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BLKÖ:Migazzi zu Wall und Sonnenthurn, Christoph Bartholomäus Anton Graf

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 244. (Quelle)
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Migazzi zu Wall und Sonnenthurn, Christoph Bartholomäus Anton Graf (Erzbischof von Wien, geb. zu Innsbruck 23. November 1714, gest. zu Wien 15. April 1803). Entstammt einer altadeligen Familie aus dem Veltlin in Tirol, über welche die Quellen (S. 248) nähere Nachrichten enthalten. Sein Vater war Regierungsrath in Innsbruck und seine Mutter Barbara Katharina eine geborne Prato. Der religiöse Sinn, der sich bereits im Wesen des Knaben aussprach, blieb auch im Jünglingsalter vorherrschend und bestimmte ihn, sich dem geistlichen Stande zu widmen. Um die theologischen Wissenschaften in gründlicher Weise sich anzueignen, schickten ihn die Eltern nach Rom, wo er im deutschen Collegium seine priesterliche Ausbildung erhielt. Nach seiner Rückkehr aus Rom wurde er zuerst Domherr des Hochstiftes Brixen, dann in Trient, und darauf Prior zu St. Leonhard in Borghetto und zu St. Aegyd in Valsugana. Im Jahre 1745 ernannte ihn Kaiser Franz I. Stephan bei seiner Krönung zum Auditor rotae für die deutsche Nation. Die Kaiserin Maria Theresia, die ihm ganz besonders ihr Vertrauen zuwendete, bediente sich seiner Talente während des Successionskrieges in wichtigen diplomatischen Geschäften, die er ganz zu ihrer Zufriedenheit vollzog. Im Jahre 1751 begehrte ihn von der Kaiserin der Cardinal d’Alsace, Erzbischof von Mecheln, zum Coadjutor seiner Primatialkirche. Im nämlichen Jahre wurde er auch zum Erzbischof von Karthago und zum wirklichen geheimen Rathe ernannt. Von einer Reise nach Rom zurückgekehrt, schickte ihn die Kaiserin im Jahre 1752 als Gesandten zu König Ferdinand VI. nach Madrid, wo er den Tractat unterzeichnete, der zur [245] Erhaltung der Ruhe zwischen der Kaiserin als Königin von Ungarn, und den Königen von Spanien und Sardinien am 1. Juni 1752 zu Aranjuez geschlossen wurde. Im Jahre 1756 kehrte er nach Wien zurück und erhielt in kurzer Zeit das Bisthum Waitzen, von dem er aber schon im folgenden Jahre abberufen ward, um die erzbischöfliche Würde in Wien zu übernehmen. Das in Folge dessen niedergelegte Bisthum Waitzen erhielt er zu seinem Erzbisthum im Jahre 1761 von Neuem, behielt es aber nur so lange, bis er es einer Verordnung des Kaisers Joseph II. zufolge, nach welcher keine geistliche Person zwei mit der Seelsorge verbundene Pfründen zugleich verwalten oder besitzen dürfe, wieder abtrat. Am 22. November 1761 erhob ihn Papst Clemens XIII. zum Cardinal. Erzbischof Migazzi, der 52 Jahre Bischof gewesen und durch 46 Jahre der Kirche von Wien als Oberhirt vorgestanden, hat unter vier Kaisern eine denkwürdige Epoche zurückgelegt und in der Josephinischen Periode einen harten Kampf bestanden. Was seine oberhirtliche Thätigkeit[WS 1] zunächst betrifft, so lag ihm besonders die Zierde der Gotteshäuser am Herzen; er ließ die Kirchen in Atzgersdorf und Neudorf aus Eigenem mit großem Kostenaufwande ganz neu erbauen, andere, wie in Penzing und Vösendorf, ließ er bedeutend erweitern und verschönern. Täglich fuhr er in jene Kirche, in welcher das vierzigstündige Gebet gehalten wurde, und brachte daselbst zwei Stunden in der Anbetung des allerheiligsten Altarssacramentes zu; nicht selten spendete er selbst den Kranken die heiligen Sterbesacramente, hielt in verschiedenen Kirchen salbungsvolle Predigten, vermehrte die Pfarreien und erweiterte die Pflanzschule zur Bildung der Geistlichkeit, indem er das Alumnat von St. Barbara in das Churhaus von St. Stephan übersetzte, und die Plätze in demselben bedeutend vermehrte; er ließ zu Mödling ein Exercitienhaus erbauen, und führte daselbst zur fortwährenden Belebung des Eifers der Seelsorger geistliche Uebungen ein, welche jährlich zweimal gehalten wurden, an denen sich dann die Seelsorger abwechselnd betheiligten. Aber nicht minder denkwürdig erscheint Migazzi’s Thätigkeit für Waitzen, wo er, obgleich er dessen Bischof nur einige Jahre gewesen, sich doch in dieser kurzen Zeit durch sein segensvolles Wirken den Beinamen „Waitzens neuer Schöpfer“ erworben hat. So erbaute er dort die majestätische, der St. Peterskirche in Rom nachgebildete Kathedrale, die imposante bischöfliche Residenz, das Seminar und Deficientenhaus; stiftete sechs Domherren aus den bischöflichen Einkünften; errichtete das Kloster der barmherzigen Brüder, einen Theil des Piaristen-Collegiums und einen andern großen Theil des Theresianums, welches später Ludoviceum hieß; legte ferner zum Vergnügen der Bewohner von Waitzen außerhalb der Stadt einen reizenden Garten an, zu welchem eine stattliche schattige Allee führt; bepflanzte einen großen Theil des Donauufers mit Bäumen und belegte ihn mit Quadersteinen. Er stiftete ein Convict für die ärmere adelige Jugend, und unter ihm wurden die Gassen der Stadt gepflastert, das Rathhaus und mehrere andere öffentliche Gebäude theils verbessert, theils erweitert. In wie hohem Maße er sich der Huld und der Gnade der Kaiserin Maria Theresia erfreute, so schwierig wurde seine Lage in Anbetracht seiner Grundsätze und Ansichten, für die er mit der ganzen Kraft seiner priesterlichen Stellung eintrat, als Kaiser Joseph seine [246] weisen Reformen auch im kirchlichen Gebiete eintreten ließ. Aber eben in diesem Kampfe zwischen dem Kaiser und der Kirche zeigte es sich, wie in neuester Zeit das Bild des großen Habsburgers von der einen Seite entstellt, von der andern Seite in fast lügenhafter Weise ausgebeutet wurde. Als Kaiser Joseph II. zur Alleinregierung kam, war Cardinal Migazzi bereits ein hoher Sechziger. Abgesehen davon, wie die hier benützte Quelle treffend bemerkt, daß hinter dem Cardinal eine ganz andere Zeit lag, als hinter dem um so viel jüngeren Kaiser, mußte bei ihnen schon der Unterschied des Standes und der Jahre ziemlich abweichende Anschauungen hervorrufen. Beide, obschon stets von aufrichtiger Hochachtung für einander durchdrungen, waren doch ein jeder ganz andere Wege zu gehen gesonnen und gewohnt. Sie verstanden einander nicht, und dieser Umstand brachte bei den nahen Beziehungen, in welchen sie fortwährend sich befanden, unstreitig manche Nachtheile mit sich: das weltliche und das geistliche Regiment geriethen dabei gewissermaßen in ein ähnliches Verhältniß des gegenseitigen Mißverstehens, wie es bei den Repräsentanten selbst der Fall war. Joseph ehrte die trefflichen Eigenschaften des Cardinals, aber er war häufig einer entgegengesetzten Ansicht, und es fehlte an persönlichen Berührungspuncten, um einander gegenseitig Rechnung zu tragen und sich zu verständigen. Der Kaiser pflegte diese seine entgegengesetzte Ansicht niemals zu verhehlen, aber er erwies gleichwohl bei jedem Anlasse dem Cardinal die ehrendsten Rücksichten, überging ihn bei keiner Frage, deren Entscheidung demselben gebührte, und ließ ihm in Bezug auf die Verwaltung seiner Diöcese, besonders hinsichtlich der Aufrechterhaltung der geistlichen Disciplin, welche Joseph mit aller Energie gehandhabt wissen wollte, beinahe völlig freie Hand. Die nicht selten zügellose Presse glaubte aus den Meinungsverschiedenheiten, die zwischen dem manneskräftigen Monarchen und dem greisen Oberhirten sich bisweilen äußerten, das Recht zu schöpfen, den Cardinal zum Gegenstande ihrer Diatriben machen zu dürfen. Der Kaiser aber verhinderte alle solchen Ausbrüche und ließ in dergleichen Fällen den Cardinal selbst Richter sein. Als eine ähnliche Schrift im Censurwege zu seiner Kenntniß kam, resolvirte er: „Diese Pièce ist dem Cardinal zu communiciren, mit dem Bedeuten, daß er sich darüber äußern möchte, ob er sich in selber getroffen finde oder nicht, und also ob selbe admittiret oder verboten werden solle, weil ihm, als hiesigen Erzbischof und Oberhirten alle Rücksicht gebührt, daß nichts von seiner Person gedruckt werde, wodurch er sich könnte beleidigt halten“ (6. October 1783). Dr. Meynert in seiner Schrift: „Kaiser Joseph II. Ein Beitrag zur Würdigung des Geistes seiner Regierung. Nach archivalischen Quellen“ (Wien 1862) gibt eine ausführliche Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Kaiser und dem Cardinal. Letzterem mochte insbesondere seine Sinnesänderung in gewissen Puncten, über welche er in früherer Zeit viel strenger dachte und sich äußerte als in späteren Jahren, in der öffentlichen Meinung sehr abträglich geworden sein. So ist bekannt, daß Migazzi als Erzbischof anfänglich in die Privilegien der Jesuiten die entschiedensten Eingriffe machte, daß er den ausdrücklichen Ausspruch that, daß die ersten Gesetze ihrer Gesellschaft gar nicht mehr befolgt, ja daß in ihren Schulen Dinge gelehrt wurden, [247] die er nicht billigen konnte. Als aber Migazzi Cardinal geworden, änderte er plötzlich seine Gesinnung gegen den Orden. Papst Clemens XIII. und seine Schützlinge, die Jesuiten, wendeten Alles an, um ihn für ihre Interessen zu gewinnen, und, wie man schreibt, soll Migazzi’s Wunsch, vom päpstlichen Hofe Dispens zu erhalten, damit er nebst dem Erzbisthum von Wien auch noch das sehr einträgliche Bisthum Waitzen in Ungarn erhalte, das meiste zur Sinnesänderung des Cardinals beigetragen haben. Für diese Dispens aber verlangte Papst Clemens von dem Erzbischof Migazzi die Auswirkung eines Verbotes gegen den Febronius in Oesterreich, ein Werk, welches den Unfug der Jesuiten scharf rügte. Migazzi betrieb diese Angelegenheit auf das Eifrigste, allein weder van Swieten noch die Kaiserin waren geneigt, sein Begehren zu genehmigen, und sein nicht geringer Einfluß war doch nicht mächtig genug, das Schicksal des Ordens abzulenken. Trotz alledem lassen sich aber Migazzi’s Verdienste um seine beiden Diöcesen Wien und Waitzen, wie oben in übersichtlicher Weise mitgetheilt worden, nicht läugnen. Der Graf war ein gewandter Kirchenredner, und eine Sammlung seiner kirchlichen Vorträge ist unter dem Titel: „Geistliche Reden der verschiedenen Gelegenheiten“ (Augsburg 1784, Doll, 8°.) gedruckt erschienen. Die Ausgaben einzelner seiner Festreden führt der „Catalogus Bibliothecae hungaricae Francisci com. Széchényi“ (Sopronii 1791, Siess, 8°.) Pars II, p. 55 et 56, und das Supplementum I. (Posonii 1803, Belnai, 8°.) p. 379, auf. Noch ist, und zwar als bibliographische Seltenheit anzuführen seine „Gehorsamste Vorstellung an S. R. k. k. Majestät Joseph II. in Betreff des Buches Monachologia“ (s. I. 1784, 8°.), dessen Verfasser der berühmte Mineralog Hofrath von Born [Bd. II, S. 71] ist. Cardinal Migazzi starb im hohen Greisenalter von 89 Jahren, nachdem er seit 1756 unter vier Kaisern, Franz I. Stephan, Joseph II., Leopold II. und Franz II., seine hohe Kirchenwürde bekleidet hatte.

Baur (Samuel), Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem ersten Jahrzehend des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 70 [nach diesem geb. am 23. November 1714, gest. am 15. April 1803]. – (Ranft, Michael) Merkwürdige Lebensgeschichte aller Cardinäle der röm. katholischen Kirche, die in diesem laufenden Säculo das Zeitliche verlassen haben (Regensburg 1768 u. f., Montag, 8°.) Bd. IV, Abthlg. 1, S. 180; Abthlg. 2, S. 490. – (Schwaldopler) Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts [auch unter dem Titel: Historisches Taschenbuch]. Mit besonderer Hinsicht auf die österreichischen Staaten (Wien, A. Doll, 8°.) III. Jahrgang, Geschichte des Jahres 1803, S. 193 [nach diesem gestorben 14. April 1803]. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) Jahrgang 1824, Nr. 152 u. 153, S. 825, im Aufsatze: „Denkmale der Wohlthätigkeit des ungarischen Clerus“, von Dr. L. Hohenegger. – (Gräffer, Franz) Josephinische Curiosa (Wien 1848, in Commiss. bei Klang, 8°.) Bdchn. II, Nr. 20, S. 206: „Kaiser Joseph und die Jesuiten“; Bdchn. IV, Nr. 47, S. 201: „Hofrath Born, Cardinal Migazzi und der Kaiser“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 664 [nach dieser gest. 27. April 1803]. – Realis, Curiositäten- und Memorabilien-Lexikon von Wien. Herausgegeben von Anton Köhler (Wien 1846, gr. 8°.) Bd. II, S. 187 [nach diesem geb. 18. October 1714, gest. 27. April 1803]. – Oesterreichischer Zuschauer, redigirt von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) Jahrg. 1836, Nr. 128, S. 1292 [nach diesem geboren 24. October 1714]. – Salzburger Kirchen-Blatt (4°.) 1863, Nr. 188, S. 149 [nach diesem gest. 27. April [248] 1803]. – Pest-Ofner Zeitung 1861, Nr. 275, im Feuilleton: „Die Migazzi-Burg“. – Oesterreichische Zeitung (vormals Oesterreichischer Lloyd) (Wien) 1857, Nr. 308, im Feuilleton, im Aufsatze: „Wiener Sommerfrischen und ihre Geschichte. 13. St. Veit an der Wien“. – Oesterreichischer Volksfreund (Wiener Journal), im Beiblatt das Sonntagsblatt 1856, S. 67. – Huš (Prager kirchl. Blatt, 8°.) 1862, Nr. 5, S. 136: „Císař Josef II a kardinal arcibiskup vídeňský“. – Eunomia, eine Zeitschrift des neunzehnten Jahrhunderts, von Ignaz Feßler, J. G. Rhode u. s. w. (Berlin, Maurer’s Buchhandlung, gr. 8°.) Jahrgang 1805, Bd. I, S. 108. – Meynert (Dr.), Kaiser Joseph II. (Wien 1862, 8°.) S. 25–27 [enthält eine auf quellenmäßiger Forschung beruhende Darstellung des Verhältnisses Migazzi’s zu Kaiser Joseph]. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann u. Campe, kl. 8°.) Bd. VIII, S. 182. – Katholischer Fantasten- und Prediger-Almanach auf das Jahr 1783 (Rom, Madrid u. Lissabon, 8°.) S. 85; derselbe auf das J. 1784 an mehreren Stellen. – Porträt. Unterschrift: Eminentissimus D. D. Christophorus S. R. E. Presb. Card. e com. de Migazzi, Archiep. Vienn. S. R. J. Princeps. J. Schmutzer sc. (8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Thätigigkeit.