Die Edda (Simrock 1876)/Ältere Edda/Ögisdrecka
Ögir, der mit anderm Namen Gymir hieß, bereitete den Asen ein Gastmahl, nachdem er den großen Keßel erlangt hatte, wie eben gesagt ist. Zu diesem Gastmal kam Odhin und Frigg sein Weib. Thôr kam nicht, denn er war auf der Ostfahrt. Sif war zugegen, Thôrs Weib, desgleichen Bragi und Idun sein Gemahl. Auch Tyr war da, der nur Eine Hand hatte, denn der Fenriswolf hatte ihm die andre abgebißen, als er gebunden wurde. Da war auch Niörd und Skadi sein Weib, Freyr und Freyja, und Widar, Odhins Sohn. Auch Loki war da und Freys Diener Beyggwir und Beyla. Da waren noch viele Asen und Alfen.
Ögir hatte zwei Diener, Funafengr und Eldir. Leuchtendes Gold diente statt brennenden Lichtes. Das Äl trug sich selber auf. Der Ort hatte sehr heiligen Frieden. Alle Gäste rühmten, wie gut Ögirs Leute sie bedienten. Loki, der das nicht hören mochte, erschlug den Funafengr. Da schüttelten die Asen ihre Schilde und rannten wider Loki und verfolgten ihn in den Wald und fuhren dann zu dem Mal. Loki kam wieder und sprach zu Eldir, den er vor dem Saale fand:
Fuße vorwärts schreitest,
Was für Tischgespräche tauschen hier innen
Der Sieggötter Söhne?
Der Sieggötter Söhne.
Asen und Alfen, die hier innen sind,
Keiner weiß von dir ein gutes Wort.
Selber dieß Gelag zu sehn.
Schimpf und Schande schaff ich den Asen
Und mische Gift in ihren Meth.
Selber dieß Gelag zu sehn,
Und die guten Götter übergießest mit Schmach,
Gieb Acht, sie trocknen sie ab an dir.
In scharfen Worten streiten,
Üppiger werd ich in Antworten sein,
Was du auch zu reden weist.
Da ging Loki in die Halle. Jene aber, die darinnen waren, als sie ihn eingetreten sahen, schwiegen alle still.
Loptr den langen Weg
Die Asen zu bitten, mir Einen Trunk
Zu schenken ihres süßen Meths.
Und erwiedert nicht ein Wort?
Sitz und Stelle sucht mir bei dem Mal,
Oder heißt mich hinnen weichen.
Die Asen nun und nimmer.
Die Asen wißen wohl wem sie sollen
Antheil gönnen am Gelag.
Das Blut mischten beide?
Du gelobtest, nimmer dich zu laben mit Trank,
Würd er uns beiden nicht gebracht.
Sitz zu schaffen beim Mal,
Daß länger Loki uns nicht lästere
Hier in Ögis Halle.
Da stand Widar auf und schenkte dem Loki. Als er aber getrunken hatte, sprach er zu den Asen:
Euch hochheiligen Göttern all,
Außer dem Asen allein, der da sitzt
Auf Bragis Bank.
Und einen Baug (Ring) zur Buße,
Daß du den Asen nicht Ärgerniss gebest:
Mache dir nicht gram die Götter.
Weiß ich dich, Bragi, der beiden!
Von Asen und Alfen, die hier inne sind,
Scheut Keiner so den Streit,
Flieht Geschoße Keiner feiger.
Hier in Ögis Halle,
Dein Haupt hätt ich in meiner Hand schon;
Also lohnt’ ich dir der Lüge.
Bragi, Bänkehüter!
Zum Zweikampf vor, wenn du zornig bist:
Der Tapfre sieht nicht um und säumt.
Und aller Wünschelsöhne Wohl,
Sprich zu Loki nicht mit lästernden Worten
Hier in Ögis Halle.
Mein ich dich die Männertollste:
Du legtest die Arme, die leuchtenden, gleich
Um den Mörder eines Bruders.
Hier in Ögis Halle;
Den Bragi sänft ich, den bierberauschten,
Daß er im Zorn den Zweikampf meide.
Mit scharfen Worten streitet?
Loptr träumt sich nicht, daß er betrogen ist,
Ihn hier die Himmlischen haßen.
Wie dich zur Lust verlockte
Jener weiße Knabe, der dir das Kleinod gab,
Als du den Schenkel um ihn schlangst.
Wenn du Gefion gram dir machst:
Aller Lebenden Looße weiß sie
Ebenwohl als ich.
Den Sterblichen theilst du den Streit:
Oftmals gabst du, dem du nicht geben solltest,
Dem schlechtern Manne den Sieg.
Dem schlechtern Manne den Sieg,
Unter der Erde acht Winter warst du
Milchende Kuh und Mutter
[Denn du gebarest da:
Das dünkt mich eines Argen Art].
Von Haus zu Haus als Wala.
Vermummter Zauberer trogst du das Menschenvolk:
Das dünkt mich eines Argen Art.
Erwähnen vor der Welt,
Was ihr Asen beide in Urzeiten triebet:
Die frühsten Thaten bergt dem Volk.
Und den Männern allzumild,
Die Wili und We als Widrirs Gemahlin
Beide bargst in deinem Schooß.
Einen Sohn wie Baldur schnell,
Nicht kämst du hinaus von den Asensöhnen,
Du hättest schon zu fechten gefunden.
Meiner Meinthaten,
So bin ich Schuld, daß du nicht mehr schauen wirst
Baldur reiten zum Rath der Götter.
Die schnöden Schandthaten.
Wohl weiß Frigg Alles was sich begiebt,
Ob sie schon es nicht sagt.
Keines Makels mangelst du;
Der Asen und Alfen, die hier inne sind,
Bist du Jedes Buhlerin.
Wenig Gutes gellt.
Abhold sind dir die Asen und die Asinnen,
Unfröhlich fährst du nach Haus.
Bist alles Unheils voll.
Vor den Göttern umarmtest du den eigenen Bruder:
So böser Wind entfuhr dir, Freyja!
Wählen Männer wie sie mögen;
Des Verworfnen Weilen bei den Asen wundert nur,
Der Kinder konnte gebären.
Als Geisel bist du den Göttern.
Hymirs Töchter nahmen dich da zum Nachtgeschirre
Und machten dir in den Mund.
Fernher als Geisel den Göttern,
Daß mir erwuchs der Sohn, wider den Niemand ist,
Der für den Ersten der Asen gilt.
Ich hab es länger nicht Hehl:
Mit der eignen Schwester den Sohn erzeugtest du,
Der eben so arg ist wie du.
Trägt zu der hohen Halle:
Keine Maid betrübt er, keines Mannes Weib,
Einen Jeden nimmt er aus Nöthen.
Zu gleicher Zeit mit Zweien.
Deine rechte Hand ist dir geraubt,
Fenrir fraß sie, der Wolf.
Eins ist schlimm wie das andre;
Auch der Wolf ist freudenlos: gefeßelt erwartet er
Der Asen Untergang.
Daß sie von mir ein Kind bekam.
Nicht Pfenningsbuße empfingst du für die Schmach:
Habe dir das, du Hanrei!
Bis die Götter vergehen.
So soll auch dir geschehn, wenn du nicht schweigen wirst
Endlich, Unheilschmied.
Und gabst dem Skirnir dein Schwert.
Wenn aber Muspels Söhne durch Myrkwidr reiten,
Womit willst du streiten, Unselger?
Und hätte so erhabnen Sitz,
Morscher als Mark malmt’ ich dich, freche Krähe,
Und lähmte dir alle Gelenke.
Nach Speise schnappend?
Dem Freyr in die Ohren bläst es immerdar,
Und müht sich mit Mägdearbeit.
Die Asen all und Menschen.
Behende helf ich hier, daß Hropts Freunde trinken
Äl in Ögis Halle.
Der Männer Mal zu ordnen.
Unterm Bettstroh verbargst du dich feige,
Wenn es zum Kampfe kam.
Laß endlich ab, Loki,
Denn im Rausche reden die Leute viel
Und wißen nicht was.
Ward dir ein leidig Looß.
Mit feuchtem Rücken fängst du den Thau auf
Und wachst der Götter Wärter!27
Spielen mit losem Schweif,
Da auf die scharfe Kante des kalten Vetters bald
Mit Därmen dich die Götter binden.50
Sie mich mit Därmen binden bald,
So war ich der erste und auch der eifrigste,
Als es Thiassi zu tödten galt.55
Als es Thiassi zu tödten galt,
So soll aus meinem Hof und Heiligtum
Immer kalter Rath dir kommen.
Als du mich auf dein Lager ludst.
Dessen gedenk ich nun, da es genauer gilt
Unsre Meinthaten zu melden.
Da trat Sif vor und schenkte dem Loki Meth in den Eiskelch und sprach:
Firnen Methes voll,
Daß du mich eine doch von den Asenkindern
Ungelästert laßest.
Jener nahm den Kelch, trank und sprach:
Und dem Gatten ergeben gewesen.
Einen weiß ich und weiß ihn gewiss,
Der auch den Hlorridi zum Hanrei machte.61
[Und das war der listige Loki.]
Hlorridi heim.
Zum Schweigen bringt er den, der hier mit Schmach belädt
Die Götter all und Gäste.
Und aller Unthat voll.
Kein ärger Ungeheuer ist unter den Asenkindern,
Ganz bist du mit Schmutz besudelt.
Da kam Thôr an und sprach:
Miölnir den Mund dir schließen.
Vom Halse hau ich dir die Schulterhügel,
Daß dich das Leben läßt.
Nun kannst du knirschen, Thôr;
Doch wenig wagst du, wenn du den Wolf bestehen sollst,
Der den Siegvater schlingt.
Miölnir den Mund dir schließen.
Oder auf gen Osten werf ich dich,
Daß kein Mann dich mehr erschaut.
Allzeit beßer bleiben,
Seit im Däumling du, Kämpe, des Handschuhs kauertest
Und selbst nicht meintest Thôr zu sein.45
Miölnir den Mund dir schließen.
Mit Hrungnis Tödter59 trifft diese Hand dich
Und bricht dir alle Gebeine.
Trotz deiner Hammerhiebe.
Hart schienen dir Skrymis Knoten;45
Du mustest der Malzeit darben
Ob du vor Heißhunger vergingst.
Miölnir den Mund dir schließen.
Hrungnis Tödter schickt dich zu Hel hinab
Hinter der Todten Gitterthor.
Was ich auf dem Herzen hatte.
Nun wend ich mich weg: dir weich ich allein,
Denn ich zweifle nicht, daß du zuschlägst.
Wirst du die Götter bewirthen.
All dein Eigentum, das hier innen ist,
Frißt die Flamme
Und raschelt dir über den Rücken.
Darauf nahm Loki die Gestalt eines Lachses an und entsprang in den Waßerfall Franangr. Da fingen ihn die Asen und banden ihn mit den Gedärmen seines Sohnes Nari. Sein anderer Sohn Narfi aber ward in einen Wolf verwandelt. Skadi nahm eine Giftschlange und hing sie auf über Lokis Antlitz. Der Schlange entträufelte Gift. Sigyn, Lokis Weib, setzte sich neben ihn und hielt eine Schale unter die Gifttropfen. Wenn aber die Schale voll war, trug sie das Gift hinweg: unterdessen träufelte das Gift in Lokis Angesicht, wobei er sich so stark wand, daß die ganze Erde zitterte. Das wird nun Erdbeben genannt.
Anmerkungen (Wikisource)
Siehe auch Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Lied