in dem Gedichte „Milan Subarić der Rothe“ widmet, unterscheiden sich wohl in der Tendenz, aber nicht im Charakter von der Partei, welche sie verurtheilen, und sind eben eine Entehrung der Poesie.

Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. 313: „Milan Subarić“; Nr. 318: „Volksaufklärung beim Bier“. – Tages-Presse (Wiener politisches Blatt) 1870, Nr. 90: „Ende des Milan Subarić“; Nr. 110: „Enthüllungen über den Arbeiteragitator Subarić“.