Charakteristische Züge der Fränkischen katholischen Geistlichkeit im vorigen Jahrhundert
Erscheinungsbild
|
VIII.
Charakteristische Züge der Fränkischen katholischen Geistlichkeit im vorigen Jahrhundert.
Wenn man in der Geschichte Frankenlands liest, was für eine Denkungsart die Bischöffe und ihre geistlichen Ordinariatsräthe im Puncte der Hexen und Nichtkatholiken im vorigen Jahrhunderte hatten, so läßt sich hievon auf den Zustand der Aufklärung, die unter dem geringern Priesterstande und dem gemeinen Volke herrschte, schließen. Die grausamen Hexeninquisitionen, die Philipp| Adolf, Bischoff von Wirzburg, im siebzehnten Jahrhunderte anstellte, sind bekannt: er glaubte die Unholden, die einen Bund mit dem Teufel zu haben schienen, sämmtlich zu kennen. Was aber die Verfolgungen einzelner Bewohner des Wirzburger Landes anlangt, die von der katholischen Religion zu der lutherischen übergegangen waren, davon findet man in der Geschichte nur allgemeine Anzeigen, z. B. vom Bischoff Julius und andern, die sich die Bekehrung der Lutheraner in ihrem Lande zu einem besondern Geschäffte gemacht hatten. Ein Beyspiel von der Methode, der man sich bey dergleichen mühsamen und wenig frommenden Proselytenmachereyen bediente, habe ich vor einigen Jahren in einer geschriebenen Chronik über den Flecken Sulzfeld am Maine bey Kitzingen gefunden. Die Geschichte ereignete sich gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts; in welchem Jahre kann ich jetzt nicht angeben, da ich jene Handschrift nicht vor mir liegen habe. Der dasige Bürgermeister, der, wenn ich nicht irre, Klinger hieß, nebst noch zwey andern Bürgern zu Sulzfeld, hingen trotz aller Mahnungen, die ihnen der Pfarrer und Dechant von Kitzingen gab, der protestantischen Lehre eifrigst an. Weil man| nun sah, daß Belehrungen und gute Worte, ja selbst das Beyspiel der übrigen Einwohner von Sulzfeld, die nach und nach sämmtlich zur katholischen Lehre zurückgekehrt waren, nichts fruchten wollten, so setzte man sie in den Kerker, und wollte sie mit Wasser und Brod zur Rückkehr zwingen. Und als auch diese Strafe die verhoffte Wirkung nicht hervorbrachte, so legte man sie in Ketten und führte sie gefänglich nach Wirzburg, wo sie, nebst der Strafe mit Brod und Wasser gespeiset zu werden, noch üble Behandlung und Schläge, ja zuletzt Landesverweisung mit dem Verluste ihrer Habschaft erwartete. Endlich ergaben sie sich doch, nachdem sie einige Zeit im Gefängnisse zugebracht, und sehr harte Behandlungen erlitten hatten, – gutwillig, und schwuren öffentlich das Lutherthum ab..
Ähnliche Beyspiele von der Art, wie man damahls die katholische Lehre wieder einführte, würden wir mehrere in den Pfarrbüchern finden, wenn man nicht wüßte, daß gerade diese Bücher von jeher am sorglosesten und trägsten besorgt worden. Man findet im Wirzburgischen Lande wenig Pfarrbücher, die von 200 Jahren her Nachrichten enthalten. Und wirklich hält man das Pfarrregister| zu Sulzfeld am Maine für eines der ältesten und vollständigsten unter allen, die in den Pfarrhöfen des Wirzburger Landes aufbewahrt werden. An diesem Mangel förmlicher Verzeichnisse über Taufen, Trauungen und andere kirchliche Vorfälle war besonders die Unwissenheit der damahligen Pfarrer schuld. Freylich trugen die von Zeit zu Zeit geschehenen Einfälle der Feinde auch viel zu diesem Übel bey; aber die größte Schuld wird doch immer auf die Trägheit und Unwissenheit der Pfarrer jener Zeiten fallen..
Wie groß diese Unwissenheit gewesen sey, darüber fand ich in eben diesem Sulzfelder Pfarrbuche augenscheinliche Beweise. Aus der Sprache und der Orthographie, die darin von einem Jahrzehende zum andern herrschet, ersah ich genugsam, wie vom sechzehnten Jahrhunderte bis gegen das Ende des siebzehnten die Wissenschaften immer mehr in Verfall gerathen seyn müssen. Die Beyspiele, wo der Pfarrer nebst dem Namen dessen, den er ins Pfarrbuch einzutragen hatte, auch das Gewerbe oder den Stand desselben kümmerlich in lateinischer Sprache anzugeben im Stande war, kommen kaum über zweymahl vor; und man findet weit mehr Lücken, die genugsam verrathen, der Pfarrer habe,| wo nicht des Schreibens ganz unkundig, wenigstens nicht so viel Latein inne gehabt, um die Kirchenvorfälle niederschreiben zu können. Indessen kommen zuweilen dergleichen Stellen im Pfarrbuche, zwar nicht in lateinischer Sprache, wohl aber in der elendesten Teutschen Mundart im Register vor. Ja ich stieß sogar auf Angaben von Pfarrern, die, weil sie wirklich kein Latein schreiben konnten, die Worte: Schulze, Schulmeister, und andre durch Schultenius, Schulmeisterus übersetzten. Sonst aber fand ich in eben diesem Pfarrbuche mehrere Jahre, worin ganz und gar nichts eingetragen worden war..
Indessen muß ich auch dieß gestehen, daß ich anderwärts Briefe gesehen habe, deren Inhalt der im vorigen Jahrhunderte lebenden Geistlichkeit nicht zur Unehre gereichen kann. So las ich vor einigen Jahren etliche Briefe, die gegen die Mitte des siebzehnten Jahrh. von einigen Pfarrern geschrieben wurden, die in dem Landstädtchen Eltmann Seelsorger waren. Die Briefe selbst sind in dem dasigen Pfarrhofe noch aufbehalten. Sie waren beyde an die Wirzburgische geistliche Regierung gerichtet. In dem einen geschah die Anfrage: wie sich der Pfarrer und| die katholische Gemeinde zu Schönbach, einem Filiale der Pfarre von Eltmann, gegen die Lutherischen Einwohner zu verhalten hätten, die an den besondern vielfältigen Feyertagen der Katholiken knechtliche Arbeiten verrichteten, ob er ihnen solche ferner erlauben dürfe, oder nicht? Die Antwort der geistl. Regierung war diese: Wenn die Lutheraner schon mehrere Jahre her an den Feyertagen der Katholiken dergleichen Arbeiten verrichtet hätten, so dürfe man sie in ihrem hergebrachten Rechte nun nicht erst stören, und dieß um so weniger, wenn erwiesen werde, daß die Katholiken an den Feyertagen jener ebenfalls knechtliche Arbeiten verrichteten..
In dem andern Briefe wurde von dem Pfarrer, zu Wirzburg angefragt, wie er sich bey der künftigen Kirchweih zu Priesendorf, welches damahls noch zur Eltmanner Pfarre gehörte, zu verhalten habe: ob er nämlich oder sein Capellan noch bey dem Planaufführen erscheinen, und wie gewöhnlich den Vorreihen tanzen solle. Die Antwort von Seite der geistl. Regierung lief dahinaus: Er oder sein Capellan möge künftig wohl bey dem Planaufführen erscheinen; es wolle sich aber nicht schicken, daß er oder der| Capellan noch den Vorreihen tanze, er solle also solchen seinen Vorreihentanz allemahl einen andern z. B. den Schulzen oder sonst jemand aufführen lassen.
Ausser diesen Briefen habe ich auch eine Quittung in eben diesem Pfarrhofe in Händen gehabt, die der Gemeinschmid von Limbach, ebenfalls einem vormahligen Filial von Eltmann, über den Empfang zweyer Gulden ausgestellt hatte, die er als Schulmeister von Limbach jährlich einzunehmen hatte.