BLKÖ:Parhamer, Ignaz
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 21 (1870), ab Seite: 296. (Quelle) | |||
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Maria Theresia an Parhamer die Aufsicht über die Trivialschulen übertragen, und zwei Jahre später erschien Parhamer’s in der Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens epochemachender „Katechismus für drei Schulen und mit gewöhnlichen Schulgesängen“ (Tyrnau 1750–1732, 8°.), welches treffliche Elementarbuch in allen Druckereien Oesterreichs und Ungarns oft gedruckt und in die ungarische, serbische und böhmische Sprache übersetzt wurde. An dieses Volksbuch schließt sich der „Historische Katechismus mit historischen Fragen, Glaubens- und Sittenlehren“, 3 Theile (Tyrnau 1752 u. öfter, mit Abbildungen). Im Jahre 1754 wurde P. Missionär der Wiener Erzdiöcese und bald darauf Vorsteher der katechetischen Missionen in Oesterreich, Steiermark, Kärnthen, Krain und Tirol. Er durchreiste nun im directen Aufträge der Kaiserin die genannten Länder und führte in den Hauptstädten während der Missionszeit die sogenannten Christenlehr-Bruderschaften ein. Auf diesen Reisen trug er nach Art der Pilgrime Pilgerstab und Mantel und ließ sich den Bart wachsen. In den Orten, wo er nun hinkam, hielt er seine geistlichen Vorträge, denen Alt und Jung oft aus fernen Gegenden zuströmte, so daß die Kirchen die Menge der herbeigekommenen Zuhörer nicht zu fassen vermochten. In seinen Vorträgen sprach er nicht von Politik und den äußeren geschichtlichen Vorgängen, die ihn, den Seelsorger, ja gar nichts angingen, wohl aber rügte und strafte er sündige Handlungen sowohl der Vornehmen, wie der Geringen ohne Scheu und ohne Leidenschaft, nie als richtender Gott, sondern als rathender, selbst der Sünde unterworfener[WS 1] Priester. Sein Vortrag war ebenso würdevoll als volksthümlich. Wenn er in seinen Predigten die in den höheren Ständen um sich greifenden Handlungen des Uebermuthes, den Luxus in Gewändern und an der Tafel, die Gleichgiltigkeit gegen die Religion und ihre heiligen [297] Lehren, die Bedrückung der Untergebenen u. s. w. ernst rügte, so legte er ebenso auch dem niederen Volke seine Laster und Gebrechen nahe, tadelte seine Trunksucht und Arbeitscheu, hielt ihm seine Ueberhebung gegen Gott und die Obrigkeit, die Nichterfüllung seiner Pflichten in eindringlicher Weise vor und verschonte so Niemand, übertrat aber auch nie die ihm durch Zweck und Sitte gegebenen Schranken, wirkte immer als Seelenfreund und verirrte sich nie auf das publicistische Gebiet, das mit jenem der Kirche, seit Christus gelehrt, nie etwas gemein gehabt hat. Die Wirkung, die dieser edle Priester überall hervorbrachte, war so groß, daß, obgleich er sich jede Ehrenbezeugung, jeden feierlichen Empfang auf das Entschiedenste verbat, seine Reise zuletzt doch einem Triumphzuge glich. Im Jahre 1758 wählte Kaiser Franz I. Stephan, Maria Theresia’s Gemal. den Pater Parhamer zu seinem Beichtvater; nach des Kaisers Tode wurde P. Beichtvater der Erzherzogin Elisabeth. Auch begleitete er den Hof auf verschiedenen Reisen, so 1764 zur Wahl und Krönung Joseph II., 1765 zum Beilager des Erzherzogs Leopold nach Innsbruck. Endlich aber sollte dem würdigen, ja hochwürdigen Priester ein Wirkungskreis angewiesen werden, zu dem er ganz besonders berufen war und durch den vornehmlich die Erinnerung an ihn bei der Wiener Bevölkerung noch heute lebendig geblieben und es wohl noch lange bleiben wird. Im Jahre 1759 übertrug die Kaiserin dem wackeren Pater die Leitung des Wiener Waisenhauses, das ursprünglich[WS 2] die Stiftung des Wiener Bürgers Michael von Kienmayr ist. Das Waisenhaus nahm damals die umfangreichen, weitläufigen Räume der Artillerie-Gebäude am Rennwege und der Landstraße ein, wozu die Kaiserin auf Parhamer’s Anrathen noch die anliegenden Gebäude und Gründe kaufte, so daß diese ausgedehnten, mehrere Höfe haltenden Gebäude die Wohnungen für sämmtliche Kinder, das Lehr- und Wartepersonale, die Lehrzimmer, das Spital für die kranken Kinder, ein Kinderbad u. dgl. m. umfaßten. Unter P.’s umsichtiger Leitung wuchs diese philantropische Anstalt in erstaunlicher Weise. Als er sie im Jahre 1759 übernahm, enthielt sie nur 185 Knaben und 123 Mädchen. Im Jahre 1774 war diese Zahl fast auf das Dreifache, und zwar auf 548 Knaben und 247 Mädchen gestiegen. Nähere Angaben über die Zunahme dieses Instituts, über seine Dotirung und Organisirung sind in Schimmer’s, in den Quellen näher bezeichneter „Biographie des Pater Parhamer“ enthalten. Nur einige allgemeine Andeutungen mögen zum Verständniß des Wirkens Parhamer’s hier folgen. Außer dem gewöhnlichen Elementarunterrichte wurde den Knaben ein Handwerk, das Spiel auf einem Instrumente gelehrt und gewisse Tagesstunden waren zu militärischen Uebungen bestimmt. Die Mädchen erhielten Unterricht in allen Arten von Näharbeit, im Sticken, Netzen, Spitzenklöppeln und hatten überdieß die Zurichtung und Instandhaltung der Hauswäsche zu besorgen. Die Handwerke, welche durch eigene Meister im Hause gelehrt wurden, waren: Schneiderei, Schusterei, Tischlerei. Der Musikunterricht zerfiel in die Singschule, an der auch die Mädchen theilnahmen, und in die Ausbildung auf verschiedenen Instrumenten. Das Waisenhaus besaß so eine vollständige Capelle, welche sich in die ordinäre Bande und in die ganze türkische Musik theilte, welche letztere im Kirchendienste [298] verwendet wurde und bei militärischen Festlichkeiten aufzog. Die Knaben vom 8. Jahre aufwärts waren auf militärische Weise in Compagnien abgetheilt, welche sich durch die Farbe der Aufschläge von einander unterschieden. Im Ganzen bildeten sie vier Compagnien, jene der Kanoniere mit acht kleinen Feldstücken; jene der Grenadiere und zwei Füselier-Compagnien. Jede Compagnie war vollständig ausgerüstet und hatte vollzählig ihre Chargen vom Hauptmann abwärts. Ein im Hause wohnender kaiserlicher Officier führte die Leitung der Exercitien und Wachen; erstere wurden von der kleinen Mannschaft – das Exerciren im Feuer mit den Gewehren und Feldstücken mitinbegriffen – mit einer Präcision ohne Gleichen ausgeführt. An großen Kirchenfesten und sonstigen Erinnerungstagen des Waisenhauses fanden große Kirchenparaden Statt. So schwang sich das Waisenhaus zu einer der ersten Sehenswürdigkeiten von Wien empor und kein Reisender versäumte es zu besuchen. Wohl fehlte es nicht an Tadlern, welche diese militärische Einrichtung[WS 3] verwarfen und es erschien dagegen sogar eine besondere Broschüre, gegen deren erbitterten Inhalt P. folgende Schrift richtete: „Vollkommener Bericht von der Beschaffenheit des Waisenhauses Unserer Lieben Frauen am Rennwege u. s. w.“ (Wien 1774), worin P. alle Angriffe abwehrte und überdieß die ganze Organisation des Institutes darstellte. Ueberdieß muß bemerkt werden, daß nicht Parhamer diese militärische Organisation eingeführt hat, denn diese bestand schon seit dem J. 1747 und Parhamer hatte erst im Jahre 1759 die Leitung des Waisenhauses übernommen. Aber als er die Nützlichkeit dieser Exercitien und des ganzen militärischen Organismus erkannte, behielt er nicht nur Alles, wie er es vorgefunden, bei, sondern war noch auf dessen weitere Ausbildung bedacht, was ihm denn auch von den Wienern, die überdieß mit dem Ganzen sehr wohl zufrieden waren, den Titel: „Kinder-General“ eintrug. Unter Parhamer’s Leitung nahm das Institut, wie schon angedeutet worden, in erfreulichster Weise zu, die wohlthätigen Stiftungen mehrten sich, selbst vermögende Eltern brachten ihre Kinder gegen Kostgeld im Waisenhause unter, und die Erzherzoge Leopold (nachmaliger Kaiser), Ferdinand, Karl und Maximilian hatten den ersten militärischen Unterricht in Parhamer’s Institute genossen. Unter den hohen Fremden, welche dasselbe besuchten, ist des Papstes Pius VII., der im Jahre 1782 in Begleitung des Erzherzogs Maximilian dahinkam, zu gedenken. Mittlerweile war Parhamer von der Kaiserin im Jahre 1777 zum Titularpropst von Drozzo in der Erlauer Diöcese, im Jahre 1782 aber zum infulirten Abte von Lecker in der Waitzner Diöcese ernannt worden. Der Kaiser übertrug ihm die Oberdirection der Armencasse und sämmtlicher milden Stiftungen in Oesterreich, sowie jene des Findelhauses. Bei der neuen Pfarreintheilung im Jahre 1783 wurde die Kirche des Waisenhauses zur Pfarre erhoben und Propst P. zum Pfarrer an derselben ernannt. Im Jahre 1784 traten mit dem Waisenhause große Veränderungen ein, es wurde vom Rennweg in das sogenannte spanische Spital in der Alservorstadt versetzt, wo die beschränkteren Räumlichkeiten eine Verminderung der Zöglinge und die Ausschließung der Kostkinder nothwendig machten. Propst P. wurde Oberdirector der sämmtlichen Waisenhäuser in der Monarchie [299] und Beisitzer der Stiftungs-Hofcommission, versah überdieß sein Pfarramt und hielt alle Predigten selbst. Zu Anfang des Jahres 1786 stellten sich die Anzeichen des Uebels ein, dem er wenige Monate später, im Alter von 71 Jahren, erlag. Am Tage vor seinem Tode hatte er noch die Messe auf seinem Zimmer gelesen. Am 3. April fand seine Bestattung unter dem Zulaufe einer unübersehbaren Menschenmenge aus allen Ständen Statt, der Erzbischof Migazzi mit der gesammten, hohen Geistlichkeit wohnte der Einsegnung bei. Als Kaiser Joseph die Nachricht von dem Tode des würdigen Priesters erhielt, that er den Ausspruch: „Wir haben einen rechtschaffenen Mann verloren“. Als geistlicher und pädagogischer Schriftsteller hat P. wohl auch gewirkt und hat außer den schon erwähnten Schriften noch herausgegeben: „Die Regeln der Christrenlehr-Bruderschaft und Auslegung derselben laut den päpstlichen Bullen S. Pii V. und Pauli V.“ (Tyrnau 1751, 8°., u. dann noch öfter); – „Schulregel für Eltern, Kinder und Lehrer“ (Wien 1750); – „Allgemeine Missionsbüchlein“ (1771 u. noch öfter, 12°.). Außer dem oben angeführten „vollkommenen Bericht von der Beschaffenheit des Waisenhauses“ hatte er schon in den Jahren 1772 und 1773 Berichte über die Anstalt (mit K. K.), nunmehr bibliographische Seltenheiten, veröffentlicht. Eine Sammlung seiner Kanzelvorträge ist leider nicht vorhanden. Für das Waisenhaus hatte er noch am 2. Juni 1785 eine Stiftung von 1600 fl. für einen armen Knaben aus seinem Geburtsorte Schwanstadt gemacht, deren Präsentationsrecht der Magistrat von Schwanstadt hat.
Parhamer, Ignaz (Humanist, Priester der Gesellschaft Jesu, geb. zu Schwanstadt in Oberösterreich 15. Juni 1715, gest. zu Wien 1. April 1786). Der Sohn wohlhabender Eltern, der die unteren Schulen in seinem Geburtsorte, das Gymnasium und die philosophischen Jahrgänge aber in Linz besuchte, wohin seine Eltern übersiedelt waren. Nach beendeter Philosophie wollte er in den Jesuitenorden eintreten, wurde aber seiner schwächlichen Gesundheit wegen nicht angenommen. Nun begab er sich nach Wien, wo er die Theologie studirte. Endlich, als er am 17. October 1734 im Jesuitencollegium zu Trencsin als Mitglied aufgenommen wurde, war sein Lieblingswunsch erreicht und ward er nach beendeten Lehrjahren sofort im Lehramte verwendet. So trug er zwei Jahre Humaniora zu Belgrad, ein Jahr Poesie und Rhetorik zu Erlau und ebenso lange zu Neusohl vor. Nun kam er nach Tyrnau, wo er durch drei Jahre als Katechet der deutschen Jugend thätig war. Im Jahre 1744 erlangte er die Priesterweihe, im Jahre 1747 in Wien die philosophische Doctorwürde, indem er zugleich den Religionsunterricht an der akademischen Kirche und bis 1754 jenen an der Kirche auf dem Hofe besorgte. Früher schon, 1748, hatte die Kaiserin- Schimmer (Karl August), Bilder aus der Heimath. Oesterreichische Volksschrift u. s. w. (Wien 1853, A. Pichler’s Witwe u. Sohn, gr. 8°.) S. 270 [daselbst auch sein Bildniß in schlechtem Holzschnitt; nach diesem gestorben am 1. April 1786]. – Constitutionelle Volkszeitung (Wien) 1867, Nr. 34: „Der Beichtvater Joseph’s II.“ – Kamerad (Wiener Soldatenblatt, 4°.) 1865, Nr. 19. – Stoeger (Joh. Nep.), Scriptores Provinciae Austriacae Societatis Jesu (Viennae 1855[WS 4], Lex. 8°.) p. 252 [nach diesem gest. 1. März 1786]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 155. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1808, Gerh. Fleischer, 8°.) Bd. X, S. 282 [nach diesem gest. 1. April 1786]. – (De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, v. Trattnern, 8°.) I. Bandes 2. Stück, S. 6. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilung, Bd. II, S. 597 [nach diesem gest. im Jahre 1788]. – Geusau (Anton Reichsritter v.), Geschichte der Stiftungen, Erziehungs- und Unterrichtsanstalten in Wien u. s. w. (Wien 1803, 8°.) S. 337.