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BLKÖ:Kudler, Joseph Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 13 (1865), ab Seite: 298. (Quelle)
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Kudler, Joseph Ritter von (Rechtsgelehrter, geb. zu Gratz in Steiermark 10. October 1786, gest. zu Wien 6. Februar 1853). In seiner Vaterstadt Gratz begann er die Studien und bezog dann die Wiener Hochschule, an der er die Rechte vollendete. Der Beruf des Lehramts zog ihn vor Allem an und ehe er noch die juridische Doctorwürde erlangt, wurde er supplirender Professor der Statistik und politischen Wissenschaften an der Wiener Hochschule. Nach erlangtem Doctorat erhielt er 1810 die Professur aus den genannten Fächern am Lyceum zu Gratz. Nach einjähriger Thätigkeit auf diesem Posten wurde er im Jahre 1821 zum Professor der politischen Wissenschaften und österreichischen politischen Gesetzkunde an der Wiener Universität ernannt. Im J. 1835 erhielt K. Titel und Rang eines k. k. Regierungsrathes, wurde 1845 dem Comité beigezogen, welches von der Studien-Hofcommission zur Berathung über die Reform des juridischen Studienwesens gebildet worden; im Jahre 1848 – nach 38 Dienstjahren – wurde er unter gleichzeitiger Enthebung vom Lehramte zum Vicedirector der juridisch-politischen Studien der Wiener Universität ernannt. Als mit der 1849 erfolgten Organisirung der akademischen Behörde das Vice-Directorat erlosch, wurde er Vorstand des Professoren-Collegiums der rechts- und staatswissenschaftlichen Facultät der Wiener Universität, darauf Präses der Staatsprüfungs-Commission, allgemeine Abtheilung, in Wien und ein Jahr vor seinem Tode mit dem Titel des k. k. Hofrathes ausgezeichnet. Bei streng wissenschaftlicher Bildung und Gründlichkeit, die er in seinen weiter unten angeführten Arbeiten bekundete, war doch sein Sinn stets auf das Praktische gerichtet und K. erscheint theils als Mitbegründer, theils als Leiter vieler industrieller, finanzieller und socialer Vereine und Unternehmungen, wie der steiermärkischen Landwirthschafts-Gesellschaft, des Lesevereins am Joanneum in Gratz, der wechselseitigen Brandschaden-Versicherungs-Anstalten in Niederösterreich und Steiermark, des n. ö. Gewerbevereins, der Eisenwerks-Actiengesellschaft in Wolfsbach, der Dampfmühlen-Gesellschaft in Wien, des Vereins für entlassene Züchtlinge, des Vereins zur Emporbringung des Flachsbaues in Oesterreich u. s. w. Das Vertrauen, dessen er sich in allen Kreisen erfreute, lenkte auf ihn die Wahl, als für Se. kais. Hoheit den Erzherzog Wilhelm ein Lehrer in den Staatswissenschaften gesucht wurde. Daß bei K.’s Tüchtigkeit als Rechtsgelehrten das Augenmerk seiner Mitbürger auch auf ihn gerichtet ward, als im Jahre 1848 die Wahlen für den österreichischen Reichsrath stattfanden, versteht sich wohl von selbst. Er wurde für Wien gewählt, welches neben ihm die Abgeordneten Bach, Brestl, Doblhoff, Fischhof, Füster, Goldmark, Neumann, Neuwall, Purtscher, Schmerling (an Pillersdorf’s Stelle), Schmitt, Schwarzer, Wessenberg und Zöpfl in den Reichsrath berief. Kudler’s Thätigkeit im Parlamente, in welchem er auf der Rechten saß, beschränkt sich auf einige Reden, die er anläßlich der Berathung der Grundrechte hielt, und zwar in der 76. (24. Kremsierer) Sitzung in der Debatte über die Zulässigkeit der Schwurgerichte bei Verbrechen, politischen und Preßvergehen; in der 78. (26. Kremsierer) Sitzung, über die Todesstrafe, gegen deren Abschaffung er spricht, während er die Abschaffung der Prügelstrafe beantragt; in der 86. (34. Kremsierer) Sitzung, in welcher er als Vorstand des volkswirthschaftlichen [299] Ausschusses in Anbetracht der großen Menge von Einläufen, welche vorliegen, beantragt, jene Stücke, welche gar keine Ausbeute für die Gesetzgebung gewähren, einfach ad acta zu legen; und in der 89. (37. Kremsierer) Sitzung, in welcher er in der Generaldebatte über die §§. 13, 14 und 15 der Grundrechte, mit denen den österreichischen Staatsbürgern die Glaubensfreiheit gewährleistet und das Verhältniß zwischen Staat und Kirche festgestellt werden soll, einerseits für volle Glaubensfreiheit, andererseits für die Fortdauer der Einflußnahme des Staates in Sachen der Kirche sprach. Kudler war kein glänzender Redner, er verdeckte nicht hohle Phrasen mit dem Flitter der Redefiguren, geistreicher Axiome, u. dgl. m.; aber was er sprach, war klar, bündig, logisch und verfehlte eben dadurch seine Wirkung nie. Im Parlamente erschien K. als Mann, der die Freiheit will, vor Allem aber Achtung für das Gesetz fordert, weil jene eben nur durch diese erreichbar ist. Für seine Verdienste um Staat und Wissenschaft wurde K. mit Allerh. Entschließung vom 30. October 1849 mit dem Ritterkreuze des Leopold-Ordens ausgezeichnet, welcher Verleihung statutengemäß im Jahre 1851 die Erhebung in den erbländischen Ritterstand folgte. Als Fachschriftsteller hat K. nachstehende selbstständige Werke und andere in gelehrten Fachschriften enthaltenen Arbeiten veröffentlicht: „Erklärung des Strafgesetzes über schwere Polizei-Uebertretungen mit Berücksichtigung der auf dasselbe sich beziehenden später erlassenen Gesetze und Erläuterungen“, 2 Bde. (Wien 1824, 8°.; 2. Aufl. 1827; 3. Aufl. 1831; 4. Aufl. 1836; 5. Aufl. 1841; 6. Aufl. 1848); die sechste Auflage besorgte Professor Dr. Hye; auch sollte dieselbe 3 Bände umfassen, jedoch wurde der Druck durch äußere Umstände beim dritten Bande unterbrochen. Von diesem Werke erschienen nicht weniger denn vier italienische Uebersetzungen, u. z. von Paolo de Prato (Mailand 1825), von Gius. Rossi (Verona 1829), von Leandro de Canussio (Mailand 1829) und die vierte von den Herausgebern der „Annali universali delle scienze e dell’ industria“; – „Versuch einer tabellarischen Darstellung des Organismus der österreichischen Staatsverwaltung mit erläuternden Anmerkungen“ (Wien 1834, gr. Fol.); – „Die Grundlehren der Volkswirthschaft“, 2 Bde. (Wien 1846); – in der steiermärkischen Zeitschrift, Jahrg. 1821: „Steiermarks Volkszahl in den Jahren 1819 und 1820, nebst vergleichenden Rückblicken auf frühere Jahre“ (1. Heft); – „Steiermarks Viehstand in den Jahren 1819 u. 1820, mit einigen Rückblicken auf frühere Jahre“ (2. Heft); – Jahrg. 1824: „Ueber die Beziehung der Wissenschaften zum staatsbürgerlichen Leben“ (5. Heft); – „Ueber die Vorzüge der Versicherungs-Anstalten mit wechselseitiger Gewährleistung vor jenen, welche als gewinnbringende Unternehmungen begründet werden“; – in der Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit, deren Redaction K. nach Wagner’s Tode im Jahre 1834 übernahm und mit Dolliner, seit 1838 auch mit Fränzl, seit 1840 mit Stubenrauch und seit 1846 auch mit Tomaschek führte, waren folgende Abhandlungen K.’s enthalten: im Jahrg. 1825: „Ueber die angebliche schwere Polizei-Uebertretung des auffallenden Umganges mit einer verehelichten Person“ (7. Heft); – im Jahrg. 1827: „Beiträge zur richtigen Erklärung des §. 251 des 2. Theiles des Strafgesetzbuches“; – „Ueber die Verjährung des Ehebruchs nach dem österreichischen Strafgesetze“; – „Ueber die Bestimmung [300] der Größe der Strafe in Urtheilen, welche über begangene schwere Polizei-Uebertretungen geschöpft werden“; – im Jahrg. 1847: „In wiefern ist es zulässig, bei der Ausübung des Richteramtes über schwere Polizei-Uebertretungen aus Bestimmungen des 1. Theils des allgemeinen Strafgesetzes Bedacht zu nehmen“; – endlich in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften, philos.-histor. Classe: „Ueber Gesetze, welche die Forderung von Capital-Zinsen im Privatverkehre beschränken“ (im VII. Bde.). Seine beiden zuerst in der Zeitschrift für österr. Rechtsgelehrsamkeit abgedruckten Nekrologe des Hofrathes Franz Edler von Zeiller und des Hofrathes Dr. Thomas Dolliner sind auch in besonderen Ausgaben in Folio mit den Bildnissen der Verstorbenen erschienen. Außerdem enthält die genannte rechtswissenschaftliche Zeitschrift mehrere und darunter sehr umfassende Recensionen Kudler’s, als über Quadri’s „Geschichte der Statistik“; über Fauller’s „Gesetze für die Polizeiverwaltung in Oesterreich“; über Kremer’s „Steuerwesen“ und desselben „Veränderungsgebühren“; über Fränzl’s Werk: „Ueber Zölle, Handelsfreiheit, Handelsvereine“ u. s. w. Mehrere periodische Blätter, u. a. die Wiener-, Gratzer-, Preßburger-Zeitung, dann die im Jahre 1848 erschienene Donau-Zeitung, der Gratzer Aufmerksame enthalten von K. kleinere publicistische und nationalökonomische Aufsätze. Im Nachrufe, welchen der Generalsecretär der kais. Akademie der Wissenschaften, deren wirkliches Mitglied Kudler seit dem 17. Juli 1848 war, dem Verblichenen widmet, wird die wissenschaftliche Thätigkeit K.’s mit folgenden bezeichnenden Worten gewürdigt: „In allen Schriften“, heißt es dort, „zeigt sich eine seltene Verbindung von wissenschaftlichem Geiste und praktischem Tact, von scharfem dialektisch geübten Verstande, aber gezügelt durch Lebenserfahrung und nie in leere Sophistik oder haarspaltende Theorien sich versteigend; von synthetisch combinatorischer Kraft, aber auf dem festen Boden des Positiven fußend und immer das Gegebene und Mögliche im Auge behaltend. So gelang es ihm in die wirre Masse statistischer Daten Ordnung und Klarheit zu bringen, in den vielfach verschlungenen staatlichen und socialen Zuständen und Einrichtungen die leitende Idee, den organischen Verband herauszufinden; selbst in den theoretischen Abstractionen der philosophischen Politik und Nationalökonomie nie die Wirklichkeit, die Menschen, die Zustände, wie sie nun einmal sind, zu vergessen und nicht wie so viele seiner Fachgenossen Schemen und Utopien nachzujagen; so gelang es ihm in den nun einmal nöthigen polizeilichen Vorbeugungs- und Strafgesetzen den humanen Geist, der sie dictirte, und die Klugheit, die sie gegebenen Verhältnissen anpassen muß, mit wissenschaftlicher Schärfe nachzuweisen“.

Ritterstands-Diplom vom 27. Februar 1851. – Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften (Wien, 8°.) XV. Jahrg. (1854), S. 87 [im Jahrg. 1851 desselben „Almanachs“ befindet sich S. 233–235 das Verzeichniß seiner Schriften]. – Verhandlungen des österreichischen Reichstages nach der stenographischen Aufnahme (Wien, Staatsdruckerei, 4°.) 1848, Bd. IV, S. 528, 590; Bd. V, S. 62, 63 u. 126. – Oesterreichisches Morgenblatt (Wien, 4°.) 1837, Nr. 44. – Porträt. Unterschrift: Dr. Jos. Ritter v. Kudler, Hofrath und Präses der Staatsprüfungs-Commission in Wien. Kriehuber] (lith.) (Wien, Halb-Fol.). – Wappen. Blauer, mit einer schmalen goldenen Einfassung versehener Schild. Aus dem Fußrande desselben ragt ein grüner Berg empor, hinter dessen Gipfel eine goldene Sonne im vollen Strahlenglanze hervorbricht. Auf dem Schilde ruhen zwei zueinandergekehrte gekrönte Turnierhelme. [301] Auf der Krone des rechten Helms erscheint ein pfahlweise gestellter, mit goldenem Rahmen und Stiele versehener, einwärts gekehrter ovaler Spiegel, um den sich eine dreimal gekrümmte grüne Schlange hinanwindet und in denselben blickt. Auf der Krone des linken Helms sind in Form eines Andreaskreuzes übereinander gestellt zu sehen ein blankes Schwert mit goldenem Gefäße und ein von rothen Riemen umwundenes, mit dem blanken Beile versehenes Lictorenbündel. Die Helmdecken sind zu beiden Seiten blau mit Gold belegt.