Benutzer:CK85/Untersuchungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft Kapitel 1

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1. Einleitende Uebersicht.




A. Zu den Versuchen.

     Sehr häufig bin ich gefragt worden, auf welche Weise ich zuerst zu den im Folgenden beschriebenen Versuchen geführt worden bin. Der allgemeine Anlass war dieser: Im Jahre 1879 hatte die Akademie der Wissenschaften zu Berlin als Preisarbeit die Aufgabe ausgeschrieben, irgend eine Beziehung zwischen den elektrodynamischen Kräften und der dielektrischen Polarisation der Isolatoren experimentell nachzuweisen, sei es nun eine elektrodynamische Kraft, welche durch Vorgänge in Nichtleitern erregt würde, sei es eine Polarisation der Nichtleiter durch die Kräfte der elektrodynamischen Induction. Da ich damals im physikalischen Institut zu Berlin mit elektrodynamischen Arbeiten beschäftigt war, machte Herr von Helmholtz mich auf jene Aufgabe aufmerksam und versprach mir die Unterstützung des Instituts, wenn ich mich an die Bearbeitung derselben wagen wollte. Ich überlegte mir die Aufgabe und berechnete den Erfolg, welcher sich etwa unter den günstigsten Verhältnissen erwarten liess, unter Anwendung der Schwingungen Leydener Flaschen oder offener Inductionsapparate. Das Ergebniss war freilich nicht das gewünschte; es zeigte sich, dass eine unzweifelhafte Wirkung kaum zu hoffen war, vielmehr nur eine solche, welche an der Grenze der Beobachtung lag. Ich verzichtete deshalb auf die Bearbeitung jener Aufgabe; es ist mir auch nicht bekannt geworden, dass dieselbe eine anderweitige Bearbeitung gefunden hätte. Es blieb aber mein Ehrgeiz, die damals aufgegebene Lösung später dennoch auf irgend einem neuen Wege zu finden, zugleich war meine Aufmerksamkeit ge|[002]schärft für Alles, was mit elektrischen Schwingungen zusammenhing. Es war nicht wohl möglich, dass ich eine neue Form solcher Schwingungen übersehen konnte, falls ein glücklicher Zufall mir eine solche in die Hände spielte.

     Ein solcher Zufall und damit der besondere Anlass der folgenden Untersuchung trat mir im Herbst 1886 entgegen. In der physikalischen Sammlung der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, wo ich diese Versuche ausführte, hatte ich zu Vorlesungszwecken ein Paar sogenannter Riess’scher oder Knochenhauerscher Spiralen vorgefunden und benutzt. Es hatte mich überrascht, dass es nicht nöthig war, grosse Batterien durch die eine Spirale zu entladen, um in der andern Funken zu erhalten, dass vielmehr hierzu auch kleine Leydener Flaschen genügten, ja der Schlag eines kleinen Inductionsapparats, sobald nur die Entladung eine Funkenstrecke zu überspringen hatte. Indem ich die Verhältnisse abänderte, fiel mir die Erscheinung der Nebenfunken auf, von welcher die folgende Untersuchung ausgeht. Anfangs hielt ich die elektrischen Bewegungen für zu stürmisch und unregelmässig, um sie weiter benutzen zu können; als ich aber das Auftreten des Indifferenzpunktes in der Mitte einer Nebenleitung und damit eine klare und reine Erscheinung gefunden hatte, war ich überzeugt, dass nunmehr die Aufgabe der Berliner Akademie löslich sein würde, und weiter ging zur Zeit mein Ehrgeiz nicht. Bestärkt wurde meine Ueberzeugung natürlich, als ich fand, dass ich regelmässige Schwingungen vor mir hatte. Die erste hierunter wieder abgedruckte Abhandlung: „Ueber sehr schnelle elektrische Schwingungen“ giebt im Wesentlichen in richtiger zeitlicher Folge die Untersuchung wieder, wie sie zu Ende des Jahres 1886 und zu Anfang des Jahres 1887 ausgeführt wurde.

     Während diese Arbeit im Druck war, sollte ich erfahren, dass ihr Inhalt nicht völlig so neu war, wie ich glaubte. Der Geographentag von April 1887 führte Herrn W. von Bezold nach Karlsruhe und in mein Institut; ich sprach ihm von meinen Versuchen, er antwortete mir, dass er ähnliche Erscheinungen schon vor einer Reihe von Jahren beobachtet habe und machte mich aufmerksam auf seinen Aufsatz: „Untersuchungen über die elektrische Entladung“ im 140. Bande der Poggendorffschen Annalen. Dieser Aufsatz war mir völlig entgangen,

|[003]da er sich äusserlich auf ganz andere Dinge als auf elektrische Schwingungen, nämlich auf die Lichtenbergischen Figuren zu beziehen schien, wie er denn auch überhaupt keine seinem wichtigen Inhalt entsprechende Beachtung gefunden zu haben scheint. In einem Nachtrag zu der vorigen Arbeit erkannte ich die älteren Rechte Herrn von Bezolds auf eine ganze Reihe von Beobachtungen an. An Stelle dieses Nachtrages ist hier als zweite Nummer mit der freundlichen Genehmigung Herrn von Bezolds derjenige Theil seiner Abhandlung mitgetheilt, welcher sich auf den uns hier interessirenden Gegenstand bezieht. Man wird sich jezt fast mit Erstaunen fragen, wie es möglich war, dass so wichtige und so bestimmt ausgesprochene Ergebnisse keinen grössern Einfluss auf den Gang der Wissenschaft ausgeübt haben. Vielleicht hat hierzu der Umstand beigetragen, dass Herr v. Bezold seine Mittheilung als eine vorläufige bezeichnet hatte.

     Es sei mir gestattet, an dieser Stelle auch der Verdienste zweier englischer Fachgenossen zu gedenken, welche gleichzeitig mit mir dem gleichen Ziele zustrebten. Professor Oliver Lodge in Liverpool hat in den gleichen Jahren, in welchen ich die hier beschriebene Arbeit ausführte, die Theorie des Blitzableiters verfolgt und dabei eine Reihe von Versuchen über die Entladung sehr kleiner Condensatoren angestellt, welche ihn auf die Beobachtung von Schwingungen und Wellen in Drähten führten. Da er vollständig auf dem Boden der Maxwellschen Anschauung stand und eifrig bestrebt war, diese Anschauungen zu erweisen, so ist kaum zu zweifeln, dass wenn ich ihm nicht zuvorgekommen wäre, er auch zur Beobachtung der Wellen in der Luft und damit zum Nachweis der zeitlichen Ausbreitung der elektrischen Kraft gelangt wäre. Professor Fitzgerald in Dublin hatte sich seit mehreren Jahren bemüht, mit Hilfe der Theorie die Möglichkeit solcher Wellen vorauszusagen und die Bedingungen für die Erzeugung derselben aufzufinden. Auf meine eigenen Versuche waren die Arbeiten dieser Gelehrten freilich ohne Einfluss, da ich erst nachträglich Kenntniss von denselben erhielt. Ich glaube übrigens nicht, dass es möglich gewesen wäre, mit Hilfe der Theorie allein zu den Erscheinungen vorzudringen. Denn das wirkliche Eintreten derselben in unsern Versuchen hängt ausser von ihrer theoretischen Möglichkeit noch ab von einer besonderen und überraschenden |[004]Eigenschaft des elektrischen Funkens, welche durch keine Theorie vorauszusehen war.

     Durch die bisher erwähnten Versuche hatte ich ein Mittel erlangt, schnellere elektrische Bewegungen zu erregen, als vorher dem Physiker zu Gebote gestanden hatten. Ehe ich indess dazu schreiten konnte, dies Mittel zur Erforschung der Vorgänge in Isolatoren anzuwenden, musste eine andere Untersuchung erledigt sein. Bald nach Beginn der Versuche war mir eine merkwürdige Wechselwirkung zwischen gleichzeitigen elektrischen Funken aufgefallen. Es war nicht meine Absicht, mich durch diese Erscheinung von meinem eigentlichen Ziele abziehen zu lassen; sie trat aber doch in zu bestimmter und räthselhafter Gestalt auf, als dass ich sie hätte ganz vernachlässigen können. War ich doch einige Zeit zweifelhaft, ob ich nicht eine völlig neue Form elektrischer Fernwirkung vor mir hätte. Dass das Licht das Wirksame sei schien ausgeschlossen, weil Glasplatten die Wirkung abschnitten, und natürlich dauerte es einige Zeit, ehe ich darauf kam, Versuche mit Platten aus Bergkrystall anzustellen. Nachdem ich sicher wusste, dass ich es nur mit einer Wirkung des ultravioletten Lichtes zu thun hatte, liess ich diese Untersuchung fallen, um mich wieder der Hauptfrage zuzuwenden. Da eine gewisse Kenntniss der Erscheinung für die Untersuchung der Schwingungen nicht entbehrt werden kann, ist meine diesbezügliche Mittheilung „Ueber einen Einfluss des ultravioletten Lichtes auf die elektrische Entladung“ unter Nr. 4 hier ebenfalls abgedruckt. Die genauere Kenntniss der Erscheinung selbst ist seither durch die Arbeiten einer ganzen Reihe von Forschern, vor allen der Herren Righi, Hallwachs, Elster und Geitel, ungemein gefördert; die Mechanik derselben hat sich freilich dem Verständniss noch nicht vollständig erschlossen.

     Der Sommer 1887 verstrich mit vergeblichen Versuchen, mit Hilfe der neuen Klasse von Schwingungen den elektrodynamischen Einfluss der Isolatoren wirklich nachzuweisen. Die einfachste Methode hätte darin bestanden, den Einfluss der Dielektrica auf die Lage des Indifferenzpunktes eines Nebenschlusses zu bestimmen. Allein ich hätte alsdann elektrostatische Kräfte in den Kauf nehmen müssen, und die Aufgabe bestand gerade darin, |[005]die Kraft der Induction allein zu untersuchen. Der Plan, welchen ich verfolgte, war dieser: der primäre Leiter [1] erhielt die in
Fig. 1.
Figur 1 angegebene Gestalt; zwischen seine Endplatten A und A´ wurde ein Klotz BB aus Schwefel oder Paraffin gebracht und schnell wieder entfernt. Die Erwartung war, dass ohne diesen Klotz nur sehr schwache Funken, mit dem Klotz sehr kräftige Funken in dem secundären Leiter C sich zeigen würden, dem ich diejenige Lage gegen den primären gab, welche ich bis dahin einzig in Betracht gezogen hatte. Der erste Theil der Erwartung begründete sich auf die Voraussetzung, dass in dem fast geschlossenen Leiter C die elektrostatischen Kräfte niemals einen Funken hervorrufen könnten, da diese Kräfte ein Potential haben, also ihr Integral über eine fast geschlossene Strombahn verschwindet. Es wäre dann bei fehlendem Isolator nur die Inductionswirkung des entfernteren Drahtes a b in Betracht gekommen. Der Versuch wurde dadurch vereitelt, dass ich stets sehr kräftige Funken in dem secundären Leiter erhielt, so dass die mässige Verstärkung oder Schwächung, welche der Isolator hervorbringen musste, nicht zur Geltung kam. Erst ganz allmählich gelang es mir, mir klar zu machen, dass jener Satz, welcher die Voraussetzung meines Versuches bildete, hier keine Anwendung fände; dass bei der Schnelligkeit der Bewegung auch Kräfte, welche ein Potential besassen, in der fast geschlossenen Leitung Funken erregen könnten; dass überhaupt die grösste Vorsicht zu beobachten sei bei Anwendung der allgemeinen Begriffe und Lehrsätze, welche der gewöhnlichen Elektricitätslehre entstammten. Diese Sätze bezogen sich alle auf statische oder stationäre Zustande, hier aber hatte ich in Wahrheit veränderliche Zustände vor mir. Ich sah ein, dass ich gewissermaassen allzu gerade auf mein Ziel zugegangen war. Es gab ja noch eine unendliche Mannigfaltig|[006]keit anderer Lagen des secundären gegen den primären Leiter, unter diesen konnten wohl solche sein, welche für mein Vorhaben günstiger waren. Diese Mannigfaltigkeit war also zuerst zu erforschen. So fand ich die mich überraschenden äusserst regelmässigen und abwechslungsvollen Erscheinungen, welche in der fünften Nummer „Ueber die Einwirkung einer geradlinigen elektrischen Schwingung auf eine benachbarte Strombahn“ beschrieben sind. Die Auffindung und Entwirrung dieser äusserst regelmässigen Erscheinungen machte mir besondere Freude. Die Abhandlung erschöpft durchaus nicht alle erkennbaren Feinheiten; wer die Versuche auf andere Leiterformen variiren wollte, würde wohl noch einen dankbaren Stoff finden. Die Beobachtungen in grösseren Abständen sind auch wohl sehr ungenau, da sie durch die damals noch nicht vermutheten Reflexionen getrübt sind. Uebrigens erregte gerade die immer wachsende Entfernung, bis zu welcher ich die Wirkung wahrnahm, am meisten mein Erstaunen; man war bis dahin gewohnt, elektrische Kräfte nach dem Newton’schen Gesetze abnehmen und also mit wachsender Entfernung schnell unmerklich werden zu sehen.

     Durch diese Untersuchung hatte ich nunmehr Lagen des secundären Leiters gewonnen, in welchen die Annäherung eines Isolators Funken entstehen oder verschwinden lassen musste, statt nur die Grösse derselben abzuändern. Die Lösung der Aufgabe, welche ich verfolgte, gelang nun ohne Weiteres in der Art, wie es in der Abhandlung No. 6 „Ueber Inductionserscheinungen, hervorgerufen durch die elektrischen Vorgänge in Isolatoren“ dargestellt ist. Unterm 10. November 1887 konnte ich der Berliner Akademie Mittheilung von dem glücklichen Erfolge machen.

     Jene Aufgabe der Akademie, welche mich bis hierher geleitet hatte, war offenbar seinerzeit von Herrn von Helmholtz in folgendem Zusammenhange gestellt worden. Wenn man von den Sätzen der Elektrodynamik ausgeht, welche damals allgemeine Anerkennung genossen, so gelangt man zu den damals durchaus nicht allgemein anerkannten Gleichungen der Maxwell’schen Theorie durch Hinzunahme der Voraussetzungen: erstens, dass die Veränderungen der dielektrischen Polarisationen der ponderabelen Nichtleiter dieselben elektrodynamischen Kräfte ausüben wie gleichwerthige Ströme; zweitens, dass die elektrodynamischen Kräfte ebenso gut wie die elektrostatischen die dielek|[007]trischen Polarisationen zu erregen im Stande sind; drittens, dass der Luftraum und der leere Raum selber sich in diesen Beziehungen wie jedes andere Dielektricum verhalten. Die Ableitung der Maxwellschen Gleichungen aus der ältern Anschauung und aus Voraussetzungen, welche den angeführten gleichwerthig sind, hat von Helmholtz in seiner Abhandlung „Über die Bewegungsgleichungen der Elektricität für ruhende leitende Körper“[2] am Schluss derselben gegeben. Da die Aufgabe, alle drei Voraussetzungen und damit die Richtigkeit der ganzen Maxwell’schen Theorie zu erweisen, eine unbillige Forderung schien, so hatte sich die Akademie begnügt, die Bestätigung einer der beiden ersten zu verlangen.

     Die erste Voraussetzung war nunmehr als richtig erwiesen. Ich dachte eine Zeit lang daran, nun zunächst die zweite in Angriff zu nehmen. Unmöglich schien die Prüfung derselben jetzt keineswegs; ich goss zu dem Ende geschlossene Ringe von Paraffin. Es fiel mir aber während der Arbeit auf, dass sich das Hauptinteresse der neuen Theorie eigentlich nicht an die Folgerungen der ersten beiden Voraussetzungen knüpfe. Wären für einen bestimmten Isolator die erste und die zweite Voraussetzung als richtig erwiesen, so wäre gezeigt, dass sich in diesem Isolator Wellen der von Maxwell vermutheten Art fortpflanzen könnten, mit einer endlichen Geschwindigkeit, welche vielleicht von der des Lichtes sehr weit abwiche. Dies konnte aber nicht sehr überraschen, nicht mehr, als etwa der längst bekannte Umstand, dass sich in Drähten die elektrische Erregung mit grosser aber endlicher Geschwindigkeit fortpflanzte. Ich musste mir sagen, dass der Kernpunkt, der Sinn und die Besonderheit der Faradayschen und damit der Maxwell’schen Anschauung in der dritten Voraussetzung liege, dass es also ein würdigeres Ziel sei, wenn ich mich geradeswegs auf diese wandte. Für den Luftraum[3] die erste und die zweite Voraussetzung gesondert zu prüfen, sah ich keine Möglichkeit; beide Voraussetzungen aber waren zugleich bewiesen, wenn es gelang, eine endliche Ausbreitungs|[008]geschwindigkeit und Wellen im Luftraum nachzuweisen. Einige erste Versuche hierzu, welche ich bei kürzeren Abständen vorgenommen und welche in den vorigen Abhandlungen erwähnt sind, waren allerdings missglückt. Aber inzwischen war es gelungen die Inductionswirkung bis auf 12 m Entfernung wahrzunehmen; in dieser Entfernung musste sich die Phase der Bewegung schon mehr als einmal umgekehrt haben, es kam nur darauf an, diese Umkehr nachzuweisen. So entstand der Plan, dessen Ausführung in der Arbeit „Über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektrodynamischen Wirkungen“ dargelegt ist. Die ersten Schritte der Ausführung gelangen leicht. In grade gespannten Drähten entstanden mit überraschender Schärfe durch Reflexion die stehenden Schwingungen mit Knoten und Bäuchen, welche gestatteten, die Wellenlänge genau zu bestimmen und die Phasenänderung längs des Drahtes festzustellen. Ebenso schnell gelang es, die durch den Draht und die durch die Luft fortgeleitete Wirkung zur Interferenz zu bringen und also ihre Phase zu vergleichen. Besassen nun beide Wirkungen eine endliche und die gleiche Geschwindigkeit, wie ich erwartete, so mussten sie in allen Entfernungen mit gleicher Phase interferiren. Ein einfacher qualitativer Versuch, welcher bei der Übung, welche ich damals besass, in einer Stunde zu beenden war, musste dies entscheiden und auf einmal zum Ziele führen. Als ich nun aber die Apparate sorgfältig aufgestellt hatte und den Versuch ausführte, fand ich die Phase der Interferenz deutlich verschieden in verschiedenen Entfernungen und zwar etwa in solcher Abwechslung, wie es einer unendlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit im Luftraum entsprochen hätte. Entmuthigt brach ich die Versuche ab. Erst nach einigen Wochen nahm ich dieselben wieder auf. Ich sagte mir, dass es die gleiche Wichtigkeit habe, zu erfahren, dass sich die elektrische Kraft mit unendlicher Geschwindigkeit ausbreite und dass die Maxwell’sche Theorie falsch sei, wie sich im Gegentheil zu überzeugen, dass diese Theorie Recht habe, vorausgesetzt nur, dass das Ergebniss ein bestimmtes und sicheres sei. Ich stellte also, ohne auf die Resultate zu achten, mit bester Sorgfalt die Erscheinungen fest, wie sie waren, und zwar mit den Ergebnissen, welche in der Abhandlung selbst wiedergegeben sind. Als ich dann daran ging, diese Ergebnisse genauer zu durchdenken, sah ich, dass sich die Folge der Inter|[009]ferenzen auch nicht mit der Annahme einer unendlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit in Einklang bringen liess, sondern dass es nöthig war, eine endliche Geschwindigkeit anzunehmen, welche, aber grösser war als die im Drahte. Die verschiedenen Möglichkeiten suchte ich in der Weise in Harmonie zu bringen, welche die Abhandlung angiebt, und obwohl mir die Verschiedenheit der Geschwindigkeiten unwahrscheinlich geschienen hatte, glaubte ich doch den Versuchen nicht misstrauen zu dürfen. Es war ja auch keineswegs unmöglich, dass unbekannte Ursachen, etwa eine eigentliche Trägheit der freien Elektricität, die Bewegung im Drahte verlangsamte.

     Ich habe hier so ausführlich berichtet, weil ich den Leser überzeugen möchte, dass ich in dieser Untersuchung nicht einfach in bequemster Weise eine vorgefasste Meinung durch passende Deutung der Versuche habe bestätigen wollen. Im Gegentheil habe ich diese nicht leichten Versuche entgegen einer vorgefassten Ansicht mit bestmöglichster Sorgfalt durchgeführt. Und doch habe ich offenbar bei allem Glück gerade in dieser Untersuchung entschieden Unglück gehabt. Denn anstatt mit leichter Mühe zum wahren Ziele zu gelangen, wozu ein richtig angelegter Plan mich vielleicht berechtigt hätte, scheine ich mit grosser Mühe in die Irre gegangen zu sein.

     Erstens ist die Arbeit entstellt durch einen Rechenfehler. Die Schwingungsdauer ist im Verhältniss von zu gross berechnet worden. Auf diesen Fehler hat zuerst Herr Poincaré[4] aufmerksam gemacht. Der Fehler scheint den Inhalt der Arbeit wesentlich zu beeinflussen, beeinflusst freilich in Wahrheit mehr die Form. Mein Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Rechnung beruhte wesentlich auf der vermeintlichen Übereinstimmung derselben mit den Versuchen von Siemens und Fizeau und mit meinen eigenen[5]. Hätte ich den richtigen Werth der Capacität benutzt und also einen Widerspruch der Rechnung mit den Versuchen gefunden, so würde ich der Rechnung die geringere Beachtung geschenkt haben, und die Arbeit wäre in der Form etwas verändert, in der Sache unverändert niedergeschrieben worden.

|[010]     Zweitens aber, und das ist der wichtigere Punkt, ist es kaum möglich, an einem Hauptergebniss der Arbeit festzuhalten, nach welchem die Geschwindigkeiten in der Luft und im Drahte verschieden sind. Statt diesem Ergebniss zu Hülfe zu kommen, haben die weiteren Erfahrungen, welche an Drahtwellen gewonnen wurden, dasselbe immer unwahrscheinlicher gemacht. Es scheint jetzt ziemlich sicher, dass, wenn der Versuch vollkommen richtig und ohne störende Einflüsse angestellt worden wäre, er allerdings beinahe das Resultat hätte ergeben müssen, welches ich zuerst erwartete. Es hätte die Phase der Interferenz allerdings ein Mal das Zeichen wechseln müssen, (was ich nicht im Voraus erwartet hatte); ein zweiter Vorzeichenwechsel der Interferenz, (welchen doch die Versuche einstimmig aufweisen) hätte dann aber nicht mehr eintreten dürfen Es erscheint schwer, einen störenden Einfluss aufzuweisen, welcher so täuschend die Wirkung einer verschiedenen Geschwindigkeit nachahmen konnte; unmöglich aber erscheint es doch auch keineswegs eine solche Täuschung anzunehmen. Ich vermuthete bei der Ausführung dieser Versuche nicht im Mindesten einen Einfluss der benachbarten Wände; ich entsinne mich z. B., dass ich den wellenführenden Draht nur in einem Abstand von 1,5 m an einem eisernen Ofen vorbeiführte. Es wäre möglich, dass eine derartige, stets an demselben Punkte wirkende Störung den Anlass des zweiten Phasenwechsels der Interferenz abgegeben hat. Wie dem auch sei, ich erlaube mir die Hoffnung auszusprechen, dass auch diese Versuche von einem andern Beobachter unter möglichst günstigen Bedingungen, d. h. in einem möglichst grossen Raume möchten wiederholt werden. Ist der Plan des Versuches, wie ich denke, richtig, so muss derselbe richtig ausgeführt zu jeder Zeit das Resultat geben, welches er gleich anfangs hätte geben sollen, er würde dann ohne Messungen zugleich die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen in der Luft erweisen und die Gleichheit derselben mit der Geschwindigkeit der Wellen im Drahte.

     Ich möchte hier übrigens noch einige weitere Ueberlegungen anführen, welche mich damals in der Meinung bestärkten, dass die Wellen im Drahte verzögert seien. Wenn die Wellen im Drahte mit der gleichen Geschwindigkeit forteilen, wie die Wellen im Luftraum, so müssen die elektrischen Kraftlinien senkrecht auf dem Drahte stehen. Ein gerader wellendurch|[011]flossener Draht kann dann auf einen benachbarten parallelen Draht keine Inductionswirkung ausüben. Eine solche Wirkung aber fand ich, wenn sie auch nur schwach war. Also schloss ich, dass die Kraftlinien nicht senkrecht auf dem Drahte ständen und dass die Geschwindigkeit der Wellen nicht die Lichtgeschwindigkeit sei. Ferner ergiebt eine einfache Rechnung, dass wenn die Kraftlinien senkrecht auf der Richtung des Drahtes stehen, dann die in einem einzelnen Drahte in der Welle fortgepflanzte Energie logarithmisch unendlich wird. Also schloss ich, es sei eine derartige Welle von vornherein unmöglich. Endlich schien mir, dass es auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in einer geraden Leitung ohne Einfluss sein müsse, ob die Leitung ein glatter Draht sei oder ein Draht mit seitlichen Ansätzen oder ein gezackter Draht oder auch ein in kleinen Windungen aufgerollter spiraliger Draht, solange nur alle diese Abweichungen von der geraden Linie klein wären gegen die Wellenlänge und ihr Widerstand nicht in Betracht käme. Nun fand ich aber, dass alle diese Abänderungen einen sehr merklichen Einfluss auf die Geschwindigkeit ausübten. Ich schloss also, dass hier eine noch unverstandene verzögernde Ursache thätig sei, welche auch schon im einfachen glatten Draht ihre Wirkung äussert. Diese und ähnliche Gründe erscheinen mir jetzt nicht mehr von entscheidendem Gewicht, aber damals beruhigten sie mich hinreichend, um die Verschiedenheit der Geschwindigkeit ohne Rückhalt zu behaupten und in dieser Erkenntniss ein Hauptinteresse des Versuchs zu sehen. Bald sollte ich eine vermeintliche, mir damals sehr willkommene Bestätigung meiner Ansicht finden.

     Während ich die Wirkung meiner primären Schwingung in grossen Entfernungen untersuchte, war mir deutlich eine Art von Schattenbildung hinter leitenden Massen entgegengetreten, und diese war mir nicht sehr auffällig erschienen. Etwas später glaubte ich auch eine eigenthümliche Verstärkung der Wirkung vor solchen schattengebenden Massen und vor den Wänden des Raumes zu bemerken. Als mir zuerst der Gedanke kam, dass diese Verstärkung von einer Art Reflexion der elektrischen Kraft von den leitenden Massen herrühre, schien mir derselbe fast unzulässig, so sehr wich er immerhin von der uns damals geläufigen Vorstellung einer elektrischen Kraft ab, unbeschadet |[012]aller Bekanntschaft mit dem Vorstellungskreis der Maxwellschen Theorie. Nachdem ich aber das Vorhandensein wirklicher Wellen glaubte sicher festgestellt zu haben, trat ich der anfangs verworfenen Erklärungsart wieder näher und kam so zu den Erscheinungen, welche in der Abhandlung „Ueber elektrodynamische Wellen im Luftraum und deren Reflexion“ dargelegt sind. Qualitativ dürfte gegen den Inhalt dieser Arbeit nichts einzuwenden sein, die Versuche sind sehr oft wiederholt und bestätigt gefunden worden. Was aber die Messungen anlangt, so ist auch der Inhalt dieser Arbeit verdächtig, da er ebenfalls zu dem höchst unwahrscheinlichen Resultat führt, dass die Geschwindigkeit in der Luft wesentlich grösser als die der Drahtwellen sei. Angenommen, dies Resultat ist unrichtig, wie ist der begangene Fehler zu erklären? Sicherlich nicht durch einfache Ungenauigkeit der Beobachtung. Die Beobachtung mag vielleicht um Dezimeter ungenau gewesen sein, auf keinen Fall um Meter. Ich vermag auch hier nur ganz im Allgemeinen den besonderen Resonanzverhältnissen des benutzten Raumes die Schuld zu geben. Haben sich vielleicht die Eigenschwingungen desselben herausgebildet und habe ich die Knoten solcher Eigenschwingung beobachtet, während ich die Knoten der Wellen des primären Leiters zu beobachten glaubte? Sicherlich war die Entfernung der Knoten, welche ich in der Luft mass, wesentlich verschieden von den Wellenlängen im Drahte; ich habe ausdrücklich mein Augenmerk auf die Frage gerichtet, ob sie verschieden oder gleich wären. Was freilich die genaue Uebereinstimmung mit der ersten Versuchsreihe anlangt, so gebe ich gern zu, dass ich mich hier in der Deutung der Versuche von dem Wunsche habe beeinflussen lassen, die Uebereinstimmung zwischen beiden Messungen herzustellen. Ich verlege den ersten Knoten eine gewisse Strecke hinter die Wand, für deren Grösse aus den Versuchen ein fester Zwang nicht herzunehmen ist. Hätte ich die Versuche anders combiniren wollen, so hätte ich wohl ein der Einheit näher kommendes Verhältniss der Geschwindigkeiten berechnen können; ich hätte aber niemals Gleichheit der Geschwindigkeiten aus denselben herleiten können.

     Wenn nun aber meine damaligen Versuche übereinstimmend auf eine verschiedene Geschwindigkeit schliessen lassen, so ist die Frage natürlich, welche Gründe mich denn jetzt bestimmen, |[013]lieber unbekannte Fehlerquellen in den Versuchen zuzugeben, als an der behaupteten Verschiedenheit festzuhalten. Ist es die von vielen Seiten hervorgehobene Abweichung des Ergebnisses von der Theorie? Gewiss nicht; die Theorie war mir auch damals bekannt und dieselbe muss sich den Versuchen unterordnen. Ist es der hierauf bezügliche Versuch Herrn Lecher’s?[6] Bei aller Anerkennung der grossen Verdienste Herrn Lechers um dies Gebiet muss ich diese Frage doch verneinen. Herr Lecher setzt bei der Ausnutzung seines Versuchs die Richtigkeit der Rechnung, damit in gewissem Sinne die Richtigkeit der Theorie voraus.[7] Dann sind es also die Resultate der Herren Sarasin und de la Rive,[8] welche die Versuche genau wiederholten mit einem der Theorie vollständig entsprechendem Ergebniss? In gewissem Sinne ja, in anderm Sinne nein. Die Genfer Physiker arbeiteten in einem viel kleineren Raume als ich selber; die grösste ihnen zu Gebote stehende Entfernung betrug nur 10 Meter und selbst auf diese Entfernung hin konnten die Wellen sich nicht völlig frei entwickeln. Ihr Spiegel war nur 2,8 m hoch. Die Sorgfalt der Beobachtung kann die Ungunst der räumlichen Verhältnisse nicht compensiren. In meinen Versuchen hatten die Wellen doch immerhin einen völlig freien Spielraum von etwa 15 m. Mein Spiegel war 4 m hoch. Läge also die Entscheidung einzig und allein bei den Versuchen, so könnte ich denjenigen der Herren Sarasin und de la Rive kein grösseres Gewicht als meinen eigenen beilegen und insofern also nein.[9] Aber die Genfer Versuche zeigen jedenfalls, dass sich die von mir ausgeführten Messungen nicht Überall bestätigen; sie zeigen, dass vor andern reflectirenden Wänden und in andern Räumen die Erscheinungen quantitativ anders ausfallen und dass die Wellenlängen unter Umständen auch die von der Theorie ge|[014]forderten Werthe haben. Geben aber die Versuche zweideutige und widersprechende Auskunft, so enthalten sie offenbar noch unverstandene Ursachen der Täuschung und dann allerdings können sie nicht gegen die durch so viele Wahrscheinlichkeitsgründe gestützte Theorie ins Feld geführt werden. Die Genfer Versuche entkräften also meine eigenen und insofern stellen sie das Gleichgewicht zu Gunsten der Theorie wieder her.

     Ich muss indessen bekennen, dass für mich die entscheidenden Gründe mehr indirekter Art waren. Als ich zuerst eine Verzögerung der Wellen in den Drähten zu finden glaubte, hoffte ich die Ursache dieser Verzögerung bald aufzudecken und Uebergänge zwischen beiden Geschwindigkeiten aufzufinden. Diese Hoffnung hat sich nicht verwirklicht. Ich habe keine Uebergänge gefunden und statt auf eine Aufklärung stiess ich bei zunehmender Erfahrung auf wachsende Widersprüche, bis dieselben mir schliesslich unauflöslich schienen und ich die Ueberzeugung von der Richtigkeit meiner ersten Beobachtung aufgeben musste. Dazu kam die von mir selbst gemachte Erfahrung, dass für kurze Wellen der Unterschied der Geschwindigkeiten so gut wie verschwindet. Ehe ein Fachgenosse dieses Gebiet betreten hatte, fasste ich meine Ueberzeugung in den Worten zusammen:[10] „Für lange Wellen fand sich also die Wellenlänge in der Luft grösser als die in Drähten, während für kurze Wellen beide merklich gleich sich zeigten. Dies Ergebniss ist zu auffällig, als dass wir es als sicher betrachten könnten. Die Entscheidung muss späteren Versuchen vorbehalten bleiben.“ Von späteren Versuchen kommen bisher nur die Versuche der Herren Sarasin und de la Rive in Betracht und da diese in kleinen Räumen vorgenommen wurden, kann man sie mit mehr Recht für eine Bestätigung des zweiten Theiles meiner Behauptung erklären, als für eine Widerlegung des ersten Theiles.[11] |[015]Für lange Wellen scheinen mir entscheidende Versuche noch auszustehen. Ich kann allerdings kaum zweifeln, dass dieselben für die Gleichheit der Geschwindigkeit in allen Fällen entscheiden werden.

     Vielleicht fragt der Leser, warum ich nicht selbst versucht habe, durch Wiederholung der Versuche die Zweifel zu beseitigen. Ich habe die Versuche wohl wiederholt, aber ich habe dabei nur gefunden, was auch zu vermuthen steht, dass die einfache Wiederholung unter ähnlichen Verhältnissen die Zweifel nicht zu heben, sondern eher zu vermehren im Stande ist. Die sichere Entscheidung steht bei Versuchen, welche unter günstigeren Verhältnissen ausgeführt werden. Günstigere Verhältnisse bedeuten hier grössere Räume. Solche waren mir bisher nicht zur Hand. Ich betone nochmals, dass die Ungunst der Räume nicht durch Sorgfalt der Beobachtung compensirt werden kann. Wenn sich die langen Wellen nicht entwickeln können, können sie auch nicht beobachtet werden. Es mag hiermit genug über diese Frage gesagt sein.

     Die bisher erwähnten Versuche über die Reflexion der Wellen waren im März 1888 vollendet. Noch in demselben Monat machte ich den Versuch, die Zerstreuung der Fernwirkung durch Reflexion an einer krummen Fläche zu verhindern. Ich baute für meine grosse Schwingung einen parabolischen Hohlspiegel von 4 m Höhe und etwa 2 m Oeffnung. Ich fand aber entgegengesetzt meiner Erwartung die Fernwirkung bedeutend geschwächt. Der grosse Spiegel wirkte wie ein die Schwingung umgebender Schutzkasten. Ich sagte mir, dass die Wellenlänge der Schwingung zu gross sei gegen die Brennweite des Spiegels. Eine mässige Verkleinerung des primären Leiters besserte den Erfolg nicht. Ich versuchte darauf mit einem Leiter zu arbeiten, welcher dem grossen geometrisch ähnlich, aber im Verhältniss 10 : 1 verkleinert war. Vielleicht bin ich nicht ausdauernd genug in diesen Versuchen gewesen, jedenfalls gelang es mir damals überhaupt nicht, so kurze Schwingungen zu erzeugen und zu beobachten und ich |[016]gab diese Versuche auf, um mich zunächst andern Fragen zuzuwenden.

     Einmal galt es, die theoretische Behandlung der Versuche reiner und klarer zu fassen. Der Standpunkt, von welchem aus in den bisherigen Arbeiten die Versuche gedeutet waren, ist der Standpunkt, auf welchem ich durch das Studium der Abhandlungen von Helmholtz’s[12] gestellt war. Herr v. Helmholtz hält in diesen Abhandlungen zwei Formen der elektrischen Kraft auseinander, die elektrodynamische und die elektrostatische, welchen, solange die Erfahrung nicht gesprochen, zwei verschiedene Geschwindigkeiten beizulegen sind. Eine Deutung der Versuche von diesem Standpunkt aus konnte in keinem Falle falsch sein, aber sie war vielleicht unnöthig verwickelt. In einem besondern Grenzfall vereinfacht sich die Helmholtz’sche Theorie bedeutend, ihre Gleichungen gehen alsdann über in die Gleichungen der Maxwell’schen Theorie; es bleibt nur eine Form der Kraft übrig, welche sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Es war also zu versuchen, ob man nicht mit diesen weit einfacheren Annahmen der Maxwell’schen Theorie auskomme. Der Versuch gelang. Die Ergebnisse der Rechnung sind dargelegt in der Abhandlung „Die Kräfte elektrischer Schwingungen, behandelt nach der Maxwell’schen Theorie“. Derjenige Theil dieser Arbeit, welcher sich auf die Interferenzen zwischen Luft- und Drahtwellen bezieht, wäre offenbar leicht jeder andern Form solcher Interferenzen anzupassen, welche etwa vollkommnere Versuche ergeben könnten.

     Neben diesen theoretischen Betrachtungen setzte ich die Versuche fort und wandte dieselben wieder mehr den Wellen in Drähten zu. Ich verfolgte dabei erstens das Ziel, die Ursache der vermeintlichen Verzögerung dieser Wellen aufzufinden. Zweitens wünschte ich die Anschauung zu prüfen, derzufolge die Wellen überhaupt nicht im Innern des Leiters, sondern vielmehr im umgebenden Raum ihren Sitz und Spielplatz haben. Ich liess also nicht mehr die Wellen in einem Draht forteilen, sondern in dem Zwischenraum zwischen zwei Drähten, zwischen zwei Platten, in röhrenförmigen Räumen; nicht mehr in verschiedenen Metallen, sondern in verschiedenen trennenden Isolatoren. Die Abhandlung „Ueber die Fortleitung elektrischer Wellen durch Drähte“, obwohl |[017]erst später vollendet und veröffentlicht, ist grösstentheils im Sommer 1888 ausgeführt.

     Im Herbst wurde ich nämlich von den Versuchen an Drähten aus Anlass einer besonderen Erscheinung abgezogen. Als ich zur Untersuchung der Wellen in dem engen Zwischenraum zwischen zwei Drähten Resonatoren von geringem äusserem Umfange anwandte und bemüht war, solche Resonatoren abzustimmen, fand ich, dass ich am Ende der Drähte auch dann deutliche Knoten erhielt, wenn ich viel zu kleine Resonatoren benutzte. Selbst als ich zu Kreisen von wenigen Centimetern Durchmesser herabstieg, erhielt ich noch Knoten; dieselben lagen in geringem Abstande vom Ende der Drähte und ich konnte noch halbe Wellenlängen bis herab zu 12 cm beobachten. So hatte mich ein Zufall auf die vorher nicht gefundene Spur der kurzen Wellen gebracht, ich verfolgte sogleich diese Spur und es gelang mir nun auch schnell eine Form des primären Leiters zu finden, welche mit den kleinen Resonatoren zusammen arbeitete.

     Die Erscheinung, durch welche ich auf die Beobachtung der kurzen Wellen zurückgeführt wurde, habe ich an sich nicht beachtet und dieselbe, da sich keine passende Anknüpfung bot, in der Veröffentlichung nirgends erwähnt. Es war offenbar ein besonderer Fall derselben Erscheinung, welche später von den Herren Sarasin und de la Rive entdeckt,[13] mit dem Namen „multiple Resonanz“ belegt, und dahin gedeutet wurde, dass der primäre Leiter überhaupt keine bestimmte Schwingungsdauer besitze, sondern alle innerhalb weiter Grenzen liegenden Schwingungen gleichzeitig ausführe. Wenn ich selber jene Erscheinung nicht beachtete, so lag dies einmal daran, dass ich über dieselbe schnell zu andern Versuchen fortgeführt wurde. Es lag aber nicht weniger auch daran, dass ich mir für jene Erscheinung in meinem Falle von vorn herein eine Erklärung gebildet hatte, welche derselben nur ein, weit geringeres Interesse lieh als die Erklärung der Herren Sarasin und de la Rive. Ich sah die Erscheinung an als die nothwendige und vorauszusehende Folge der schnellen Dämpfung der primären Schwingung. Herr Sarasin hatte die Freundlich|[018]keit, mich von dem Ergebniss seiner Versuche alsbald in Kenntniss zu setzen, ich theilte ihm mein Bedenken gegen seine Erklärung der Erscheinung und meine eigene Erklärung derselben mit, aber obwohl er meinen Ausführungen die liebenswürdigste Bereitwilligkeit entgegenbrachte, gelang es uns nicht, uns über die Deutung der Versuche zu verständigen. Eine solche Verständigung gelang sogleich mit Herrn H. Poincaré, welcher sich selber eine im wesentlichen gleiche Auffassung der Erscheinung gebildet und mir brieflich dieselbe mitgetheilt hatte. Er hat diese Auffassung mathematisch ausgearbeitet und in seinem Werke „Electricité et optique“ veröffentlicht.[14] Gleichzeitig und unabhängig davon hat Herr V. Bjerknes die mathematischen Entwickelungen durchgeführt.[15] Dass die Erklärung der Herren Poincaré und Bjerknes nicht nur eine mögliche, sondern die einzig mögliche Erklärung bildet, ist, wie mir scheint nachgewiesen durch eine eben erschienene Untersuchung[16] des Herrn Bjerknes, welche feststellt, dass die Schwingung des primären Leiters wenigstens in erster Annäherung eine regelmässig gedämpfte Sinuswelle von bestimmter Periode ist. Die sorgfältigen Untersuchungen der Herren Sarasin und de la Rive enthalten demnach eine unentbehrliche Vervollständigung unserer Kenntniss dieses Gebietes, aber sie enthalten keinen Widerspruch gegen irgend eine von mir aufgestellte Behauptung. So sind diese Versuche von ihren Urhebern auch angesehen worden. Eine schärfere Kritik ist aus Anlass jener Versuche von einem ausgezeichneten, übrigens diesen Versuchen fernstehendem französischen Gelehrten an meinen Arbeiten ausgeübt worden. Ich hoffe, man wird jetzt urtheilen, dass für eine solche Kritik die Berechtigung fehlte.[17]

     Es sei mir gestattet, bei dieser Gelegenheit auch der Zweifel zu erwähnen, welche in der letzten Zeit von den Herren Hagenbach und Zehnder gegen die Beweiskraft meiner Versuche ausgesprochen worden sind.[18] Ich möchte die Arbeit der |[019]Herren Hagenbach und Zehnder noch nicht als abgeschlossen betrachten. Die Verfasser behalten sich vor, auf die Erklärung der Resonanz, die Art der Fernwirkung, die Bildung der Knoten und Bäuche zurückzukommen. Dies sind aber gerade und fast allein die Erscheinungen, auf welchem meine Versuche und die ganze Deutung derselben beruht.

     Nachdem ich nun in der vorhin erwähnten Weise zur Beobachtung sehr kurzer Wellen gelangt war, wählte ich solche von etwa 30 cm Länge aus und wiederholte mit denselben zunächst die früheren Versuche. Im Widerspruch mit meinen Erwartungen stand die neue Erfahrung, dass diese kurzen Wellen an Drähten mit fast der gleichen Geschwindigkeit entlang eilten, welche sie in der Luft besassen. Da so kurzen Wellen leicht ein freier Spielraum zu verschaffen war, so konnte hier ein Zweifel an der Richtigkeit des Resultats nicht auf kommen. Nachdem ich mich mit der Behandlung der kurzen Wellen vertraut gemacht hatte, nahm ich die Versuche mit den Hohlspiegeln wieder auf. Der alte grosse Spiegel war nicht mehr vorhanden, ich liess einen kleineren von 2 m Höhe und etwas über 1 m Öffnung herstellen. Die Wirkung desselben war so auffallend günstig, dass ich sogleich nach den ersten Proben nicht nur einen zweiten Hohlspiegel, sondern auch ebene spiegelnde Flächen und ein grosses Prisma bestellte. Schnell hinter einander und ohne Mühe gelangen nun die Versuche, welche in der Abhandlung „Über Strahlen elektrischer Kraft“ dargestellt sind; dieselben waren lange vorher überlegt und vorbereitet gewesen, mit Ausnahme der Polarisationsversuche, welche mir erst während der Arbeit einfielen. Diese Versuche mit den Hohlspiegeln sind schnell aufgefallen, sie sind häufig wiederholt und bestätigt worden. Sie haben einen Beifall gefunden, welcher meine Erwartungen weit übertraf[19]. Ein guter Theil dieses Beifalls entsprang einer philosophischen Quelle. Die alte Frage nach der Möglichkeit und dem Wesen der Wirkung in die Ferne war be|[020]rührt. Die von der Wissenschaft geheiligte, vom Verstande aber nur ungern getragene Herrschaft der unmittelbaren Fernkräfte schien im Gebiet der Elektricität durch einfache und schlagende Versuche für immer zerstört.

     Mit der Erreichung jenes Ziels war ein gewisser Abschluss erreicht. Eine Lücke war mir indessen noch empfindlich. Die Versuche behandelten nur die Ausbreitung der elektrischen Kraft. Es war wünschenswerth, dass gezeigt würde, dass auch die magnetische Kraft sich mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Nach der Theorie war hierzu die Erzeugung besonderer magnetischer Wellen nicht erforderlich, die elektrischen Wellen mussten an sich zugleich Wellen magnetischer Kraft sein; es kam nur darauf an, in diesen Wellen die magnetische Kraft neben der elektrischen wirklich nachzuweisen. Ich hoffte dass dies möglich sein würde durch Beobachtung der mechanischen Kräfte, welche die Wellen auf ringförmige Leiter ausübten. So wurden damals die Versuche geplant, welche aus äusseren Anlässen erst später und nur unvollkommen zur Ausführung kamen, und über welche die letzte experimentelle Arbeit „Über die mechanischen Wirkungen elektrischer Drahtwellen“ Bericht erstattet.

     Werfen wir einen Blick zurück. Durch die Gesammtheit der geschilderten Versuche ist zum ersten Male der Beweis geliefert worden für die zeitliche Ausbreitung einer vermeintlichen Fernkraft. Diese Thatsache bildet den philosophischen, in gewissem Sinne zugleich den wichtigsten Gewinn der Versuche. In jenem Beweise ist enthalten die Erkenntniss, dass die elektrischen Kräfte sich von den ponderabeln Körpern loslösen und selbstständig als Zustände oder Veränderungen des Raumes fortbestehen können. Neben dieser Erkenntniss liefern die Einzelheiten der Versuche den Beweis, dass die besondere Art der Ausbreitung der elektrischen Kraft die grösste Analogie,[20] wenn nicht vollständige Uebereinstimmung zeigt mit der Ausbreitung der Lichtbewegung. Dadurch wird die Hypothese, dass das Licht eine |[021]elektrische Erscheinung sei, in hohem Grade wahrscheinlich gemacht. Ein strenger Beweis für diese Hypothese kann von vornherein nur durch Versuche geliefert werden, welche am Lichte ausgeführt sind.

     Was wir hier als die Leistung der Versuche bezeichnet haben, leisten dieselben unabhängig von der Richtigkeit besonderer Theorien. Nichtsdestoweniger liegt die Bedeutung der Versuche offenbar in ihrem Zusammenhang mit der Theorie, in welchem Zusammenhang sie ja auch unternommen wurden. Seit dem Jahre 1861 besitzt die Wissenschaft die Theorie, welche Maxwell auf den Anschauungen Faradays aufgebaut hat, welche wir deshalb die Faraday-Maxwell’sche Theorie nennen und welche die Möglichkeit der hier aufgefundenen Klasse von Erscheinungen mit der gleichen Sicherheit behaupten konnte, mit welcher die übrigen elektrischen Theorien gezwungen waren, die Möglichkeit derselben zu verneinen. Die Maxwell’sche Theorie übertraf von vornherein die übrigen elektrischen Theorien durch Schönheit und Reichthum der Beziehungen, welche sie zwischen den Erscheinungen annahm. Die Wahrscheinlichkeit dieser Theorie und damit die Zahl ihrer Anhänger wuchs von Jahr zu Jahr. Gleichwohl vermochte die Maxwell’sche Theorie die ihr entgegenstehenden Theorien nicht vollständig zu verdrängen, weil sie sich nur auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Endergebnisse, nicht auf die Sicherheit ihrer Voraussetzungen berufen konnte. Die Fundamentalhypothesen der Maxwell’schen Theorie widersprachen den üblichen Anschauungen und konnten sich nicht an sichere Versuche als an Beweise anlehnen. In diesem ihrem natürlichen Zusammenhang können wir Absicht und Ergebniss unserer Versuche nicht besser charakterisiren, als indem wir sagen: Die Absicht dieser Versuche war die Prüfung der Fundamentalhypothesen der Faraday-Maxwell’schen Theorie und das Ergebniss der Versuche ist die Bestätigung der Fundamentalhypothesen dieser Theorie.



B. Zur Theorie.

     Was ist nun aber, genau gesprochen, die Faraday-Maxwell’sche Theorie? Maxwell hat als Arbeit seiner reiferen Jahre uns ein grösseres Werk über die Elektricität und den Magne|[022]tismus hinterlassen; man darf also wohl sagen, die Maxwell’sche Theorie sei diejenige Theorie, welche in diesem Werke niedergelegt ist. Aber denjenigen Fachgenossen, welche diesen Fragen näher getreten sind, wird nicht allen mit dieser Antwort Genüge geschehen sein. Mancher hat sich mit Eifer an das Studium des Maxwell’sche Werkes gemacht und, ohne auf ungewöhnliche mathematische Schwierigkeiten gestossen zu sein, dennoch darauf verzichten gemusst, sich eine völlig widerspruchsfreie Vorstellung von Maxwells Ansichten zu bilden. Mir selbst ist es nicht besser gegangen. Bei der grössten Bewunderung für die mathematischen Beziehungen der Maxwell’schen Theorie war ich doch hinsichtlich der physikalischen Bedeutung seiner Behauptungen nicht immer vollständig sicher, Maxwells wahre Meinung errathen zu haben. In meinen Versuchen konnte ich mich daher auch nicht direkt durch das Maxwell’sche Buch leiten lassen, ich liess mich hier leiten durch die Arbeiten von Helmholtz, wie es ja auch aus der Darstellung der Versuche deutlich hervorgeht. Für den besonderen Grenzfall der Helmholtz’schen Theorie, welcher auf die Maxwell’schen Gleichungen führt, und auf welchen die Versuche hinleiteten, verflüchtigt sich nun aber leider die physikalische Grundlage der Helmholtz’schen Theorie, wie sich dieselbe allgemein verflüchtigt, wenn man von Fernkräften absehen will. Ich versuchte deshalb mir die unentbehrlichen physikalischen Vorstellungen widerspruchsfrei selbst zu construiren, indem ich von den Maxwell’sche Gleichungen ausging, im Uebrigen aber die Maxwell’sche Theorie so viel wie möglich vereinfachte durch Elimination oder einfache Fortlassung aller derjenigen Elemente, welche ich nicht verstand und welche entbehrlich waren, da sie auf keine möglichen Erscheinungen einen Einfluss üben konnten. So entstanden die beiden theoretischen Arbeiten, welche den Schluss dieser Sammlung bilden. Die Darstellung der Theorie in Maxwells eigenem Werk, die Darstellung als Grenzfall der Helmholtz’schen Theorie und die Darstellung in den vorliegenden Abhandlungen sind also wesentlich verschiedene Formen für einen wesentlich gleichen gemeinsamen Inhalt. Dieser gemeinsame Inhalt der verschiedenen Formen, für welchen gewiss noch viele andere Formen gefunden werden können, erscheint mir als der unsterbliche Theil der Maxwell’schen Arbeit, diesem |[023]Inhalt und nicht den besonderen Vorstellungen oder Methoden Maxwells möchte ich den Namen „Maxwell’sche Theorie“ vorbehalten wissen. Auf die Frage „Was ist die Maxwell’sche Theorie?“ wüsste ich also keine kürzere und bestimmtere Antwort als diese: Die Maxwell’sche Theorie ist das System der Maxwell’schen Gleichungen. Jede Theorie, welche auf diese Gleichungen führt, und damit dieselben möglichen Erscheinungen umfasst, würde ich als eine Form oder ein Specialfall der Maxwell’schen Theorie bezeichnen; jede Theorie, welche auf andere Gleichungen und damit auf andere mögliche Erscheinungen führt, ist eine andere Theorie. In diesem Sinne also und nur in diesem Sinne bilden die beiden theoretischen Abhandlungen dieser Sammlung eine Darstellung der Maxwell’schen Theorie. Keineswegs können sie den Anspruch erheben, genau Maxwells Gedanken wiederzu geben. Es ist im Gegentheil zweifelhaft, ob Maxwell, falls er lebte, die vorgetragene Darstellung als die seine anerkennen würde.

     Darin, dass derselbe Inhalt in verschiedenen Fassungen vorgetragen wird, liegt ein bedeutendes Erschwerniss für das Verständniss jeder einzelnen Fassung. Dieselbe Bezeichnung bedeutet in den verschiedenen Formen verwandte und doch verschiedene Begriffe oder Vorstellungen. Die erste Bedingung für das Verständniss ist also, dass man jede Darstellung für sich zu verstehen suche und nicht in sie die Vorstellungen einer andern Darstellung hineintrage. Vielleicht erweise ich manchen Fachgenossen einen Dienst, wenn ich hier kurz die Grundvorstellungen der drei Darstellungen der Maxwell’schen Theorie erläutere, welche ich oben erwähnte. Ich habe dabei Gelegenheit anzugeben, worin nach meinem Urtheil die besondere Schwierigkeit von Maxwell’s eigener Darstellung liege. Die oft gehörte Ansicht, dass diese Schwierigkeit mathematischer Natur sei, kann ich nicht theilen.

     Wenn wir die Körper aus der Ferne auf einander wirken sehen, so können wir uns von der Natur dieser Wirkung verschiedene Vorstellungen machen. Wir können die Einwirkung als eine unmittelbare, den Raum überspringende Fernkraft betrachten oder wir können sie als die Folge einer Wirkung ansehen, welche in einem hypothetischen Medium von Punkt zu |[024]Punkt sich fortpflanzt. In den Anwendungen dieser Vorstellungen auf die Elektricität können wir indessen noch eine Reihe feinerer Unterschiede machen. Gehen wir von der reinen Vorstellung der unmittelbaren zu der reinen Vorstellung der vermittelten Fernwirkung über, so können wir etwa vier Standpunkte unterscheiden.

     Auf dem ersten Standpunkte betrachten wir die Anziehung zweier Körper als eine Art geistiger Hinneigung beider zu einander. Die Kraft, welche jeder von beiden ausübt, ist geknüpft an das Vorhandensein des andern Körpers. Damit überhaupt eine Kraft vorhanden sei, müssen mindestens zwei Körper vorhanden sein. Ein Magnet erhält gewissermassen seine Kraft erst dann, wenn ein anderer Magnet in seine Nähe gebracht wird. Diese Vorstellung ist die reine Vorstellung der Fernkraft, die Vorstellung des Coulombschen Gesetzes. Sie ist in der Lehre von der Elektricität fast verlassen, sie wird wohl noch benutzt in der Lehre von der Gravitation. Der berechnende Astronom spricht von der Anziehung zwischen der Sonne und einem Planeten, aber die Anziehung im leeren Raum beschäftigt ihn nicht.

     Auf dem zweiten Standpunkt sehen wir die Anziehungen der Körper immer noch an als eine Art geistiger Einwirkung derselben auf einander. Aber obwohl wir zugeben, dass wir diese Fernwirkung nur dann bemerken können, wenn wir mindestens zwei Körper haben, so nehmen wir doch an, dass auch der einzelne der wirkenden Körper beständig das Bestreben habe, in jedem Punkte seiner Umgebung Anziehungen hervorzubringen von bestimmter Grösse und Richtung, auch dann, wenn sich keine andern ihm verwandten Körper in der Nähe finden. Mit den stetig von Punkt zu Punkt sich ändernden Bestrebungen dieser Art füllen wir in unserer Vorstellung den Raum. Gleichwohl nehmen wir nicht am Ort der Wirksamkeit irgend eine Veränderung des Raumes an, um deren willen wir diesen Ort als den Sitz der Kraft bezeichnen könnten, sondern zugleich Sitz und Ursprung der Kraft bleibt der wirkende Körper. Dieser Standpunkt ist etwa der Standpunkt der Potentialtheorie. Er ist selbstverständlich auch der Standpunkt gewisser Capitel in Maxwell’s Werk, obwohl nicht der Standpunkt der Maxwell’schen Theorie. Um die Vorstellungen in sinnlicher Darstellung mit einander vergleichen zu können, sind in Fig. 2 zwei ent|[025]gegengesetzt elektrisirte Condensatorplatten von diesem Standpunkt aus in leicht verständlicher Symbolik dargestellt. Man
Fig. 2.
sieht in den Platten die materiell gedachte positive und negative Elektricität, zwischen den Platten die durch Pfeile dargestellte Kraft. Ob der Raum zwischen den Platten erfüllt oder leer ist, ist von diesem Standpunkt aus gleichgültig. Geben wir also den Lichtäther zu, denken ihn uns aber aus einem Theil B des Raumes entfernt, so wird gleichwohl in diesem Raum die Kraft unverändert sein.

     Der dritte Standpunkt behält die Vorstellungen des zweiten bei, fügt ihnen aber eine Complication hinzu. Er nimmt an, dass die unvermittelten Fernkräfte die Wirkung der getrennten Körper nicht allein bestimmen. Vielmehr nimmt er an, dass die Kräfte in dem überall erfüllt gedachten Raum Veränderungen hervorrufen, welche ihrerseits Anlass zu neuen Fernkräften geben. Die Anziehungen der getrennten Körper beruhen dann zum Theil auf der unmittelbaren Fernwirkung derselben, zum Theil auf dem Einfluss des veränderten Mediums. Die Veränderung des Mediums selbst wird gedacht als eine elektrische, bez. magnetische Polarisation seiner kleinsten Theile unter dem Einfluss der wirkenden Kraft. Im Hinblick auf statische Erscheinungen ist dieser Standpunkt von Poisson für den Magnetismus entwickelt, von Mosotti auf die elektrischen Erscheinungen übertragen worden; in allgemeinster Entwickelung und in Ausdehnung auf das ganze Gebiet des Elektromagnetismus findet er sich vertreten in der Theorie von Helmholtz.[21]

     Fig. 3 versinnlicht diesen Standpunkt für den Fall, dass sich das Medium nur in geringem Maasse an der Gesammt |[026]wirkung betheiligt. Man sieht in den Platten die freien Elektricitäten, ebenso die in den Theilen des Dielektricums getrennten,
Fig. 3.
aber nicht ableitbaren elektrischen Fluida. Denken wir uns, der Raum zwischen den Platten enthalte nur den Lichtäther und machen wir in denselben eine Höhlung von der Gestalt B, so werden in dieser Höhlung die Kräfte erhalten bleiben, die Polarisationen aber fortfallen.

     Ein Grenzfall dieser Vorstellungsweise ist von besonderer Wichtigkeit. Wie die nähere Ueberlegung zeigt, können wir die allein beobachtbare Gesammtwirkung der greifbaren Körper auf einander in verschiedener Weise vertheilen auf den Einfluss der unmittelbaren Fernkräfte und auf den Einfluss des zwischenliegenden Mediums. Wir können den Theil der Gesammtenergie, welcher seinen Sitz in den elektrisirten Körpern hat, vergrössern auf Kosten des Theiles, welchen wir in dem Medium suchen, und umgekehrt. Im Grenzfall nun suchen wir die gesammte Energie im Medium. Da den Elektricitäten, welche sich in den Leitern finden, keine Energie entsprechen soll, so müssen die Fernkräfte verschwindend klein werden. Dafür ist wieder nothwendige Bedingung, dass nirgends freie Elektricität auftrete. Die Elektricität muss sich also bewegen wie eine incompressibele Flüssigkeit. Daher haben wir nur geschlossene Ströme, daher die Möglichkeit, die Theorie auf alle Arten der elektrischen Bewegung zu erweitern trotz unserer Unkenntniss der Gesetze der ungeschlossenen Ströme.

     Die mathematische Behandlung dieses Grenzfalles führt uns auf die Gleichungen Maxwell’s. Wir bezeichnen also diese Behandlung als eine Form der Maxwell’schen Theorie. So wird auch dieser Grenzfall bei v. Helmholtz bezeichnet. Keineswegs aber soll damit gesagt sein, dass die zu Grunde liegenden Vorstellungen die Vorstellungen Maxwell’s seien.

     Figur 4 symbolisirt uns die Vorstellungen dieser Theorie von dem Zustand des Raumes zwischen den zwei elektrisirten |[027]Platten. Die Fernkräfte sind zu Schemen herabgesunken. Die Elektricität in den Leitern ist noch vorhanden und sie ist auch
Fig. 4.
unentbehrlich für die Vorstellung, aber sie wird in ihren Fernwirkungen vollständig neutralisirt durch die gegen sie hin verschobene entgegengesetzte Elektricität des Mediums. Der Druck, welchen dieses Medium infolge der Anziehung seiner inneren Elektricitäten ausübt, zieht die Platten gegen einander. In dem Hohlraum B finden sich nur die verschwindend kleinen Fernkräfte vor.

     Der vierte Standpunkt gehört der reinen Vorstellung von der vermittelten Wirkung. Wir geben auf diesem Standpunkte zu, dass die vom dritten Standpunkte aus angenommenen Veränderungen des Raumes thatsächlich vorhanden sind, und dass dieselben die Vermittler des Einflusses sind, welchen die greifbaren Körper auf einander ausüben. Aber wir läugnen, dass diese Polarisationen die Folge von Fernkräften sind, wir läugnen das Vorhandensein dieser Fernkräfte überhaupt; wir beseitigen die Elektricitäten, von welchen diese Fernkräfte ausgehen sollten. Vielmehr betrachten wir jetzt jene Polarisationen als das einzig wirklich vorhandene; sie sind zugleich die Ursache der Bewegungen der ponderabelen Körper und der übrigen Erscheinungen, welche uns diese Körper als verändert erblicken lassen. Die Erklärung des Wesens der Polarisationen, ihres Zusammenhangs und ihrer Wirkungen vertagen wir oder suchen sie in mechanischen Hypothesen; wir weigern uns aber, in den bisher benutzten Elektricitäten und Fernkräften eine befriedigende Erklärung dieses Zusammenhangs und dieser Wirkungen zu sehen. Die Ausdrücke Elektricität, Magnetismus, u. s. w., behalten für uns nur den Werth von Abkürzungen.

     In mathematischer Hinsicht können wir die Behandlung dieses vierten Standpunktes vollständig zusammenfallen lassen mit dem Grenzfall des dritten Standpunktes. Aber physikalisch betrachtet bleibt er gleichwohl vollständig von demselben verschieden. Es ist unmöglich, zugleich die Fernkräfte zu läugnen |[028]und sie als Ursachen der Polarisationen anzusehen. Was wir von diesem Standpunkte aus irgend als „Elektricität“ bezeichnen können, bewegt sich nicht wie eine incompressibele Flüssigkeit. Ein anderer Unterschied springt in die Augen, wenn wir die Figur 5 betrachten, welche uns die Vorstellung dieses Standpunkts symbolisch vorführt. Die Polarisation des Raumes ist mit Hülfe desselben Symboles dargestellt, dessen wir uns auf dem dritten Standpunkt bedienten. Aber während in Figur 3 und 4
Fig. 5.
diese Darstellung das Wesen der Polarisation erläuterte durch das als bekannt vorausgesetzte Wesen der Elektricität, soll hier durch die Darstellung das Wesen der elektrischen Belegung definirt werden durch den als bekannt angesehenen Polarisationszustand des Raumes. Jedes Theilchen des Dielektricums erscheint hier in entgegengesetzter Weise mit Elektricität belegt, wie in den Vorstellungen des dritten Standpunktes. Entfernen wir in der Vorstellung aus dem Raume B wiederum den Aether, so bleibt in diesem Raume schlechterdings nichts zurück, was uns an die elektrische Erregung der Umgebung erinnern könnte.

     Dieser vierte Standpunkt ist nun, wie ich denke, der Standpunkt Maxwell’s. Die allgemeinen Auseinandersetzungen seines Werkes lassen keinen Zweifel, dass er die Fernkräfte vollständig beseitigen wollte. Maxwell sagt ausdrücklich, dass, wenn in einem Dielektricum die Kraft, also das „displacement“ nach der rechten Seite gerichtet ist, man sich alsdann jedes Theilchen des Dielektricums vorzustellen habe als belegt mit negativer Elektricität auf der rechten Seite, mit positiver Elektricität auf der linken Seite. Aber es ist nicht zu läugnen, dass für den ersten Blick andere Aussagen Maxwell’s mit den Vorstellungen dieses Standpunktes im Widerspruch zu stehen scheinen. Maxwell nimmt auch in den Leitern Elektricität an, diese Elektricität bewegt sich stets so, dass sie mit den Verschiebungen im Dielektricum zusammen geschlossene Ströme bildet. Die Behauptung, dass sich die Elektricität bewege wie eine incom|[029]pressibele Flüssigkeit, ist ein Lieblingssatz Maxwell’s. Diese Aussagen aber passen nicht in die Vorstellungen des vierten Standpunktes, sie lassen vermuthen, dass es vielmehr der dritte Standpunkt gewesen sei, dessen Anschauungen Maxwell vor Augen standen. Ich glaube, dass dies letztere niemals der Fall war, dass die Widersprüche scheinbar sind und auf einem Missverständniss beruhen. Irre ich nicht, so ist der Zusammenhang der folgende: Maxwell hat ursprünglich seine Theorie entwickelt an der Hand sehr bestimmter und specieller Vorstellungen über das Wesen der elektrischen Erscheinungen. Er nahm an, dass die Poren des Aethers und aller Körper erfüllt seien mit einer zarten Flüssigkeit, welche aber keine Fernkräfte ausübte. In den Leitern sollte sich diese Flüssigkeit frei bewegen und diese Bewegung sollte das bilden, was wir einen elektrischen Strom nennen. In den Isolatoren sollte diese Flüssigkeit durch elastische Kräfte an ihren Ort gefesselt sein und die Verschiebung, das „displacement“ derselben wurde betrachtet als das Wesen der elektrischen Polarisation. Die Flüssigkeit selbst nannte Maxwell als die Ursache aller elektrischen Erscheinungen „Elektricität“. Als Maxwell nun sein grosses Werk abfasste, sagten ihm offenbar die gehäuften Hypothesen jener ersten Vorstellung nicht mehr zu oder er fand Widersprüche in denselben und so liess er sie fort. Aber er eliminirte sie doch nicht so vollständig, dass nicht eine ganze Reihe von Bezeichnungen, die aus jener Vorstellung stammen, zurückgeblieben wären. Und so hat leider das Wort „Elektricität“ in Maxwell’s Werk offenbar einen Doppelsinn. Einmal bezeichnet es dasjenige, was auch wir so bezeichnen, eine Grösse, welche positiv und negativ sein kann, und welche den Ausgangspunkt mindestens scheinbarer Fernkräfte bildet. Zweitens bezeichnet es jenes hypothetische Fluidum, von welchem keine, auch keine scheinbaren Fernkräfte ausgehen, und dessen Menge in einem Raum unter allen Umständen nur eine positive Grösse sein kann. Liest man die Ausführungen Maxwell’s, indem man beständig den Sinn des Wortes „Elektricität“ in geeigneter Weise interpretirt, so lassen sich die zuerst überraschenden Widersprüche fast immer zum Verschwinden bringen. Ich muss indess bekennen, dass mir dies in Vollständigkeit und zu meiner vollkommenen Befriedigung doch nicht hat gelingen |[030]wollen; ich würde sonst bestimmter und nicht so zweifelnd reden.[22]

     Wie dem auch sei, jedenfalls ist in den beiden theoretischen Abhandlungen dieser Sammlung der Versuch gemacht, die Maxwell’sche Theorie, d. h. das Maxwell’sche Gleichungssystem von diesem vierten Standpunkt aus darzustellen. Ich habe mich bemüht, den Standpunkt rein zu wahren, also Vorstellungen, welche ihm fremd sind, überhaupt nicht erst in die Betrachtung einzuführen.[23] Ich habe mich ferner bemüht, in der Darstellung die Zahl derjenigen Vorstellungen möglichst zu beschränken, welche von uns in die Erscheinungen willkürlich hineingetragen werden und nur solche Elemente zuzulassen, welche nicht entfernt oder abgeändert werden können, ohne zugleich mögliche Erfahrungen abzuändern. Es ist wahr, dass durch dies Bestreben die Theorie einen sehr abstracten und farblosen Anblick erhält. Es befriedigt wenig, nur allgemein von „gerichteten Zustandsänderungen“ da reden zu hören, wo man gewohnt war, das sinnliche Bild der mit Elektricitäten belegten Atome vor Augen zu haben. Es befriedigt wenig, Gleichungen als allgemeine Ergebnisse der Erfahrung hingestellt zu sehen, für welche man gewohnt war, durch längere mathematische Ableitungen einen scheinbaren Beweis zu erhalten. Ich glaube indessen, dass man ohne Selbsttäuschung aus der Erfahrung nicht viel mehr entnehmen kann, als in jenen Abhandlungen ausgesagt ist. Wünscht man der Theorie mehr Farbe zu verleihen, so ist nichts im Wege, dass man noch nachträglich der Einbildungs|[031]kraft zu Hilfe komme durch concrete sinnliche Vorstellungen von dem Wesen der elektrischen Polarisation, des elektrischen Stromes u. s. w. Aber die Strenge der Wissenschaft erfordert doch, dass wir dies bunte Gewand, welches wir der Theorie überwerfen, und dessen Schnitt und Farbe vollständig in unserer Gewalt liegt, wohl unterscheiden von der einfachen und schlichten Gestalt selbst, welche die Natur uns entgegenführt und an deren Formen wir aus unserer Willkür nichts zu ändern vermögen.

     Was ich im Einzelnen zu den Abhandlungen noch bemerken möchte, werde ich am Schlusse des Buches in der Gestalt nachträglicher Anmerkungen hinzufügen.




  1. Es wird vorausgesetzt, dass der Leser die vorerwähnten Abhandlungen jetzt bereits kenne.
  2. v. Helmholtz, Ges. Abhandl. I. 545.
  3. Die Ausdrücke Luftraum und leerer Raum werden hier als Synonyme gebraucht, weil die wägbare Luft in diesen Versuchen von verschwindendem Einfluss ist.
  4. H. Poincaré, Comptes rendues 111. p. 322.
  5. Vergleiche die Bemerkung am Schluss des zweiten Abschnittes der Arbeit selbst.
  6. E. Lecher. Eine Studie über elektrische Resonanzerscheinungen. Wied. Ann. 41. 850.
  7. Die gleiche Bemerkung gilt auch für die ganz neuerdings erschienene Arbeit des Herrn Blondlot, C. R. 113. 628. [Vergl. Anmerkg. 15 am Schluss des Buches.]
  8. E. Sarasin u. L. de la Rive, Comptes rendues 112. 658.
  9. In einem Raum von nicht näher angegebenen Dimensionen fand Herr Trouton die Wellenlänge meines primären Leiters in der Luft ebenso wie ich zu etwa 10 m. Nature 39. 391.
  10. Archives de Genève (3). 21 p. 302.
  11. Es wäre mir sehr leid, wenn man in diesen Auseinandersetzungen eine Absicht zu erkennen glaubte, die Verdienste der Herren Sarasin und de la Rive zu verkleinern. Niemand hat meinen Versuchen ein wärmeres Interesse entgegengebracht, Niemand hat wohlwollender für das Bekanntwerden derselben sich bemüht als diese Herren. Ich bin denselben in jeder Hinsicht zu Dank verpflichtet und würde mich von Niemandem lieber belehren lassen als von ihnen. Aber in der vorliegenden Frage weiss ich mich mit Herrn Sarasin einig in dem Wunsche, es möchten die Versuche mit langen Wellen in bedeutend grösseren Räumen wiederholt werden, als ihm selbst oder mir zur Verfügung standen.
    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Fußnote wurde auf dieser Seite vervollständigt.
  12. v. Helmholtz, Ges. Abhandl. I. 545.
  13. E. Sarasin und L. de la Rive, Arch. de Genève (3). 23. p. 113. 1890.
  14. H. Poincaré, Electricité et optique II. p. 249.
  15. V. Bjerknes, Wied. Ann. 44. p. 92. 1891.
  16. V. Bjerknes, Wied. Ann. 45. p. 513. 1891.
  17. Cornu, Comptes rendues 110. p. 72. 1890.
  18. E. Hagenbach u. L. Zehnder, Wied. Ann. 43. p. 610. 1891.
  19. Diese Versuche gaben auch den Anlass zu dem Vortrage „Über die Beziehungen zwischen Licht und Elektricität“, in welchem ich 1889 auf der Heidelberger Naturforscherversammlung den allgemeinen Zusammenhang meiner Versuche in leichtfasslicher Form darstellte (gedruckt bei E. Strauss, Bonn).
  20. Die Analogie liegt keineswegs nur in der Uebereinstimmung der mehr oder weniger genau gemessenen Geschwindigkeiten. Die nahezu gleiche Geschwindigkeit ist nur ein Element der Analogie unter vielen Elementen.
  21. Am Schluss der Abhandlung „Ueber die Bewegungsgleichungen der Elektricität für ruhende leitende Körper.“ Ges. Abh. I. p. 545.
  22. Aehnlich urtheilt Herr Poincaré in seinem Werke „Electricité et optique“, Vol. I. Les Théories de Maxwell. Herr L. Boltzmann in seinen „Vorlesungen über Maxwell’s Theorie“ scheint, wie ich selbst, mehr eine widerspruchsfreie Ableitung des Maxwell’schen Systems zu beabsichtigen, als eine genaue Wiedergabe von Maxwell’s eigenen Gedanken. Da das Werk noch unvollendet, ist ein sicheres Urtheil noch nicht möglich.
  23. Der Ausdruck „elektrische Kraft“ in diesen Abhandlungen ist nur ein Name für einen Polarisationszustand des Raumes. Um Missverständnissen vorzubeugen, hätte ich vielleicht besser gethan, ihn durch ein anderes Wort zu ersetzen, etwa das Wort „elektrische Feldintensität“, wie es Herr E. Cohn vorschlägt in seiner gleiche Ziele verfolgenden Abhandlung: Zur Systematik der Elektricitätslehre, Wiedem. Ann. 40. p. 625. 1890.