BLKÖ:Vukovics, Sebastian

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 52 (1885), ab Seite: 30. (Quelle)
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Vukovics, Sebastian (ungarischer Justizminister im Jahre 1849, geb. zu Fiume 1811, gest. in England am 15. November 1872). Sein Name wird in verschiedenster Weise: Vucović, Vuccovic, Vuckovits, Vukovich, Vukovitsch u. s. w. geschrieben; wir halten uns an die unter seinem Bildniß in einem magyarischen Blatte vorkommende. Die Familie ist südslavischer (serbischer) Abstammung. Nachdem er in seinem Vaterlande die Studien beendet hatte, betrat er die politische Laufbahn und versah im Vormärz die Stelle des Vicegespans des Temeser Comitates, Schon um diese Zeit wird er von dem „Croquisten“ als geschickter Notar bezeichnet, [31] von dessen Genie, als er 1843 zum Deputirten gewählt wurde, man viel sprach. 1848 gelangte er als Vertreter des Temeser Comitates in den Preßburger Landtag, in welchem er sich sofort der Bewegungspartei anschloß und man ihn seiner hellklingenden Stimme wegen die „Reichstagsglocke“ nannte. Als der gräßliche Racenkampf in dem Bácser Comitate ausbrach, ward er als königlicher Commissär in dasselbe entsendet, und nachdem er die dortigen Zustände kennen gelernt hatte, kehrte er nach Pesth zurück, um die (Batthyányi’sche) Regierung zu strengen Maßregeln zu veranlassen. Von da ab merkte man in der Leitung der serbischen Angelegenheit eine feste Hand, und nicht mit Unrecht schreiben die Serben dieselbe dem Renegaten Vukovics zu. Als dann in der Nationalversammlung zu Debreczin am 14. April 1849 Kossuth die Maske fallen ließ und die Unabhängigkeitserklärung Ungarns, sich selbst aber zum Gouverneur des Landes proclamirte, erfolgte am 17. April 1849 die Bildung eines neuen, des eigentlichen Rebellen-Ministeriums, in welchem Szemere die Präsidentschaft zugleich mit dem Portefeuille des Innern, Horváth das des Cultus, Csány das der Communicationen, Duschek das der Finanzen, Vukovics aber das der Justiz übernahm. Was Kossuth bewog, Vukovics zum Justizminister auszuwählen, ist nicht ergründet. Wollte er den Croaten ein Zugeständniß machen, indem derselbe croatischer Abstammung war? Kurz, der neue Justizminister erwarb sich – von seiner revolutionären Rolle abgesehen – allgemeine Achtung. Max Schlesinger in dem seinerzeit vielgelesenen Buche „Aus Ungarn“ (Berlin 1850, Duncker) nennt Vukovics „einen der ehrenhaftesten Männer, fern von persönlichem Ehrgeize, von kleinlichem Neide, unverdrossen auf das große Endziel der Bewegung hinarbeitend, entschieden im Prinicip, vermittelnd seinen Collegen gegenüber, einen antiken Charakter, dem es eine Wollust gewesen wäre, Glied für Glied dem Heile seines Vaterlandes zu opfern“. Was nun Vukovics’s Thätigkeit als Justizminister während der Rebellion betrifft, so übte er sie mit Energie und Klugheit, er führte das standrechtliche Verfahren (Közlöny 1849, Nr. 32) in gewissen Fällen ein, verfügte s. d. Debreczin 17. Mai 1849 die Sequestrirung der Güter des Fürsten Primas Johann Hám [derselbe hatte die Primaswürde nicht angenommen und blieb Bischof von Szathmár, der er bis dahin war] und des Fünfkirchener Bischofs Johann Scitovszky, organisirte die obersten Gerichtsstühle und contrasignirte bei Gelegenheit der Bildung der neuen Septemviraltafel die Ernennung des Barons Siegmund Perényi [Bd. XXI, S. 475] zum Präsidenten-Landesrichter. Nach Niederwerfung der Erhebung flüchtete sich auch Vukovics. Lange Zeit blieb er im Lande versteckt, aber endlich gelang es ihm, und zwar nicht ohne Schwierigkeiten, nach London zu entkommen, während er in der Heimat nach kriegsgerichtlicher Verurtheilung in effigie hingerichtet wurde. In London lebte er 18 Jahre, einen Mittelpunkt für die gebildeteren Kreise der ungarischen Flüchtlinge bildend. In Folge verwandtschaftlicher Verhältnisse kam er 1866, viel später als die meisten seiner Genossen, nach Ungarn zurück. Die Bácska, einst Gegenstand ernstester, eben durch ihn getroffener Maßregelungen, war nunmehr besser gesinnt und schickte ihren ehemaligen Zuchtmeister in den Reichstag. [32] In demselben spielte Vukovics unter Koloman Tisza’s Fahne insofern eine bedeutende Rolle, als sein Wort von Gewicht war, obgleich, oder vielmehr weil er nur selten in den parlamentarischen Kampf eingriff. Dabei war er derjenige, der am meisten dazu beitrug, die Nachahmung englischer Institutionen als das höchste Ideal jedes ungarischen Patrioten erscheinen zu lassen; daher befindet sich auch die ungarische Justiz in demselben kläglichen Zustande wie jene in England. Vukovics sah alle ungarischen Verhältnisse vom englischen Standpunkte an und beurtheilte sie danach; das Beispiel Englands hatte er fortwährend auf den Lippen, und in den wenigen Reden, welche er seit seiner Rückkehr aus der Emigration hielt, beschäftigt er sich zur größeren Hälfte mit englischen Angelegenheiten; und in der That machte diese Anglomanie in Ungarn Schule, aber nicht zum Nutzen einer gesunden Reform und Entwickelung der eigenartigen ungarischen Verhältnisse. Im Uebrigen sprach Vukovics sehr schön, seine Stimme – noch immer die wohltönende Reichstagsglocke – klang ungemein sympathisch, Rechte und Linke hörten ihm mit Aufmerksamkeit zu. Das letzte Mal sprach er als Deputirter des Reichstages 1869 – in welchem alle übrigen Redner verlacht, verhöhnt, und nur Wenige, darunter Vukovics, mit Interesse angehört wurden. Ein Ausfall Adam Lázár’s auf die Revolution zwang den ehemaligen Mitkämpfer im blutigen Drama zu einer Entgegnung. Nach Schluß des Reichstags kehrte er nach England zurück und lebte in London. Obwohl auch 1872 in den Reichstag gewählt, erschien er doch nicht mehr in demselben. Ein Herzleiden trieb ihn, bevor er nach London sich begab, von Bad zu Bad. Vergebens. Vom Vaterlande fern, wurde er im Alter von 61 Jahren durch den Tod erlöst.

Croquis aus Ungarn (Leipzig 1843, O. Wigand, kl. 8°.) Bd. II, S. 261. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von). Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 44. – Springer (Anton Heinrich). Geschichte Oesterreichs seit dem westphälischen Frieden (Leipzig 1877, 8°.) Bd. II, S. 719. – Triester Zeitung 1869, Nr. 270, im Feuilleton: „Pesther Chronik“. – Ungarische illustrirte Zeitung (Pesth, gr. 4°.) 4. December 1872, Nr. 49. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 143 [bemerkt wird über Vukovics: „er war das Echo Szemere’s; als Beide in Paris waren, warfen sie sich in den verschiedenen Zeitungen ihre begangenen Fehler vor; er war kein fester politischer Charakter, kein Mann, auf den man sich verlassen könnte, wenn sich hier und da Difficultäten ereignen sollten, bei welchen vielleicht noch eine Stimme eine ernste Entscheidung bewirken könnte“]. – Nemzeti nagy képes naptár (Budapesth) 1874, S. 103, 188. – Magyarország és Nagy Világ (Pesth, gr. 4°.) 4. December 1872, Nr. 48. – Népzászlója naptára (Pesth) Band I, 1869, Seite 36.
Porträt. Unterschrift: „Vukovics Sebő“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in „Magyarország és Nagy Világ“ 1872, Nr. 48.