Critik der reinen Vernunft (1781)/II Transscendentale Methodenlehre

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« Des dritten Hauptstücks Siebenter Abschnitt. Critik aller Theologie aus speculativen Principien der Vernunft. Immanuel Kant
Critik der reinen Vernunft (1781)
Inhalt
1. Hauptstück. Die Disciplin der reinen Vernunft »
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II.
Transscendentale
Methodenlehre.

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| Wenn ich den Inbegriff aller Erkentniß der reinen und speculativen Vernunft wie ein Gebäude ansehe, dazu wir wenigstens die Idee in uns haben, so kan ich sagen, wir haben in der transscendentalen Elementarlehre den Bauzeug überschlagen und bestimt, zu welchem Gebäude, von welcher Höhe und Festigkeit er zulange. Freilich fand es sich: daß, ob wir zwar einen Thurm im Sinne hatten, der bis an den Himmel reichen solte, der Vorrath der Materialien doch nur zu einem Wohnhause zureichte, welches zu unseren Geschäften auf der Ebene der Erfahrung gerade geräumig und hoch gnug war, sie zu übersehen, daß aber iene kühne Unternehmung aus Mangel an Stoff fehlschlagen mußte, ohne einmal auf die Sprachverwirrung zu rechnen, welche die Arbeiter über den Plan unvermeidlich entzweien und sie in alle Welt zerstreuen mußte, um sich, ein ieder nach seinem Entwurfe, besonders anzubauen. Jezt ist es uns nicht so wol um die Materialien, als vielmehr um den Plan zu thun und, indem wir gewarnet sind, es nicht auf einen beliebigen blinden Entwurf, der vielleicht unser ganzes Vermögen übersteigen könte, zu wagen, gleichwol doch von der Errichtung eines festen Wohnsitzes nicht wol abstehen können, den Anschlag zu einem Gebäude in Verhältniß auf den Vorrath, der uns gegeben und zu gleich unserem Bedürfniß angemessen ist, zu machen.
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 Ich verstehe also unter der transscendentalen Methodenlehre, die Bestimmung der formalen Bedingungen eines| vollständigen Systems der reinen Vernunft. Wir werden es in dieser Absicht mit einer Disciplin, einem Canon, einer Architectonik, endlich einer Geschichte der reinen Vernunft zu thun haben und dasienige in transscendentaler Absicht leisten, was, unter dem Nahmen einer practischen Logik, in Ansehung des Gebrauchs des Verstandes überhaupt in den Schulen gesucht, aber schlecht geleistet wird; weil, da die allgemeine Logik auf keine besondere Art der Verstandeserkentniß (z. B. nicht auf die reine), auch nicht auf gewisse Gegenstände eingeschränkt ist, sie, ohne Kentnisse aus anderen Wissenschaften zu borgen, nichts mehr thun kan, als Titel zu möglichen Methoden und technische Ausdrücke, deren man sich in Ansehung des Systematischen in allerley Wissenschaften bedient, vorzutragen, die den Lehrling zum voraus mit Nahmen bekant machen, deren Bedeutung und Gebrauch er künftig allererst soll kennen lernen.


1. Hauptstück. Die Disciplin der reinen Vernunft

2. Hauptstück. Der Canon der reinen Vernunft

3. Hauptstück. Die Architektonik der reinen Vernunft

4. Hauptstück. Die Geschichte der reinen Vernunft


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