BLKÖ:Thun-Hohenstein, Joseph Matthias Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 45 (1882), ab Seite: 52. (Quelle) | |||
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Franz. Ferner war er Mitbegründer und Obercurator-Stellvertreter der böhmischen Sparcasse und Präsident der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft für Böhmen. Ueberdies gab es in diesem Lande keinen Gelehrten- und Humanitätsverein, dessen förderndes Mitglied er nicht gewesen wäre. Ein Freund der Wissenschaft, sich nicht nur an ihr erquickend, sondern sie sorglich pflegend und fördernd, war er Ehrenmitglied der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften und Präsident des böhmischen Museums. Mit besonderer Vorliebe trieb er das Studium der čechischen Sprache und Literatur, stand in regem Verkehre mit den beiden Koryphäen derselben, mit Palacky und Šafařik, welche auch des Grafen Verdeutschung der Königinhofer Handschrift[WS 1] – unter dem Titel „Gedichte aus Böhmens Vorzeit“ (Prag 1845) in Druck gegeben – mit einem [53] Vorwort einleiteten. Im nämlichen Jahre erschien von ihm die Flugschrift „Der Slavismus in Böhmen“ (Prag 1845, Calve), in welcher er von rein humanitärem Standpunkte für die čechische Nationalität in beredter Weise eintrat, wodurch er aber die Gegenschrift: „Worte eines Čechen, veranlasst durch die Graf Joseph Matthias von Thun’sche Broschure: Der Slavismus in Böhmen“ (Leipzig 1845, Expedition der slavischen Jahrbücher, 8°.) hervorrief, in welcher alle Rücksicht der Humanität abgelehnt, dagegen Gerechtigkeit für die Slaven gefordert wird. Im böhmischen Landtage, in welchem er als Oberstkämmerer des Königreichs Böhmen die Stelle des Vorsitzenden im Landesausschuß einnahm, befand er sich unter den Führern der ständischen Opposition. Auch im Nationalausschuß des Jahres 1848 spielte er eine hervorragende Rolle. Als der Oberstburggraf Rudolph Graf Stadion, Bruder des Ministers Franz, in den ersten Tagen des April eine Versammlung zu sich berief, um mit deren Theilnehmern sich über die vom Ministerium Pillersdorf angeordneten Wahlen zum Frankfurter Parlamente zu berathen, that Joseph Matthias der Erste den Ausspruch: „daß jeder für einen Landesverräther erklärt zu werden verdiene, der in Böhmen zu den Wahlen fürs deutsche Parlament rathen oder für dasselbe wirken würde“. Vom Ausschusse für den 1848er Slavencongreß wurde der Graf zum Präsidenten gewählt, aber Krankheit verhinderte ihn, den Sitzungen beizuwohnen. In Folge eines heftigen Kopfleidens zog er sich bald darauf von aller öffentlichen Wirksamkeit zurück, übergab seine Domänen an seinen ältesten Sohn Joseph Oswald und übersiedelte nach Salzburg, wo er auf seiner Besitzung bis an seinen Tod wohnte. Als nach dem durch kaiserliches Patent vom 26. Februar 1861 erfolgten Eintritt Oesterreichs in die Reihe der repräsentativen Staaten ein allerhöchstes Handschreiben vom 18. April d. J. die Ernennung der erblichen und lebenslänglichen Mitglieder des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes bekannt gab, sah sich auch Graf Joseph Matthias unter der Zahl der ersteren, aber noch mit kaiserlicher Genehmigung vom 8. November d. J. verzichtete er auf diese Würde zu Gunsten seines ältesten Sohnes Joseph Oswald. Graf Joseph Matthias starb im Alter von. 74 Jahren, fünf Söhne und zwei Töchter hinterlassend (vergleiche die Stammtafel). Seine Leiche wurde von Salzburg in die Familiengruft zu Klösterle in Böhmen überführt. Eine so großartige Leichenfeier, wie die des Grafen, bei welcher der Dechant Anton Tschochner die Grabrede hielt, hatte Klösterle und die Umgebung noch nicht gesehen. Auch gab das Schützencorps dem ehemaligen Mitkämpfer der Befreiungskriege die ihm gebührenden drei Dechargen. In einem dem Grafen gewidmeten Nachrufe heißt es: „Der Verblichene, der seinen Wahlspruch: „Im Thun nie ruh’n“ zur Wahrheit gemacht, war während seiner Regentschaft allen seinen ehemaligen Unterthanen ein liebevoller Vater und unzähligen Dürftigen ein rettender Helfer“. Einem Journalberichte entnehmen wir, daß die Correspondenz des Grafen mit Palacky sich in den Händen seines Sohnes Grafen Joseph Oswald befinde, dem sie mit der Bedingung übergeben worden sei, sie vor dem Tode seines Vaters nicht zu veröffentlichen.
Thun-Hohenstein, Joseph Matthias Graf (Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. zu Prag am 24., nach Anderen 25. Februar 1794, gest. zu Salzburg am 24. September 1868), ältester Sohn aus der Ehe des Grafen Joseph vom Majorat Thun-Klösterle mit Josepha geborenen Gräfin Schrattenbach. Die Knabenzeit verlebte Joseph Matthias meist in Wien, wo er die Artillerieschule besuchte. Kaum war er in das Jünglingsalter getreten, als er sich – im denkwürdigen Jahre 1809 – in die kaiserliche Armee einreihen ließ. 1811, erst 17 Jahre alt, stand er bereits als Lieutenant im 2. Artillerie-Regimente, doch schied er aus demselben bald wieder aus, da man ihm in Rücksicht auf sein zartes Alter noch keine Batterie anvertrauen konnte. Die Feldzüge 1813 bis 1815 machte er als Officier des Uhlanen-Regiments Erzherzog Karl mit. Nach Abschluß des Friedens trat er aus der Armee und nahm seinen bleibenden Aufenthalt in Böhmen, sich der Verwaltung seines Besitzes und der Pflege der Wissenschaften widmend. Erst 22 Jahre alt, vermälte er sich mit seiner Cousine Francisca, einer Tochter des Grafen Anton von der Linie Thun-Benatek und Ronsberg. Mit ganzer Seele der Verwaltung seiner ausgedehnten Herrschaften sich hingebend, hob er den Ertrag derselben und war seinen Unterthanen, denen er in allen ihren Nöthen hilfreich beisprang, ein wahrer Vater, genoß aber auch die Verehrung Aller, wie sich dies am herrlichsten zeigte, als man ihm das letzte Geleite gab. Seinen wohlthätigen und alles Gute fördernden Einfluß übte er auf das ganze Land, er war es, der die erste böhmische gegenseitige Brandschaden-Versicherungsgesellschaft ins Leben rief, ihr erster Präsidenten-Stellvertreter und nach des Grafen Wrtby Tode ihr Präsident wurde. Ihm verdankt Prag die erste Kettenbrücke und die Anlegung des Franzens-Quai mit dem daselbst befindlichen Denkmal des Kaisers- Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1868, Nr. 232, S. 2948. – Dieselbe 1868, Nr. 236.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vergleiche dazu Königinhofer Handschrift (Wikipedia).