BLKÖ:Feuchtersleben, Ernst Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 4 (1858), ab Seite: 210. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Ernst von Feuchtersleben in der Wikipedia
Ernst von Feuchtersleben in Wikidata
GND-Eintrag: 118532693, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Feuchtersleben, Ernst Freiherr von|4|210|}}

Feuchtersleben, Ernst Freiherr von (philos. und medicin. Schriftsteller, Dichter und Kritiker, geb. zu Wien [211] 29. April 1806, gest. ebenda 3. Sept. 1849). Entstammt einer sächsischen (hildburghausischen) Familie. Der schwächlichen Gesundheit des Knaben half ländlicher Aufenthalt. Als er früh seine Mutter, des Vaters zweite Frau, verlor, kam Ernst, 6 Jahre alt, in die Theresianische Ritterakademie, in welcher er bis zum 19. Jahre blieb. Früh erwachte in seiner Seele der Sinn für Poesie und verließ ihn sein ganzes Leben hindurch nicht mehr, freilich nur immer bruchstückweise hervorbrechend, weil es anfänglich die strengen Convictregeln, später die ernste Praxis des Lebens nicht anders zuließen. Seinem angebornen Unabhängigkeitstriebe folgend, wählte F. die ärztliche Laufbahn, während seine poetische Stimmung in einem Kreise von Freunden wie: Schubert, Bauernfeld, Mayrhofer, Schwind u. A. immer neue Nahrung fand. Im J. 1833 erhielt F. die medicinische Doctorwürde; der schon im folgenden Jahre unerwartet erfolgte Tod seines Vaters, den dieser in den Wellen gefunden zu haben scheint – da man dessen Kleider am Ufer, nie aber den Leichnam selbst fand, und auch nie die Motive dieses Selbstmords erfuhr, – versetzte F. und seine Geschwister in die traurigste Lage und wies den Vermögenslosen auf die eigenen Kräfte an. In diese Zeit fallen die literarischen Arbeiten F.’s, und eine glückliche Ehe, die er auch in jenen Tagen geschlossen, förderte ihn in seinem Ringen und Streben. Als im Jahre 1840 sich die k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien bildete, fiel die Wahl eines Secretärs der Gesellschaft auf ihn. Seine Thätigkeit in dieser Richtung ist in seinen (weiter unten angeführten) medicinischen Schriften niedergelegt. Zu gleicher Zeit drängte ihn der Zustand der damaligen ärztlichen Bildung, die über die realistische Richtung nicht hinauskam, zu versuchen, ein höheres, rationelleres Streben einzuleiten; 1844 eröffnete er an der Universität freie Vorträge über ärztliche Seelenkunde, welche Theilnahme fanden und später von F. in einem eigenen Werke veröffentlicht wurden. Im Auftrage der Sydenham-Compagnie wurde eine englische Uebersetzung dieses Werkes veranstaltet. Mittlerweile erlebte auch ein aus früherer Periode stammendes Büchlein: „Zur Diätetik der Seele“, worin sich F. vorzugsweise an seinen Lehrer Hartmann (s. d.) anlehnte und er gleichsam als Fortpflanzer von dessen Ansichten gelten kann, einen von F. nicht erwarteten Erfolg, da es innerhalb 10 Jahren bereits 5 Auflagen – und bis heute (am Geburtstage des Kronprinzen, 21. August 1858) die 19. Auflage – erlebt hatte. Am 9. October 1847 wurde F. zum Vice-Director der medicinisch-chirurgischen Studien ernannt, als die Ereignisse des Jahres 1848 seinem bisherigen Wirken eine veränderte Richtung gaben. Im Juli 1848 wurde F. als Unterstaats-Secretär in’s Unterrichts-Ministerium berufen. Von der Wichtigkeit dieser Mission in solcher Zeit durchdruugen[WS 1], behielt er diesen Posten solange es ihm die Verhältnisse gestatteten, dann legte er ihn nieder und zog sich Ende 1848 ganz in’s Privatleben zurück. Seit jeher von schwächlicher Gesundheit, blieben die stürmischen Zeitereignisse mit ihren Blitzschlägen der Leidenschaft nicht ohne Einfluß auf diesen schwächlichen Organismus. Kränkelnd im letzten Jahre erlag er endlich nach mehrmonatlicher schmerzlicher Krankheit im Alter von 43 Jahren. In England wurde dem Abgeschiedenen bald nach seinem Ableben eine Todtenfeier gehalten; in Wien 2 Jahre später am 21. Mai 1851. F.’s schriftstellerische Thätigkeit ist eine zweifache, im Gebiete seines Faches und in jenem der schönen Wissenschaften. Seine medicinischen Schriften sind: „Lineamenta [212] isagoges in doctrinam de indicationibus. Dissert. inaug.“ (Wien 1833); – „Ueber das erste hippokratische Buch der Diät“ (Ebd. 1835); – „Die Gewissheit und Würde der Heilkunst“ (Ebenda 1839), in zweiter Auflage unter dem Titel: „Aerzte und Publikum“ (Ebenda 1848); – „Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde“ (Ebenda 1845), davon eine englische Uebersetzung unter dem Titel: „The principles of medical Psychology, transl. b. H. Evans Lloyd“ (London 1847). – Auch sind in den „Medicinischen Jahrbüchern des österr. Staates“ mehrere Abhandlungen F.’s enthalten, als: „Die Richtungen der jetzigen Medicin“ (1841); – „Die gerichtliche Frage über den Irrsinn“ (1845, Mai), und Recensionen über wichtigere medicinische Schriften. Ferner gab F. den zweiten Band der „Geschichte der Arzneikunde von 1800–1825“, von Eble (s. d. III. Bd. S. 416); – die Uebersetzung von Ph. K. Hartmanns Festrede: „Vom Leben des Geistes“ (Wien 1846) und die „Verhandlungen der k. k. Gesellschaft der Aerzte“ in den J. 1842–44 heraus. F.’s poetische, kritische und philosophische Schriften sind: „Gedichte“ (Stuttgart 1836, Cotta, 8°.). [Vergleiche darüber Menzels Literatur-Blatt 1837, Nr. 13]; – „Beiträge zur Literatur, Kunst und Lebens-Theorie“ (Wien 1841). [Vergl. „Blätter für literarische Unterhaltung“, 1837, S. 627]; – „Lebensblätter“ (Ebd. 1841), auch als 2. Band des Vorigen zu betrachten. [Vergleiche darüber „Blätter für Literatur und bildende Kunst“, herausgegeben von Theodor Hell (Beiblatt der „Abend-Zeitung“) 1841, Nr. 83, Sp. 675; – Gubitzs Gesellschafter, 1841, S. 603]; – „Zur Diätetik der Seele“ (Wien 1838, Armbruster; 19. Auflage Wien 1858, Gerold, 16°.). [Vergleiche darüber Beilage Nr. 20 zur Wiener Zeitschrift 1838, Nr. 129; – Blätter für literarische Unterhaltung 1839, S. 339 und 343]; – „Almanach der Radirungen“ (Zürch 1844, Veith); ein Cyklus heiterer Gedichte zu Handzeichnungen von Schwind. Eine Gesammtausgabe der poetischen, kritischen u. philos. Werke erschien unter dem Titel: „Ernst Freiherr von Feuchterslebens sämmtliche Werke. Mit Ausschluss der rein medicinischen. Herausgegeben von Friedrich Hebbel“, 7 Bde. (Wien 1851–53, Gerold, kl. 8°.) [Vergleiche darüber „Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst“ (Beilage zur Wiener Zeitung) 1854, Nr. 8]. Auch gab Feuchtersleben W. Fr. Meyerns „kleine Schriften“, 3 Bde. (Wien 1842, 8°.) und J. Mayrhofers „Gedichte. Nachlaß“ (Ebd. 1843) heraus. Hier erscheint es uns auch angemessen, der Worte des Monarchen zu gedenken, als die Witwe des Verewigten ihren Dank für die erhaltene Pension, welche ihr gnädigst bewilligt wurde, obgleich F. der Führung des Unter-Staats-Secretariates nur vier Monate oblag, an den Stufen des Thrones niederlegte. „Ihr Mann“, äußerte sich seine Majestät, „diente nur kurze Zeit, aber er hat viel geleistet“. – Eduard[WS 2] (geb. zu Krakau 1798, gest. um das Jahr 1852). Stiefbruder des Vorigen. Ein Sohn aus der ersten Ehe des Freih. v. F. mit Angelo Soliman’s (s. d.) Tochter; wurde im Löwenburg’schen Convicte erzogen, besuchte dann die Schemnitzer Bergakademie, trat in den Staatsdienst und wurde 1832 Sudhüttenmeister in Aussee. In früheren Jahren beschäftigte er sich viel mit literarischen Arbeiten, denen man in Hormayrs „Archiv“, Schmidls „literarischem Anzeiger“ und in andern in- und ausländischen Zeitschriften begegnet. Zu einer schon im J. 1835 vorbereiteten Sammlung dieser vermischten Schriften ist es nicht gekommen.

Im VII. Bde. der von Hebbel herausgegebenen sämmtlichen Werke von F. bildet den Schluß: „Umrisse zu seiner Biographie und Charakteristik“ von Friedrich Hebbel(S. 221–402). [Hebbel schildert darin, von der [213] Methode gewöhnlicher Lebensbeschreibungen abweichend, mit tiefem Blicke in die Seele seines Objectes, dessen Leben aus F.’s Tagebuchblättern, Aufzeichnungen und anderen hinterlassenen Papieren; der Ausgangspunct dieser meisterhaften Seelenbeschreibung ist eine Reflexion F.’s: „Man wird zu Allem geboren; warum nicht auch zum Reinmenschlichen? Gewiß, es gibt geborene Menschen, wie es geborene Poeten gibt“, welche im Ganzen und Großen auf F. selbst und zunächst paßt.] – Geist deutscher Classiker. Eine Blumenlese ihrer geistreichsten und gemüthlichsten Gedanken, Maximen und Aussprüche. Herausgeg. von Ernst Freih. von Feuchtersleben (Pesth, Wien 1858, Hartleben). Der erste Theil dieses nicht genug zu empfehlenden Sammelwerkes: „Goethe“ enthält als Einleitung F.’s Biographie [daselbst heißt es wörtlich: „Die Vorfälle des 6. October erschütterten ihn gewaltig, sie waren die letzten Streiche auf sein tiefverletztes Gemüth. In ländlicher Einsamkeit suchte er eine Zeitlang Heilung für sein schwer verwundetes Inneres, aber er erhob sich nicht mehr und es ist keine Phrase, wenn man sagt, F.’s Tod war die Folge des 6. Octobers.“ Seine letzten an seine Gattin gerichteten Worte waren: „Es ist Alles geordnet und fertig. Ich muß jetzt gehen. Auf einem lichteren Sterne beginnt es wieder.“] – Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften (Wien, 8°.) III. Jahrg. (1853) S. 55–69: „Autobiographie“ [nach diesem gest. 2. Sept. 1849, was unrichtig ist)]. – Blätter für literarische Unterhaltung (1858) Nr. 21, S. 390 –und Nr. 22, S. 399. – Faust. Herausgegeb. von M. Auer (Wien, gr. 4°.) 1857, Nr. 8 und 9: „Ernst Freih. v. Feuchtersleben. Aus brieflichen Mittheilungen von Wilh. v. Metzerich“ [mit dem nicht ganz gut getroffenen Bilde des Dichters auf S. 72]. – Neuigkeiten (ein Brünner Blatt, Fol.) 1857, Nr. 119 im „Historischen Erinnerungs-Kalender“ [nach diesen geb. 29. April 1806]. – Wanderer (politisches Blatt in Wien) 1849 im Monat September: „Dr. Ernst Baron Feuchtersleben“ (von Dr. Ludwig August Frankl). – Derselbe 1851, Nr. 236: „Nachricht über das Gedächtnißfest für Dr. E. Freiherrn von Feuchtersleben“ – und im Feuilleton: „Naturkunde und Poesie. Vortrag bei der Gedächtnißfeier für Feuchtersleben“ (von Dr. Ludwig August Frankl). – Steger (Dr. Fr.), Ergänzungs-Conversations-Lexikon (Leipzig u. Meißen, Lex. 8°.) V. Bd. S. 702. – Oestr. Nat.-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835) II. Bd. S. 130 [über ihn und seinen Bruder Eduard]. – Frankl (Ludwig Aug.), Sonntagsblätter (Wien, gr. 8°.) 1843 (II. Jahrg.) S. 616: „Ein schwarzer Prinz.“ – Dieselben 1844 (III. Jahrg.) S. 30: „Briefe von Karoline Pichler“ [auf S. 32 wird aus einem Briefe des Dichters eine Stelle über F. und dessen Ansicht über die Rahel mitgetheilt]. – Illustrirte (Leipziger) Zeitung 1851, Nr. 132, 133 und in einer der nächsten Nummern: „Todtenfeier zur Erinnerung an Ernst Freiherrn von Feuchtersleben“ [bei dieser Gelegenheit wurde eine Gedächtniß-Medaille vertheilt und Dr. L. A. Frankl, dem Verewigten seit Jahren persönlich nahe stehend, hielt einen Vortrag, worin er die merkwürdige Wahlverwandtschaft nachwies, warum grandioses Nachforschen so häufig mit dichterischer Thätigkeit zusammenhänge].[BN 1]Urtheile über Feuchtersleben als Schriftsteller. Gottschall (Rudolph), Die deutsche National-Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Breslau 1855) II. Bd. S. 205. [„Weit über allen diesen Lyrikern (Vogl, Tschabuschnigg, Nordmann, Bach, Prechtler, Carl Hugo u. A.) steht in geistiger Beziehung der geniale Diätetiker der Seele Freiherr Ernst v. Feuchtersleben … In seinen Dichtungen bewegen wir uns auf der Höhe einer philosophischen Weltbildung, die durch ein feines ästhetisches Gewissen geregelt wird. Hier fällt der Schwerpunct nicht auf Klänge der Empfindung oder auf bunte Lebensbilder, sondern auf die gedankenvolle Offenbarung einer Weltanschauung, welcher Ruhe und Frieden der Seele das höchste Ziel und die Harmonie der „Physis“ ein wesentliches Mittel, die Psyche ungefährdet zu erhalten ....“ – Mundt (Theodor Dr.), Geschichte der Literatur der Gegenwart (Leipzig 1853, 8°.) 2. Aufl. S. 697 [Eine gehaltvolle und ansprechende Individualität war F., der als Dichter, Arzt und Staatsmann einer bedeutenden und in dem tiefsten geistigen Zusammenhang stehenden Wirksamkeit sich hingegeben hatte. Seine Gedichte sind zu sehr künstliche Producte der Reflexion, um für einen erschöpfenden Ausdruck seiner eigenthümlich in sich bewegten Individualität gelten zu können, die in den „Beiträgen zur Literatur, Kunst und Lebenstheorie“ und in der vielgelesenen Schrift zur Diätetik der Seele auf eine entsprechendere Weise sich zu erkennen gibt.“] – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig 1858, Brockhaus, 4°.) Nr. 21, S. 390. – Handschrift. Adolph Henze in seiner Schrift: „Die Handschriften der deutschen Dichter und Dichterinnen“ (Leipzig 1855, 8°.) S. 36 charakterisirt F.’s Schrift: „Kühne Züge mit Bewußtsein, Klarheit, Selbstvertrauen, [214] Seelenstärke.“ – Die im „Oesterr. Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar“ (Frey-sing bei Athanasius & Comp., 8°.) S. 16 entworfene Charakteristik F.’s ist der Inbegriff plumper u. schamloser Frechheit, daher wir dieselbe nicht mittheilen. – Porträt. 1) Stahlstich von Axmann mit Facsimile der Unterschrift (Wien, Gerold, 8°.). – 2) Facsimile der Unterschrift: Ernst Fr. Feuchtersleben. Jos. Danhauser del. Fr. Stöber sc. gr. 8°. [sehr ähnlich].

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Feuchtersleben, Ernst Freiherr von [Bd. IV, S. 210].
    Debatte (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 117, im Feuilleton: „Feuchtersleben’s Gedächtnißfeier“; ebenda, Nr. 126, im Feuilleton: „Ein Originalbrief von Feuchtersleben“. [Band 26, S. 377]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: durchdrungen.
  2. Eduard von Feuchtersleben (Wikipedia).