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BLKÖ:Woltmann, Karoline

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wołucki, Karl
Band: 58 (1889), ab Seite: 100. (Quelle)
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Woltmann, Karoline (Schriftstellerin, geb. zu Berlin 6. März 1782, gest. daselbst am 18. November, nach Anderen schon im October 1847). Die älteste Tochter des als Arzt berühmten preußischen Geheimrathes Dr. Karl Wilhelm Stosch, bekundete sie schon in ihrer Kindheit nicht gewöhnliche geistige Gaben und wurde demgemäß auch erzogen. Um sie aber auch für die Zukunft in einem ihrer Bildung entsprechenden Kreise zu wissen, vermälte man sie mit dem durch zahlreiche Schriften bekannten Gelegenheitsdichter königlich preußischen Kriegsrath Karl Müchler, der, als er 96 Jahre alt das Zeitliche segnete, trotz seiner zahllosen Schriften bereits längst vergessen war. Diese Ehe ward 1799 geschlossen, entsprach aber so wenig den gehegten Erwartungen, daß sie 1804 durch [101] denselben Willen, der sie zu Stande gebracht hatte, auch wieder getrennt wurde. Man wollte wissen, der Vater habe die Tochter genöthigt, sich von Müchler scheiden zu lassen, um sie aus dem zu liberalen Kreise, der sich um den Dichter gebildet, zu entfernen. Da aber Müchler bekanntlich der Verfasser der preußischen Volkshymne „Heil Dir im Siegerkranz“ ist, so wäre es sicher interessant, zu erfahren, aus welchen Männern denn dieser liberale Kreis bestanden habe. Während die Auflösung dieser Verbindung erfolgte, lernte Karoline den Geschichtsschreiber Karl Ludwig Woltmann, der sich eben damals als Chargé d’affaires der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg in Berlin aufhielt, kennen, und am 25. October 1805 vermälte sie sich mit demselben. Diese Ehe war eine überaus glückliche. Bei gleichen Neigungen und dem Bedürfniß nach gegenseitiger geistiger Vervollkommnung fanden sie sich bald in eine gemeinschaftliche schriftstellerische Thätigkeit hinein, welcher sie gleichzeitig oblagen. Im weiteren Verlaufe ihres Zusammenlebens half sie ihrem Manne mehr bei seinen Arbeiten, als daß sie selbst schrieb. Als die politischen Wirren ihren Gatten zwangen, im Jahre 1813 Zuflucht in der Hauptstadt Böhmens zu suchen, übersiedelte sie mit ihm nach Prag, wo sie bleibenden Aufenthalt nahm und in den Sagen des böhmischen Volkes bald einen Stoff fand, der sie anzog und den sie bearbeitete. Doch auch hier zwang sie das sich stets steigernde Leiden ihres Gatten, der übrigens von der Schriftstellerei lebte, sich mehr und mehr an seinen Arbeiten zu betheiligen, insbesondere als er, außer Stande selbst zu schreiben, ihr seine Werke in die Feder dictirte. Am 19. Juni 1817 wurde sie Witwe. Nun faßte sie den Entschluß zu einer Gesammtausgabe der Werke ihres Gatten, welche aber nur bis zum 14. Bande (1821) gedieh. Nach ihres Gatten Tode blieb sie noch einige Jahre in Prag. Ende der Zwanziger-Jahre aber kehrte sie nach ihrer Vaterstadt Berlin zurück, wo sie, fortan durch schriftstellerische Arbeiten beschäftigt, mit Unterbrechungen von Reisen bis zu ihrem Tode verblieb. Einige ihrer Schriften haben auch Beziehung zu Oesterreich, d. i. Böhmen, und zwar: „Volkssagen der Böhmen“, 2 Theile (Prag 1815, 8°.); – „Neue Volkssagen der Böhmen“ (ebd. 1820; 2. Aufl. 1835); – „Menschen und Gegenden. Deutschland und die Schweiz. Italien“, 2 Bände (Breslau 1835, 8°.). Ferner schrieb sie zur Selbstbiographie ihres Gatten einen Nachtrag, der in den „Zeitgenossen“ 1817 abgedruckt erschien, mit ihrem Gatten gemeinschaftlich über Huß, die Hussitenkriege und über Wallenstein; eine Biographie des Oberstburggrafen Grafen Kolowrat und übersetzte einiges für die Bibliothek neuer englischer Romane. Im Jahre 1824 aber übernahm sie die Redaction des Prager Unterhaltungsblattes „Der Kranz“, in welchem sie auch Gedichte und Anderes erscheinen ließ. Karoline von Woltmann war nicht nur eine ungemein begabte, sondern auch eine in Wissenschaften bewanderte Frau, deren Bildung über das Niveau selbst hochgebildeter Frauen weit hinausreichte. Sie war zu ihrer Zeit nicht ohne Einfluß auf die Entwickelung des geistigen Lebens in Prag. Als sie im Jahre 1832 Berlin verließ, um eine größere Reise nach der Schweiz und Italien zu unternehmen, schrieb sie an ihre Freundin, die Frau des Generals von Colomb, eine Serie von Briefen, in denen sie sich [102] als geistvolle Beobachterin zeigt, und die noch heute ein culturhistorisches Interesse behaupten. In den späteren Lebensjahren beschäftigte sie sich vornehmlich mit naturhistorischen Studien. Die über sie erschienenen Lebensskizzen lassen uns über ganze Zeitabschnitte dieser interessanten Frau im Dunkel, und wäre eine authentische eingehendere Biographie über sie sehr erwünscht, weil sie in literarisch und geschichtlich denkwürdigen Perioden in Berlin und Prag lebte und viel mit interessanten Zeitgenossen verkehrte.

Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar 1846, B. F. Voigt, 8°.) XXV. Jahrgang (1847) 2. Theil, S. 710–714. – Schindel (Karl Wilh. Otto August von). Die deutschen Schriftstellerinen des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig 1825, Brockhaus, 12°.) Bd. II, S. 452-457; Bd. III, S. 243. – Kurz (Heinrich). Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart (auch als 4. Bd. der Geschichte der deutschen Literatur des Verfassers) (Leipzig 1872, B. G. Teubner, schm. 4°.) Band III, Seite 525b b, 528a. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. VI, S. 187. – Erneuerte vaterländische Blätter (Wien, 4°.) 1817, Intelligenzblatt. Nr. 63.