Die Gartenlaube (1860)/Heft 48

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1860
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 48. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Husar und Pandur.

Erzählung von Levin Schücking.
(Schluß.)


Es waren kaum fünf Minuten verflossen, seit der Oberstlieutenant de Dolne den Oberst von der Trenck verlassen hatte, als er schon wieder zurück kehrte.

„Seid Ihr noch auf, Oberst?“ sagte er, in Trenck’s Wohnzimmer tretend, welches jetzt leer und dunkel war, und in das nur ein Lichtschein aus der offenen Thüre des Nebenzimmers fiel.

„Was gibt’s, de Dolne?“ antwortete die Stimme Trenck’s, und gleich darauf trat dieser, halb entkleidet, mit einem Lichte in der Hand aus seinem Schlafzimmer wieder ein.

„Ich komme Euch zu melden, daß der Vogel schon auf und davon geflogen ist.“

„Wer, der Frohn?“

„Ist fort!“

„Nicht möglich!“

„Er ist sogleich, nachdem er von Euch gekommen, zum Kloster hinaus gegangen, hat die Pferde gesattelt im Stall gefunden und hat sich mit seinen Leuten augenblicklich in Nacht und Dunkelheit verzogen.“

„Unbegreiflich!“ rief Trenck aus.

„Er hat Euch eben nicht getraut, Oberst, und das scheint mir begreiflich genug,“ antwortete lachend de Dolne.

„Und der Dummkopf glaubt, ich würde jetzt durch mein Ehrenwort gebunden sein und auch ohne ihn reisen!“ sagte mit höhnischer Freude der Oberst.

„Ich meine, dies gibt der Sache eine sehr gute Wendung.“

„Die allerbeste, die sie nehmen konnte,“ versetzte Trenck, „vorausgesetzt, er kommt nicht morgen zurück.“

„Ich glaube nicht, daß er solch ein Narr ist!“ meinte de Dolne.

„Und doch wäre es möglich,“ fiel Trenck ein, „wißt Ihr was, de Dolne – gebt die nöthigen Befehle noch heute Abend, daß, wenn der Major von Frohn sich wieder in der Nähe meines Hauptquartiers blicken läßt, er sofort arretirt wird.“

„Wie Ihr befehlt, Oberst,“ entgegnete der Baron de Dolne und ging, diesen Befehl sogleich auszuführen.

Der Oberst wurde am andern Morgen frühzeitig geweckt. Er fuhr aus schweren wüsten Träumen auf und starrte finster aus seinen halberloschenen Augen den Diener an, der vor ihm stand.

„Was gibt’s, Ferenz … was weckst Du mich?“ sagte er, mit der Hand über die Stirn fahrend, hinter der ein dumpfer Schmerz sich fühlbar machte.

„Es ist eine Ordonnanz mit einer Meldung da, die gleich vorgelassen zu werden verlangt. Ich habe sie zuerst zum Oberstlieutenant de Dolne geführt, und der Oberstlieutenant hat befohlen, ich solle den Herrn Obersten sogleich wecken.“

„Führ’ die Ordonnanz herein,“ befahl Trenck.

Es war Franzl, der Husaren-Wachtmeister, der im nächsten Augenblick in das Schlafzimmer trat und in strammer militärischer Haltung an der Thüre stehen blieb.

„Vom Major von Frohn,“ sagte Trenck, durch den Anblick der blauen Husaren-Uniform nicht sehr angenehm berührt … „was will Er?“

„Der Oberstwachtmeister von Frohn läßt dem Herrn Obersten vermelden, daß er reisefertig sei und den Herrn Obersten erwarte. Er hätte ein Schiff genommen, um die Reise bequemer und schneller als zu Pferde machen zu können, und ließe den Herrn Obersten ersuchen, sich mit ihm desselben bedienen zu wollen.“

„Ein Schiff?“

„Zu Befehl, Herr Oberst!“

„Aber in des Teufels Namen, welche Idee ist denn das? Ist der Mensch verrückt? Einen Kahn hat er genommen, um mich darin als Arrestanten zu transportiren? Das Wetter soll ihm auf den Schädel fahren. Ferenz, lauf hinaus und schick eine Ordonnanz … nein, laß meine Seressaner-Leibwache antreten und dann komm wieder, mich anzukleiden.“

Ferenz stürzte eilfertig zum Zimmer hinaus.

„Das ist wohl ein Kniff,“ fuhr unterdeß Trenck aus dem Bette springend fort, „zu verhindern, daß ich eine Anzahl Leute zu meiner Bedienung mit mir nehme.“

„Die Leute des Herrn Oberstwachtmeisters werden sich zu Lande auf den Marsch machen,“ versetzte Franzl; „der Herr Oberst werden vielleicht befehlen, daß Ihre Leute, so viel Sie mitnehmen wollen, ebenfalls so reisen. Nur Zwei von uns sind bei dem Oberstwachtmeister im Schiff, und mehr als zwei Begleiter von dem Herrn Obersten würden nicht Platz darin haben.“

„Vortrefflich,“ sagte Trenck, hastig sich in seine Kleider werfend. „Der Herr Oberstwachtmeister hat ja Alles vortrefflich angeordnet – wir werden nicht säumen, uns unter seine Befehle zu stellen – geh Er und sage Er das … sage Er ihm, der Oberst von der Trenck werde sogleich dem Oberstwachtmeister aufwarten.“

Trenck sagte diese Worte mit dem zornigsten Hohne und einem Flammen seines Auges, aus dem die höchste Wuth und Tücke blitzten. Er vollendete dabei seinen Anzug, ließ sich von seinem Diener, der eben wieder hereinkam, seinen Säbel und seine Pistolen reichen und den Mantel überwerfen, und dann herrschte er dem Husaren zu:

[754] „Nun mach’ Er vorwärts … zeig Er den Weg … wo ist der Major?“

Franzl machte Rechtsumkehrt und marschirte mit klirrenden Sporen vorauf, der Oberst hinter ihm drein. Als sie aus dem Portale der Abtei traten, blieb Trenck einen Augenblick stehen; er sah sich nach der Leibwache von Seressanern um, die er hier zu finden erwartete, und die beim besten Willen in den wenigen Augenblicken sich nicht hatten auf den Platz zaubern können; fluchend und wetternd stürmte er deshalb zurück in die Kammer des Kloster-Pförtners, die jetzt einem kleinen Haufen Panduren zur Wachtstube diente, schreckte die hier auf ihrem Stroh sich streckende Mannschaft aus dem Morgenschlaf und befahl, daß ein halb Dutzend der Leute ihm folgen solle. Die Seressaner sollten ihm nachgeschickt werden.

„Vorwärts, Husar!“ befahl er dann und eilte auf dem Wege zum Flecken, der zugleich zur Donau führte, voran; Franzl konnte kaum Schritt mit ihm halten.


6.

Es war ein feuchter, kühler Morgen; ein leiser Nebel füllte die Luft, an allen Aesten und den hervorbrechenden Knospen jungen Grüns hingen dicke Tropfen; desto großartiger stiegen die hohen Donauleithen oder Bergwände des jenseitigen Ufers aus den Dunstwolken empor; dichte Nebelschichten, die über dem Wasserspiegel schwebten, verhüllten ihren Fuß, während von den frei darüber weg ragenden Kämmen die Burgruinen von Riedl und Ranariedl düster und grau in das enge Flußthal blickten.

Nach wenigen Minuten war der Eingang des Fleckens erreicht; mit einer Wendung nach links führte der Weg den ersten Häusern zu; gerade vor den Kommenden aber lag das Ufer des Flusses.

Franzl ging gerade aus, dem Wasser zu; als er das ziemlich abschüssige Gestade niedergestiegen war, wandte er sich rechts und schritt auf dem nassen Kiesgrund des Ufers, dem Leinpfad, unter überhängenden Weidengebüschen stromabwärts.

Das Wasser schoß mit reißender Schnelligkeit und lautem Rauschen links neben ihnen dahin; an jedem Gegenstand, der ihm Widerstand bot, jeder sich in das Bette erstreckenden Baumwurzel, jeder zu Tage tretenden Felskante warf es hohe Schaumwellen auf.

Der Weg, auf welchem Trenck, von Franzl geführt und von seinen Panduren gefolgt, dahinstürmte, diente, wie gesagt, als Leinpfad; er bot deshalb Raum genug für vier der Husaren Frohn’s, die bei einer Biegung des Ufers plötzlich sichtbar wurden. Sie waren aufgesessen und hielten die leeren Pferde der Andern am Zügel.

Einen Steinwurf weiter hinter ihnen erblickte man den Nachen, in welchem Frohn den Obersten erwartete. Es war ein ziemlich geräumiges Fahrzeug, das Eigenthum des Schiffers von Engelhardszell, der darin die Ueberfahrt von einem Ufer zum andern zu bewerkstelligen pflegte, wenn er eine größere Anzahl von Leuten, als sein kleiner Kahn fassen konnte, überzusetzen hatte. Zwei der Husaren saßen seitwärts auf der Bank; hinten am Steuer der Schiffer und sein Gehülfe; Frohn selbst stand in der Mitte, mit untergeschlagenen Armen, der Rückkehr Franzl’s harrend.

„Sie kommen,“ sagte er, sich zu seinen beiden Husaren wendend; „haltet Eure Waffen bereit und Eure Augen offen!“

Trenck hatte bald die kleine Gruppe der wartenden Husaren erreicht; als er an ihnen vorübergeschritten, wandte er sich an die ihm folgenden Leute zurück: „Vier von Euch bleiben hier,“ sagte er halblaut, „und schneiden die Reiter vom Schiff ab. Die andern bleiben mir an der Seite!“ Damit stürmte er weiter und hatte bald die Stelle erreicht, wo der Nachen mit einer Kette am Ufer befestigt lag; diese Kette war lose um eine Baumwurzel geschlungen.

„Ich freue mich, den Herrn Obersten so prompt zu sehen,“ rief Frohn dem kommenden entgegen, zum militärischen Gruße die Hand an die Mütze legend.

„So, freut Er sich?“ rief Trenck, indem er sofort in den Kahn sprang und seinen Säbel zog. „Es freut mich auch, daß ich Ihn treffe und fassen kann. Oberstwachtmeister von Frohn, Er ist mein Arrestant, ich verhafte Ihn als einen Giftmischer und Verbrecher!“

„Was soll das heißen?“ sagte Frohn ruhig, ein paar Schritte zurückweichend, während der Kahn plötzlich in heftiges Schwanken gerieth, weil hinter Trenck jetzt zwei Panduren ihrem Oberst nach hinein sprangen. „Was soll das heißen?“ rief Frohn, „ich habe Ihr Ehrenwort, Oberst von der Trenck, daß Sie mit mir die Reise nach Wien machen.“

„Mit Ihm – ja wohl,“ knirschte Trenck, „aber Er selber wird eben die Reise nicht machen … ergeb’ Er sich, den Degen her, oder ich haue Ihn über den Schädel.“

In diesem Augenblick erklirrte hinter Trenck und seinen beiden Panduren, die ebenfalls ihre Säbel gezogen hatten, ein lautes Kettengerassel; als Trenck sich umsah, erblickte er Franzl, den Wachtmeister, der eben die Schiffskette gelöst und in den Kahn geworfen hatte, und jetzt sich selber hineinschwang. Zugleich fing das kleine Fahrzeug an sich fortzubewegen, und dann schoß es mit unglaublicher Schnelligkeit davon, der Mitte des Strombetts zu.

„Was soll das bedeuten?“ schrie Trenck, „der Kahn bleibt am Ufer … an’s Ufer zurück, oder ich werde den Hallunken von Schiffer niederhauen!“

„Wenn der Schiffer sich rührt,“ antwortete Frohn, der dem zu Tode erschrockenen, hinten am Steuerruder sitzenden Fährmann zunächst stand und ihn deckte, „so werfe ich ihn in’s Wasser … gehen Sie nicht zu unnützen Gewaltthaten über, Herr Oberst, sondern hören Sie mich an.“

„Ergeb Er sich, oder …“

„Hören Sie nur drei Worte – ich weiß ja, daß ich in des Obersten Gewalt bin, und es wäre sehr thöricht von mir, ließe ich’s darauf ankommen, daß er von den Waffen Gebrauch macht; obwohl ich zwei Husaren bei mir habe und er auch nur zwei seiner Leute. Ich stehe meinen Mann, aber ich bin einem Obersten von der Trenck, der einem Ochsen mit einem Hieb den Nacken durchhaut, nicht gewachsen. Ich muß zu andern Mitteln greifen. Sie wollen also Ihr Ehrenwort brechen und …“

„Der Trenck hat nie sein Ehrenwort gebrochen,“ schrie der Oberst, – „aber Er ist ein Mörder, den ich verhafte und hier vor ein Kriegsgericht stellen werde. Dann mag Er sehen, wer mit Ihm nach Wien reist! Her mit dem Degen …“

„Nur noch einen Augenblick,“ sagte Frohn, während der Nachen immer rascher der Mitte des Strombetts zugerissen wurde; „ich will mich einem Kriegsgericht und jeder Untersuchung stellen, die die Kaiserin über mich verhängen wird – aber nur wenn’s die Kaiserin befiehlt – nur in Wien, und der Oberst von der Trenck wird mich dahin begleiten; er kann da seine Klage vorbringen.“

„Werft Euch auf die Husaren und haltet mir den Rücken frei,“ rief Trenck statt aller Antwort seinen Panduren zu – dann machte er einen Schritt vorwärts, um auf Frohn einzudringen.

„Halt!“ schrie dieser jetzt mit einer donnernden Stimme – „wir können die Sache ohne Blutvergießen abmachen!“

Zugleich zog er ein großes Reiterpistol unter seinem Mantel hervor, spannte den Hahn, senkte die Mündung vor sich hin auf den Boden und schoß es ab.

„Was soll das?“ rief Trenck aus.

Frohn deutete schweigend auf den Boden vor seinen Füßen. Die Kugel war durch die Eichenbohle geschlagen, und durch das Loch, welches sie hineingerissen hatte, quoll eine Wasserwelle wie ein kleiner Springbrunnen in die Höhe.

„Was soll das heißen?“ rief Trenck noch einmal.

„Das soll heißen, Herr Oberst von der Trenck, daß der Nachen in wenig Augenblicken zu sinken beginnen wird, und daß, wenn wir nicht vorher die Minuten, welche uns übrig geblieben sind, benutzen, um Frieden zu schließen, wir beide ertrinken.“

„Zum Ufer zurück, zum Ufer zurück, nehmt die Ruder, Ihr Dummköpfe!“ schrie Trenck seinen Panduren zu.

„Ihre Befehle werden nicht ausgeführt werden, Herr Oberst,“ antwortete Frohn, sein Pistol einsteckend und jetzt ebenfalls seinen Säbel ziehend. „Ruder sind im Kahn gar nicht vorhanden – dafür habe ich gesorgt. Der Kahn geht ganz sicherlich unter, wenn Sie sich länger meinem Willen widersetzen. Ich erlaube Ihren Leuten in’s Wasser zu springen, wenn sie versuchen wollen, ob sie sich durch Schwimmen retten können, obwohl ich nicht gehört habe, daß an dieser Stelle des Flußlaufs Jemand durch die reißende Donau geschwommen sei. Meine Husaren mögen sich dann auch so zu retten suchen, und der Schiffer mit seinen Buben auch. Wir Beide aber, mein Herr Oberst, werden ertrinken!“

[755] „Aber,“ rief Trenck, dessen Wuth sich zu legen begann, aus, „Er hat ja wahrhaft den Teufel im Leib …“

„Wenigstens Courage genug, um ruhig abzuwarten, was der Obrist von der Trenck beschließt. Er kann einen Kampf hier im Nachen anfangen; aber bevor der Kampf zu Ende ist, darauf mache sich der Oberst gefaßt, liegen wir Beide längst im Wasser. Will der Herr Camerad sich dann durch Schwimmen retten, so mag er’s versuchen; ich aber sage ihm vorher, daß ich auch ein wenig Schwimmer bin, und mich ihm sofort nachstürmen werde, um mich an ihn zu klammern und ihn auf den Grund des Strome zu ziehen. Darauf geb ich ihm mein Ehrenwort. Ich meine, der Camerad kennt mich von gestern her!“

Der Kahn begann sich immer mehr mit Wasser zu füllen.

„Wenn Sie noch lange zögern,“ fuhr Frohn fort, „so wird unsere Rettung immer schwieriger.“

„Hölle und Teufel Ihm auf den Kopf,“ fluchte Trenck, „was will Er denn?“

„Sein Ehrenwort, daß der Herr Camerad geduldig und ohne weiteres Sträuben mit mir nach Wien hinunterschifft. Nur ein Wort von ihm, und der Leck wird sofort gestopft!“

Trenck schien noch einen Augenblick seine ganze Lage zu überblicken. Er konnte allerdings den Versuch machen, Frohn zu überwältigen, und ohne Zweifel war er ihm an Körperkraft überlegen. Aber ein verächtlicher Gegner war dieser hochgewachsene breitschultrige Husaren Major auch für einen Mann wie Trenck nicht, und ein Ringen mit ihm mußte kostbare Minuten wegnehmen, vielleicht doppelt so viel Zeit, als nöthig war, den Kahn bis an den Rand zu füllen und auf den Grund des Strombetts zu senken. Im Schwimmen sein Heil zu suchen, war ebenfalls zu gewagt; die Donau war an dieser Stelle verzweifelt tief und reißend, und der Gegner war der Mann, seine Drohung buchstäblich auszuführen!

„Wenn ich mich drein ergebe, wie will Er denn den Kahn oben halten?“ rief er deshalb aus.

„Noch ist das möglich,“ antwortete Frohn gleichmüthig, „denn wir stehen erst bis an die Knöchel im Wasser und können den Leck noch stopfen – steigt das Wasser noch um einige Zoll höher, so ist’s zu spät!“

„Nun denn, in’s Teufels Namen,“ sagte Trenck zähneknirschend, „ich ergebe mich drein!“

„Der Herr Camerad gibt hier vor meinen und seinen Leuten sein Ehrenwort als Soldat und Edelmann, daß er jetzt, ohne Ausflüchte und Hinterlist zu suchen, mir ruhig nach Wien folgt?“

„Ich gebe es!“

„Und sich später nicht an mir zu rächen sucht?“

„Will Er das auch noch?“

„Auch das!“

„Nun, in’s Henker’s Namen, Alles was Er will … mach’ Er nur ein Ende mit der Sache!“

Frohn zog jetzt rasch aus seinem Mantel einen Gegenstand hervor, den er dem erschrockenen und bleich hinter ihm stehenden Schiffer reichte. Es war ein kleines viereckiges Bret, an den vier Ecken durchbohrt; der Mann kniete damit eilfertig in das den Boden des Nachens bedeckende Wasser nieder und drückte es auf das Loch in der mittelsten Bohle, welches Frohn’s Kugel geschlagen hatte. Nägel und Hammer hatte der Fährmann in der Tasche seiner Jacke; er war nicht faul sie zu gebrauchen, und nach einigen kräftigen Hammerschlägen war der Leck oberflächlich gestopft. Frohn gab nun seinen Husaren einen Wink, diese begannen das Wasser mit ihren Mützen auszuschöpfen, die zwei Panduren zeigten sich ebenfalls nicht lässig, zu helfen, während der Gehülfe des Fährmanns sich des Ruders bemächtigt hatte und den Kahn steuerte, der unter der ganzen Scene eine weite Strecke stromabwärts geschossen war. Der Fährmann ging dazu über, mit Werg und Talg das aufgenagelte Holzstück zu kalfatern.

„Wenn der Herr Oberst einen Befehl für Ihr Hauptquartier hinterlassen wollen,“ hub Frohn jetzt wieder an, „so wird einer Ihrer Leute ihn dahin bringen können; wir wollen so nahe an’s Ufer zu gelangen suchen, daß er hinüberschwimmen kann.“

„Sehr gütig,“ versetzte Trenck bitter ironisch, sich auf der Bank ausstreckend, auf die er sich, in seinen Mantel gewickelt, hingeworfen hatte. Nach einer Pause jedoch wandte er sich an einen seiner Panduren und sagte:

„Du kannst heim gehen; ich lasse dem Oberstlieutenant de Dolne befehlen, bis auf weitere Ordre in seinem jetzigen Standquartier zu bleiben. Er soll mir vier Seressaner mit meinen drei besten Pferden, Geld, Kleider und Wäsche nachsenden, und meine übrigen Sachen in Verwahrung nehmen.“

Auf Frohn’s Befehl bemühte sich der Steuermann, dem rechten Donau-Ufer so nahe zu kommen, als es ihm möglich war ohne Ruder und bei der fortreißenden Gewalt des Stroms. Endlich war man dem Gestade des Flusses auf eine Entfernung von etwa dreißig Schritt nahe gekommen; auf einen Wink Trenck’s warf der Pandur seinen rothen Mantel ab, wickelte Wamms und Waffen hinein und sprang dann in den Strom, um, sein Bündel mit der linken Hand über den Kopf haltend, als geübter Schwimmer dem Ufer zuzustreben, das er glücklich erreichte.

„Wie sind Sie denn auf diese dämonische Idee gerathen, mich im Schiffe zu transportiren?“ fragte Trenck nach einer Weile Frohn, der sich eben ihm gegenübergesetzt und eine ungarische Meerschaumpfeife hervorgezogen hatte, die er mit großer Seelenruhe stopfte.

„Sie lag nicht weitab,“ versetzte Frohn lächelnd, „diese Idee; nach dem, was gestern zwischen uns vorgefallen, dachte ich mir, es sei nicht räthlich, die Nacht im Hauptquartier des Herrn Obersten zuzubringen; es schwante mir wohl etwas von Auslegungen, die dem Herrn Cameraden belieben könnten, von dem gegebenen Worte zu machen. So suchte ich mir für meine Nachtruhe ein Plätzchen aus, wo ich vor einem Ueberfall sicher mein Haupt niederlegen konnte, und ein guter geräumiger Kahn war dazu die beste Stelle, die sich finden ließ. Sobald ich gestern Abend den Herrn Cameraden verlassen, zog ich mich dahin zurück und ließ einen Theil meiner Leute mit den Pferden als Wachtposten am Ufer. Einmal im Schiffe, kam ich denn auch leicht auf den Gedanken, in demselben die Rückreise zu machen und den Herrn Obersten zu bitten, mir darin das Vergnügen seiner Begleitung zu schenken. Es geht rasch, wie Sie sehen, und es ist sehr viel bequemer, als vier oder fünf Tage lang auf müden Pferden im Sattel zu hängen!“

„Sollen wir denn ganz bis Wien hinunter in dem Kasten hocken bleiben?“

„Wenn’s dem Herrn Cameraden so beliebt, ja … wir werden uns vom ersten uns begegnenden Nachen oder Floß Ruder kaufen; dann können wir bequem landen, wo wir wollen, und in passend gelegenen Uferstädtchen unsere Mahlzeiten nehmen. In Rußdorf werden wir Extrapost nehmen, um nicht zu Fuße in die Kaiserstadt einziehen zu müssen, und ich werde dann die Ehre haben, den Herrn Obersten an dem Gasthofe abzusetzen, den er mir zu bezeichnen die Güte haben wird!“

„Wahrhaftig,“ sagte Trenck mürrisch nach einer Pause. „Er ist ein durchtriebener Patron, wenn Er auch mein Feind ist. Es thut mir leid, daß ich den Oberstwachtmeister von Frohn nicht unter meinen Corps habe. Er wäre der Mann gewesen, den ich hätte brauchen können. Der Herr Camerad hat wohl keine Tabakspfeife mehr bei seinen Sachen?“

„Leider nein … aber der Wachtmeister hat eine; wenn Sie die nicht verschmähen – mit gutem Latakia steh’ ich zu Befehl!“

Franzl, der Wachtmeister, zog eine saubere kleine Meerschaumpfeife aus der Tasche hervor, und der Oberst nahm sie, ohne sie einer weitern Besichtigung zu unterwerfen. Frohn reichte den Tabaksbeutel dar, und Franzl schlug Feuer … nach einer Viertelstunde saßen sich die beiden Kriegsmänner friedlich gegenüber und unterhielten sich von ihren Abenteuern und Erlebnissen.

Der Nachen schwamm unterdeß lustig stromabwärts, die Husaren Frohn’s, die mit den Pferden auf dem Leinpfad nachgeritten waren, waren längst nicht mehr sichtbar; doch hatten Trenck’s Panduren ihrem Abzuge nichts in den Weg gelegt, als sie gesehen, daß ihr Oberst selber mir dem Husaren-Officier Frieden geschlossen hatte und mit ihm davon zog.


7.

Zwei oder drei Tage nachher, kurz vor Mittag, rollte eine Extrapost, die mit zwei Panduren auf dem Bocke besetzt war, durch das Rothethurmthor in die Kaiserstadt ein. Der Corporal von der Wache, der an den Schlag trat, erhielt aus dem Innern die Meldung: „Der kaiserliche Oberst Freiherr von der Trenck und Oberstwachtmeister von Frohn.“

Der Wagen rollte weiter durch die dichtgedrängten Straßen, [756] bis er vor dem Eingang eines großen Hotels auf dem Graben still hielt. Die Panduren sprangen von ihrem Sitz herunter und öffneten, Kellner und Wirth kamen herbei und vergaßen einen Augenblick ihre Verbeugungen und Hülfeleistungen, als sie die Athleten-Gestalt des Obersten mit dem wilden halb schwarzen Gesicht aus dem Wagen steigen und mit gerunzelter Stirn unter sie treten sahen – es war Keiner da, dem dies Gesicht und dieser Mann nicht wenigstens aus Beschreibungen bekannt gewesen wäre.

„Herr Oberst,“ sagte Frohn, nach ihm aus dem Wagen steigend, „mein Auftrag endet hier, und ich habe jetzt nur die Pflicht, mich für gute Cameradschaft auf der Reise zu bedanken! Unsere Bekanntschaft hat auf ein wenig ungewöhnliche Weise begonnen – ich hoffe, daß der Herr Oberst darum nicht minder mich in gutem Andenken halten wird.“

„Daß ich an den Oberstwachtmeister von Frohn denken werde,“ antwortete Trenck, „dafür hat er gesorgt … aber ich werde nicht anders an ihn denken, als an einen vortrefflichen Reisegefährten, der mich durch seine gute Unterhaltung und zuvorkommenden Manieren hat die Art und Weise vergessen machen, wie er mich zu dieser verdammten Reise gepreßt hat!“

„Das,“ erwiderte Frohn lächelnd, „wird noch mehr, hoffe ich, die Aufnahme vergessen machen, welche der Oberst von der Trenck dahier in Wien finden werden!“

„Nun, wir wollen’s hoffen,“ versetzte der Oberst, indem er Frohn mit einer Handbewegung verabschiedete und sich dem Wirthe zuwandte.

Frohn verließ ihn, und nachdem er sein nicht fern liegendes Quartier aufgesucht und sich ein wenig erquickt hatte, ging er die nöthigen Meldungen zu machen. Als er in die Burg und in die Vorzimmer des römischen Königs kam, ward er sofort vorgelassen. Joseph trat ihm lebhaft und gespannt entgegen.

„Frohn,“ rief er aus, „Er ist wieder da … nun – mit ihm oder ohne ihn … ?“

„Ew. Majestät, der Oberst von der Trenck ist von mir vor einer halben Stunde am Thore des weißen Lamms abgesetzt worden, wo er zu wohnen wünschte!“

„Ist das wahr, ist das in der That wahr?“ rief der junge König froh aufathmend, „nun dann sei der Himmel gelobt – denn, daß ich’s Ihm nur gestehe – mir war Angst um Ihn und ich habe mir Vorwürfe gemacht, alle diese Tage her, daß ich einen so treuen Diener wie Ihn so in die Höhle des Löwen getrieben.“

„Majestät, es ist mir gelungen, den Löwen zu zähmen – wir sind so eben von einander geschieden wie die besten Freunde.“

„Nun, das ist mehr, als ich möglich geglaubt – ich fänge an, Ihn für einen Zauberer zu halten – aber setze Er sich – dorthin – ich will’s – erzähle Er mir Alles haarklein.“

Frohn gehorchte, der König nahm in seinem Schreibsessel Platz und horchte mit der größten Spannung auf die Erzählung des Oberstwachtmeisters.

„Aber zum Henker, Er ist ja ein gefährlicher, ein entsetzlicher Mensch!“ rief der König Joseph auffahrend aus, als Frohn zur Erwähnung seines Giftes gekommen.

„Majestät, ich hatte keine Hoffnung meinen Auftrag auszuführen, wenn ich nicht mein Leben dabei einsetzte, und die bloße Gewalt hätte bei einem Trenck nicht ausgereicht.“

„Ein verzweifeltes Mittel,“ fiel Joseph ein – „woher hatte Er denn dieses merkwürdige Gift?“

„Es ist ein orientalisches Harem-Geheimniß. Mir hat es ein alter türkischer Arzt, dem ich das Leben mit Gefährdung meines eigenen rettete, gegeben; er nannte es ein Opium-Präparat.“

„Und war Er denn so sicher, daß das Gegengift es ganz unschädlich mache?“

„Sicher – nun wie ich es sein konnte; an Menschen habe ich freilich nicht die Erfahrung machen können – an Thieren wohl … was es ist, weiß ich auch nicht – wenn ich mich recht erinnere, sprach mein alter Hakimbaschi von einer concentrirten und krystallisirten Säure … aber Genaueres habe ich nicht behalten.“

Der römische König schwieg eine Weile: dann sagte er:

„Lieber Frohn, thu Er mir den Gefallen, dies merkwürdige Mittel, nachdem es so vortrefflich seine Schuldigkeit gethan, für zukünftige Fälle nicht mehr in Anwendung zu bringen; es hat mir etwas Unbehagliches, es im Besitz eines so tapfern Soldaten zu wissen – wie wäre es, wenn Er das Recept dazu ins Feuer würfe?“

„Ew. Majestät,“ antwortete Frohn, „das ist bereits geschehen – ich habe alles, was ich davon besaß, in das Recept gewickelt in die Donau geworfen.“

„Desto besser,“ fiel Joseph ein, „und nun erzähle Er weiter!“

Frohn nahm den Faden seiner Erzählung wieder auf; als er geschlossen, sagte der römische König:

„Wie soll ich Ihm danken, Frohn? – Er hat Seiner Kaiserin und unserm Hause einen großen Dienst geleistet – ich werde es meiner Mutter zu rühmen wissen!“

„Ew. Majestät,“ versetzte Frohn, „ich weiß es tief zu erkennen, daß ich von der Gnade Ew. Majestät mir den Ausdruck Ihrer Zufriedenheit erhalte. Denn außer daß dies für mich der Gnadenbeweis ist, welcher mir am höchsten von allen steht, würde ein andrer etwas sein, was meiner Leistung in den Augen der Menschen vielleicht einen Charakter gäbe, den ein auf seine Ehre eifersüchtiger Soldat zurückweisen muß. Und dennoch bin ich so eigennützig, diesen Augenblick zu benutzen, um von Ew. Majestät eine Belohnung zu erbitten.“

„Spreche Er, Frohn,“ fiel der König eifrig ein – „Er kann von mir verlangen, was nur in meiner Macht steht zu erfüllen.“

„So bitte ich um ein Lieutenantspatent für meinen Wachtmeister. Der Mann hat mir treu und redlich beigestanden; er ist in die ganze Gefahr eingeweiht gewesen, in welcher wir schwebten, aber er hat mit männlicher Entschlossenheit dieser Gefahr getrotzt.“

„Und wer ist dieser Phönix von einem Unterofficier?“

„Er heißt Franz Fellhamer, Majestät.“

Joseph blickte verwundert den Sprechenden an.

„Seitdem er assentirt wurde, stand er bei meiner Schwadron, und ich habe einen tüchtigen und zuverlässigen Menschen aus ihm gezogen.“

„Hat Er das wirklich, Frohn? Nun, so hat Er auch da Wunder geleistet,“ fiel lächelnd der König ein, „und weil Er’s ist, will ich’s Ihm glauben, obwohl –“ Joseph erhob drohend und mit sprechenden Blicken ihn ansehend den Finger, „obwohl ich den Verdacht haben könnte, jetzt sei mein tapfrer Oberstwachtmeister etwas wie ein – Höfling geworden.“

Frohn legte die Rechte auf seine Brust.

„Nun, ich will ja thun, was Er verlangt,“ sagte der König Joseph, „der Franz soll das Lieutenantspatent haben.“

„Ich danke Ew. Majestät.“

„Das Danken, mein lieber Frohn, ist an diesem Tage an mir,“ fiel Joseph ein, „und das soll mit diesem warmen Händedruck geschehen.“

Es war gegen alle Etikette, daß ein römischer König einem Husaren-Major die Hand schüttelte; aber Joseph kümmerte sich sehr wenig darum, und Frohn nahm die ihm dargebotene Rechte und erwiderte mit männlichem Selbstbewußtsein energisch ihren warmen Druck.




Ein echt deutsches Baudenkmal deutscher Bruderliebe.

In einer der lieblichsten Gegenden des an malerischen Schönheiten so reichen Maingrundes, der sich von Bamberg bis Schweinfurt erstreckt, auf einer sanften Anhöhe, hart am rechten Ufer des Mains malerisch hingegossen, liegt das hübsche Städtchen Haßfurt, südlich von den waldigen Bergen des Steigers, an seiner Nordseite von der Eisenbahn begrenzt, die von Lohr am Fuße des Spessart bis über Kulmbach an dem Fuße des Fichtelgebirges den Krümmungen des Flusses folgt.

Dem aus dem Stationshause tretenden Reisenden fällt eben so scharf, wie dem Fahrer auf dem Mainschiff, ein in nächster Nähe der Stadt, auf dem Rücken der Anhöhe, dicht am östlichen Ende der Stadt stolz emporragender Kirchenbau mit einem zu demselben in gar keinem Verhältniß stehenden Thürmchen in’s Auge. Der hintere (östliche) Theil des alten Gotteshauses ist mit Baugerüsten bis zum steilen Dache umgürtet, auf welchen sich rüstige Steinmetzen munter bewegen. Unter ihren Händen verjüngen sich Pfeiler und

[757]

Die Ritterkapelle in Haßfurt.

Wände, quillt die prächtige symbolische Ornamentik des deutschen Baustyls aus dem feinkörnigen Sandstein an den neubekleideten Pfeilern hervor, wölbt sich der neue Spitzbogen, glühen alle Wappenschilde in einem wunderbaren Wappenfries in neuen frischen Farben auf. Der Wandrer wird unwillkürlich in die nächste Nähe der Kirche gezogen und sieht den sie umgebenden Platz mit Sandsteinblöcken bedeckt, die eben vom Meister des Steinmetzen zu sinniger Kunstform des deutschen Kirchenbaustyls verarbeitet werden; er überzeugt sich, daß man fleißig dran und drauf ist, den alten herrlichen Kirchenbau in würdiger Weise zu erneuern. Mitten unter den Arbeitern fällt ihm ein Greis mit bedeutsamer Gesichtsbildung und langen weißen Locken auf, von dem sie Befehle [758] annehmen, und dessen scharfes Auge forschend und prüfend ihre Leistungen überfliegt. Unverkennbar ist er der Baumeister.

Ehe wir von dem Allen Namen und Erklärung geben, schreiten wir durch die Straßen der freundlichen heitern Stadt, die nichts von der engen, winkligen Art alter deutscher Kleinstädte an sich hat, besehen uns die zweithürmige ansehnliche Stadtkirche aus dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts, das freigelegene alte Rathhaus auf dem Markte und bleiben endlich vor der baulichen Perle der Sladt, der Marien- oder Ritterkapelle stehen, jener oben erwähnten im Erneuerungsbau begriffenen Kirche, deren östlicher Theil, namentlich der Chor, einen wahrhaft erhebenden, den Schönheitssinn in jeder Weise entzückenden Anblick gewährt.

Dieses glänzende Denkmal deutscher Kirchenbaukunst, das seines Gleichen weit und breit nicht findet, wird durch einen Umstand zum einzigen in seiner Art und zu einer kulturhistorischen Wichtigkeit gesteigert, welche die Augen des ganzen deutschen Vaterlandes darauf lenken muß. Dieser Umstand besteht in einer dreifachen, dicht unter einander hinlaufenden Wappenreihe am Frieß, an der Außenseite des herrlichen Chors; im obersten Theile drängt sich eng Wappen an Wappen, wie Blume an Blume in einem Kranze, die beiden untern zeigen die Wappen vereinzelter, so daß dieses Schlußgesims, über welchem die Gallerie läuft, wirklich einen prächtigen Kranz bildet, einen symbolischen Gürtel deutscher ritterlicher Pietät, wie ihm kein zweiter an die Seite gestellt werden kann. Außerdem sind an den Pfeilern noch verschiedene Wappen von Engeln gehalten und noch andere im Innern der Kirche am Gewölbe in Stein gehauen zu sehen, so daß die Gesammtzahl der Wappen die überraschende Summe von 248 erreicht.

Setzen die reinen tadellosen Verhältnisse des Baues, der leichte gefällige Schwung der spitzbogigen Wölbung und die echt deutsche Ornamentik das Auge des Beschauers in ästhetisch befriedigte Bewunderung, so ruft der kostbare Wappenfrieß ein gerechtes Erstaunen in ihm wach. Ist ihm die regelmäßige Gestalt der Stadt ein Räthsel, so ist der Chor der Ritterkapelle ein doppeltes. Das erste wird erklärt, wenn man erfährt, daß im dreißigjährigen Kriege die Stadt mit allen entsetzlichen Gräueln des Mordes und Brandes heimgesucht wurde, so daß der Neubau derselben nach regelrechtem Plane ausgeführt werden konnte. Für das Doppelräthsel der Ritterkapelle gab es bis jetzt keine Lösung. Daß der Bau des Chors in die erste Hälfte des fünfzehnten, ja wohl noch in das vierzehnte Jahrhundert fallen möchte, darüber waren die Kenner der deutschen Baukunst einig, daß aber keine Inschrift, kein Document, keine Chronik auch nur die leiseste Kunde von der Veranlassung und Bedeutung dieses hochwichtigen Baues gibt, mußte um so mehr auffallen, als diese Veranlassung nothwendigerweise keine gewöhnliche, alltägliche und willkürliche sein konnte. Nur ein ganz besonderes, hochwichtiges und bedeutungsvolles Ereigniß mußte es gewesen sein, welches dieses ausgezeichnet schöne Denkmal in’s Leben gerufen, und ganz unmöglich ist es, daß nur zufälliges Belieben oder eine gewöhnliche Adelsverbrüderung fast dritthalbhundert der edelsten deutschen Geschlechter zum Bau dieses künstlerisch so hoch stehenden Gotteshauses zu Ehren der Muttergottes vereinigt hätte, die es dem Zwecke angemessen fanden, ihre Wappen zunächst an der Außenseite des Baus in Stein bilden zu lassen. Denn das ist von stark zu betonender charakteristischer Wichtigkeit, daß der reiche dreifache Wappengürtel um die Außenseite der Kirche sich schlingt, indem gewöhnliche Adelsverbrüderungen des Mittelalters ihre Wappen nur in den Kirchen aufzuhängen pflegten, wie denn auch hier, wie bereits erwähnt, eine Anzahl Wappen sich wirklich in der Kirche am Chorgewölbe in Stein gehauen befinden. Wenn man nun auch annehmen wollte, daß die auf den Chorbau bezüglichen Documente im Kirchenarchiv im Bauernkriege, an welchem sich Haßfurt auf Seite der aufrührerischen Bauern betheiligte und dafür schwer büßen mußte, oder noch früher in einer Fehde, die es in Gemeinschaft mit zehn andern würzburgischen Städten zu Anfang des Jahres 1400 um ihre Freiheiten gegen den Bischof Gerhard von Schwarzburg führte und verlor, vernichtet worden seien: so ist damit noch nicht erklärt, daß kein Chronist des Chorbaus erwähnt und keine Inschrift daran Bauherrn und Veranlassung des Baues nennt, da doch eine solche an dem unwichtigen Langhause gefunden wird, welche besagt, daß dieser Theil der Kirche im Jahre 1438 vom Bischof Johann von Bronn vollendet worden ist. Daß der Chorbau ein Denkmal deutscher Einigkeit und Brüderlichkeit sei, das predigt der dreifache Wappenkranz zu deutlich, als daß es je hätte bezweifelt werden können; welches geschichtlich großartige Ereigniß rief aber diesen großartigen Eintrachtsbund und die Errichtung seines großartigen Denkmals hervor? Wenn Schriften schweigen, müssen Steine reden.

Es fragt sich zuerst: läßt sich aus der baulichen Construction und der Ornamentik des Chors, so wie aus den Wappen bestimmen, welcher Zeit der Bau angehört? Wenn dies möglich ist, so vermögen nur drei Disciplinen im engsten Bunde genügend zu antworten und Licht auf das schöne mittelalterliche Räthsel zu werfen: die tiefste und genaueste Kenntniß des deutschen (gothischen) Kirchenbaustyls und seiner künstlerischen Entwickelung von Jahrhundert zu Jahrhundert, ja eigentlich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt; sodann eine nicht minder tief greifende Beherrschung des großen und weitläufigen Feldes der Heraldik und der Specialgeschichte des deutschen Adels im Mittelalter, um die Wappen am Chorfrieß genau zu bestimmen; endlich eine gute Kenntniß der politischen und Kirchengeschichke des deutschen Reichs jener Zeit.

Zunächst ist ins Auge zu fassen: gehören die Wappen am Frieß blos fränkischen Adelsgeschlechtern an, oder befinden sich auch Geschlechtsabzeichen andrer deutscher Adelshäuser darunter? Im erstern Falle wäre die Erbauung des Chors der marianischen Ritterkapelle eine speciell fränkische Angelegenheit gewesen und dürfte für das Gesammtvaterland schwerlich große und allgemeine Bedeutung gehabt haben; im andern Falle wachsen die Dimensionen der Bedeutung zu riesiger Größe, und der Bau wird zu monumental großartiger, allgemein deutscher patriotischer Wichtigkeit. Gelingt es nun dem tiefen Kenner der deutschen Kirchenbaukunst und seiner artistisch-historischen Entwickelung, aus der baulichen Construction und der Ornamentik des Chors zu bestimmen, daß dieser Bau durchaus nur in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet sein könne; gelingt es ferner dem gelehrten Kenner der Heraldik nachzuweisen, daß die Wappen an und in der Kirche außer denen fränkischer auch solche andrer deutscher Adelsgeschlechter aus allen Theilen des großen Vaterlandes enthalten, und daß alle Wappen nur Geschlechtern angehören, welche in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts blüheten: so erwächst die dritte Frage: fällt in diesen kurzen Zeitraum ein so allgemein hochwichtiges politisches Ereigniß, ganz besonders würdig geeignet und auffordernd, ihm ein so schönes großartiges und bedeutungsvolles Denkmal deutscher Eintracht und Bruderliebe zu errichten, und zwar von einem so großen Vereine bedeutender Adelsgeschlechter? Mit andern Worten: geschah in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine That deutscher Eintracht und Bruderliebe, die das Gemüth des gesammten deutschen Adels, als des Trägers der damaligen Geistesbildung, so mächtig ergriff, daß er sich in seinen Sommitäten zur Erbauung eines so herrlichen Denkmals dieser patriotischen Liebesthat ebenfalls in christlicher Liebe und Brüderlichkeit vereinigte?

Können diese Fragen befriedigend beantwortet werden, so bleibt immer noch die Lösung des Räthsels offen: wie war es möglich, daß eines so großartigen Denkmals, einer so großartigen Liebesthat, an dessen Errichtung sich die Gesammtblüthe der Gesittung der Nation betheiligte, nirgend Erwähnung geschieht? Würde es gelingen, auch auf diese Frage befriedigende Antwort zu geben, so erhöbe sich die Ritterkapelle zu Haßfurt zu einem so herrlichen allgemein deutschen Denkmal und strahlte nun fünf Jahrhunderte in so erhabener patriotischer Bedeutung, daß es unsre, der Jetztlebenden, heilige Pflicht wäre, dieses Denkmal würdig vollendet der großen deutschen Zukunft als Erinnerungszeichen an Einigkeit, Brüderlichkeit und Liebesthat der Väter und unser selbst zu übergeben.

Schon ehe es einem edlen deutschen Manne und hochberühmten echt deutschen Baukünstler gelang, die oben aufgeworfenen Fragen zur Freude aller deutschen Patrioten befriedigend zu lösen, genügte die weniger umfangreiche Anschauung der marianischen Ritterkapelle als einer Votivkirche des mittelalterlichen deutschen Adels, den hochsinnigen König von Baiern und begüterte Adelige für die nothwendig gewordene Restauration der Kirche zu gewinnen und zu Anfang dieses Jahres einen „Verein deutscher Adeligen zur Wiederherstellung der Ritterkapelle in Haßfurt“ ins Leben zu rufen, dessen Vereinsausschuß in Würzburg seinen Sitz hat, und dessen Thätigkeit bereits von erfreulichen Erfolgen gekrönt worden ist.

Der Zweck dieses Vereins ist, „die Ritterkapelle in Haßfurt, und zwar zunächst den Chor derselben, als ein ehrwürdiges, in seiner Art einziges Denkmal der Vorzeit, in seiner ursprünglichen [759] Schönheit herzustellen und dasselbe neuverjüngt der Nachwelt zu überliefern.“

Kehren wir behufs dieser letzten und wichtigsten Erörterung zu der Liebfrauenkirche (diesen Namen führt die Ritterkapelle im Volksmunde) zurück, und machen wir nun die Bekanntschaft des greisen Baumeisters, dessen hochberühmten europäischen Namen ich bis jetzt mit Absicht verschwiegen habe. Dieser Name ist Karl von Heideloff! Er ist’s, der allgemein hochverehrte Nestor und Regenerator der deutschen Baukunst, der gemüth- und poesiereiche Sohn der Schwabenhauptstadt, und das trauliche Idiom seiner Geburtsheimath, das auch unser Schiller geredet, klingt uns aus seinem beredten Munde so anheimelnd entgegen; er ist’s, der gewissenhafte kunstsinnige Conservator der mittelalterlichen deutschen architektonischen und monumentalen Schätze Nürnbergs, wo jede Straße von seinem Kunstsinn, seinem Eifer und seiner Pietät für das Kunsterbe des deutschen Mittelalters zu erzählen weiß; er ist’s, der unermüdliche Schöpfer unzähliger Kirchen und Schlösser in allen Gauen des Vaterlandes, lauter herrliche Denkmale seines echt deutschen Hochsinns und seiner – trotz vieler bittern Erfahrungen – nie erkalteten Begeisterung für deutsche Kunst und deutsche Wissenschaft, deutschen Ruhm und deutsche Größe, Denkmale, die seinen gefeierten Namen der späten Nachwelt zurufen werden. Wahrlich, wem die hohe patriotische Wichtigkeit des Ausbaues der Ritterkapelle in Haßfurt noch nicht eingeleuchtet, dem würde sich eine Ahnung von ihrer Größe aufdrängen, wenn er erfährt, daß dieser greise Meister, der geistige Nachkomme Erwin’s von Steinbach, sich die Vollendung dieser Kirche ausersehen hat, daß sie in der Gestalt, wie sie seiner künstlerischen Phantasie vorgeschwebt und wie er sie mit jener Meisterhand, die die Welt bewundert, in großartigem unvergleichlich schönem Entwurf auf das Papier gezaubert hat, den würdigen Schlußstein seiner künstlerischen Thätigkeit bilde. Der Bau, mit dem ein Heideloff sein reiches Künstlerleben zu beschließen gedenkt, muß von der höchsten poetisch-patriotischen Bedeutung sein.

Unsere Abbildung der Ritterkapelle in ihrer einstigen Vollendung ist eine Copie dieses meisterhaften Entwurfs, und schon diese Nachbildung wird jeden Beschauer, der das Original zu sehen nicht Gelegenheit hatte, zu dem Ausrufe freudiger Ueberraschung hinreißen: „ja, das ist eins der würdigsten Denkmale deutscher Baukunst und des schöpferischen Cultus derselben, welchen ihr begeisterter Priester Heideloff sein Lebenlang ausgeübt!“

Wenn es nun möglich wäre, daß unsere Verehrung und Pietät vor dem ehrwürdigen Altmeister sich steigern könnte, der mit allen geistigen Lebensfasern an dem Herzen seines Volkes hängt und sich in liebenswürdiger Anspruchslosigkeit als einer seiner treuesten Söhne erweist; wenn es möglich wäre, ihn noch mehr zu lieben und zu verehren, als bereits der Fall ist: so würde es geschehen, nachdem wir erfahren haben, daß er, der weltberühmte deutsche Baumeister, auch der gelehrte Kenner der Heraldik und sowohl der allgemeinen Geschichte des Mittelalters, als auch der speciellen Dynastengeschichte der deutschen Fürsten- und Adelshäuser ist und mehr als die Hälfte seines langen thätigen Lebens auf das genaue und tiefe Studium dieser Disciplinen gewandt hat, sodaß schwerlich ein Lebender in der Kenntniß der stufenweisen Entwicklung der christlich-deutschen Baukunst, der Wappenkunde und Specialgeschichte sich mit ihm messen kann. Wer auch nur flüchtige Blicke in seine reichen Sammlungen architektonischer, ornamentaler und heraldischer Zeichnungen und deren Commentare geworfen hat, wird sich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen.

Unser gelehrter Baukünstler hat sich nun die oben aufgeworfenen Fragen zur gewissenhaften Prüfung und Beantwortung vorgelegt, und das Resultat seiner Forschung ist folgendes:

1) Die Architektur und Ornamentik der Ritterkapelle erweist sich klar als eine Schöpfung aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts.

2) Die Wappen sowohl in der innern Wölbung der Kirche als im Frießgürtel der Außenseite sind nur Wappen fürstlicher und adeliger Häuser aus dem ganzen deutschen Reiche, deren Existenz in der spätern Regierungszeit des Kaisers Ludwig des Baiern nachgewiesen werden kann.

3) Die ungewöhnlich große Anzahl der Wappen der hervorragendsten deutschen Fürsten- und Adelsgeschlechter in und an dem herrlichen Chor constatirt unwiderleglich einen großen Eintrachts- und Liebesverein, der nur durch einen ungewöhnlichen und höchst merkwürdigen, bedeutungsvollen öffentlichen Act der Eintracht und Bruderliebe hochgestellter, ja geradezu der vornehmsten Persönlichkeiten jener Zeit hervorgerufen sein konnte. Die Kirche, welche dieser Verein baute und reich ausschmückte, kann durchaus nur ein Denkmal dieses Acts gewesen sein, der von der höchsten politischen und socialen Wichtigkeit sein mußte, um einen solchen Verein zur Errichtung eines solchen Denkmals in’s Leben zu rufen!

4) Im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts tritt uns aber ein solcher Act von so bewältigender Wichtigkeit, von so hoher politischer, socialer und sittlicher Bedeutung und von so herrlicher poetischer Schönheit und Tragweite entgegen, daß er seines Gleichen nicht hat in der ganzen Geschichte des deutschen Mittelalters, sodaß nur dieser Act und kein anderer einen so großartigen Verein und ein so herrliches Denkmal in’s Leben rufen konnte.

Dieser Act ist die Versöhnung der beiden Gegenkaiser, fürstlichen Vettern und Jugendgespielen Ludwigs von Baiern und Friedrichs von Oesterreich und ihr Bruderbund zur gemeinsamen Regierung des Reichs im Jahre 1325.

Die Ritterkapelle ist sonach das Denkmal einer welthistorischen Liebesthat, welche das deutsche Reich vom Abgrunde des Verderbens rettete, an welchen es der unselige Kampf der beiden Gegenkaiser, die Ränke des französischen Hofes und die gewaltthätige List des Papstes Johann XXII., eines herrschsüchtigen Franzosen, gebracht, und sie erhält durch diese natürliche Erklärung ihre würdige Deutung. Jedes unbefangene Gemüth wird sogleich eingestehen: so ist es! es kann nicht anders sein! Die herrliche Kirche mit ihrem reichen Wappenkranze und die liebreiche Vereinigung der beiden Kaiser sind gegenseitig einander angemessen und würdig. Kein Ereigniß von geringerer Bedeutung konnte einen solchen Verein zusammenbringen, um ein solches Gotteshaus zu Ehren der Jungfrau zu bauen. Die Kirche ist ein köstliches monumentales Feiergedicht in kunstvoller deutscher Architektur zur Verherrlichung des Bruderbundes der beiden mächtigsten Fürsten Deutschlands nach verderblichem blutigen Streit gegenüber der französischen und päpstlichen Herrschsucht, und das Gedicht unsers Schiller: „Deutsche Treue“, auf diesen deutschen Fürstenliebesbund ist gleichsam ihre Paraphrase und sollte in Marmor oder Erz gegraben einst über dem vollendeten Portale prangen.[1]

Den französischen Feinden des deutschen Reichs in Paris und Avignon (es war die Zeit, wo die Päpste als Schildträger des französischen Königs hier residirten), welche den deutschen Zwiespalt bejubelt und darauf ihre hinterlistigen Pläne gebaut hatten, war diese unerwartete Vereinigung der beiden Kaiser ein Strich durch die Rechnung. Der Papst sprach den Bann über Ludwig aus, dem alsbald das Interdict folgte. Aber Deutschland jauchzte den in Liebe vereinten Fürsten seine freudige Anerkennung zu. Der hohe Adel vereinigte sich ebenfalls, um dem Bruderbunde der Kaiser ein würdiges Denkmal zu errichten. Dieses konnte natürlich nur eine Kirche sein. Sie mußte im Herzen Deutschlands auf dem Gebiete eines Kirchenfürsten erbaut werden. Der damalige Bischof von Würzburg, Wolfram von Grumbach-Wolfskeel, war Kaiser Ludwigs Freund und hatte dessen Besuch öfter empfangen. Auf seiner Reise von München nach Würzburg hatte der fromme Kaiser wohl mehr als einmal sein Gebet in der uralten Marienkirche zu Haßfurt, dessen freundliche Lage am Mainstrom ihn anmuthete, verrichtet. Um ihn zu erfreuen, wurde von Bischof Wolfram diese Kirche zu dem beabsichtigten monumentalen Umbau bestimmt. So entstand der herrliche Chor mit dem Wappenfrieß. Aber Wolfram starb, ehe der ganze Kirchenbau vollendet werden konnte, auch Kaiser Ludwig endete im 61. Lebensjahre plötzlich sein thatenreiches Leben (1347), nachdem auch Papst Clemens VI. einen zweiten Bannfluch über ihn ausgesprochen hatte. Der Bau der Kirche blieb liegen. Niemand mochte es wagen, das zu Ehren eines Kaisers begonnene Denkmal zu vollenden, der im Banne gestorben war.

Aus diesen Umständen ergibt sich die Lösung der letzten schwierigen Frage von selbst, weshalb keine Inschrift am Chor uns über Zeit und Veranlassung des Prachtbaus belehrt, weshalb kein Chronist seiner erwähnt, kein Document darüber vorhanden ist. Kaiser [760] Ludwig lag in Bann und Interdict, und die Kirche wurde auf dem Gebiete und unter dem Schutze eines geistlichen Fürsten erbaut. Es durfte also öffentlich nicht davon gesprochen werden.

Heideloff hat in einer Broschüre die nähern Umstände angedeutet; die ausführlichen Beweise, der Architektur und Sculptur und den heraldischen Verzierungen der Ritterkapelle entnommen, verspricht er in einem Prachtwerke vorzulegen, welches unter dem Titel: „Das Fürsten- und Ritter-Album der Ritterkapelle unserer lieben Frau und des Ritters St. Georg in Haßfurt, ein kaiserliches Denkmal der deutschen Einigkeit und Bruderliebe“, in der Ebner’schen Kunsthandlung in Stuttgart erscheinen wird. Die 248 Wappen werden darin in Farbendruck wiedergegeben und die Geschichte der Fürsten- und Adelsgeschlechter, welchen sie angehörten, in möglichster Ausführlichkeit abgehandelt. Nach den Proben, welche von Heideloff mit freundlicher Bereitwilligkeit vorlegt, wird das Werk des Gegenstandes und der Ehre des deutschen Namens vollkommen würdig sein. Der greise Verfasser hat den ganzen Schatz seiner Gelehrsamkeit angewendet, um zu beweisen, daß der Chor der Ritterkapelle zu Haßfurt durchaus nur ein Denkmal der brüderlichen Vereinigung Ludwig des Baiern und Friedrich des Schönen von Oesterreich sein kann. Man darf annehmen, daß Kenner der Geschichte und der deutschen Kirchenbaukunst, welche Gründe zu haben glauben, an Heideloff’s Angabe zu zweifeln, das Erscheinen des Fürsten- und Ritter-Albums abwarten, um seine versprochnen Beweise mit kritischem Scharfsinn zu prüfen und ihnen dann mit gewichtigen, stichhaltigen Gegengründen zu begegnen, und auch dann dürfte man mit Recht voraussetzen, daß jüngere Männer an diese Entgegnung mit aller Pietät, die der greise, gelehrte und verdienstvolle Baukünstler doch gewiß mit vollstem Rechte verdient, gehen werden. Jedenfalls ist also das Erscheinen des v. Heideloff’schen Werkes abzuwarten.

Wir aber geben uns mit voller Seele der schönen Ueberzeugung hin, daß die Ritterkapelle in Haßfurt ein Denkmal der deutschen Einigkeit und Brüderlichkeit gegenüber französischer Herrsch- und Ränkesucht ist, und daß unsere Zeit, in welcher der deutsche Patriotismus so mächtig aufflammt, um den neuen französischen Ränken mit vereinter Kraft und Begeisterung entgegen zu treten, im höchsten Grad geeignet und berufen ist, die Ritterkapelle nach Heideloff’s herrlichem Entwurf zu vollenden, damit sie, analog ihrer alten Bestimmung, auch ein würdiges Denkmal deutscher Einigkeit und Brüderlichkeit des lebenden Geschlechts werde und, am schönen Mainstrom stolz sich erhebend, dem eitlen Franzosenthum jetzt und in Zukunft zurufe, daß wir Deutsche im Süden und Norden, im Osten und Westen

„sind eines Herzens, eines Bluts“,

und

„Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr.“

L. St.




Kriegs-Erinnerungen.
Aus dem Tagebuche eines deutschen Officiers der Fremden-Legion in Algier.
III. Eine europäische Dame unter den Kabylen.

Der General-Gouverneur von Algerien, Graf Randon, hatte im Herbst 1856 eine Expedition gegen die Kabylie der Provinz Algier dirigirt und in eigner Person commandirt. Dieser Zug, schnell beschlossen und ebenso schnell ausgeführt, hatte zum Zweck gehabt, die Steuerverweigerungen und Räubereien dieses schwer zu bändigenden Gebirgsvolkes zu bestrafen und mit einem entscheidenden letzten Schlage ihren langjährigen Widerstand zu brechen. Obgleich diese Expedition nur etwa sechs Wochen dauerte, war sie doch reicher an außergewöhnlichen Begebenheiten und wichtiger in ihren nächsten Folgen, als manche ihrer Vorläuferinnen, die oft den größeren Theil eines Jahres in Anspruch nahmen und sehr häufig eben zu nichts führten.

Unsere Soldaten, den französischen es in nichts nachgebend, im Gegentheil diesen oft durch ihre Officiere als Muster in Muth und Ausdauer vorgestellt, kannten nur eine Furcht, und diese war entschieden begründet: die, von den Kabylen gefangen genommen zu werden. – Ein schreckliches Loos erwartete die Unglücklichen, welche lebendig in die Hände dieses unmenschlichen Gebirgsvolkes fielen. Auf unsern Märschen durch die Kabylie hatten wir wiederholentlich die Leichname dieser bedauernswerthen Opfer gefunden: an Baumstämme mit bis zum Eindringen in das Fleisch angezogenen Stricken gefesselt, die Augenlider durch Sperrhölzer geöffnet gehalten und so der versengenden Mittagssonne ausgesetzt; Ohren, Nasen, Lippen etc. abgeschnitten, die Nägel von Fingern und Fußzehen abgerissen, überließ man sie unter den unsäglichsten Foltern dem Hungertode oder den nächtlich auf Raub ausziehenden Löwen, Hyänen, Panthern und Schakals. Derartige Schreckensbilder trafen wir unter anderm dreizehn im Laufe eines Vormittags an. Und wer verübte diese Gräuel? Nicht die Männer, sondern die Frauen der Kabylen! – Erstere, sobald sie ihre Gefangenen sicher gefesselt und vollständig wehrlos gemacht, überließen sie ihren Weibern und zogen wieder davon, sich in den Hinterhalt zu legen, neue Gefangene zu machen oder den französischen Colonnen so viel als möglich in anderer Weise Schaden zuzufügen. Wenn es ihnen an Zeit gebrach, sich mit dem Transport der Gefangenen aufzuhalten, dann wurden dieselben vollständig entkleidet, und die Kabylen nahmen deren sämmtliche Effecten und Waffen, sowie die Köpfe derselben mit sich, die sie mit dem Yatagan vom Rumpfe absäbelten. Nur Tamboure und Musikanten hatten ein besseres Loos zu erwarten, vorausgesetzt, daß sie im Augenblick der Gefangennehmung sich im Besitz ihrer Trommel oder sonstigen Instrumente befanden; ihre Aufgabe in der Gefangenschaft war die, durch betäubende Musik ihre Zwingherren zu belustigen. Ein Tambour hat auf diese Weise fünf lange Jahre bei den Kabylen zugebracht. Während dieser Zeit hatte er fünf Mal den Versuch gewagt, durch die Flucht der Knechtschaft sich zu entziehen. Nur erst der fünfte Versuch gelang; nach dem Mißlingen jedes der vorhergehenden hatte man ihm jedesmal einen Finger abgeschnitten. Als der arme Teufel, mehr todt als lebendig, endlich nach fünfjährigen Schmerzen und Entbehrungen glücklich bis zur französischen Vorpostenlinie gelangte, blieb ihm von den fünf Fingern der linken Hand nur noch der Mittelfinger übrig. Die rechte Hand hatte man verschont, damit er trommeln konnte.

Wir hatten uns einem Punkte der großen Kabylie genähert, den bis dahin noch nie der Fuß eines französischen Soldaten – ausgenommen vielleicht der eines gefangenen – betreten halte. Die himmelanstrebenden Felsen des Djurdjura zogen sich enger und enger zusammen mit jedem Schritt, den die Colonne vorwärts machte. Wilde, reißende Bergwässer, durch die Steinmassen sich mit Getöse hindurchdrängend, bildeten bald Cascaden, bald verschwanden sie auf lange Strecken unter einem für das Auge undurchdringlichen Dome von Schlingpflanzen, welche, sich mit dem von der Höhe herabfallenden Staube und den von unten heraufsteigenden Wasserdünsten mischend, bald sich zu einer soliden Brücke geformt hatten, bald den unvorsichtigen Waghals, der den Uebergang riskirte, in die Tiefe hinabstürzen machten. Man kann sich leicht vorstellen, wie überaus gefährlich auf solchem Terrain ein Kampf sein mußte, und wie leicht der für unsere Truppen unglückliche Ausgang eines solchen das Gelingen der ganzen Expedition in Frage stellen konnte.

Allein der Feind, statt uns, bei der großen Ueberlegenheit, welche ihm das Terrain sicherte, jeden Fuß breit Erde streitig zu machen und unser Vordringen zu verhindern, beschränkte sich darauf, seinen Heerd entweder nur schwach zu vertheidigen, oder, seine Heerden – den größten und gewissermaßen einzigen Reichthum dieses Bergvolkes – vor sich hertreibend, seine Dörfer bei Annäherung unserer Truppen zu verlassen und immer höher hinauf und tiefer hinein in die mit jedem Schritt unzugänglicher werdenden Schluchten des Gebirges sich zurückzuziehen. Einmal jedoch gelang es einem dieser zahllosen Stämme nicht, sich zeitig genug in Sicherheit zu bringen; sei es, daß seine Spione unsere Annäherung nicht früh genug bemerkt hatten, oder sei es, daß die Colonne zu plötzlich und aus einer von den Kabylen für uns nicht passirbar geglaubten Richtung heranzog; genug, wir standen hundert Schritte [761] vor ihren improvisirten Pallisaden-Fortificationen, als noch kein Mann, kein Weib, kein Kind dieselben verlassen hatte und ihr gesammter Heerdenreichthum friedlich in den Umgebungen weidete. Der die operirende Division befehligende General Montauban (derselbe, welcher augenblicklich die französischen Truppen in China commandirt) schickte einen Parlamentair und Dolmetscher vor und ließ die Kabylen auffordern, sich zu ergeben. Obgleich ihre Lage ihnen keinerlei Hoffnungen und Illusionen einflößen konnte, antworteten sie nichtsdestoweniger durch ganz gegen ihre Gewohnheit wohlgezielte Flintenschüsse, und natürlich, der Kampf begann.

Bevor ich über dessen Verlauf, Resultat und den dabei stattgehabten, für meine Mittheilung wichtigsten Vorfall weiter berichte, möge der Leser mich auf einen Rückweg begleiten, der uns zu einer ähnlichen Expedition, welche 18 Monate früher stattfand, führt. – Dieselbe hatte denselben Zweck und bewegte sich so ziemlich auf demselben Terrain, nur mit dem Unterschiede, daß in derselben die französischen Truppen mit weniger Glück operirt hatten und nicht so weit vorgedrungen waren, als dies in der letzteren der Fall war.

Ein junger Militairarzt, der Doctor Octave Martel, befand sich mit seinem Regiment, einem der berittenen afrikanischen Jäger, in dieser Colonne. Erst seit drei Monaten aus Grenoble zur afrikanischen Armee versetzt, hatte er sich am Tage vor seiner Abreise von dort mit einer jungen Dame verheirathet, welche ihm später nachfolgte und in Algier an’s Land stieg, als der Doctor Martel sich vorbereitete, sein Regiment in die Expedition gegen die Kabylie zu begleiten. Reich, jung, schön, talentvoll und liebenswürdig, war es kein Wunder, daß ihre Ankunft einige Sensation erregte, um so mehr als bald sich das Gerücht verbreitete und Bestätigung fand, daß die junge Frau nicht von dem Entschluß lassen wolle, ihren Gemahl zu begleiten. Entgegen allen Vorstellungen und ungeachtet selbst der wohlwollenden und väterlichen Abmahnungen des alten, braven General-Gouverneurs beharrte Madame Martel fest in ihrem Entschlusse und erklärte, daß sie es für ihre Pflicht halte, ihrem Manne gerade da nahe zu sein, wo Gefahr für ihn vorhanden wäre. Es half Alles nichts, man mußte sich fügen, und – die junge Dame, in Amazonencostüm auf einem ausgesuchten Maulthier reitend, befand sich beim Abmarsch der Colonne an der Seite ihres Gemahls, inmitten seines Regiments. – Ich erwähne diese Expedition nicht, um eine Schilderung derselben zu entwerfen, sondern begnüge mich, aus derselben hervorzuheben, was speciell auf die Heldin Bezug hat.

Man hatte Algier seit 14 Tagen verlassen, das Wetter war herrlich; der Frühling des Jahres 1855 entfaltete sich in selten erlebter Schöne. Das Regiment des Doctor Martel lagerte in einem Thalausgange des Djurdjura, bestimmt am folgenden Tage eine Recognoscirung gegen die Meeresküste hin vorzunehmen, um die Vereinigung zweier mächtiger Stämme zu verhüten und die Verbindung zwischen der Colonne und der Stadt Djidjelli offen zu erhalten. Die angenehme Frische des Abends, einem heißen Tage folgend, hatte die junge Frau des Arztes veranlaßt, in Begleitung der Tochter der Marketenderin, eines Mädchens von 16 Jahren, welche bei ihr gewissermaßen als Kammermädchen fungirte, einen Spaziergang in den Umgebungen des Lagers zu machen. Der Doctor, durch seine Dienstpflicht im Lager zurückgehalten, hatte weder von der Absicht seiner Frau, noch von deren Ausführung Kenntniß gehabt; er würde solche entweder gänzlich verhindert oder nur unter sicherer Bedeckung zugelassen haben. So lange die beiden Spaziergängerinnen sich im Innern der Vorpostenkette hielten, war allerdings nichts für sie zu besorgen; allein einmal diese passirt, war ihre Sicherheit mit jedem Schritt mehr gefährdet. – Die beiden Frauen kehrten nicht mehr zurück! – Ein die äußersten Posten commandirender Unterofficier rapportirte, daß dieselben trotz seiner Warnung, ja selbst seines Verbots, unter Lachen und Scherzen die Postenkette überschreitend, Blumen suchend, von Busch zu Busch gesprungen seien, daß er sie bald gesehen, bald aus den Augen verloren und endlich geglaubt habe, sie seien, von ihm ungesehen, auf einem andern Wege in’s Lager zurückgekehrt, was allerdings bei dem mit Hügeln und hohem Buschwerk durchschnittenen Terrain leicht hätte der Fall sein können.

Sobald der unglückliche Martel Kenntniß von dem Verschwinden seiner jungen Frau und durch ihn der das Lager befehligende Oberst Nachricht davon hatte, wurden sofort starke Patrouillen nach allen Richtungen hin ausgesandt, um die Spuren der beiden Vermißten zu entdecken. Diese Nachforschungen, welche bis zum folgenden Morgen und noch während des Marsches unausgesetzt betrieben wurden, hatten als alleiniges Ergebniß das Auffinden eines buntseidenen Tuches zur Folge, welches als der Tochter der Marketenderin angehörend erkannt wurde und an einem Zwergpalmenstrauch hängend, in einer Entfernung von etwa 5000 Schritten nordwestlich vom Lager entdeckt wurde. Diese Richtung führte zu dem Theile der Kabylie, welcher vor dem Gelingen der Spätherbst-Expedition 1856 nie von den französischen Truppen betreten war, und namentlich zu den Wohnungen der Beni-Laleg, berüchtigt durch ihre Grausamkeit und Raubsucht.

Die angestrengtesten Nachforschungen führten zu keinem Resultate; es blieben nur zwei Annahmen möglich: entweder die beiden Frauen waren in die Hände der Kabylen gefallen, oder sie waren die Beute von Raubthieren geworden. Dieser letztere Fall hatte jedoch weniger Wahrscheinlichkeit für sich, und fast Jedermann stimmte für die erste, allerdings eben so traurige, fast noch schrecklichere Voraussetzung.

In den 18 Monaten, welche dieser traurigen Begebenheit folgten, hatte der unsägliche Schmerz über den Verlust seines fast angebeteten jungen Weibes den unglücklichen Martel fast unkenntlich gemacht. Doch hielt er immer noch an der Hoffnung fest, und deshalb hatte er sich zu einem Regiment versetzen lassen, welches die neue Expedition mitzumachen bestimmt war. Man sah ihn fast stets bei der Avantgarde und, sobald es zum Gefecht kam, den Degen in der Hand, mehr als Officier denn als Arzt fungirend. Einen Kabylen Gnade vor der Spitze seines Degens finden zu sehen, wäre unerhört gewesen; einen tödtlichen Haß, eine wilde Rachbegier drückten seine Züge aus, sobald er der weißen Burnusse ansichtig ward.

Doch kehren wir zu dem verlassenen Standpunkt vor dem Dorfe zurück, dessen Bewohner unsern Parlamentair mit Flintenkugeln begrüßt hatten. Dieses Dorf gehörte den Beni-Laleg, deren Hauptort es war. Der Doctor Martel, durch die Generalstabs-Officiere in Kenntniß gesetzt, hatte sich der hierher vorgehenden Division angeschlossen und zitterte vor ängstlicher Erwartung, als ihm die Gewißheit wurde, daß das Dorf, der einzige noch übrige Punkt, in dem sich seine letzten Hoffnungen concentrirten, von seinen Bewohnern nicht verlassen sei.

Nach dem freundlichen Empfange, der unsern Abgesandten zu Theil geworden, befahl der General Montauban, unverzüglich das Dorf mit dem Bajonnet zu nehmen. Nach einer tapfern aber kurzen Gegenwehr, auf allen Punkten zugleich angegriffen, war es um die Kabylen gethan; doch an Ergeben war nicht zu denken: sie wehrten sich, so lange sie konnten, und ließen sich dann Einer nach dem Andern niederstechen, -hauen oder -schießen.

Doctor Martel war einer der Ersten, die in das Innere des Pallisadenzaunes eindrangen. Mancher Kabyle hatte schon unter seinen durch furchtbare Rachsucht geführten Streichen geblutet, immer vorwärts drang er, unaufhaltsam, nicht auf drei Wunden achtend (ich glaube sogar, sie gänzlich ignorirend), die ihm das feindliche Blei zugefügt; überall hin schweifte sein durchdringendes Auge, nach allen Richtungen hin brach ihm die rauchende, blutgetränkte Klinge seines Degens Bahn. – Da plötzlich macht ein markdurchdringender Schrei alle Augen nach einem Punkte sich drehen. – Nie vorher, nie nachher hörte ich einen solchen Schrei, nie mehr, glaube ich, werde ich ihn hören; es war fast nichts Menschliches in diesem Tone. Meine Augen, denen der übrigen Zeugen dieses Drama’s folgend, erblickten auf dem flachen Dache eines der höchsten Häuser des Dorfes ein Weib, kaum halb bekleidet, ein noch nicht jähriges in Lumpen gehülltes Kind, krampfhaft an die Brust drückend, aufrecht stehend. Um ihren Hals war ein Strick gewunden, dessen Ende ein hinter ihr stehender, riesiger Kabyle mit der linken Hand hielt, während er, mit der rechten den breiten Yatagan schwingend, sich anschickte, dem Doppelleben von Mutter und Kind ein Ende zu machen. – Martel, obigen Schrei ausstoßend, hatte sein unglückliches Weib erkannt; und dieser Schrei rettete sie. Mehr denn zwanzig Büchsen, alle auf die Brust oder den Kopf des Henkers gerichtet, krachten fast zugleich; wie eine schwere, unförmliche Masse stürzte er zu Boden, im Augenblicke selbst, wo er den verhängnißvollen Streich führte, der glücklicherweise nur leicht die Schulter der jungen Frau verletzte. Doch auch sie, mehr in Folge der erlittenen Angst und Pein als der erhaltenen Wunde, sank zusammen. Schneller als [762] meine Feder es niederzuschreiben vermag, waren wir um sie versammelt. Martel verlor nicht die kalte Besonnenheit des Arztes, die ihn nur so lange verlassen hatte, als er, ungewiß, nur auf Rache sann. Jetzt, sich wieder im Besitz, im sichern Besitz derjenigen sehend, um deren Verlust er so unsäglich gelitten, war er, obgleich zum Erschrecken bleich, doch ruhig und besonnen. Mit kunstgeübter Hand leistete er seinem Weibe die erste Hülfe und rief sie, nach kurzer Ohnmacht, in’s Bewußtsein zurück.

Es wäre mir unmöglich, die Scene treu zu schildern, die nun sich unsern Augen bot: nie habe ich Aehnliches gesehen! Es blieb wohl kaum ein Auge trocken. Generale, Officiere aller Grade, Soldaten, Alles drängte sich um die Wiedergefundene, Alle drückten ihr, Allen drückte sie die Hand. Ihr Kind, das Kind Martels, geboren in der Gefangenschaft, ging von Hand zu Hand, geherzt und geküßt von alten, bärtigen Soldaten, deren Hände mit Blut bedeckt, deren Gesicht durch Pulverdampf, Staub und Schweiß unkenntlich gemacht war. – Nie, nie werde ich diesen Moment vergessen können! –

„Doctor,“ sagte der General Montauban, „gehen Sie morgen mit den Prolongen[2] nach Algier ab und bringen Sie Ihre Frau Gemahlin und Ihr Kind in Pflege und Sicherheit. Ich nehme es auf mich, Sie für den Rest der Campagne zu dispensiren.“ – Und das geschah.

Ich lasse jetzt das Wort der Frau Doctor Martel folgen und wiederhole so ziemlich wörtlich, was sie mir selbst, zwei Monate später, in Algier mitgetheilt.

„Wie Sie wissen,“ sagte sie, „hatte ich mit Léonie, der Tochter unserer Marketenderin, das Lager verlassen, um in einem Spaziergange von der erquickenden Abendkühle zu profitiren. Wir dachten nicht an Gefahr; wir fanden so wunderschöne Blumen, und je weiter wir gingen, desto schöner, desto reicher an Farben, schien es uns, wurden sie. Wir lachten der Aengstlichkeit des Unteroffiziers, der uns warnte, ja uns sogar verbot, die Postenkette zu überschreiten. War doch der Himmel so schön blau, die Luft so ruhig und mild, die Sonne noch am Himmel und das Lager kaum hundert Schritte hinter uns. Wer hätte es, dachten wir, wagen mögen, uns da Böses zuzufügen? – Allein unsere Meinung sollte sich ändern, unsere Mißachtung der Gefahr grausam gestraft werden. Schon im Begriff den Rückweg anzutreten, fühlte ich plötzlich ein eigenthümliches Zucken um beide Fußgelenke und im selben Augenblick stürzte ich nieder; meine Füße waren gleichsam wie vom Boden hinweggehoben. Ich sah nur noch mehrere fürchterliche Figuren sich über mich beugen und fühlte, daß man mir mit einer Art Knebel den Mund schloß. Dann verließ mich die Besinnung. Als ich meiner Sinne wieder Herrin war, fühlte ich an einer gleichmäßigen, beinahe schaukelnden Bewegung und an einem heftigen Schmerz, den ich an den Hand- und Fußgelenken empfand, daß ich mit gebundenen Händen und Füßen auf dem Rücken eines Lastthiers lag, welches, wie ich später erfuhr, ein Maulthier war. Die bereits eingetretene Dunkelheit verhinderte mich, die Gegenstände um mich her deutlich zu erkennen. Nach einiger Zeit indeß und nachdem meine Augen einigermaßen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte ich, daß meine Begleiterin Léonie sich in derselben Lage befand, daß wir von mindestens zehn dunkeln Gestalten umringt waren und bergauf zwischen wilden Felsenmassen uns vorwärts bewegten.

„Es mochte gegen 11 Uhr Abends sein, als wir vor einer hohen Umzäunung Halt machten; man nahm uns von dem Rücken der Maulthiere herunter, löste die Bande, welche unsere Füße fesselten, band uns die Hände auf dem Rücken zusammen und führte uns in einen Erdkeller, welcher zur Hälfte mit Maisstroh gefüllt war. In diesem feuchten, ungesunden Loche blieben wir die Nacht, den ganzen darauf folgenden Tag und wiederum die Nacht, ohne einen Menschen zu sehen, noch Nahrung zu erhalten. Wir hatten schon dem Glauben Raum gegeben, daß man die Absicht habe uns durch Hunger zu tödten; allein dem war nicht so. Am frühen Morgen des zweiten Tages erhielten wir den Besuch zweier junger Mädchen, in lange weiße Gewänder gehüllt, die von dem ganzen Körper nichts als die Augen sehen ließen. Als sie sich neben uns auf dem Stroh niedergelassen, schlugen sie die weiten Falten ihrer Gewänder zurück, und ich war erstaunt nicht allein über ihre wirklich hohe Schönheit, sondern mehr noch über ihre ausnehmend weiße Hautfarbe. Nachdem die dem Anschein nach ältere der Beiden mindestens eine Stunde lang unaufhörlich und unter den lebhaftesten Gesticulationen zu uns gesprochen, war ich darum um nichts im Verständniß der Situation vorgeschritten, denn sie sprach Arabisch, wovon ich kaum drei Worte kannte. Indessen merkte ich doch so viel, daß sie sich für uns interessirten und uns ihre Dienste anboten. Mich quälte ein furchtbarer Durst; ich gab ihr dies durch Zeichen zu verstehen, worauf ihre Begleiterin verschwand und nach einigen Minuten mit einem großen Kruge frischer Kameelmilch zurückkehrte, der wir, Léonie und ich, Ehre machten.

„Sie entfernten sich unter unverkennbaren Zeichen des größten Bedauerns darüber, daß sie sich uns nicht verständlich machen konnten. Gegen Mittag führte uns ein alter Kabyle mit greisem Barte aus dem Keller heraus in’s Freie. Man eröffnete uns, immer durch Zeichen, daß wir uns anschicken sollten, die Kameele zu melken. Wir bequemten uns, wohl oder übel, der Aufforderung Folge zu leisten, wurden jedoch nicht allein unendlich unserer dabei bewiesenen Ungeschicklichkeit halber ausgelacht, sondern auch übel von den Thieren selbst zugerichtet, welche, dieser Arbeit unerfahrene Hände merkend, uns Stöße und Püffe nicht sparten.

„Endlich erschien ein Mann von ungefähr 40 Jahren, von stolzen, jedoch nicht harten, interessanten Gesichtszügen. Er schien ein Häuptling zu sein, denn die Uebrigen bewiesen ihm viel Ehrerbietung. Nachdem er mit den Andern eine kurze Unterredung gehabt, während welcher er uns oft mit der Hand bezeichnete, befahl er uns, ihm zu folgen, und führte uns in sein Haus. Hier fanden wir die zwei jungen Mädchen, welche uns den ersten Besuch gemacht; er gab diesen in wenigen Worten einen Befehl und verschwand. Wir wurden hierauf von einander getrennt, und ich sah Léonie nie mehr wieder. Eine der beiden Mädchen führte mich in ein inneres Zimmer und brachte mir eine vollständige, der ihrigen ganz gleiche arabische Frauenkleidung vom feinsten tunesischen Stoffe, Alles weiß. Von meinen eigenen Kleidungsstücken behielt ich nicht das Mindeste, nicht einmal ein Band oder eine Nadel. Von dem Augenblick an, wo ich die arabische Kleidung angelegt, bis zu dem, wo man mich auf das Dach des Hauses führte, in der Absicht mich zu tödten, habe ich jenes Zimmer auch nicht auf einen Augenblick verlassen. Hier ward mein Kind geboren und von mir und den beiden jungen Mädchen abwechselnd gepflegt und erzogen. Hier lernte ich im beständigen Umgang mit ihnen die arabische Sprache, die ich jetzt fast geläufig spreche.

„Ueber die mir zu Theil gewordene Behandlung kann ich nicht klagen; ich wurde sogar mit einer gewissen Achtung behandelt. Ich glaube, daß ich ursprünglich dazu bestimmt war, gegen eine in die Hände der französischen Truppen gefallene hohe Persönlichkeit der Kabylen ausgewechselt zu werden. Doch man mag wohl später diese Absicht aufgegeben haben. Die gänzliche Unkenntniß, in welcher ich mich in Betreff meines Gemahls, meiner Familie und der armen Léonie befand, trug nicht wenig dazu bei, mein Gemüth zu bedrücken, um so mehr als der gänzliche Mangel an frischer Luft und die ungewohnte Nahrungsweise meine Gesundheit merklich angriffen. Einige Zeit nach der Geburt meines Kindes fragte mich der Häuptling, in dessen Hause ich lebte, ob ich nicht seine Frau sein wolle. Ich erwiderte ihm (ich fing damals an so ziemlich Arabisch zu verstehen und zu sprechen), daß ich schon die Frau eines Mannes sei und ihm Treue bis zum Tode geschworen habe. Obgleich dies ihm unangenehm zu sein schien, gefiel ihm doch meine Weigerung, und er fragte mich, ob ich den Tod nicht fürchte. Ich blickte ihm fest in’s Auge und erwiderte kurz: „nein!“ – Darauf zuckte er die Achsel, ging hinaus und ließ sich seitdem nicht mehr vor mir sehen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, daß jene beiden jungen Mädchen seine Schwestern seien.

„Was ich in dieser qualvoll langen Zeit von 18 Monaten innerlich gelitten, kann ich nicht beschreiben. Namentlich jedoch hatte ich, vor der Geburt meines Kindes, eine unendliche Angst, daß man mir dasselbe nicht lassen würde. Doch, Gott sei Dank, diese Befürchtung erwies sich nicht nur als unbegründet, sondern die Achtung vor mir schien sogar zuzunehmen, nachdem ich Mutter geworden. Nach diesem Zeitpunkt fühlte ich mich in meinem Kinde [763] glücklicher. Mein Beschützer, wenn ich ihn so nennen darf, fiel etwa 10 Minuten vor der Einnahme des Dorfes durch unsere Truppen; eine Kugel hatte ihm den Kopf zerschmettert. Man brachte ihn in unser Gemach, um ihn zu verbinden, doch es war keine Hülfe mehr. Sein Bruder, derselbe, welcher im Begriffe war mich zu tödten, hatte mich von Anfang an stets gehaßt und sich geärgert über die humane Behandlung, die mir von Seiten seines älteren Bruders zu Theil wurde. Er benutzte dessen Tod, um seinen Haß an mir zu kühlen, und – sich selbst ohne Ausweg zur Rettung sehend, wollte er mich Angesichts unserer Soldaten morden, um dann wahrscheinlich sich selbst zu tödten.

„Von Léonie konnte ich trotz aller Bitten nie etwas erfahren; die beiden Mädchen wußten nichts über ihr Schicksal. Ich habe jedoch allen Grund zu glauben, daß man sie nach Tunis geschafft und dort als Sclavin verkauft hat.“

Als Madame Martel mir diese Mittheilungen mündlich machte, war sie vollkommen von den erlittenen Drangsalen hergestellt und prangte in jugendlicher Frische und Schönheit. Ihr Kind, ein munterer Junge, nach ihrer Rückkehr in Algier getauft, hat den Namen Dieudonné (von Gott gegeben) erhalten, zum Gedächtniß an die schreckliche Episode aus dem Leben seiner Mutter, während welcher das seinige begann.

Ich schließe diese Skizze durch die Mittheilung der Uebersetzung eines Briefes, welchen ich vom Doctor Martel vor Kurzem erhielt, in Folge einer Anfrage meinerseits, ob er nichts gegen die Veröffentlichung dieses Ereignisses in der Gartenlaube einzuwenden habe.

„Mein alter Freund und Camerad!
Nicht nur nichts einzuwenden habe ich gegen die Publicirung der Abenteuer meiner Frau unter den Kabylen, sondern es soll mich sogar freuen, dieselben durch den Druck auch in weiteren Kreisen bekannt werden zu sehen. Auch theile ich Ihnen zur Vervollständigung mit, daß es mir – auf den Wunsch meiner Frau – nach langen Bemühungen endlich gelungen ist, den Aufenthalt der beiden Töchter des ehemaligen Häuptlings der Beni-Laleg, Cherif El-Eben ben-Djozra, zu entdecken. Gänzlich ihrer Angehörigen beraubt bei der Erstürmung ihres Dorfes, lebten die armen Kinder in den traurigsten Verhältnissen in Milianah. Sie hatten sich freundlich und voller Liebe gegen meine Frau gezeigt, und diese sie sehr lieb gewonnen. Sie sind beide jetzt in meinem Hause, und ich hege viele Hoffnungen in Betreff ihrer für die Zukunft …
Meine Frau grüßt Sie herzlich. Von der unglücklichen Tochter der Marketenderin keine Spur zu finden; trotz aller Bemühungen, welche die Behörden, selbst auf diplomatischem Wege mit Tunis, sich gegeben haben. Mein Dieudonné gedeiht herrlich …
Leben Sie wohl und vergessen Sie nicht Ihren alten Kriegsgefährten
Octave Martel.“

Es ist dieser Fall, glaube ich, der einzige, welchen die Annalen der französischen Occupation Algeriens aufzuweisen haben, in welchem die Kabylen auf menschliche Weise gegen einen ihrer Feinde (denn als solche betrachten sie das schöne Geschlecht so gut wie das andere) verfuhren. Obgleich jetzt vollständig unterworfen, ist ihnen doch nie zu trauen; und wer weiß, ob nicht früher oder später in der Kabylie Algeriens die Schreckensscenen von Cawnpore oder Lucknow sich wiederholen.

Theodor Küster.




Eine Bitte an den Weihnachtsmann.

Unter den mancherlei Gaben, welche der Weihnachtsmann bringt, nehmen die Bilderbücher und Spielsachen eine der ersten Stellen ein. Die ersteren sind in solcher Menge vorhanden, daß den Freunden der Jugend die Auswahl oft schwer fällt. Um dieselbe zu erleichtern, wollen wir einige Rathschläge hier mittheilen, welche Erfahrung und Psychologie an die Hand geben. Der erste heißt: Wählt keine Bilderbücher mit Fratzen für eure Lieblinge aus! Zwar sind sie vielleicht billig, aber ihr bezahlt sie viel zu theuer durch den Schaden, welchen das Kind durch sie an seiner Seele leidet. Zwar vertreiben sie dem Kinde die Langeweile, erregen wohl auch seine Lachmuskeln, aber seinen ästhetischen Sinn tödten sie in der Blüthe. „Ach,“ sagen Manche, „man muß nicht so ängstlich sein; das Kind hat ja noch kein Ideal der Schönheit; wenn das in ihm erwacht, wird es sich von solchen Fratzen von selbst abwenden.“ Wohl hat das Kind noch kein Ideal der Schönheit, aber damit es eins bekomme, soll man ihm eben nur schöne, treffliche Bilder vor’s Auge stellen. Von allen Reizen, die durch das Auge in die Seele des Kindes dringen, bleibt eine Spur zurück, und viele Spuren begründen zuletzt eine Anlage. Hat man dem kindlichen Auge nur gute Bilder von Jugend auf vorgeführt, so wird sich in der jungen Seele bald eine gewisse Hinneigung zu denselben zeigen; das Kind wird mehr und mehr Züge an denselben erfassen lernen; es wird sich der Schönheit derselben mehr und mehr bewußt werden und sie gar trefflich von der Häßlichkeit anderer Bilder, die ihm vielleicht zufällig vor’s Auge treten, unterscheiden lernen. Umgekehrt ist es, wenn man dem Kinde schlechte Bilder zu schauen gibt. Eben weil in der jungen Seele noch kein Maßstab der Schönheit ist, so nimmt sie die häßlichen Gestalten ruhig hin, gewöhnt sich nach und nach an sie, und findet sie zuletzt gar schön. Daher kommt es auch, daß manche Menschen für ein wirklich schönes Bild gar keinen Sinn haben, daß sie nicht im Stande sind, die Feinheiten desselben zu beurtheilen, und daß der schlechteste Holzschnitt ihre Augen keineswegs beleidigt. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß das Gefühl fürs Schöne sehr fruchtbar in der Seele ist, und daß es durchaus nicht gleichgültig bleibt, ob es sich früher oder später bilde. Deshalb, lieber Weihnachtsmann, keine häßlichen und anstößigen Bilder; bescheere das Schönste, was du findest; die Zinsen davon wirst du aus der reinen Seele deines Kindes nehmen.

Mein zweiter Rathschlag ist: Gib den Kindern keine Geschichten, die mit lauter Moral gespickt sind. Wir haben deren ebenfalls in Unzahl. „Der gute Hans“, „der fleißige Gottlieb“, „der gehorsame Wilhelm“ und wie die Geschichten alle heißen mögen, haben für die Kinder dreierlei Nachtheil. Erstens lernen sie nichts aus diesen Büchern. Moral, das weiß jeder Psycholog, wird überhaupt nicht durch Reden und Lesen gelernt, die Thatsachen des Lebens müssen sie dem Kinde einimpfen. Wenn das Kind dem Mitschüler eine Weihnachtsfreude macht und dessen Dank und Liebe sich erwirbt, wenn der Knabe sich durch eine besondere Arbeit einen schönen Lohn erwirbt, mit welchem er sich und Andere erfreuen kann, so wirkt dies ganz anders als eine Geschichte von guten fleißigen Kindern. Allerdings können moralische Geschichten, mitunter wenigstens, den Impuls zur eigenen moralischen Vervollkommnung geben. Aber auch dies fällt bei den Jugendschriften dieser Art weg, weil sie in der Regel saft- und kraftlos sind und sich in den alltäglichsten Worten und Situationen bewegen. Zweitens lernen sie allerdings manchmal etwas daraus, nur leider nichts Gutes. Oft sind nämlich diese Geschichten kleine Rührmaschinen für die Kinder. Sie schildern eine Menge Auftritte, die das Kind erschüttern oder gar bis zu Thränen erweichen sollen. Solche Thränenbäder haben nun stets etwas Mißliches, treten sie aber öfters ein, so bildet sich daraus im Kinde eine Sentimentalität, die wirklich eine gewisse Nervenschwäche mit der Zeit fördern kann, der frischen, lebendigen Thatkraft aber allemal hinderlich ist. Drittens begünstigen solche Bücher das Lesen ohne Denken, das fleißige Nippen, welches so schon bei unserer Jugend zu einem Krebsschaden geworden ist, und hier und da erregen sie auch ein altkluges Schwatzen über Dinge, die man nicht im Munde führen, sondern im Herzen haben und durch die That beweisen soll.

„Ja, was soll ich denn da bringen?“ fragst du, lieber Weihnachtsmann. „Kinder lesen einmal gern Geschichtsbücher, namentlich wenn sie mit Bildern geziert sind.“ Gewiß. Daher bringe Bilder, aber die besten, bringe Geschichten, aber frische, fesselnde, belehrende, entweder aus dem Kinderleben selbst, oder aus dem Leben interessanter Völker, bringe vortreffliche Schilderungen gewaltiger Naturscenen, bringe Beschreibungen von Heldenthaten oder Erzählungen aus dem Leben großer Männer, bringe Geschichten aus dem Thierreich, damit das Kind Pietät vor demselben lerne, bringe auch Bücher religiösen Inhalts, aber nur solche, welche klare und gesunde und nicht Muckerspeise enthalten. Dann sollst du sehen, lieber Weihnachtsmann, was du für verklärte Augen und für brave Herzen damit schaffen wirst!



[764]
Ein verkommener Dichter.

Am 4. October wurde in den Mauern des Militairfriedhofes bei Innsbruck der Denkstein für einen unglücklichen Dichter befestigt. Das einfache Denkmal ist von dem Bildhauer Hohennauer aus weißem Schlanderer Marmor verfertigt und besteht aus einer länglichen Tafel, deren obere Seite der Tyroler-Adler, die Lyra in den Fängen, schmückt. Da der Dichter in tiefer Armuth starb und keine Angehörigen hinterließ, denen die Erinnerung an ihn werth sein konnte, so beschlossen einige Freunde der Muse, seinen Manen diesen Stein zu weihen, um so mehr, weil auf dem Grabe von Männern, deren einziges Verdienst in ihrem geistigen Streben liegt, nur zu schnell Gras zu wachsen pflegt.

Der Name dieses Dichters ist außer Tyrol wenig bekannt. Er heißt Johann Senn, und das Leben dieses Mannes ist eine Kette von Unglück, welches, wenn auch nicht völlig unverschuldet, dennoch zumeist aus Verhältnissen entsprang, die noch jetzt in Oesterreich nicht ganz beseitigt sind und von der Journalistik theilweise mit dem Namen der ererbten Uebelstände bezeichnet werden. Eine kurze biographische Skizze dürfte daher auch in weitern Kreisen einiges Interesse erregen.

Johann Senn wurde 1792 zu Pfunds im Oberinnthale geboren. Sein Vater war dort Landrichter und hat sich in der Geschichte Tyrols als einen der wackersten Kämpen von 1809 und als Verfasser der scharfen Denkschrift, welche gegen den unberechtigten Vorzug von Klerus und Adel bei der Ständeversammlung Einsprache thut, einen Namen gemacht. Wegen seiner Verdienste erhielt er eine Rathsstelle zu Wien, wo er bald starb, ohne die Erziehung des Sohnes zu vollenden. Dieser studirte die Rechte und wurde bald mit den trefflichsten Jünglingen bekannt, namentlich Feuchtersleben und Schubert, welcher mehrere Gedichte von ihm componirte, die auf den Schwingen der Musik weithin verbreitet wurden. Hier und da kam der kleine geistreiche Kreis in einem Wirthshause zusammen. Genug um die Aufmerksamkeit der Polizei zu erregen. Ein Denunciant bemühte sich einzudringen, wurde jedoch als nicht zur Gesellschaft gehörig ersucht zu verschwinden und, als er grob erwiderte, zur Thür hinausgeworfen. Aus Rache zeigte er sie wegen hochverrätherischer Umtriebe an. In jener Nacht rasselten die Fiaker mit Polizeisoldaten durch ganz Wien, um die Verschwörer einzuführen. Freilich stellte sich alsbald ihre Unschuld heraus, und sie wurden entlassen. Senn war zufällig nicht dabei gewesen und daher dem Schicksale der Genossen entgangen, um einem noch härteren zu verfallen. Die Polizei hatte sich auch der Schriften der Verhafteten bemächtigt. In dem Tagebuche eines Freundes hieß es nun: „Senn ist der einzige Mensch, den ich fähig halte, für eine Idee zu sterben.“

Eine Idee, für die man stirbt! – das konnte nur die Republik sein, und er ward verhaftet. Trotzig berief er sich beim Verhör auf seine beleidigte Ehre und stellte dort, wo man vielleicht Bitten und Thränen erwartet hatte, das Recht ihn gefangen zu halten in Frage. So zog man ihn anfangs hin und her, kümmerte sich dann nicht mehr und ließ ihn ein Jahr und drei Monate unschuldig im Kerker schmachten. Der Commissar gab als Schlußact der Untersuchung das Gutachten ab: „Er sei ein Genie!“ Man hielt ihn vielleicht gerade deswegen gefährlich und lieferte ihn mit gebundener Route nach Tyrol, obgleich er dringende Vorstellungen machte, daß er sich nur zu Wien durch Lectionen Unterhalt verschaffen könne. Da stand er hülflos ohne Freund, er stand gebrandmarkt in den Bergen der Heimath. Weil er sich jede Zukunft abgeschnitten sah, nahm er Einstandsgeld für ein Muttersöhnchen und wurde Soldat. Bald wurde er Lieutenant. Er machte 1831 den Feldzug in Italien mit und lernte den classischen Boden dieses Landes kennen. Bald jedoch mißfiel ihm der Dienst in der Armee, er nahm und erhielt den Abschied mit einer Pension, zuwenig um zu leben, zu viel um zu sterben. Aus seiner Soldatenzeit stammen mehrere geographische Aufsätze, unter andern über das Wassernetz von Morea, welche in Wiener Blättern abgedruckt wurden.

Sein Loos zu verbessern, trat er bei einem Advocaten als Schreiber in Dienst, schwang sich jedoch durch seine scharfsinnigen und trefflichen Aufsätze zum Concipienten empor. Nach einigen Jahren entzweite er sich mit seinem Brodherrn und ging nach Innsbruck. Als Journalist konnte er auch nichts verdienen, denn das brachte in Tyrol weder Geld noch Ehre. Tief und tiefer senkte sich auf ihn der Schmerz eines verfehlten Lebens, des Erlöschens jeder Hoffnung, je einen Wirkungskreis zu erlangen, der seinem Talent, seinem Ehrgeiz entspräche. Sein Geist verfinsterte sich allmählich, er wurde schroff und unverträglich und suchte bei der Rumflasche Trost, ohne daß man ihn eigentlich je betrunken gesehen hätte. Er verfiel allmählich ganz, wahrhaft dämonischer Hohn und Menschenhaß waltete über seinen Gedanken und prägte sich in den Zügen des fahlen Antlitzes aus. So saß er schweigend beim Glase, ein kleiner breitschulteriger Mann mit großem Kopfe, die hohe Stirn von schwarzem Haar wild umflogen, unter den buschigen Brauen loderten unheimlich die dunklen Augen. Schloß sich um ihn ein Kreis Studenten, deren er viele aus der Bibliothek kannte, wo er gewöhnlich über Hegel brütete, so ließ er sich auch wohl bewegen, ein oder das andere seiner Gedichte, am liebsten „Napoleon“, vorzutragen. Es geschah mit einem eigenthümlich dumpfen Dröhnen der Stimme. Dann versank er leicht in Sinnen, schüttelte den Kopf und rief mit schmerzlichem Lachen: „Glaubt mir, es ist alles nichts, nichts, nichts!“ Im Herbst 1857 erkrankte er und starb am 30. September im Spital.

Seine Gedichte gab er 1838 bei Wagner in Innsbruck gesammelt heraus. Wer wollte sie jedoch? Sie waren verstümmelt von der Censur, und in Tyrol rümpfte man höchstens die Nase, daß ein Mensch seine Zeit so verderbe. Senn gehörte keiner literarischen Coterie an und wurde daher nicht ausposaunt, nur der edle Feuchtersleben schrieb eine eingehende Recension derselben. Der Dichter stand abseits der großen Heerstraße, er machte nicht in Tendenz, war zu ernst für die Sentimentalität, zu streng für die Rhetorik. Die Form ist eng und knapp, kein Wort überflüssig, Reim und Vers nicht immer tadellos. Glätte strebte er nicht an; wir billigen dieses zwar nicht, es ist aber das Zeichen schwächlichen Epigonenthumes, dem ursprünglicher Gehalt verloren ging, darauf unverhältnißmäßigen Werth zu legen. Vorzüglich gelang ihm das Epigramm, und wahrhaft furchtbar sind die Sonette, die er auf einige Dunkelmänner, welche ihm zu nahe traten, schleuderte. Sie fanden handschriftlich weite Verbreitung.

Sein bedeutendstes Werk ist gewiß „Napoleon und das Glück“, ein sonderbarer Cyklus reich an erhabenen Gedanken und doch wieder ermüdend durch seine Länge und den Mangel an Fortschritt. Es gleicht einem Lavastrom, die Oberfläche ist in rauhen Zacken und kantigen Trümmern erstarrt, während sich innerlich noch die

[765] geschmolzene Gluth vorwärts wälzt. Senn’s Werke zeigen überall den tiefen Geist, dem die letzte Läuterung versagt blieb, doch soll man mit scheuer Ehrfurcht an dem Stamme vorbeigehen, dessen blühenden Wipfel der Blitz des Schicksals in den Sumpf geschleudert? Es wäre jetzt vielleicht, wo man ihn besser zu würdigen beginnt, an der Zeit, wenn eine tyrolische Buchhandlung eine Auswahl seiner Gedichte, vermehrt durch die Nachlese aus dem handschriftlichen Nachlaß, veröffentlichen würde.
X. Y. Z. 




Onkel Gottliebs Jugendliebe.
Von Ottilie Wildermuth.
(Schluß.)

Nach einer Pause fragte Eugenie schüchtern, wie um den Onkel zu besänftigen: „Aber brav und rechtschaffen war Gertrudens Bräutigam?“

„Brav und rechtschaffen; nun ja meinetwegen, das ist seine verfluchte Schuldigkeit!“ brummte der Onkel immer noch ungnädig, „aber langweilig war er, auch in seinem Geschäft war kein frisches Regen und Bewegen; als meine Mutter erwähnte, daß Gertrud so schön singe, und fragte: „der Herr Vetter werden auch ein Instrument spielen?“ da sagte er mit einiger Verlegenheit: „ich trommle zuweilen zu meinem Vergnügen auf dem Dachboden, es ist das ein Instrument, das sich selten verstimmt und bei dem man zugleich Motion hat.“ – Habt ihr auch schon einen Kerl gesehen, der zu seinem Vergnügen trommelt?“

„War Gertrud glücklich?“

„Dummheit! wie kann denn so ein Mädchen glücklich sein mit so einem hirschbeinernen Langweiler, wenn sie einen Burschen wie mich gekannt hat?“

„Aber zufrieden?“

„Ja, ja, sie war immer wie ein Engel!“ rief der Onkel, ungeduldig daß er seine Weichheit nicht unterdrücken konnte, „sie sah mich an mit dem sanften, schönen Blick, mit dem nur sie Einen ansehen konnte, sie bot mir die Hand und sagte: „Nicht wahr, Du wünschest mir Glück, und meinem Bräutigam auch, der so gut ist und meinen Eltern das Alter so leicht macht?“ – Nun, das hätt’ ich ja meinetwegen auch gethan; dem alten Extraprobator hätte nichts sollen abgehen, wenn ich auch nicht gleich Saffianstühle hätte polstern lassen können, auf einem Barchentüberzug wäre er nicht ausgerutscht! Aber freilich, warum hatt’ ich nicht reden dürfen!“

Der Onkel ging rasch im Zimmer auf und ab, und Eugenie mußte im Stillen denken, der Mama Stachelbeerwein bekomme eine gewaltige Lücke, ganz in Gedanken schenkte er das zierliche Gläschen ein Mal um’s andere voll.

„Ist’s gut gegangen?“ fragte endlich Eugenie leise.

Der Onkel setzte sich ruhig neben sie und sagte langsam, fast feierlich: „Das will ich Dir sagen, Mädchen, wie’s gegangen ist. Was ich da erzähle, war im Herbst; im Frühling sollte die Hochzeit sein; der Bräutigam, der Herr Huzelberger, wollte zuvor noch ein neues Haus bauen. Ich arbeitete nun erst wie toll, Tag und Nacht, um mein Examen noch ein halbes Jahr früher zu machen; ich hatte mich engagirt, dann den jungen Baron von Holst auf Reisen zu begleiten – ich wollte gern recht weit fort sein. Das Examen war glücklich vorüber, und ich schickte mich an nach Hause zu gehen, um mich zur Reise zu rüsten, es freute mich nichts auf der Welt recht – da klopft’s an meine Thür; wer meinst Du, daß herein kam?“

„Gertrud?!“ rief Eugenie erstaunt.

„Warum nicht gar?“ brummte der Onkel, „der Bräutigam war’s, der Herr Huzelberger, er sah aber nicht so gebügelt aus wie sonst, hatte auch nicht seine sieben Lachets an der Uhr hängen. Was in aller Welt wollte der bei mir? Seine Fabrik lag freilich nicht weit von der Universitätsstadt, aber er hatte mich noch nie besucht und ich ihn noch seltener.

„Herr Vetter,“ hub er an, „ich wende mich an Sie in einer traurigen Familienangelegenheit, wo ich selbst nicht den Muth habe zu reden.“ – Was konnte das sein? – „Mein Associé hat Bankerott gemacht,“ fuhr der Mann mit ruhiger Desperation fort, „er hat mich betrogen, wie alle Welt. Alle meine Ersparnisse, das Resultat meines ganzen Lebens, sind verloren, ich muß von Grund wieder anfangen. Der Chef eines Handelshauses in H., der weiß, wie unschuldig ich bei der Sache bin, hat mir eine Stelle als Buchhalter mit 800 fl. Gehalt angeboten, ich nehme es an – aber das ist keine Zukunft, die ich meiner Braut anbieten darf. Sehen kann ich sie nicht mehr,“ – ich muß sagen, dem armen Mann war das Herz recht schwer, als er das sagte, – „aber ich hörte, daß Sie nach U. reisen; wollen Sie, Herr Vetter, in eigner Person oder durch Ihren Herrn Vater Gertruden und ihren Eltern mittheilen, daß ich sie ihres Wortes förmlich und feierlich entbinde, daß ich unsere Verbindung als aufgelöst betrachte und mich aller weiteren Ansprüche enthalten werde, daß ich fernerhin“ – daran mußte der Kaufmann natürlich denken – „sie bitte, alle die kleinen Pretiosen und sonstigen Werthgegenstände, die ich ihr in der Zeit unsres Brautstandes verehrt, als Andenken zu behalten, da es mir auch ohne dies möglich sein wird, sämmtliche Passiva zu decken, die noch an meiner Person haften möchten.“

„Gott weiß, der arme Mann dauerte mich von Herzen; ich ließ vom besten Markgräfler kommen und wartete ihm auf, er wollte aber nichts nehmen. Ich versprach ihm, Alles ins Reine zu bringen, und hatte nie zuvor so freundlich und respectsvoll von ihm Abschied genommen wie jetzt, wo er bankerott war. Ich hatte zuerst kein fröhliches Herz und mußte viel an den armen Mann denken, wie ich so heimwärts ritt. Aber es war herrliches Frühlingswetter, grüne Wiesen und Felder und Lerchengesang; nach und nach kam mir denn doch Alles anders vor. Es war ja sichtbar Gottes Finger, daß Gertrud frei wurde von dem Mann, der so gar nicht zu ihr paßte; für ihn war es auch besser, wenn er frei und allein blieb, eine Familie hätte ja nur seine Sorgen vermehrt.

„Und als ich daheim mein Pferd durch einen Buben in die Stadt führen ließ und dem Häuschen zuging in der Hagenauer Vorstadt und als ich Gertrud allein daheim traf und sie bat, mit mir in die Laube zu kommen, als sie so neben mir saß in all’ ihrer Schönheit – o, da war mir’s so leicht ihr Alles darzustellen als eine Schickung vom Herrn, der ihr Herz wieder frei gebe, das sie nur aus Pflicht hingegeben, und nur so leise und nebenher erzählte ich von meinen eignen günstigen Aussichten und wie ich ihr wollte das Leben leicht machen und ihre Eltern auf den Händen tragen; ach, ich sagte so viel mehr, als ich hatte sagen wollen, mein Herz war so voll, und sie blieb so lange still und hatte ihr Angesicht tief gesenkt.

„Endlich sah sie auf und schaute mich an ganz still und lange mit diesen schönen, tiefen, dunkelbraunen Augen. – „Du glaubst, ich solle sein Anerbieten annehmen?“ fragte sie langsam. „Gewiß,“ sagte ich, „es ist sein eigner Wunsch und Wille.“

„Glaubst Du das?“ – Ich konnte nichts darauf antworten, sie fragte so tief in’s Herz hinein. – „Und glaubst Du, daß es recht so wäre?“ fragte sie wieder.

„Und möchtest Du,“ sagte sie weiter mit ihrer sanften innigen Stimme, „möchtest Du ein Mädchen lieb haben, um ein Mädchen werben, die einem Manne ihr heiliges Wort gegeben hat, als er reich war und glücklich, die seine Güte und seine Gaben angenommen, und die ihn allein ließe und verlassen, wenn er in Unglück ist?“

„Weiß Gott, ich saß da wie ein Schulknabe und konnte nichts erwidern. „Aber Deine Eltern werden nicht mehr wollen,“ stotterte ich endlich, „und für ihn selbst wird eine Frau mehr eine Last sein …“ – „Das ist meine Sache zu sorgen, daß ich ihm keine Last werde,“ sagte sie, „und die Eltern werden sich nicht weigern zu gestatten, was recht ist.“ – „Und ich gelte Dir nichts dazu?“ rief ich endlich heftig, „und daß ich Dich seit Jahren im Herzen getragen, lang eh’ Dich dieser Handelsmann gekauft hat, das rechnest Du für nichts?“ Da hat sie lange und still geweint. - „Das Alles,“ sagte sie endlich leise, „habe ich überwinden müssen, eh’ ich das erste Ja gesprochen. Für Dich wie für mich möchte ich Gottes Segen und Frieden, der denen wird, die das thun, was sie für Gottes Willen halten.“

„Wie lange wir da noch beisammen gesessen, weiß ich nicht; [766] ihr Kopf lag an meiner Schulter, sie weinte und weinte, und ich dachte immer, vielleicht dürfen wir doch so miteinander sterben. Aber sie stand auf und legte den Ring wieder in meine Hand, den ich ihr von dem Bräutigam gebracht, und sagte: „Bringe ihm den zurück und sag’ ihm, daß ich sein treues Weib sein wolle, auch in Sorge und Noth. Und Du, lieber Gottlieb, nicht wahr, Du wünschest mir Gottes Segen?“

„Daß ich’s gethan habe, weiß Gott, wenn ich auch nicht mehr reden konnte.“




Es war sehr still im Zimmer, Niemand hörte auf die fernen Musiktöne, der alte Mann und das junge Mädchen lebten bei lange vergangenem Lieben und Leiden.

„Daß ich dem jungen Ding da so viel sagen mußte,“ begann endlich fast ärgerlich der Onkel, „aber so ist’s, wenn alte Leute in’s Schwatzen kommen.“

„Aber Du sagst mir doch, wie es vollends gegangen ist?“ bat Eugenie.

„Nun, was ist da noch viel zu sagen? Die Alten wären gern wieder rückwärts gegangen, wer aber fest blieb, das war Gertrud. Sie verkaufte ihren Schmuck und den kostbaren Shawl – ich war schon außer Landes, als sie Hochzeit hatte – und zog mit ihrem Mann in eine Mansardenwohnung, da arbeitete sie heimlich um Geld. Ich blieb wohl sechs Jahre fort und versprach dann dem Baron, die Verwaltung seiner Güter zu übernehmen – an einem Amt hatte ich keine Freude mehr. Als ich zurück war, besuchte ich Gertrud. Wie eine schöne Königin in der Verbannung kam sie mir vor in ihrer Mansarde. Aber wie ich die Treppe hinauf stieg, hatte ich sie mit ihrer lieblichen Stimme ein heiteres Liedchen singen hören, sie hatte viele Blumen am Fenster und ein Vögelein, und zwei schöne Kinder spielten bei ihr auf dem Boden; da sah ich denn, daß sie nicht unglücklich war, noch eh’ ich in ihre klaren Augen geschaut, die still waren und rein und unschuldig, wie Kinderaugen. Ihr Mann kam eben mit seiner Trommel vom Boden herunter, wo er sich vergnügt hatte. Sein Anblick hat mich weniger erquickt, obgleich er seelenvergnügt war und seine Frau über alle Himmel hinaus pries und mir rühmte, wie er wieder ein paar ganz nette, kleine Geschäftchen gemacht habe, und es sichtbar vorwärts gehe mit ihren Umständen.

„Ich habe ihnen ihren Frieden recht von Herzen gegönnt, aber, Gott verzeih mir, wenn es eine Sünde war! als man die schöne junge Frau ein Jahr nachher hinaus trug mit einem Geleite wie es nicht viel Gräfinnen gehabt haben, als ich wußte, wo sie schlief in der grünen Ecke vom Kirchhof, da war mir’s doch noch viel friedlicher ums Herz. Es ist vorüber. Aber gut Nacht, Mädchen! gute Nacht! Leg’ Dich zur Ruh, sonst wirst Du müder, als wenn Du beim Balle gewesen wärest.“




Einen Abend lang währet das Weinen, aber am Morgen kommt die Freude. Die junge Frau war nicht gestorben, der Arzt gab wieder Hoffnung, durch das geöffnete Fenster des Nebenzimmers durfte die frische Morgenluft in das Krankenzimmer eingelassen werden, und das ältere Knäblein spielte im Garten.

Eugeniens Mutter hatte sich zur Ruhe gelegt, der Onkel, dem es heute eine gewisse Verlegenheit war, mit dem jungen Mädchen zusammen zu sein, der er sein Herz so aufgeschlossen, hatte einen Spazierritt unternommen, die drei Mädchen aber saßen in der Gartenlaube, wo der gestrige Ball gründlich durchgesprochen wurde.

„Wie schade, Eugenie,“ meinte Jeannette, die heute ziemlich bleich und verwacht, ganz und gar nicht wie eine Flora aussah; „wie schade, daß die Frau jetzt erst nicht gestorben ist, und Du so vergeblich dabliebest!“

„Nun, Gott sei Dank, daß sie besser ist,“ sagte lächelnd Eugenie, „ich kann Euch versichern, mir thut’s nicht so leid um den Ball.“

„Ach, das ist nicht möglich!“ rief ungläubig Hedwig, „es haben so viel Leute nach Dir gefragt.“

„Ist’s möglich, wer denn?“ fragte Eugenie, bei der jetzt trotz aller Herzensstille doch einige Neugier aufwachte.

Sie schrak zusammen, als sie beim Schall von Männertritten aufblickte und, als sichtbare Antwort auf ihre stille Herzensfrage, an der Seite ihres Vaters einen jungen Mann von einnehmendem Aeußern den Gang herab kommen sah. Jeannette war unglückselig, daß sie mit aufgewickelten Haaren und so überwachtem Teint überrascht wurde. Der Fremde aber schien sie nicht besonders zu beachten und grüßte zunächst Eugenie.

„Der Herr Gutsbesitzer Oswald von Rauhenstein interessirt sich so sehr für meine kleine Baumschule,“ erklärte der Vater etwas eilig Eugenien, ohne zu beachten, daß der Herr Gutsbesitzer etwas roth wurde; „Onkel Gottlieb, der sich am besten darauf versteht, ist leider nicht da, und ich bin im Augenblicke sehr pressirt. Sie verzeihen gütigst, Herr Oswald, wenn ich inzwischen meiner Tochter überlassen muß, Sie zu der Baumschule hinüber zu führen, bis ich wiederkommen kann.“

Herr Oswald hatte ein versöhnliches Gemüth und war geneigt zu verzeihen; das junge Paar ging in einiger Verlegenheit nach der Baumschule hinüber, von dem leisen Kichern der zwei Mädchen begleitet.

„Haben Sie sich auf dem Balle gut unterhalten?“ begann Oswald die Unterhaltung.

„Das wollte ich Sie fragen,“ entgegnete Eugenie, „ich war nicht dort.“

„Auch ich nicht,“ sagte er, etwas erfreut wie es schien, und Eugenie bemerkte jetzt erst den Flor um seinen Hut, „vor wenigen Tagen ist mein Bruder gestorben, so war ich nicht zum Balle aufgelegt; da ich mich aber lange schon auf die kleine Reise hierher gefreut hatte, so beschloß ich doch“ – hier wurde er etwas confus – „die Baumschule Ihres Herrn Vaters in Augenschein zu nehmen.“

Es war wirklich merkwürdig, daß der vielgereiste Landwirth noch nichts Sehenswertheres in diesem Fach gesehen hatte, als die vierundzwanzig Stämmchen des Oberamtmanns! Eugenie erzählte ihm, wie auch sie nicht beim Ball gewesen, und sie vertieften sich in ein recht interessantes Gespräch über den geringen Werth solcher Vergnügungen und wie leicht sie zu entbehren seien im Genuß der schönen Natur und nützlicher Thätigkeit, wobei Herr Oswald übrigens doch noch erheiternde Gäste und kleine Ausflüge als Schmuck des Landlebens gelten ließ.

Sie schraken ordentlich zusammen, als der arglose Oberamtmann hinter sie trat und meinte: „Nun, Herr Oswald, das ist eine Ehre für meine Baumschule, daß Sie sie so gründlicher Inspection werth halten! mein Bruder Gottlieb versteht sich aber noch viel besser darauf; Sie müssen zu Mittag mit uns vorlieb nehmen, dann ist er zurück, und Sie können sich selbst mit ihm darüber besprechen.“

Herr Oswald machte einige Umstände, aber es war ihm freilich vom allergrößten Interesse, die Bekanntschaft des Herrn Verwalters zu machen. Die jungen Mädchen hatten jetzt genug zu flüstern und zu kichern, während Eugenie, stocktaub gegen ihre Anspielungen, emsig oben den Tisch beschickte.




Ein Jahr war vergangen, und wieder ward rings im Lande des Königs Geburtstag gefeiert mit Böllerschüssen, patriotischem Gänsebraten und Festbällen. In der alten Erkerstube des Rauhenstein saß ein junges Paar und stieß zusammen an auf die Gesundheit des Landesherrn.

„Nun, soll ich einspannen lassen,“ fragte der junge Ehemann, „und Dich zum Balle hinüber führen, zur Entschädigung für den verfehlten Ball vom vorigen Jahr? Der diesjährige Sprößling des Oberamtsactuar soll ja mit seiner Mama so gut gedeihen, daß keine Gefahr ist wieder gestört zu werden.“

„Wir brauchen keinen Ball,“ sagte Eugenie mit hellen Augen; „glaub’ mir, es war mir wohler um’s Herz in der stillen Stube voriges Jahr, als auf allen Bällen; und wie viel schöner ist’s heute! Ich habe Onkel Gottlieb als Festgast geladen, er besucht uns heut zum ersten Mal, da soll er sehen, daß die lang begrabene Saat seines Jugendglücks bei uns in hellen goldnen Aehren aufgegangen ist.“




Blätter und Blüthen.

Londoner Industrieen. Office for Marriages, London. (Einziges und langjährig bewährtes Institut Englands für Ehe-Vermittlungen, mit festen gediegenen Familien-Verbindungen in allen Ländern Europas und den unzweifelhaftesten Referenzen.) „Indem die Vorsteher der Anstalt sich beehren, zum neuen Jahre allen Personen des hohen Adels und Bürgerstandes, welche durch ihre Vermittelung im verflossenen Jahre ehelich verbunden worden sind, ihre achtungsvollen Glückwünsche darzubringen, erlauben sie sich gleichzeitig, ihre fernere Wirksamkeit dem Wohlwollen des Publicums hiermit [767] gehorsamst zu empfehlen. Die Anstalt, welche in dem wachsenden Vertrauen zu ihrer Thätigkeit die schönste Belohnung für die Erfüllung ihrer schweren Pflichten erblickt, sieht sich veranlaßt, mit unendlichem Vergnügen öffentlich zu erklären, daß sie nach den ihr „vorliegenden Dankeszeilen“ nur wahres Lebensglück achtbarer Personen, aber keine unglückliche Ehe vermittelt hat, und daß die durch ihren Beistand Vermählten theils dem höchsten, adeligen Beamtenstande, theils dem geachtetsten Bürgerstande und ebensowohl der adeligen Damenwelt der höchsten Stände angehören. – Die Vorsteher der Anstalt fühlen sich berechtigt, diese vorstehende Erklärung hiermit, aus Pflicht und Gewissen, öffentlich an Eidesstatt zu bekräftigen, und glauben dadurch den Damen aller Stände und deren Familien eine Aufmunterung zu geben, sich ihnen ohne Scheu vertrauungsvoll mit Heiraths-Anträgen zu nahen. – Die unbedingteste Verschwiegenheit wird garantirt. – Nur Unbescholtenheit gibt ein Recht auf die Vermittelung der Anstalt. – Die Anträge werden schriftlich und franco erbeten und sind zu richten: für die weiblichen Propositionen an Frau Directorin S., und für die Herren-Anträge an Messrs. J. S. & Co., Somerset Place, London.“

Auf diese edle und bescheidene Annonce hin schrieb ein junger heirathslustiger Mann aus der nächsten Umgebung von Leipzig folgenden Brief an das Office for Marriages: „Ich wende mich vertrauensvoll an Sie, in der angenehmen Hoffnung, durch Ihre werthe Vermittelung mein Lebensglück begründen zu können. Ich bin 28 Jahre alt, Ingenieur, habe das Gymnasium und die polytechnische Schule zu Dresden besucht, reiste dann in Belgien und Frankreich und war später in mehreren Maschinenfabriken als Dirigent angestellt. In einer solchen Stellung befinde ich mich noch jetzt. Mein disponibles Vermögen beträgt circa 7000 Thlr., späterhin habe ich etwa noch das Gleiche zu erwarten. Ich darf mich einer hinreichenden Bildung rühmen; das Französische ist mir geläufig, und Englisch treibe ich mit besonderer Vorliebe. Ich bin gesund und kräftig, ohne jeden körperlichen Fehler, über Mittelgröße; ich reite und tanze nicht schlecht, singe mein Liedchen und bin überhaupt heiterer Gemüthsart. Meine Photographie steht zu Diensten. Ich wünsche mich zu verheirathen – aber nicht in Deutschland, wo mir allerdings Gelegenheit genug geboten ist, sondern in England, dem Lande, wo für mein Fach stets die besten Aussichten sind, und das zu bewohnen von jeher das Ziel meiner Sehnsucht war. Steht es in Ihrer Macht, dies zu ermöglichen? Ich würde eine geborene Engländerin vorziehen, doch aber auch eine dort einheimische Deutsche nicht verschmähen. Folgende Bedingungen würden meine Wahl entscheiden: Ein Alter nicht über 22 Jahre; protestantische Religion, gefälliges Aeußere – Schönheit verlange ich nicht; ist sie zu haben, desto besser! – Bildung, auch musikalische, und ein Vermögen, das dem meinigen mindestens gleich ist, also etwa von 2000 Pfd. Sterl. Wäre es nicht möglich, ein Fräulein aufzufinden, welches mit diesen Eigenschaften noch diejenige verbände, Tochter eines Maschinenfabrikanten oder dergleichen zu sein, damit ich durch Heirath sofort in ein Geschäft eintreten könnte? Meine Kenntnisse würden darin gewiß ihre Verwendung finden; hinsichtlich ihrer und meiner Thätigkeit fürchte ich keinen meiner englischen Fachgenossen. Sollte es Ihnen gelingen, mich in letzterer Weise zu placiren, so verspreche ich Ihnen hiermit ein Proxeneticum von 1000 Thlr.; dagegen 500 Thlr., wenn Sie mir binnen 2 Monaten dort überhaupt eine Frau verschaffen, wie ich sie wünsche. Dagegen könnte ich mich nicht dazu verstehen, zu zahlen oder Vorschüsse zu machen, ehe ich meiner Sache sicher bin.“ –

Die Antwort, welche nicht auf sich warten ließ, lautete: „Indem wir Ihnen zunächst verbindlichst für das uns geschenkte Vertrauen danken, sehen wir uns zu der Erklärung veranlaßt, daß wir Ihnen nur dann unsere Vermittelung angedeihen lassen können, wenn Sie sich zunächst den Bedingungen unseres hier beiliegenden Programms unterzogen haben. – Mit Vergnügen bemerken wir, daß unsere vielseitigen Verbindungen uns befähigen, Ihre Wünsche vollständig zu erfüllen, sind aber genöthigt, Ihnen zu sagen, daß, in Folge der oft eintretenden, ganz natürlichen Bedenklichkeiten der Damen und ihrer Familien, wir keinen bestimmten Zeitpunkt für die Realisirung der Sache fixiren dürfen, denn es würde sich dies in einer so wichtigen Angelegenheit, wo die Finalentscheidung doch immer erst von dritten Personen abhängt, kaum mit der moralisch religiösen Tendenz unserer Anstalt vereinigen lassen!“ – – –

Die „Bedingungen“ des Programms reduciren sich aber im Wesentlichen auf folgenden Satz: § 2. Jeder Bewerber hat als Bürgschaft für die Richtigkeit und Gewissenhaftigkeit seiner gemachten Angaben und zur Entschädigung für die vielen Mühewaltungen und unvermeidlichen Unkosten eine Anzahlung von 25 bis 50 Thalern sächsische oder preußische Cassenscheine – kurhessische etc. werden confiscirt? – je nachdem es seine augenblicklichen finanziellen Verhältnisse gestatten, mit seiner nächsten Antwort in einem recommandirten Briefe an die Unterzeichneten einzusenden!

Der erwähnte junge Mann hatte aber denn doch nicht Lust, so viel an die Fortsetzung des Abenteuers zu wenden; er animirte zu derselben daher einen guten Freund. Diesem schrieb das würdige Office for Marriages viel expansiver, und es kann aus seiner originellen Entgegnung – von ganz jungem Datum – der gegenwärtige Stand des Marktes recht deutlich erkannt werden:

„Ew. W. werthe Zuschrift vom 4. Sept. 1860 ergebenst beantwortend, gereicht es uns zum Vergnügen, Ihnen anzuzeigen, daß wir uns augenblicklich mit einer reichen Auswahl höchst solider, weiblicher Vermählungsanträge beehrt sehen und durch unsere ausgedehnten Verbindungen in allen Ländern Europa’s uns vollkommen befähigt glauben, allen achtbaren Bewerbungen die gebührende Berücksichtigung zu verchaffen. Bevor wir inzwischen zu positiven Erörterungen schreiten, erscheint es uns Pflicht, Ihnen etwas Näheres über die Natur unserer Anstalt mitzutheilen, und erlauben wir uns demgemäß das beiliegende Programm zur geneigten Kenntnißnahme zu überreichen. Die augenblicklich unserer Sorgfalt anvertrauten Heirathsgesuche beziehen sich auf verschiedene unbescholtene vermögende Damen aus England, Frankreich, Deutschland, Italien und Rußland, evangelischer, katholischer und griechischer Religion, theils dem Gutsbesitzer-, Kaufmanns- oder höheren Bürgerstande, theils den hohen und höchsten Ständen angehörend, in jedem Alter zwischen 20 und 39 Jahren (sic!), mit verschiedenem Vermögen, von 2000 bis 150000 Thalern, von gesundem, blühendem Aeußeren, ohne körperliche noch geistige Fehler, von liebenswürdigem, anspruchslosem Charakter, geschmückt mit allen häuslichen Tugenden, von guter Erziehung und unbezweifelt moralischer Reinheit. (Also sämmtlich, ohne Ausnahme, Muster überirdischer Vollkommenheit!) Indem wir nun in dem Antrag Ew. W. eine große Uebereinstimmung mit den geäußerten Wünschen mehrerer unserer Damen erblicken, laden wir Sie zur Anerkennung und Erfüllung der Bedingungen unseres Programmes hiermit ergebenst ein, und versprechen Ihnen dagegen auf das Feierlichste, die nöthigen Einleitungen für Sie unverzüglich zu beginnen und Ihre Interessen auf das Wärmste und mit dem gewissenhaftesten Eifer vertreten zu wollen.

„Wir beschränken uns heute darauf, Ihnen nur andeutungsweise zu sagen, daß z. B. in Frankreich die 21jährige bildschöne Nichte eines Admirals der französischen Flotte (Vermögen 20,000 Frcs. und eine Jahresrente von 600 Frcs.), die 20jährige Tochter eines Baumeisters (Vermögen 70,000 Frcs.), in Deutschland die 27jährige Tochter eines preußischen Majorats- und Freiherrn in der Niederlausitz (Vermögen 2000 Thaler [nur?], die 26jährige, sehr schöne, talentvolle Schwägerin eines preußischen höheren Regierungsbeamten zu Bromberg (Vermögen noch nicht angegeben), die 34jährige Wittwe eines Doctors zu Wiesbaden (Vermögen 3000 Thlr.), die 23jährige Tochter eines Ober-Ingenieurs der kaiserlichen Zeughäuser zu Rio de Janeiro, zu München wohnhaft, elternlose Waise (Vermögen 80,000 Gulden), in Rußland eine 25jährige Russin von Adel in Odessa mit 16000 Francs Jahresrenten und einem schuldenfreien Schlosse zu Odessa, im Werthe von 216,000 Francs etc., etc., etc. – auf unsere Vorschläge warten. – Die Anstalt hat in den größeren Städten des europäischen Continents Vorkehrungen getroffen, daß die Parteien, in eigens dazu bestimmten, achtbaren (?) Familiencirkeln auf die decenteste Weise persönlich einander vorgestellt werden können, sobald es die Umstände und Wünsche nöthig erachten lassen. – Die vollständigste Discretion ist garantirt, und schmeicheln wir uns, daß die Achtbarkeit und der langjährige, fleckenlose Ruf der Anstalt, gestützt auf die Empfehlungen hochgestellter Personen, für die strengste Delicatesse in allen Unterhandlungen und für die sorgfältige Wahrung jedes uns anvertrauten Geheimnisses bürgen. – Als amtliche Referenz dienen uns die mit den Legationssiegeln versehenen Dankeszeilen eines preußischen Diplomaten, welcher sich durch unsere Vermittelung vor einigen Monaten mit der 20jährigen Tochter eines adeligen österreichischen Generalconsuls und Ritters der höchsten russischen, türkischen und österreichischen Orden in Brillanten verheirathet hat; die Mitgift betrug in diesem Falle 40,000 Gulden; Residenzort ist Wien.“[3]

Diese Correspondenzen sprechen für sich selber, und man weiß nicht, soll man sich mehr über das Wagniß der Vorbringung solcher wahrhaft lächerlichen Erfindungen wundern, oder darüber, daß es wirklich Leichtgläubige gibt, die daran glauben und sich für ihr gutes Geld an der Nase herum führen lassen. Und leider gibt es deren eine noch viel zu große Menge, denn sonst hätte das Office for Marriages schon längst sein Schild einziehen müssen. Wer demselben einmal seinen Beitrag eingesandt hat, der kann zusehen; denn weise genug wahrt es sich im Voraus vor dem Eingehen irgend einer Verpflichtung, der Bestimmung eines festen Zeitpunkts; wird der hoffnungsvolle Freier ungeduldig, so schreibt man ihm einfach: Geduld – es ist noch nicht an der Zeit! – Drängt er aber endlich doch allzusehr, droht vielleicht, worüber, beiläufig gesagt, die edlen Knappen der Industrie in London lachen, weil sie wohl wissen, daß Jemand, der sich an ein Heirathsbureau gewandt hat, dies nicht vor die Oeffentlichkeit bringt – o ja, dann werden ihm auch Vorschläge gemacht, entzückende, vollkommen seinen Wünschen entsprechende. Nur schade, der junge Mann wohnt in Köln, und das liebe Wesen, das man für ihn ausgesucht hat, in Odessa, wenn nicht noch weiter, und dort kann er sie jederzeit sehen etc. Oder die Dame, welche, dem ungestümen Drang ihres Herzens folgend. sich der Frau Directorin des Office for Marriages anvertraut hat, bekommt in Wien die freudige Nachricht: Er ist gefunden, der Gegenstand Ihrer Träume: Sie werden ihn in acht Tagen treffen können. – Es wäre aber schade um’s Reisegeld, wenn die Candidaten auf diese Propositionen angingen, welche gewöhnlich schon auf die Unausführbarkeit berechnet sind. Schreiben dieselben entrüstet wiederum nach London, so erfolgt die kühle Erwiderung: Wir haben gethan, was in unseren Kräften stand; die moralisch-religiöse Tendenz unserer fleckenlosen Anstalt verbietet uns, Ihnen unsere fernere Vermittlung angedeihen zu lassen – wenn Sie nicht abermals dem Hauptparagraphen unseres Programms die gebührende Rechnung tragen. Es kommt indessen wirklich vor, daß gute Menschen sich auf diese Weise jahrelang herumzerren und lästerlich abzapfen lassen. Ein sehr beliebter Grund zur plötzlichen Abbrechung eines eingeleiteten Verhältnisses, das auf dem Punkte stand, geknüpft zu werden – natürlich Alles nur Fiction! – ist ein confessionelles Bedenken, welches gewöhnlich in der zwölften Stunde erwacht oder geweckt wird. Nichtsdestoweniger gelingt es den sogenannten Heirathsbureaux denn doch manchmal, zwei Leute wirklich zusammen zu bringen, gewöhnlich durch geschickte Annoncen von Heirathsanträgen in öffentlichen Blättern. Allein solche Ehen werden niemals zum Himmelreich, denn das Bureau benutzt seine Macht zu unaufhörlichen freiwilligen Anleihen. Wehe, wenn, was häufig geschieht, die eine oder andere Partei ihm irgend ein Geheimniß anvertraut! dieses wird zum Preßhebel in seiner Hand, unter welchem der betreffende Theil ewig bluten und seufzen muß. Herren verpflichten sich, sofort nach Vollziehung der Ehe eine „Prämie“ von drei Procent vom Betrage des eingebrachten ehelichen Vermögens an das Office [768] for Marriages zu entrichten; Damen aber werden schon vorher furchtbar gezehntet, weil man diese weit besser in der Hand hat. Und dies Alles geht geordneten Ganges vor sich, ohne daß der „fleckenlose Ruf der moralisch-religiösen Anstalt“ darunter leidet. Ganz natürlich; es hütet sich, wie gesagt, Jedermann, seine Verbindung mit derselben einzugestehen; der Thörichte oder nicht ganz Reine, weil er sich fürchtet, der Gescheidte, weil er sich schämt. Der Hauptwirkungskreis des Londoner Office for Marriage ist leider das liebe Deutschland; in Frankreich und England ist man schon gewitzigter. Daher wird man es stets am sichersten auf das Eis führen, wenn man Referenzen aus seiner Heimath von ihm verlangt, oder eine dortige Verbindung als Ziel vorschreibt, wie es der Eingangsbrief des jungen Ingenieurs wohlweislich gethan hat.

Es ist ein Kennzeichen – und ein recht betrübendes – unserer Zeit, daß dergleichen schwindelhafte Kuppelanstalten überhaupt nur zu existiren wagen; daß sich Leute genug finden, welche das Wesen der Ehe so sehr verkennen, um sich ihnen in die Arme zu werfen; daß Behörden ihrem Gebahren ganz ruhig zusehen, als verstände sich das von selber. Wenn es ein schmachvolles erniedrigendes Gewerbe gibt, so ist es das solcher öffentlichen Kuppler, und die Stimme der Presse hat die Verpflichtung, sich auf das Lauteste dagegen zu erheben. Zugleich auch halten wir es für unwürdig, wenn deutsche Zeitungen, des Bischens Gewinn halber, sich zur Aufnahme der Annoncen solcher Schwindelgeschäfte verstehen; wie ein Mann sollten alle Redactionen sich dagegen auflehnen, wenn es ihnen wirklich Ernst ist um Bildung und Wohlstand ihres Volkes, wie sie ja so oft mit schönen Worten versichern. Möge die Zeit bald kommen, in der Deutschland nicht mehr von den schimpflichsten Industrien des Auslandes zum Tummelplatz, zur Ausbeutung erkoren wird; möge jeder deutsche Jüngling und jedes deutsche Mädchen es als die tiefste Beleidigung betrachten, in den Verdacht zu geratben, sie dächten nur jemals an die „moralisch religiöse“ Vermittelung eines Office for Marriages!




General Enrico Cialdini, dessen Portrait wir in Nr. 45 gaben, nach Victor Emanuel selbst unstreitig die ritterlichste Gestalt und in diesem Augenblicke der gefeiertste Führer des königlich sardinischen – wir werden hoffentlich bald sagen dürfen – des italienischen Heeres, ist im Modenesischen geboren und dermalen erst 47 Jahre alt. Feurigen Gemüths und lebhaften Geistes mußte er noch sehr jung, und zwar im Jahre 1832, als flüchtiger Kämpfer für die Freiheit und Unabhängigkeit seines Vaterlandes nach Frankreich auswandern, wo er als Zögling der Pariser Polytechnischen Schule mit dem nachmaligen General Lamoricière zusammentraf, wie man sagt, mit demselben sogar ein Duell bestand und so den Grund zu jener persönlichen Abneigung, um nicht zu sagen Feindschaft legte, welche in der letzten bei Castelsidardo und Ancona gegen den päpstlichen Obergeneral genommenen Revanche für das unbesonnene Wort des Kriegsministers der französischen Republik von 1848 „Les Italiens ne se battent pas“ einen so glänzenden Ausdruck fand.

Cialdini’s kräftige Gemüthsanlagen und sein entschlossener Sinn duldeten nicht, daß er sich lange ruhigen Studien hingebe und überhaupt müßig bleibe; daher nahm er Dienste in der Fremden-Legion, welche das constitutionelle Spanien warb, um die Ansprüche des Prätendenten Don Carlos abzuweisen. Durch sein tapferes und einsichtvolles Benehmen wußte er sich bald den Grad eines Oberstlieutenants zu verdienen. Viele auf dem Schlachtfelde erhaltene Wunden bedecken seinen Körper, aber auch viele rechtmäßig verdiente Ehrenzeichen schmücken seine ritterliche Brust.

Anfangs 1848 verließ er den spanischen Dienst und eilte zum Kampfe für die vaterländische Freiheit nach Italien; mit Johann Durando und Massimo d’Azeglio nahm er Theil an der Vertheidigung von Vicenza, wobei er eine schwere Wunde davon trug. Kaum genesen trat er wieder in activen Dienst und befehligte durch mehrere Jahre mit dem Range eines Obersten ein piemontesisches Regiment der Brigade Pinerolo. Während des Feldzugs in der Krim führte er eine Brigade, an deren Spitze er sich, wie gewöhnlich, auszeichnete. Nach beendigtem Kriege wurde er zum General-Major befördert und vom Könige zum Flügel-Adjutanten ernannt. Im Feldzuge von 1859 erhielt er den Befehl über die 4. sardinische Armee-Division und bedeckte sich bei Palestro in den Gefechtstagen des 30. und 31. Mai, so wie durch seinen Sesia-Uebergang mit Ruhm. Später wurde er zur Aufnahme des am 15. Juni bei Tre Ponti durch Urban hart bedrohten Garibaldi vom Könige nach Castenedolo an der Chiese entsendet, und gleich darauf mit seiner tapfern Division in das Veltlin zur Paralysirung der von Südtyrol drohenden Oesterreicher detachirt, was ihn hinderte, am 24. Juni an der Schlacht von Solferino Theil zu nehmen und so den Stand der von Benedek hart mitgenommenen Piemontesen zu erleichtern.

Nach beendigtem Feldzuge wurde er zum General-Lieutenant ernannt, und ihm, als die sardinische Regierung den Einmarsch in die Marken und in Umbrien beschlossen hatte, der Oberbefehl des vierten, direct gegen die Marken vorzudringen bestimmten Armeecorps anvertraut. In welcher Weise Cialdini das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt habe, sprechen die glorreichen Waffenthaten von Pesaro und Castelsidardo, so wie die jüngst erfolgte Einnahme von Ancona, zu der er so wesentlich beigetragen, endlich die in wenigen Wochen vollbrachte Vernichtung des päpstlichen, von Lamoricière organisirten und befehligten Heeres.

Cialdini ist unstreitig in jeder Beziehung einer der brillantesten Officiere der sardinischen Armee. Tiefe Einsicht, ein scharfer Coup d’oeil und unerschütterliche Entschlossenheit zeichnen ihn als Führer, Gerechtigkeit, Festigkeit und Wohlwollen als Vorgesetzten aus; im cameradschaftlichen Umgange bieder und aufrichtig freundlich, ist er der Liebling Aller, vom Könige an bis zum letzten Bersagliere. Man kann ihn richtig den Bayard der sardinischen Armee nennen.

Als die Kunde der so einsichtsvoll herbeigeführten und so glänzend von ihm gewonnenen Schlacht von Castelsidardo zur Kenntniß des Königs gelangte, beeilte sich Victor Emanuel, den General Cialdini zum Zeichen seiner vollsten Zufriedenheit mit dem Großkreuze des königlich sardinischen Militär-Ordens von Savoyen zu schmücken und ihn bald darauf zum Armee-General, „Generale d’Armata“, derzeit in der königlichen Armee, welche keine Marschälle hat, die höchste militärische Würde, zu ernennen.




Das Wasser bekommt Balken. Während der beiden letzten Jahre sind nicht weniger als 14 große Dampfschiffe erster Classe Englands und Amerikas mit 2572 Menschen und 7 Millionen Pfund Sterling Werth und Waare spurlos im Ocean verschwunden. Andere Nationen haben vielleicht ebenso große Opfer dem furchtbaren Weltmeere bringen müssen. Was auf Segelschiffen und an Küsten von Menschen und Fahrzeugen verloren ging, belief sich allein während des vorigen sturmreichen Sommers blos an den englischen Küsten hoch in die Tausende.

Läßt sich dagegen gar nichts thun? Worin liegt der Grund des Uebels? In der Hohlheit und Verbrennlichkeit der Schiffe. Kommt ein Loch in die Haut eines Schiffes oder entzündet sich ein Dampfer, so ist selten Rettung möglich. Macht man also Löcher und Feuer unmöglich oder unschädlich, so würde der Rücken des Weltmeeres so sicher, wie fester Boden. George Catlin, der sich viel in Amerika, auf Meeren und besonders unter den Odschibbeway-Indianern herumgetrieben, hat jetzt ein ganzes Buch über die Mittel, sicher auf den Oceanen zu fahren, herausgegeben und nachgewiesen, daß alle Schiffbrüche aufhören würden, wenn man die Schiffe flach baute. Die Grundform aller Sicherheit ist das auf den meisten Flüssen bekannte Floß, wie man Bauholz auf dem Wasser transportirt. In der That machen auch Schiffbrüchige, die Geistesgegenwart, Zeit und Material finden, immer solche Flöße, um sich von untergehenden, stolzesten, vollkommensten Dampfern zu retten. Ein paar Stückchen Balken, Maste, Breter, Holz auf irgend eine Art zusammengebunden – und sie haben das sichere Rettungsmittel. Warum nicht solche Flöße gleich von vornherein bauen, wenigstens für Menschentransport? Ja, warum nicht? „Fahrt auf solchen Flößen mit Dampf und allen Bequemlichkeiten, die euch der vollkommenste Dampfer nur bieten kann,“ sagt Catlin.

Ich schlage vor: Floß von 250 Fuß Länge, 50 Fuß Breite für 1000 Passagiere aus weißem Fichten- oder Baumwollenholz, sich diagonal kreuzend, in regelmäßigen Quadratstücken, fest aneinander gepreßt durch hölzerne und eiserne Riegel und Krampen schief eingetrieben, verpicht und vertheert, das Ganze fest mit Eisenplatten überzogen und gesichert gegen Feuer und Wasser. Auf diesem Floß baut man dann nach Lust und Laune alle Bequemlichkeiten für Passagiere, Kajüten, Salons, Vorrathsräume – Alles überm Wasser, auch einen Dampf-Apparat für den Propeller, der unten in der Mitte wirken soll, so daß er im Sturme nie aus dem Wasser gehoben wird, wie so oft die Schaufeldampfer. Auch gibt’s auf solchen Dampfflößen keine Seekrankheit, die eigentlich Kielkrankheit heißen sollte. In den tollsten Wogenbewegungen des Meeres ist keine Spur von Erregung des Ekels der Seekrankheit. Die höchsten Wogenberge sind die ergötzlichste Schaukel zwischen Himmel und Erde. Hindern wir die Bewegungen einer Schaukel und lenken sie in unregelmäßigen Zuckungen ab, wird der Darinsitzende sofort seekrank. Dieselbe Unregelmäßigkeit und Verwirrung des Schaukelns auf umstürmten Schiffen macht ebenfalls seekrank.

Ein Floß würde den Bewegungen der Wogen einfach folgen und im schlimmsten Falle eine großartige Schaukel bilden, welche das Floß gegen Felsen und Eisberge schleudern könnte, ohne es zum Sinken zu bringen, da das Holz auch in seinen Stücken (obgleich eine Zerstückelung nach der Catlin’schen Construction, die sehr sinnreich und durchdacht ist und in seinem Buche selbst studirt werden muß, unmöglich sein würde) vollkommen seine Schwimmkraft behalten würde.

Ist denn aber die ganze Geschichte nicht am Ende blos ein dummer Einfall, praktisch, unmöglich? Freilich auch die Dampfschiffe wurden Jahre lang nach der Erfindung als unmöglich verhöhnt. Vor einiger Zeit kam ein ungeheures Floß Bauholz von Amerika in England an. Also geht’s, und wir werden auch lebenssicher auf dem Oceane schaukeln.



Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!

Auerbach, deutscher Volks-Kalender auf das Jahr 1861. …………………… broch. 121/2 Ngr.
Bock, das Buch vom gesunden und kranken Menschen. Mit 25 feinen Abbild. broch. 1 Thlr. 221/2 Ngr., eleg. geb. 2 Thlr.
Gartenlaube, 1855. 1856. 1857. 1858. 1859. ………………. broch. à 2 Thlr., eleg. geb. in gepreßter Decke 22/3 Thlr.
Gerstäcker, Gemsjagd in Tyrol. Mit 34 Illustrationen, eleg. broch. 3 Thlr. 10 Ngr., in eng!. Preßdecken 4 Thlr. 5 Ngr.
Oelckers, Theodor, Meine Mitgefangenen. Gedichte. ……………………… broch. 1 Thlr.
Stolle, Palmen des Friedens. Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise. Zweite Auflage, eleq. geb. 1 Thlr. 10 Ngr.
Stolle, ausgewählte Schriften. Volks- und Familienausgabe. 27 Bände … Zweite Auflage, broch. à Band 71/2 Ngr.
Storch, Ludwig, Gedichte. ………… eleg. cart. 1 Thlr. 6 Ngr., prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 15 Ngr.
Storch, Ludwig, ausgewählte Romane und Erzählungen. Volks- und Familienausgabe. 19 Bände, broch. à Band 71/2 Ngr.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Wir erzählen den merkwürdigen Liebesbund der beiden Gegenkaiser Ludwig des Baiern und Friedrich des Schönen von Oesterreich hier nicht, weil wir ihn zu einem besondern Artikel der „Deutschen Bilder“ ausersehen haben.
  2. Unter Prolongen versteht man in der afrikanischen Armee die in regelmäßigen Zwischenräumen und unter starker Bedeckung zwischen den verschiedenen Garnisonen oder Lagerplätzen und den Hauptstädten oder General-Quartieren cursirenden Transporte, sowohl für militärische als Civilzwecke, zum Transport von Kriegsbedürfnissen, Lebensmitteln, Kaufmannsgütern etc. Da, wo fahrbare Straßen sind, finden dieselben per Achse, wo nicht, auf dem Rücken von Maulthieren oder Kameelen statt. Die Benennung bleibt jedoch stets dieselbe.
  3. Die Originale können jederzeit vorgelegt werden.