BLKÖ:Tschabuschnigg, Adolph Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 3. (Quelle)
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Tschabuschnigg, Adolph Ritter von (Staatsmann und österreichischer Poet, geb. zu Klagenfurt am 20. Juli 1809, gest. zu Wien am 1. November 1877). Der Sproß einer in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts geadelten kärnthnerischen Familie, über welche die Stammtafel und die Seite 20 mitgetheilte Genealogie nähere Nachricht geben. Sein Vater Karl Leopold Emanuel (geb. 1780, gest. 1848) war kärnthnerisch landständischer Secretär, seine Mutter Aloisia (geb. 1786, gest. 1841) eine geborene Hubmerhofer v. Sonnenberg. Von zwei Söhnen der ältere, besuchte Adolph das Gymnasium seiner Vaterstadt, dann das dortige Lyceum, dessen Lehrer dem Benedictinerstifte St. Paul im Lavantthale angehörten und damals noch einige jener trefflichen Männer in ihrer Mitte zählten, die einem Rufe des Kaisers Franz I. folgend, aus dem berühmten Stifte St. Blasien im Schwarzwalde nach Oesterreich eingewandert waren. In einem Familienkreise aufwachsend, dessen Glieder einander mit inniger Liebe anhingen, sah er durch öftere Krankheiten in demselben sein Leben schon in der Kindheit traurig umschleiert. So machten sich bei ihm frühzeitig die Regungen des Gefühls in vorwiegendem Maße geltend, und durch eine lebhafte Einbildungskraft noch gesteigert, führten sie bald zu dichterischen Ergüssen, deren erste bereits in die Zeit seines Besuches der höheren Gymnasialclassen – Poesie und Rhetorik – fielen. Auch in Klagenfurt [4] wie seinerzeit in Laibach, wie dies schon in der Biographie von Vinc. Rizzi [Bd. XXVI, S. 205] bemerkt wurde, schloß sich eine Schaar junger Dichter zu einem Bunde zusammen, um sich wechselseitig zu poetischen Arbeiten anzuspornen. So wurden um die Wette Verse gemacht und jene, welche bei der Vorlesung den Preis errangen, in ein Buch eingetragen. Zwei dieser Poeten haben sich über das Niveau des Gewöhnlichen emporgearbeitet, einer derselben ist Paul Renn [Bd. XXV, S. 291], der andere Tschabuschnigg der seinem ihm lange vorausgeschiedenen Freunde Renn auf dessen Familienbegräbnißstätte in Klagenfurt ein Denkmal setzen ließ. Von den übrigen weiß wenigstens die Literaturgeschichte nichts zu melden. Diese Verbindung währte, bis durch die Wahl der Berufsstudien die einzelnen Mitglieder getrennt wurden. Tschabuschnigg begab sich, um die Rechte zu studiren, 1826, nach Wien. Er war zu dieser Zeit erst 17 Jahre alt, aber durch gymnastische Uebungen, die er aus eigenem Antriebe unternahm, körperlich vollkommen ausgebildet; nun sollte durch den Aufenthalt in der Reichshauptstadt auch der Geist gekräftigt und sein Gesichtskreis erweitert werden. Da aber trat ein bemerkenswerther Umstand ein, der bisherige Elegiker, wenigstens waren seine Dichtungen mehr oder minder vom elegischen Hauche der Wehmuth durchweht, fühlte unter den neuen Eindrücken, die auf ihn einstürmten, eine Wandlung in sich vorgehen, die mit seinem bisherigen Fühlen und Denken in ziemlich starkem Gegensatze stand; von einem Skepticismus befallen, der aller Wehmuth und elegischen Stimmung den Garaus machte, fing er an, die Dinge nicht mehr durch den verklärenden Schimmer einer Alles versöhnenden Schwärmerei zu betrachten, sondern, indem er die Kehrseite jedes Dinges aufschlug, trübte alsbald Zweifel über das Geschaute seinen bisher reinen Genuß, es war mit einem Worte der Geist der Verneinung über ihn gekommen, die bisherige unbewußte elegische, träumerische Stimmung einer bewußten kritischen gewichen, die Lyrik seines Wesens von der Ironie angekränkelt worden, und dieser Skepticismus ist ihm treu geblieben und findet sich mehr oder minder in allen seinen späteren Arbeiten ausgesprochen. Die Vorbereitungen für seinen Beruf, die in den juridischen Studien gipfelten, ließen ihm übrigens nur wenig Zeit zu poetischen Arbeiten, und nur ab und zu erschienen in den damaligen besseren schöngeistigen Blättern Deutschlands, so in Theodor Hell’s „Abendzeitung“[WS 1] und in verschiedenen Taschenbüchern und Almanachen, wie in den „Cyanen“, in „Gedenke Mein“, im „Orpheus“ u. a. Beiträge lyrischen und novellistischen Inhalts aus seiner Feder. Da schlug in das Stillleben seiner poetischen und sorgenfreien Studentenwirthschaft wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Juli-Revolution nieder, und von diesen Ereignissen angeregt, schrieb er einen kleinen Roman, betitelt: „Das Haus des Grafen Owinski“, dem die polnische Revolution zum Hintergrunde diente, und welcher 1832 im Buchhandel erschien, (Eine vollständige Uebersicht seiner Schriften, sowohl der selbständig herausgegebenen, wie der in Taschenbüchern und Zeitschriften zerstreuten, folgt auf Seite 10 u. f.). Diesem Roman folgte schon im nächsten Jahre die erste Ausgabe seiner Gedichte. Ich erinnere mich noch genau des Eindrucks, den dieselben in jenen Kreisen hervorriefen, welche überhaupt Gedichte lesen. Es [5] wäre zu viel gesagt, wollte man behaupten, daß Tschabuschnigg in diesen lyrischen Ergüssen ganz selbständig auftrete; Heine’sche Anschauung, Heine’sche Weise, Heine’sches Wesen sickert überall durch, aber es bleibt noch immer Eigenartiges genug, das uns in dem Autor eine poetische Individualität erkennen und anerkennen läßt, abgesehen davon, daß Heine damals lange noch nicht so bekannt und nachgeahmt war, wie ein Jahrzehnt später, als bereits eine nach Hunderten zählende Heine’sche Schule bestand. Für Oesterreich waren diese Gedichte Tschabuschnigg’s eine Erscheinung, welche weitaus mehr Wirkung erzielte, als Anastasius Grün’s „Blätter der Liebe“, die doch unbedingt mehr zum Herzen sprechen; aber eben dieses verneinende skeptische Moment, welches die lyrischen Producte unseres Dichters kennzeichnet, frappirte ebenso, als es den von den zersetzenden Einflüssen jener Zeit bereits angekränkelten Leser anzog. Grün überflügelte freilich bald seinen gleichzeitigen Rivalen, wie er denn vorherrschend Lyriker, dieser aber Novellist war. Mit zwei Bänden Novellen, welche im Jahre 1835 erschienen, betrat Tschabuschnigg eben jenen Boden, auf dem er fester stand als auf dem lyrischen, und auf welchem der Skepticismus, oder sagen wir lieber die Ironie, zu der er besonders hinneigte, tiefere Wurzeln schlug. Mittlerweile hatte er die Rechtsstudien beendet und war bei dem k. k. Stadt- und Landrechte in Klagenfurt als Auscultant in den Staatsdienst getreten, aber schon im Jahre 1836 nach Triest übersetzt worden. Die großartigen Weltverhältnisse der damals im schönsten Aufblühen begriffenen Hafenstadt konnten für ein Auge, welches zu schauen verstand, nicht ohne mächtige Einwirkung bleiben. Und er verstand nicht nur zu schauen, er begehrte auch immer Neues zu schauen, denn in ihm war, seit er das Meer gesehen, eine Reiselust ohne Gleichen erwacht, der er auch, so weit und so oft es ihm seine amtlichen Verhältnisse möglich machten, Genüge that. So durchwanderte er in den Jahren 1836–1847 nach allen Richtungen von Venedig bis Rom, vom Simplon bis zum Aetna die italienische Halbinsel, seine Kunststudien, zu denen er sich in den Mußestunden, welche ihm sein Beruf ließ, vorbereitete, durch das Anschauen der herrlichsten Werke belebend. Wiederholt besuchte er auch die Schweiz, dann Deutschland vom Rhein bis Rügen, und legte die Eindrücke dieser Ausflüge in seinem 1842 erschienenen „Buch der Reisen“ nieder. Aber auch das lyrische und novellistische Feld ließ er nicht brach liegen, denn es erschienen um dieselbe Zeit eine neue vermehrte Auflage seiner Gedichte, dann ein Band humoristische Novellen und seine erste größere Novelle „Ironie des Lebens“. Dieses letztere Werk erfreute sich günstigster Aufnahme und erlebte auch – was im Vormärz etwas zu bedeuten hatte – in kurzer Zeit eine zweite Auflage. Wir möchten es denn auch als das Hauptwerk des Dichters bezeichnen, er hat nach demselben manch, ja viel Gutes, aber Besseres nicht geschrieben. „Jahrelang“, so sagt er in seiner Vorrede, „jahrelang trug ich die Aufgabe des vorliegenden Buches im Kopfe. Mag die Liebe in ihrer Veranlassung und Entstehung willkürlich und unbedeutend erscheinen, ihr Verlauf wird ernster, ihre Folgen und Wirkungen sind oft großartig und erhaben. Sie entscheidet mehr oder weniger über das Glück, über die Richtung jedes Einzelnen, und auch auf die Geschicke der Gesammtheit [6] übt sie nicht selten unverkennbaren Einfluß. Wie manche große That der Geschichte bedurfte eines von ihr begeisterten Willens: in der modernen Zeit hat sie sich zwar größtentheils in das Privatleben zurückgezogen, aber ihre negativen Nachwirkungen sind nicht zu übersehen; und nach ihrem kurzen Aufschwunge scheint ein nicht geringer Theil der Helden des Tages wie geöffnete Flaschen zu verrauchen. Das Wesen der Liebe stellt sich in unberechenbaren Widersprüchen dar; ihr Aufwand an Blühen und Duften ist oft nicht mehr als eine prächtige Phrase, die einen kurzen gemeinen Trieb kostbar verhüllt – oft aber wieder hat ihr Samenkorn Anspruch auf himmlische Abkunft. Ich versuchte ihre Phasen aufzugreifen, die Geschichte ihrer Entwickelung zu verfolgen und so einen Beitrag zu ihrer Auslegung zu bereiten. Bald fand sich ein passendes Gerüst von Thatsachen, der Vorwurf war der Ausführung werth, und der Verlauf des Werkes versprach nebstbei Anregung zu vielseitigen Gedanken und Betrachtungen“. Deren aber finden sich im genannten Werke und zwar der trefflichsten an vielen Stellen, nur beispielsweise seien angeführt seine Gedanken über Menschenwürde, über Deutschlands geschichtliche Entwickelung, dessen Beruf und eigenthümliches Wesen, ferner seine Schilderung der vier großen Poeten Italiens: Dante, Petrarca, Tasso, Ariosto, endlich seine Darstellung der zweifachen Bestimmung des Menschen. „Man darf“, schreibt er darüber, „nicht immer sich und Individuen vor Augen haben, man muß sich zum Urtheile über das ganze Geschlecht erheben. Die Menschheit selbst ist das würdigste Individuum der Erde. Die Erfahrung, wie unbedeutend der Einzelne ausgetilgt wird, wie spurlos er verschwindet, soll uns die irdische Bedeutung im Gesammtleben der Gemeinde zeigen. .... Als Mitglied der großen irdischen Familie muß der Mensch die Wissenschaft des Geschlechtes wahren und fördern, die Entschlüsse desselben veredeln und reifen, dessen Thaten vorbereiten und ausführen. Das Streben keines Redlichen ist in dieser Hinsicht verloren; die Geschichte bedarf nicht immer Helden und Genies, aber der bescheiden Wirkende, der treu Erhaltende ist ihr stets nöthig. Wären alle Zeitgenossen jemals dumm und schlecht, und dauerte dies auch nur durch ein paar Menschenalter, so müßte die allgemeine Menschengeschichte um Jahrtausende zurückgehen. In dieser Wahrheit liegt die Würdigung der still Thätigen, deren Namen keine Ehrentafel, kein Leichenstein verkündet“. Wir wollen die trefflichen Ansichten, welche Tschabuschnigg in seinem Werke ausspricht, nicht weiter fortführen, dies Wenige schon genügt, um zu zeigen, daß wir es mit einem Werke edlerer, ja edelster Gattung zu thun haben, das ebenso den Dichter wie den Denker kennzeichnet. Noch müssen wir aber auf seine „Gedichte“ zurückkommen, deren zweite Auflage in ihrer Widmung uns einen tiefen Blick in des Dichters Herz thun läßt. Diese Auflage ist nämlich seinem einzigen Bruder Franz, „dem Genossen seiner Bestrebungen, seinem besten, treuesten Freunde“, gewidmet. Im Jahre 1840 riß der Tod den damals Fünfundzwanzigjährigen von des Bruders Seite. Nie verschmerzte der Dichter diesen Verlust ganz, denn zwischen dem Ueberlebenden und dem Todten hatte in der That eine so innige Verbrüderung der Gefühle und Gedanken bestanden, daß selbst ein neuer Freundschaftsbund einen Ersatz nie geboten hätte. Aus Tschabuschnigg’s Briefen [7] an einen Freund erfahren wir, wie innig verbrüdert Beide waren, und welch edler Charakter der Verblichene gewesen. „Ich habe“, lautet darin eine Stelle, „selten ein Wesen gesehen, das seine unsterbliche Aufgabe auf Erden so rein gelöst hat. Sein Tagebuch aus Bleiberg ist eine schöne Idylle, nicht dieser, sondern einer ewigen Welt. Es ist ein Kunstwerk und noch dazu ein erlebtes“. Einen Ersatz, so weit ein solcher möglich ist, fand unser Dichter ein Jahr nach dem Tode seines Bruders in seiner Gattin, denn am 31. October 1841 vermälte er sich mit Julie, der Tochter des Appellations-Vicepräsidenten von Heufler auf Rasen und Perdonegg, einer Schwester des bekannten Botanikers Ludwig von Heufler [Bd. VIII, S. 450]. Er hatte Julie schon im Jahre 1830 kennen gelernt, sich aber bald von ihr trennen müssen und eine lange Reihe von Jahren weder persönlichen, noch schriftlichen Verkehr mit ihr unterhalten, bis ein günstigeres Geschick zur Vereinigung Beider führte. Ihr, der endlich gewonnenen, hatte er auch sein nächstes größeres Werk, den zweibändigen Roman „Der moderne Eulenspiegel“ gewidmet. Kehren wir nun zu seinem eigentlichen Lebensgange zurück. 1844 war Tschabuschnigg zum Rathe beim k. k. Stadt- und Landrechte in Klagenfurt ernannt worden. Noch befand er sich auf diesem Posten, als die Bewegung des Jahres 1848 über Oesterreich hereinbrach und auch unseren Poeten, wenngleich unvorbereitet, so doch nicht ganz unerwartet überraschte. Denn schon während seines Aufenthaltes in Triest, wo er die Erfolge Stadion’s, der energisch in die Verhältnisse eingriff und, wie sehr der Wind in Wien rückwärts blies, dennoch vorwärts steuerte, zu beobachten Gelegenheit hatte, war ihm die Unhaltbarkeit des alten Systems klar geworden und ein Wechsel desselben, ob im Umsturz oder im gesetzlichen Wege, nur mehr als eine Frage der Zeit erschienen. Auch hatte er während seines Aufenthaltes in Karlsbad, in den Jahren 1839 und 1845, Einblick gewonnen in die Bestrebungen der ständischen Opposition Böhmens und sich dem Kreise genähert, in welchem die bekannten „drei Denkschriften“ ihre Entstehung fanden. Deshalb begrüßte auch er den Umschwung, den die Märztage einleiteten, mit der Freude des wahren österreichischen Patrioten, dem die Sedlnitzky’sche Polizeiwirthschaft längst ein Gräuel gewesen. Und nun, als sich auf den Trümmern der alten Einrichtungen der Neubau erhob, legte auch er Hand ans Werk und war einer der thätigsten Mitarbeiter an den Reformen der Neuzeit. In die rasch organisirte Nationalgarde trat er sofort als Rottenführer ein, dann drang er auf Beiziehung von Vertretern des Bürger- und Bauernstandes zu den landständischen Sitzungen, in welchen er persönlich eine vielseitige Wirksamkeit entfaltete. Er fühlte sich dazu umsomehr berufen, als ja sein Vater, der bald nach Anbruch der besseren Zeit im Kaiserstaate aus dem Leben schied, viele Jahre hindurch die Stelle eines landständischen Secretärs bekleidet hatte und er selbst durch das Vertrauen seiner Mitbürger in die Zahl jener Abgeordneten aufgenommen wurde, welche im April nach Wien gingen, um über den Verfassungsentwurf, die Ablösungsfrage, die neue Gemeindeordnung, die Reform der Provinzialstände und des Justizwesens, sowie über andere wichtige, durch den Umschwung der Zeit nothwendige Reformen zu berathen. Nach seiner Rückkehr aus der Reichshauptstadt fand er freilich stark [8] veränderte Verhältnisse vor, der Rückschlag aus derselben auf die Provinzen war nicht ausgeblieben, und die Lage für die Freunde stetigen und geordneten Fortschrittes wurde wie in Wien so auch in den Provinzen immer schwieriger. Und nun muß, was längst zu sagen, doch einmal gesagt sein. Man bezeichnet auch heute noch Diejenigen, welche sich den übermüthigsten Ausschreitungen der gewonnenen Freiheit und dem Hereinziehen ungehöriger Elemente in das Regierungswesen entschieden widersetzten, als Reactionäre (Schwarzgelbe) und Feinde der neuen Aera. Dies ist eine arge Unwahrheit, die nicht energisch genug zurückgewiesen werden kann. Denn nicht Jene sind die echten Achtundvierziger, welche, dem Mob der von ausländischen Emissären verführten Wiener Bevölkerung folgend, zuletzt Partisane jener unheilvollen Anarchie wurden, die uns um alle Freiheiten brachte und den Kaiserstaat um ein volles Jahrzehnt hinter die Märztage zurückversetzte, sondern Jene sind es, welche, den Niedergang des alten Polizeistaates mit Jubel begrüßend, die Entwickelung menschenwürdiger staatsbürgerlicher Verhältnisse auf gesetzlichem Wege und unter Mithilfe aller Ständeclassen durch Berufung eines dem eigenthümlichen Charakter des polyglotten Oesterreich entsprechend zusammengesetzten Parlamentes anstrebten. Das kann nie oft genug wiederholt und jenen Schreiern entgegengehalten werden, welche die Koryphäen der Anarchie mit der Gloriole des Martyrthums der Freiheit schmücken und alle Uebrigen verlästern. Auch Tschabuschnigg arbeitete an der einmal übernommenen Aufgabe beharrlich fort, zunächst als Referent des Ausschusses für Reform der Provinzialstände, in welcher Eigenschaft er die provisorische Wahlordnung für den kärnthnerischen Landtag entwarf, der im Juli 1848 zusammentrat. Hauptgegenstände der Berathungen desselben, die täglich mehrstündige Sitzungen ausfüllten, bildeten die Provinzialverfassung, eine Gemeindeordnung, Justizreformen und manche andere Vorschläge, die theils dem Reichstage, theils dem Ministerium vorgelegt wurden und Tschabuschnigg’s Thätigkeit mehrfach in Anspruch nahmen. Auch bediente er sich des Hebels der periodischen Presse, und trat so aus den Reihen der Poeten auch in jene der politischen Schriftsteller, indem er die Ansichten, die ihm für das Gedeihen des Vaterlandes förderlich erschienen, sozusagen der öffentlichen Discussion und der Kritik unterwarf, um ihnen dann, erst, wenn sie solche überstanden, Geltung zu verschaffen. So ließ er schon in den Sonntagsblättern von Ludwig August Frankl [1848, S. 735–744] einen längeren Aussatz: „Zur Frage der Nationalitäten“ und im Anschluß an denselben eine Reihe trefflicher Artikel im „Lloyd“ und in anderen Blättern erscheinen, sämmtlich Arbeiten, die in den nächsten, aber auch in entfernteren Kreisen nicht ohne befriedigende Nachwirkung blieben. Im Landtagsausschusse regte er auch die Gründung eines kärnthnerischen Invalidenfondes an, der bald den erfreulichsten Fortgang nahm. Im Jahre 1849 reiste er nach Frankreich und Belgien, hauptsächlich um sich über das öffentliche Gerichtsverfahren, welches er früher schon am Rheine kennen gelernt hatte, genauer zu unterrichten. Nachdem er noch die neuen Gefängnißeinrichtungen in Paris besichtigt hatte, kehrte er in seine Vaterstadt zurück, wo er sich wieder seinem amtlichen Berufe widmete und dann in Gemeinschaft mit anderen hervorragenden [9] Personen aus gemeinnützigem Interesse die Dampfschifffahrtsgesellschaft auf dem Wörther See ins Leben rief. Im Jahre 1854 kam er als Oberlandesgerichtsrath nach Gratz, 1859 als Hofrath zum obersten Gerichtshof in Wien. Mit Beginn der constitutionellen Aera trat er sofort wieder in die politische Arena ein. 1861 als Vertreter des Großgrundbesitzes in den Kärnthener Landtag gewählt, wurde er von diesem in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes gesandt, welchem er ununterbrochen bis 1870 als Mitglied angehörte. [Näheres über Tschabuschnigg’s parlamentarische und staatsmännische Thätigkeit siehe S. 14 in den Quellen]. Im Abgeordnetenhaus gehörte er zu jenen Männern, die consequent ihre dem Fortschritte huldigende Gesinnung bewahrten und wo es zweckmäßige Reformen in der Gesetzgebung und Verwaltung galt, mit der ganzen Macht ihrer Ueberzeugung eintraten. Nach dem Rücktritte des Bürgerministeriums, welches alle Erwartungen täuschte, erhielt Graf Potocki den Auftrag zur Neubildung des Cabinets. Da nahm – nach langem Kampfe – Tschabuschnigg das ihm angebotene Justizportefeuille an und führte neben diesem durch drei Monate – bis zur Ernennung Stremayr’s – auch noch die Leitung des Ministeriums für Cultus und Unterricht. Mit dem Abgange des Ministeriums Potocki erfolgte auch am 11. Februar 1871 sein Rücktritt vom Justizministerium. Schon am 13. September 1870 ins Herrenhaus berufen, gehörte er demselben bis zu seinem Tode an. Er fungirte in dieser Körperschaft 1873 als Berichterstatter über die neue Strafproceßordnung. Im Uebrigen lebte er ganz seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Den Sommer über brachte er auf seiner schönen Villa in Pörtschach am Wörther See zu. Im Jahre 1869 hatte er eine Reise nach dem Norden Deutschlands unternommen und dieselbe nach Dänemark, Norwegen und Schweden ausgedehnt; 1871 Ungarn und Polen, 1872 Aegypten, Kleinasien und Griechenland besucht. In den letzten Jahren sich krank fühlend, ging er, wie er es früher wiederholt gethan, auch im Sommer 1877 nach Karlsbad. Er kam auch von dort etwas gestärkt zurück, erlitt aber, in Pörtschach angelangt, einen heftigen Rückfall. Schwerleidend wurde er auf seinen Wunsch in der zweiten Hälfte des October nach Wien gebracht, wo er schon wenige Tage danach, 68 Jahre alt, seiner Krankheit erlag. Wenn wir zum Schlusse noch einen kurzen Blick auf Tschabuschnigg den Menschen werfen, so bemerken wir im Allgemeinen, daß es Wenige gibt, die ihren Ritteradel so in Ehren trugen, wie er. In seinem ganzen Wesen, in seinem äußeren Auftreten eine ritterliche Erscheinung, zeigte er sich auch in seinem Denken und Handeln immer nur ritterlich. Als Mensch war er von seltener Hingebung und Theilnahme. Ohne in engeren Beziehungen eines eigentlichen Freundes zu ihm gestanden zu sein, verkehrte ich mit ihm seit seiner Uebersiedlung nach Wien im Jahre 1859, also nahezu durch zwei Jahrzehnte – in herzlicher, literarisch freundschaftlicher Weise und hatte Gelegenheit, einen tiefen Blick in sein Inneres zu thun. Ich lernte ihn als einen Mann kennen, wie deren nicht zu viele unter Gottes blauem Himmel wandeln. In seiner Familie war er liebevoll, zärtlich, vorsorglich. Charakteristisch erscheint er mir in seiner Seelenstimmung nach der letzten schweren Krankheit seiner Frau, die er mit seltener Innigkeit geliebt und mit der er über ein Vierteljahrhundert [10] in voller Harmonie gelebt hatte. Als sie von ihrem langen Leiden der Tod erlöste, war der Vereinsamte geradezu trostlos, und um ihre letzte Ruhestätte zu prüfen, legte er sich vorher selbst in ihren Sarg. Und wie ergriff ihn das Hinscheiden seines ältesten Enkels! Er hielt das bereits entseelte Kind beständig in seinen Armen, an dessen Tod nicht glaubend, und aus Schmerz war er über Nacht merklich ergraut. Mit Liebe und Verehrung hing er sein ganzes Leben hindurch an seinen Eltern, und welche innige Liebe ihn mit seinem zu früh hingeschiedenen Bruder Franz verband, wurde im Laufe dieser Lebensskizze erwähnt. Dabei ein tieffühlendes Gemüth, übte er viele Wohlthaten, jedoch ganz im Stillen, treu dem alten Spruche: daß die Linke nicht wissen soll, was die Rechte gibt. Seinen Freunden erwies er sich in anhänglicher und treuer Freundschaft zugethan. Schwer und lange leidend, starb er eines schmerzlichen Todes in den Armen seiner Tochter Marie und ihres Gatten Ritter von Thavonat. Er sah sein Ende voraus und verlangte aus freien Stücken die h. Sterbesacramente zu empfangen. Mit Ruhe blickte er dem Tode entgegen und blieb bis zu den letzten Minuten bei vollem Bewußtsein. Noch eine halbe Stunde vor seinem Ende hielt er selbst eine Tasse Thee, nach einiger Zeit sprach er seine letzten Worte: „jetzt sterbe ich“, und bald darauf entschlief er sanft. Die festliche Leichenfeier fand in Wien und die Einsegnung der Leiche daselbst in der Pfarrkirche zu St. Rochus und Sebastian auf der Landstraße statt. Nach Absingung eines Chorals wurde der Sarg auf die Eisenbahn gebracht, um in des Dichters Familiengruft in Klagenfurt beigesetzt zu werden. Noch sei hier zum Schlusse bemerkt: Tschabuschnigg war der einzige Minister Oesterreichs, dessen Brust weder ein Orden seines Vaterlandes, noch eines fremden Staates zierte. Ueber seine Familie, über seine Werke, über seine parlamentarische und staatsmännische Thätigkeit siehe die Quellen und die angeschlossene Stammtafel, auf welcher der österreichische Zweig seines Geschlechtes dargestellt ist.

I. Uebersicht der selbständig erschienenen und in belletristischen Zeitschriften und Almanachen abgedruckten Werke des Adolph Ritter von Tschabuschnigg. a) Selbständig erschienen sind:Das Haus des Grafen Owinski. Erzählung“ (Leipzig 1832, Heinrichs, 8°.); erschien aus Censurrücksichten unter dem Pseudonym: „A. V. T. Süd.“ – „Gedichte“ (Dresden 1833, Arnold, gr. 16°.). – „Novellen“, zwei Theile (Wien 1835, Haas, gr. 12°.). [Inhalt, Bd. I: „Erste Liebe“; – „Der Hochzeitstag“; – „Der Tag in der Weinlese“; – „Die beiden Hagestolzen“; – „Die Christnacht“. – Bd. II: „Bruderherz“; – „Der Bücherwurm“; – „Bürgerleben“; – „Des Herzens Sünde“; – „Aus den Papieren eines Irrenarztes“.] – „Gedichte. Zweite vermehrte Auflage. Mit Bildniß und Facsimile des Verfassers“ (Wien 1841, Pfautsch und Comp., 8°.). – „Humoristische Novellen“ (ebd. 1841, 8°.). [Inhalt: „Metamorphosen“; – „Die Kinder der Sonne“; – „Der sechste Act“; – „Die Weltverbesserer“.] – „Ironie des Lebens. Novelle“, zwei Theile (Wien 1841; 2. Ausgabe 1842, Rohrmann, 8°.). – „Buch der Reisen. Bilder und Studien aus Italien, der Schweiz und Deutschland“ (Wien 1842, Pfautsch und Comp., 8°.). [Venedig 1836; Triest 1837; Schweiz 1837; Deutschland 1838; Italien 1839, 1840, 1841; Constantinopel; Egypten.] – „Der moderne Eulenspiegel“, zwei Bände (Pesth 1846, Heckenast [Leipzig, G. Wigand], gr. 8°.). – „Neue Gedichte“ (Wien 1851, Pfautsch und Voß, 16°.). – „Die Industriellen“, zwei Bände (Zwickau 1854, Thost, 8°.). Dieser Roman ist unter dem Titel: „Fabrikant und Arbeiter“ noch einmal in Würzburg 1876 bei Paul Schier erschienen. – „Aus dem Zauberwalde. Romanzenbuch“ (Berlin 1856, 8°.). – „Gedichte“, dritte Auflage (Leipzig 1864, Brockhaus, 8°., [11] X und 460 S.). – „Grafenpfalz. Ein Roman“, zwei Bände (Nordhausen 1862, Buchting, 8°.). – „Gedichte“, vierte vermehrte Auflage (Leipzig 1871, Brockhaus, gr. 16°., XII und 499 S. ). – „Sünder und Thoren. Ein Roman“, zwei Bände (Bremen 1875, Kühtmann und Comp., 8°.). – „Nach der Sonnenwende. Gedichte“ (Leipzig o. J. [1877], Philipp Reclam jun., 12°.); bildet Nr. 812 der Reclam’schen „Universal-Bibliothek“. – „Gesammelte Werke“, Bd. I–VI (Bremen 1876 und 1877, Kühtmann, 8°.). [Bd. I: „Onkel Tobias“; – „Metamorphosen“; – „Holländische Gespenster“; – „Der Hochzeitstag“; – Bd. II: „Das Forsthaus“; – „Der sechste Act“; – „Eine Siesta“; – „Eine stille Welt“; – Bd. III: „Clara Dönhoff“; – „Die Weltverbesserer“; – „Der Bauernbreughel“; – „Bruderherz“; – Bd. IV, V und VI: „Große Herren, kleine Leute. Roman“. Der Tod Tschabuschnigg’s unterbrach die Fortsetzung und Vollendung dieser Gesammtausgabe. – b) Zerstreut in Almanachen und Zeitschriften Gedrucktes. [Die mit einem Sternchen (*) bezeichneten Schriften sind weder in die erschienenen Bände Novellen, noch in die gesammelten Werke aufgenommen.] Im „Jugendfreund“, herausgegeben von C. F. Hock in Wien bei Leop. Grund, 1834 die Novelle: *„Das Familiengeschenk der Grafen von Juray“; – „Bürgerleben. Eine biographische Mittheilung“. – In der Klagenfurter Zeitschrift „Carniolia“, 1838: *„Das Haupt des Guillotinirten“; – 1839: „Berner Oberland. Ein Reisebild; – „Italienische Studien“; – 1840: *„Traum des Glücks. Novellette“; – 1841: *„Jenseits der Gräber. Novellette“. – In Lembert’s Zeitschrift „Der Telegraph“. 1836: „Skizzen aus Triest“; – 1837: „Reisebilder aus dem Küstenlande und dem Venetianischen“; – „Metamorphosen. Humoristische Novelle“. – Im „Pesther Tagblatt“, 1839: *„Zweite Liebe. Novelle“; – „Die Weltverbesserer. Humoristische Novelle“. – Im Taschenbuch „Orpheus“, 1840: *„Harmonie der Sphären. Novelle“. – In Theodor Hell’s „Penelope“, 1831: „Der Tag in der Weinlese“. – Im „Oesterreichischen Novellen-Almanach“, 1844: „Stille Welt. Novelle“. – Im Taschenbuch „Immergrün“: dieses bei Karl Haas in Wien erschienene Taschenbuch redigirte im ersten Jahrgänge 1837 Tschabuschnigg selbst, und darin stand auch seine Novelle: *„Das Forsthaus“, dann führte er darinDingelstedt zuerst mit einer Novelle in Oesterreich ein. – Im Taschenbuch „Gedenke mein“, 1834: „Der Hochzeitstag“; – 1835: „Der sechste Act“; – 1836: *„Treue bis zum Tode“; – 1837: „Clara Dönhoff“; – 1838: *„Die Pforte zur Glückseligkeit“; – 1839: *„Ein venetianischer Mummenschanz“; – 1840: *„Zu dumm zu einem dummen Streiche“; – 1841: *„Eine Geschichte in drei Welttheilen“; – 1842: „Onkel Tobias“; – 1843: *„Der gefesselte Prometheus“; – 1845: „Holländische Gespenster“; – 1851: *„Eine Siesta“; – 1853: „Bauernbreughel“. – In der „Oesterreichischen Zeitung“: *„Traumleben. Novelle“; – „Rockenstubengeschichten“. – Im Taschenbuch „Cyanen“, 1841: *„Olymp und Folterkammer. Novelle“. – Im „Faust“, 1854: *„Schloß Mirelemont“. – In der „Klagenfurter Zeitung“ und in dem mit ihr verbundenen Beiblatte „Carinthia“: „Die „Christnacht. Novelle“; – *„Des Teufels Erdenfahrt. Novelle“, – und *„Die Liebe im Monde. Novelle“; – ferner mehrere Episoden des Romans „Die Industriellen“ und eine Serie Reisebilder. Gedichte erschienen zerstreut in der „Carinthia“, in der Witthauer’schen „Wiener Zeitschrift“, in Theod. Hell’s „Abendzeitung“, im „Jugendfreund“, in Bäuerle’s „Theater-Zeitung“, im Stuttgarter „Morgenblatt“, im Gräffer’schen „Conversationsblatt“, in der „Sonntagszeitung“, welche überdies auch literarische Studien über Macchiavelli, Boccaccio, Dall’Ongaro aus seiner Feder brachte, in der Lemberger „Mnemosyne“, im Gratzer „Aufmerksamen“, in der „Carniolia“, in Schad’s „Deutschem Musenalmanach“. in Braunthal’s „Oesterreichischem Musenalmanach“, in den Taschenbüchern und Albums: „Cyanen“, „Thalia“, „Huldigung der Frauen“, „Libanon“, „Siona“, im „Düsseldorfer Künstleralbum“ und in Albert Träger’s „Deutsche Kunst in Bild und Lied“. Politische Aufsätze – sämmtlich ohne Namen – brachten der „Lloyd“, 1849 und 1850, der „Oesterreichische Correspondent“ und die „Oesterreichische Zeitung“, so lange diese letzteren bestanden, „Die Presse“, 1850, die „Triester Zeitung“, 1851 und 1852, die „Frankfurter Oberpostamts-Zeitung“, 1862 und 1863, und die Löwenthal’sche „Wochenschrift“, 1872 und 1873. Im Dramatischen versuchte sich Tschabuschnigg nur einmal. „Johannes Tyl“ ist der Titel dieses Versuches, und der [12] Dichter wählte später die Titelfigur zum Helden seines satyrischen Romans „Der moderne Eulenspiegel“. Das Drama war auf zwei Acte angelegt, Tschabuschnigg hat aber nur den ersten Act vollendet, welcher dessen einzigen literarischen Nachlaß bildet. Mit Einverständniß der einzigen Tochter des Dichters, Marie vermälte von Thavonat, sandte Ludwig August Frankl den Prolog zum Drama an die Redaction des Jahrbuches „Dioskuren“, und derselbe findet sich auch darin im eilften Jahrgänge (1882), S. 372, abgedruckt.
II. Ueber Tschabuschnigg den Lyriker und Novellisten. Es liegt ein stattliches Heft Urtheile und Kritiken über Tschabuschnigg’s Gedichte und Novellen vor mir, und alle stimmen darin überein, daß wir es mit einem wahren und tiefinnigen Poeten zu thun haben. Viele stellen den Novellisten höher, Andere wieder den Lyriker. In seinen ersten lyrischen Versuchen ist der Einfluß Heine’s unverkennbar. In der Folge überwand er denselben, er gewann eine erfreuliche Selbständigkeit, aber er hatte von seinem Vorbilde gelernt, durch die einfachsten Mittel zu wirken. Die Jagd nach Bildern, die man den österreichischen Poeten zum Vorwurfe macht, trifft man bei ihm nicht; auch besticht er nicht durch Glanz der Darstellung; er ist vielmehr sehr einfach und geht darin, wie ein Kritiker bemerkt, so weit, daß er in manchem Gedicht an die Prosa streift; auch wird, wie das heutzutage, wo der Purismus über den Gedanken gestellt wird, gang und gäbe, die Geschmeidigkeit des Rhythmus, die Reinheit des Reimes beanständet. Wenn die Gedichte das Spiegelbild eines Erlebnisses sind, so sieht man ihnen zuweilen den Zwang der Mache an, der Dichter steht noch nicht auf überwundenem Standpunkte, die Schlacken der Leidenschaft brechen durch das Gold der reinen Empfindung, und das sind wohl die schwächsten seiner Gedichte; hat er aber den ersten Sturm der Leidenschaft besiegt und sich zur Entsagung erhoben, dann gelingt ihm manches treffliche Lied, dessen äußere Ruhe die Macht des Gefühls nur desto lebendiger hervortreten läßt. Nach dieser Richtung enthält seine letzte Sammlung: „Nach der Sonnenwende“ eine Reihe von Prachtstücken, die zu den Edelsteinen der modernen deutschen Lyrik gezählt werden können. Wo er seinen Stoffen mit klarer Ruhe entgegentritt, da ist er auch im Ausdruck am glücklichsten. Wir begegnen in seinen ziemlich zahlreichen Gedichtsammlungen manchem heiteren Gedichte, doch überwiegt im Ganzen das Ernste, und seine meist mit Glück behandelten Balladen sind tragischer Art. In der Wahl seiner Stoffe meist glücklich, entnimmt er dieselben oft, ja mit Vorliebe der deutschen Heldensage. Als eine Eigenthümlichkeit erscheint es uns, wenn er seine epischen Stoffe in einer Reihe von Bildern darstellt, welche er in Sonettenform einkleidet. Daß er als österreichischer Poet das politische Lied auch cultivirte, ist ja selbstverständlich, aber er that es mit Mäßigung. Indeß zählen Gedichte, wie „Freiheit“. „Das Pfingstfest zu Mainz 1184“, „Das neue Märlein vom deutschen Kaiser“ zu den besten, die je Dichtermund gesungen. Doch es brauchen nicht gerade politische Lieder zu sein, aus allen seinen Gedichten spricht seine freie Gesinnung in Bezug auf Staat und Kirche. Man rühmt seinen Balladen und Romanzen nach, daß sie sich besonders zur Declamation eignen, was bei jenen Anastasius Grün’s und Julius von der Traun’s nicht immer der Fall ist. Wir können dies als keinen besonderen Vorzug anerkennen, ebenso wenig wie die leichte Componirbarkeit eines lyrischen Gedichtes für dessen Werth spricht, da oft die gedankenärmsten erst durch die Composition der Vergessenheit entzogen werden. Gewiß aber ist es, daß viele seiner Balladen sich trefflich zum Vortrage eignen, und so hat wohl eines seiner Gedichte: „Die Schildwache“, den Rundgang in weitesten Kreisen gemacht, denn Schreiber dieses hörte es unten tief in Croatien und hoch oben in Altona vortragen, und immer mit unverwüstlichem Erfolge. Alles in Allem, Tschabuschnigg ist ein Poet von Gottes Gnaden, und die wohlfeilen Phrasen eines und des anderen Journalkritikers werden ihm das Salböl, womit ihm die Muse die Stirn zeichnete, nicht wegwischen. – Weniger hoch stellen wir ihn als Novellisten, wenngleich er auch als solcher den Troß der Dutzendschreiber, welche professionell in Roman, Erzählung und Novelle machen, hoch überragt. Wolfgang Menzel begrüßte Tschabuschnigg’s „Humoristische Novellen“ mit folgenden Worten: „Unter dem sehr sehr Wenigen, was die neueste Literatur (1842) an humoristischen Darstellungen hervorgebracht hat, zeichnen sich Tschabuschnigg’s Novellen durch anspruchslose Gemüthlichkeit aus. Sie erinnern etwas an Jean Paul, Arnim, Callott-Hoffmann, und ohne so geistreich zu sein, wie die Productionen dieser älteren Dichter, stimmen [13] sie doch zu Heiterkeit und Behagen. Es thut wohl, in der Masse des Trübseligen, Zerrissenen und Verzwciflungsvollen unserer sogenannten schönen, in Wahrheit unschönen Literatur wenigstens hin und wieder noch etwas Heiteres auftauchen zu sehen, was an die ehemalige oder vielmehr auch an eine künftige Aufhellung des poetischen Himmels mahnt.“ Weniger günstig wurden seine mehrere Jahre früher erschienenen „Novellen“ aufgenommen, doch wird auch ihr Werth in mancher Beziehung anerkannt und namentlich die darin waltende Gemütlichkeit hervorgehoben, die wirklich poetisch wirkt. Außerdem wird mit Bezug auf die Form die schöne Bildung, die frische blühende Diction anerkennend gewürdigt. Im großen Ganzen jedoch sind seine kleineren Novellen mehr oder minder Taschenbücher-Fabricate, für das vormärzliche schöne Geschlecht berechnet, welches noch nicht wie das heutige in Emancipation macht und derbere Kost verlangt und verträgt. Höher sowohl nach den Forderungen der Kunst, als nach dem Gesammteindrucke, den sie hervorbringen, steht Tschabuschnigg in seinen größeren Romanen, wie: „Ironie des Lebens“, „Der moderne Eulenspiegel“, „Große Herren, kleine Leute“, „Grafenpfalz“, „Sünder und Thoren“. „Die Industriellen“. In jedem derselben sucht er ein sittliches Problem zu lösen und mehr oder minder ein Glaubensbekenntniß seines Denkens und Fühlens zu geben. Man mag die Form dieser Romane, die zuweilen etwas formlos, rügen, inhaltlich sind sie reich, überreich an köstlichen Betrachtungen mannigfachster Art, die den Leser zum Denken auffordern und unmerklich aus der wirklichen Welt, die sie trefflich schildern, in eine ideale hinüberziehen, die uns fesselt und für manchen Mangel in der Composition des Ganzen, ja manchesmal auch in der Charakteristik entschädigt. So schreibt Lorm anläßlich der „Grafenpfalz“: „Man kann nur mit hoher Achtung von dem Werke sprechen, ungeachtet der Mängel seiner Composition. Ernst und geistvoll ist die Unterhaltung, die uns hier in der Form des Romans geboten wird. Ueber allgemeine und geschichtliche Wendungen, sowie über individuelles Leben finden sich darin die eingreifendsten Bemerkungen“. Den Roman „Ironie des Lebens“ bezeichnet Theodor Hell als ein Werk, das in der deutschen Nationalliteratur bleibend eine Ehrenstelle behaupten wird; es hat sich die Aufgabe gestellt, ewige Interessen ins Leben zu ziehen und darzuthun, daß echte Philosophie und echte Religion in ihren letzten Ergebnissen völlig congruent sind. Ueber den „Modernen Eulenspiegel“ bemerkt Ludwig August Frankl: „daß der Roman als Ganzes keinen Kunstwerth besitze, aber manche Einzelheiten, manches Körnlein Wahrheit, das in den Gesprächen eingestreut ist. machen das Werk zu einer beachtenswerthen Erscheinung der prosaischen Literatur in Oesterreich“. Der Kritiker im Literaturblatte der „Neuen Freien Presse“, welcher eingehend den Roman „Sünder und Thoren“ beurtheilt, rühmt von diesem Werke: „Es liest sich trefflich, ist in anziehendem Style geschrieben, nirgends macht die Reflexion sich allzu breit, die Handlung schreitet immer resolut vorwärts, vielleicht nur allzu rasch für die liebe Gewohnheit des Romanpublicums. Den Witz handhabt der Dichter manchmal etwas wuchtig, ebenso geht sein ernsthafter Humor, welcher dem Roman eine seltene Würze leiht, hie und da ins Burleske, ja sogar ins Triviale über. Doch waltet im Werke ein großer Gedankenreichthum und ein klarer Geist, der seiner Zeit die Hand an den Puls zu legen und nach dessen Bewegung die Symptome richtig zu deuten versteht“. Und wohl selten wird es vorkommen, daß der Kritiker, wie es bei dem Romane „Große Herren, kleine Leute“ geschieht, nach dem Ende desselben noch nach einem Bande ausschaut, da sich ihm im Gegensatze zu vielen Romanen der Gegenwart, die man schon beim zweiten Bande verdrossen weiter liest oder gar auf Nimmerwiederzurhandnehmen weglegt, das Ende zu rasch abspielt. Die ruhige Entwicklung, mit welcher der Roman angelegt ist. weicht leider im Verlaufe einer mitunter unvermittelten Hast, und wir erfahren Vieles nicht, was wir wissen möchten und worüber wir uns wohl selbst den Vers machen müssen, was ja aber vielleicht eben in der Absicht des Autors lag. Aber eine scharfe Charakteristik, ein glänzender Dialog und feine psychologische Beobachtung zeichnen auch dieses Werk des Verfassers aus, der zu Oesterreichs besten Prosaisten zählt, wenngleich Constructionen, wie: „ich anrechne“, „sie fortsetzte ihren Weg“, „er beilegte den Brief“, dem Geiste der deutschen Sprache schnurstracks zuwiderlaufen und auch nicht eben zu angenehm ins Ohr fallen. [Zur Kritik seiner Werke.Buch der Reisen“ (Wien 1842): „Abendblatt“. Von Theodor Hell. Literaturblatt, 1842, S. 693. – „Gedichte“ (1864): „Blätter für literarische Unterhaltung“, 1864, S. 832. – „Grafenpfalz“, [14] zwei Bände (1862): „Wiener Zeitung“. Abendblatt, 1861, Nr. 192. Von H.(ieronymus) L.(orm). – „Große Herren, kleine Leute“, zwei Bände (1877): „Dichterstimmen aus Oesterreich-Ungarn“, 1877, S. 15. – „Humoristische Novellen“ (Wien 1841): „Rosen. Literaturblatt“. 1842, Nr. 7. – „Gesellschafter“. Herausgegeben von Gubitz. Literarische Blätter. 1841, Nr. 27. – „Literaturblatt“. Von Menzel. 14. März 1842, Nr. 28. – „Ironie des Lebens“, Novelle (Wien 1841): „Literaturblatt“. Redigirt von Ad. Menzel. 30. August 1841, Nr. 88. – „Abendblatt“. Von Theodor Hell. Literaturblatt. 1842, S. 717; 1848, Nr. 37. – „Der moderne Eulenspiegel“, Roman (1846): „Sonntagsblätter“. Redigirt von Ludw. Aug. Frankl, 1846, Beilage Nr. 28. – „Novellen“, zwei Theile (Wien 1835): Witthauer’s „Wiener Zeitschrift“. 1835, S. 127. – „Sünder und Thoren“, Roman, zwei Bände (1875): „Neue Freie Presse“, 9. Februar 1875, Nr. 3756.]
III. Tschabuschnigg als Politiker, Staatsmann and Parlamentarier. Wir müssen einen Mann, welcher den höchsten Posten, den ein Staatsbürger eben als solcher im Staate bekleiden kann, nämlich den Ministerposten eingenommen hat, auch als Politiker und Staatsmann näher betrachten, denn nur so gewinnen wir das volle Bild des Menschen, des Poeten und Staatsbürgers. Schon im Vormärz unternahm Tschabuschnigg, so gewagt es war, Streifzüge auf das Gebiet der Politik, und er hatte auch hier einen klaren, ungetrübten Blick und sah die Dinge nichts weniger als mit Beamtenaugen, die oft nicht über eine Spanne hinaus sehen, manchmal – was jedoch selten ist – nicht sehen wollen. Hören wir, wie er die Behauptung, daß kein mächtiges wälsches Reich zu Stande gekommen sei, widerlegt. „Wenn man gegen Italien“, schreibt Tschabuschnigg in seinem „Modernen Eulenspiegel“, „diesen Vorwurf erhebt, so vergißt man Rom, sowohl das alte, sowie das päpstliche. Unbillig und der Geschichte geradezu widerstreitend wäre es aber, wenn man die weltliche Macht alle Jahrhunderte hindurch an ein Stück Land gefesselt wissen wollte; sie hielt durch die ganze Weltgeschichte ihren langsamen majestätischen Umzug, von jenen frühesten Weltreichen des Orients bis in das westlichste der Franken und von da wieder rückwärts nach Osten. Jedes hat viel Blut gekostet, und wenn es seine Sendung erfüllt hatte, war es zusammengesunken, und der Schauplatz mußte durch Jahrhunderte brach liegen, um wieder zu erstarken. Langsam ändern sich die Phasen der Weltgeschichte, ganze Generationen vermögen oft das Räthsel eines kaum merkbaren Zwischenschrittes nicht zu begreifen. Große Reiche sind überdies kein Glück für das Menschengeschlecht, das Eigenthümliche, die Selbständigkeit der Völker und der Individuen geht darin unter, Bundesstaaten sind das günstigste Element der Entwickelung und des Fortschrittes, in ihnen findet die edelste Freiheit, das bleibendste Glück seinen Wohnsitz. Frankreich und Deutschland gingen darin gerade die entgegengesetzten Wege: dort zwangen die Könige die freien Städte und die mächtigen Großen in das Band eines einigen Staatskörpers, hier emancipirten sich die Barone und wurden selbst zu Königen; aber mit wie vielem Blute, mit dem Verluste wie viel edler Kräfte hat das schöne Frankreich diese Einheit erkauft, wie wenig Glück hat es sich für den täuschenden Traum ruhmvoller Macht eingehandelt, während Deutschland in naturgemäßer Entfaltung einer schönen Zukunft entgegengeht. Wohl strebten einst auch die römisch-deutschen Kaiser eine Weltmonarchie zu stiften, aber so wie sie an der Größe ihres Planes scheiterten, so wußte auch der kleinste deutsche Ritter sich auf seinem Felsenneste frei zu halten; den Verrath und den Henker wollten die edlen Fürsten aber nicht zu ihren Kämmerlingen, und ritterliche Haft, nicht das Blutbeil war das Geschick der Besiegten. Gerade, daß die Hohenstaufen Deutschland und Italien ihrer Macht unterwerfen wollten, rettete beide; mit einem allein wären sie sicher zu Stande gekommen. In schönerem Sinne ging ihre Erbschaft auf Oesterreich über, das mit Recht den doppelten Adler im Schilde führt; er deutet auf ewige Versöhnung Deutschlands und Italiens. Die edelsten und die glücklichsten Völker lebten zu allen Zeiten in Bundesstaaten, die Griechen, die Deutschen, die Schweizer, die Nordamerikaner; das ist auch die Zukunft Italiens, und Oesterreich dürfte zur Einleitung berufen sein. Ein italienischer Bund, ein italienischer Zollverein! Das wären die Bürgen seiner Einheit, seines Glückes, und Oesterreich verbände dann den schönen südlichen mit dem deutschen Bunde. Die Zuckungen verirrter Bestrebungen verlören sich, alle edlen Kräfte [15] wären mit einem Male der guten Sache gewonnen, wenn erst eine klug bedenkende und rasch wirkende Bundesversammlung das Wohl Italiens überwachte; die Zersplitterung löste sich in Einheit, und diese Einheit ließe dennoch allen löblichen Sonderheiten und Bestrebungen Raum. Die beiden Staatenbünde bildeten dann den Kern von Europa. Mögen immerhin die umgebenden Randreiche in ihrer kostspieligen Einheit fester und schlagfertiger dastehen, unverletzlich wäre auch der doppelte große Bund, ihm bliebe Europa’s gesetzgebende Gewalt vorbehalten, jenen die ausführende“. Man sieht, Tschabuschnigg war kein politischer Träumer, nicht Utopien plante sein Kopf, sondern, schon fast vor vier Jahrzehnten, Dinge, deren Verwirklichung die Gegenwart anstrebt. Doch das waren Ansichten, die er in seinen Werken aussprach, und die sich ganz gut lesen lassen. Wir müssen ihm auf den parlamentarischen Boden, auf welchem er lange Jahre gestanden, folgen und sein Verhalten dort näher ins Auge fassen. Tschabuschnigg war eines der thätigsten Mitglieder des Abgeordnetenhauses, welchem er vom Beginne der Verfassung bis 1870 angehörte, worauf er ins Herrenhaus berufen wurde. Er war Mitglied der wichtigsten Ausschüsse, und leitete insbesondere als Obmann die langwierigen Berathungen über das Strafgesetz und über die Strafproceßordnung. Bis Schluß des Jahres 1868 hielt er im Abgeordnetenhause 22 längere Reden; er betheiligte sich bereits an der ersten Adreßdebatte am 11. Mai 1861 und dann auch an den folgenden vom 5. Juni 1863 und 3. Juni 1867 und kennzeichnete darin seinen Standpunkt als entschiedener Anhänger der Verfassung und der Reichseinheit; am 29. Mai 1861 sprach er zu Gunsten der Competenz des Reichsrathes gegenüber den Landtagen. Er betheiligte sich an den meisten Debatten über Justizgegenstände, so sprach er in der Sitzung vom 5. September 1861 über Justiz-Organisation, am 18. und 20. November 1861 über den Schutz des Briefgeheimnisses; am 18. Februar 1862 über Geschwornengerichte in Preßsachen; am 16. Juli 1867 für Abschaffung der Todesstrafe, am 31. März 1868 über die Concursordnung; am 20. Mai 1868 über die Disciplinarbehandlung der richterlichen Beamten. Seine Rede über die Todesstrafe wurde mit lebhaftem Beifalle aufgenommen; schlagend wirkte insbesondere das Motiv, das er von der Unsicherheit in den Begnadigungsanträgen hernahm; er sagte: „Ja, soweit die Begnadigung ein Ausfluß der Majestät ist, steht uns die Frage durchaus nicht zu, warum ein einzelner Verbrecher hingerichtet, ein anderer begnadigt wurde. Allein nach der Natur der Sache ist es in einem großen Staate nicht möglich, daß der Staatschef die bezüglichen Strafprocesse selbst durchstudire, er muß sich bei seinen Begnadigungen auf die Darstellungen und Anträge der dazu berufenen Personen und Behörden verlassen können. ... Die thatsächlichen Umstände der einzelnen Verbrechen, die Motive derselben sind oft so verwirrt, daß der Begnadigungsantrag – verzeihen Sie mir das einigermaßen frivole Wort – zur Geschmackssache wird. ... die zufällige Zusammensetzung des Senates, in welchem der Begnadigungsantrag zum Vortrage kommt, ist von entscheidendem Einflusse für das Schicksal dieses Antrags. Die Auffassung des Referenten, seine Darstellung sind zunächst maßgebend und endlich auch die Auffassung der einzelnen Votanten und ihre augenblicklichen Stimmungen. ... Meine Herren, ich glaube, daß in der Thatsache, daß die Anträge auf Begnadigung von Persönlichkeiten, von Stimmungen, von Auffassungen abhängen, ein sehr gewichtiger Grund für die Abschaffung der Todesstrafe liege. ...“ – Als Berichterstatter über das Justizbudget entrollte er in seinen Reden vom 12., 14. und 17. Mai 1862 eine Reihe werthvollster statistischer Daten über die Justizzustände aller Culturstaaten unter steter Vergleichung mit unseren österreichischen Verhältnissen; er setzte die Resolution durch, daß bei der nächsten Organisirung die Justizbeamten in Oesterreich finanziell günstiger gestellt werden sollten, und erwirkte gleichzeitig für die minder besoldeten Gerichtsadjuncten eine Zulage von je 100 fl. In der Sitzung vom 4. November 1863 stellte er, ebenfalls als Referent des Justizbudgets, den Antrag auf Zulage von 25, rücksichtlich 15 Percent für alle Justizbeamten minderer Gehaltstufen, welchen Antrag das Abgeordnetenhaus in der Sitzung vom 1. December in der veränderten Fassung annahm, daß jeder Conceptsbeamte der Gerichte, rücksichtlich der Staatsanwaltschaften, einschließlich die Landesgerichtsräthe, eine Zulage jährlicher 150 fl. erhalten solle. Der damalige Justizminister Dr. Hein bekämpfte beide Anträge und behauptete, daß der Aushilfsfond in [16] dieser Richtung vollständig ausreiche. Tschabuschnigg führte dagegen an: „Die Organisation des Jahres 1854 hat den einzelnen richterlichen Beamten in eine mißliche finanzielle Lage versetzt, in eine mißlichere, als die anderer österreichischer Beamten. ... Bezahlung seiner Arbeit verlangt der Beamte, aber nicht eine Prämie seiner Noth. ... die organisirte Unterstützung aus dem Aushilfsfonde würde den ganzen Stand demoralisiren“. Nachdem er eine neue Reihe statistischer Daten angeführt hatte, schloß er: „Plato sagt: es liegt etwas Göttliches in den Zahlen, und der Logik der Zahlen können sich auch Minister nicht entziehen“. Das Ministerium hat dem Beschlusse des Abgeordnetenhauses vom 1. December 1863 damals zwar keine Folge gegeben; gleichwohl ist in jenen Anträgen und Debatten der erste Grund für die verbesserte finanzielle Lage der Justizbeamten zu finden. – In der Sitzung vom 2. October 1862 plädirt Tschabuschnigg für den Grundsatz, daß, wenn sich über eine Ausgabe des Budgets die beiden Häuser des Reichsrathes nicht zu einigen vermögen, nur die mindere Ziffer als vom Reichsrathe bewilligt angesehen werden könne, weil diese auch von dem freigebigeren Hause als implicite bewilligt anzusehen sei. – In der Sitzung vom 17. Juli 1863 spricht er über die Errichtung der Staatsschulden-Controlcommission; in der Sitzung vom 27. November 1862 über Erhöhung der directen Steuern. – Sehr energisch war seine Rede vom 29. April 1865 gegen Bewilligung des Dispositionsfondes. „Das Abgeordnetenhaus“. sagte er, „hat bei Gelegenheit der Adreßdebatte eine Reihe von Gegenständen hervorgehoben, in welchen die Auffassungen des hohen Ministeriums mit den seinigen in Widerspruch stehen, und hat in gewisser Weise zur Umkehr von bedenklichen Bahnen gemahnt. Das hohe Haus dürfte sich aber nicht in der Lage befinden, einen Fall zu entdecken, in welchem das Ministerium seitdem dem ernsten Mahnrufe des Hauses nachhaltige Rechnung getragen hat. Sollten sich nun die damals gehaltenen Reden über den Werth akademischer Vorträge erheben, so muß das Haus darauf jene Thaten folgen lassen, zu denen es nach der Verfassung berechtigt und in einem Falle wie der vorliegende, auch verpflichtet ist. Die geheimen Fonde sind jener Theil des Ausgabebudgets, welchen die Parlamente, ohne seine Verwendung genauer zu kennen, lediglich als ein Zeichen der Zustimmung zu den. Richtungen des Ministeriums bewilligen. So lange nun das Ministerium der Majorität des Hauses gegenüber eine Stellung festhält, welche man in constitutionellen Staaten als eine normale nicht bezeichnen kann, so lange sind wir auch nicht in der Lage, dem hohen Ministerium ein Vertrauensvotum in Ziffern zu ertheilen. Der zweite Grund dieses Abstrichs liegt in den geringen Erfolgen und Wirkungen, welche bisher durch den allgemeinen Dispositionsfond erzielt wurden. ... Was haben alle die officiösen Journale, Correspondenzen und hospitirenden Artikel im Interesse unseres Vaterlandes bisher geleistet? Offenbar sehr wenig. ... Es gewann den Anschein, als sollten alle die kostspieligen Leitartikel und Notizen nicht so sehr im allgemeinen Interesse, als in dem einzelner Persönlichkeiten thätig sein. ... Alle die schönen Artikel voll wechselseitigen Lobes, welche die subventionirten Journale bringen, sind am beliebtesten bei ihren eigenen Verfassern und bei deren Gönnern und Kanzleiverwandten und bringen noch die Gefahr mit sich, daß sich durch das häufige Lesen derselben in jenen Kreisen der Glaube an die eigene Vortrefflichkeit und an die allgemeine Befriedigung festsetzt. Damit aber wird die Selbsterkenntniß, der Beginn der Weisheit, nicht gefördert. ... Und dennoch sollen wir eine halbe Million Gulden für ministerielle Luxusartikel bewilligen?“ – In der Sitzung vom 3. Mai 1865 sprach Tschabuschnigg über die Höhe des Militärbudgets: „Man hat behauptet, daß eine Bloßlegung der finanziellen Bedrängniß Oesterreichs nicht patriotisch wäre; sie ist aber sehr patriotisch, denn es wurden zugleich die höheren Mittel der Abhilfe gegeben: Sparsamkeit und Wiedererstarkung der Quellen des Volkswohlstandes. ... Es mag sein, daß, vom rein militärischen Standpunkte aus betrachtet, es wünschenswerth wäre, um und durch Oesterreich eine Festungsbarriere zu ziehen, die Bewaffnung der Armee nach jeder neuen Erfindung wieder völlig umzugestalten, ja selbst den gegenwärtigen Stand der Armee noch um ein Bedeutendes zu erhöhen. Allein die Grenze der Möglichkeit muß für vernünftige Männer jederzeit auch die Grenze der Wirklichkeit sein. Wir können nun einmal die Fonde für ein so hoch gestelltes Militärbudget nicht mehr aufbringen. Die Opfer, welche wir hiefür in einer Reihe von Jahren brachten, haben zum großen Theile den hohen [17] Stand unserer Staatsschuld verursacht; wir bezahlen in deren Verzinsung und Amortisirung noch heute die Armeen der Vergangenheit. ... Man muß zum richtigen Grundsatze zurückkehren, daß so wie das Beamtenthum auch die Armee nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zwecke sei. ... So wie der Einzelne nicht nöthig hat, immer mit gespanntem Revolver in Bereitschaft zu stehen, so ist auch die Permanenz der vollen und halben Kriegsbereitschaft für die Staaten keine Notwendigkeit. ... Die Großmachtstellung eines Staates beruht nicht allein auf der Schlagfertigkeit seiner Armee und Flotte. Die Großmachtstellung eines Staates ist, abgesehen von dem Fundamente an Land und Leuten, bedingt durch den Wohlstand und die Zufriedenheit der Staatsangehörigen, sie ist bedingt durch den blühenden Zustand seiner Landwirthschaft, seiner Industrie und seines Handels, durch den Grad der Cultur und durch geregelte Finanzen; sie ist bedingt durch die Vortrefflichkeit seiner Justiz. seiner Verwaltung und seiner übrigen Staatseinrichtungen und durch das gehörige Maß seiner gesetzlichen Freiheit, welche allen Staatsangehörigen gewährleistet ist. ... Endlich muß das Armeebudget bedeutend reducirt werden, damit die Armee schlagfertig sei – zu rechter Zeit. Der bewaffnete Friede, meine Herren, ist eine chronische Krankheit, an der die Völker noch sicherer dahinsiechen, als an der acuten des Krieges. Der bewaffnete Friede demoralisirt die Armee. ... Beginne mit der Entwaffnung der Klügste oder der es am meisten bedarf, gleichviel, wer es aber that, der wird als der größte Sieger des Jahrhunderts verherrlicht werden“. In der Sitzung vom 16. Juni 1865 sprach er für die freisinnige Auslegung des §. 13 des Staatsgrundgesetzes. – Als Minister hielt er im Herrenhause am 17. November 1870 eine längere Rede, in der er die Anschuldigung, daß unter dem Ministerium Potocki Anarchie einreiße, energisch zurückwies. „Wo Ausschreitungen stattfanden, gegen welche der Regierung Zwangsmittel zu Gebote standen, ist sie auch eingeschritten. Es wurden Vereine aufgelöst, Versammlungen untersagt, sie hat Beschlüsse autonomer Körperschaften sistirt, und überall, wo ein strafbarer Inhalt zu Tage trat, sind die Staatsanwaltschaft und die Gerichte eingeschritten. ... Anarchie ist ein sehr böses Wort, und ohne bestimmte thatsächliche Beweise sollte man es nicht in die Welt hinausschleudern. ... Im constitutionellen Staate muß man auch die Consequenzen acceptiren. Wir besitzen das Vereinsrecht, das Versammlungsrecht, die Preßfreiheit; die Parteien sind berechtigt, sich nach ihrem Belieben zu bilden und Wahlagitationen in Scene zu setzen. Die Regierung ist jedenfalls nicht in der Lage, den Zwiespalt der Parteien im Verordnungswege zu beseitigen. Dieser Zwiespalt bestand aber zur Zeit der Auflösung des Abgeordnetenhauses (unter dem früheren Ministerium) in weit höherem Grade als gegenwärtig, jetzt sind im Abgeordnetenhause alle Kronländer vertreten – damals waren aus demselben die Vertreter von acht Kronländern ausgetreten. – Als Mitglied des Herrenhauses sprach Tschabuschnigg in der Sitzung vom 14. Jänner 1871 gegen die außerordentliche Berufung und Beschwerde wider gerichtliche Entscheidungen in Strafsachen; in der Sitzung vom 5. März 1872 für die unmittelbaren Wahlen in das Abgeordnetenhaus. „Dieses, als ein Theil der Reichsvertretung, darf in seinem Bestande und in seiner Thätigkeit nicht von den Landtagen abhängig sein, wenn die Verfassung nicht einer fortdauernden Gefahr ausgesetzt sein soll. ... Die sicherste Abhilfe gegen diese Uebelstände ist die Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen in das Abgeordnetenhaus, weil dann jedenfalls die Minorität der einzelnen Wahlkörper in der Lage sein wird, wenn auch die Majorität nicht in das Abgeordnetenhaus wählen will, ihre Abgeordneten dahin zu entsenden. ... Das Ministerium Potocki hat in sein Programm die allgemeinen unmittelbaren Reichsrathwahlen aufgenommen. Es hat beabsichtigt, die bezügliche Regierungsvorlage allsogleich im Reichsrathe einzubringen, allein auch hervorragende Mitglieder der linken Seite des Abgeordnetenhauses sprachen damals die Ansicht aus, daß die Abänderung des Wahlgesetzes für dasselbe in erster Reihe in die Competenz der Landtage falle. Ich habe diese Ansicht weder damals getheilt, noch theile ich sie heute. ... Wäre diese Competenzfrage aber auch nur einigermaßen zweifelhaft, so würde die Staatsnothwendigkeit dafür sprechen, sie zu Gunsten der Reichsgesetzgebung zu entscheiden, die Staatsnothwendigkeit nämlich: die Verfassung aufrecht zu erhalten. ...“ In den Sitzungen vom 18., 19. und 20. Februar und 18. April 1873 fungirte Tschabuschnigg im Herrenhause als Berichterstatter [18] über die Strafproceßordnung und hatte die Genugthuung, daß dieses Gesetz, an dem er in allen Stadien der Vorarbeiten mitgewirkt, endlich zu Stande kam. In der Sitzung vom 10. April 1874 hielt er eine längere Rede über Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche dem Staate gegenüber. Er sagte unter Anderem: „In den Wirkungskreis der Kirche fällt das Dogma, der Glaube, die Frömmigkeit und das Gewissen; in den Wirkungskreis des Staates die Gesetze über die äußeren Rechtsverhältnisse und Handlungen der Kirche, die Entscheidungen nach den Gesetzen und nöthigenfalls die zwangsweise Durchführung dieser Entscheidungen. Es ist nie wohlgethan, wenn Staat oder Kirche sich Uebergriffe in die gegenseitigen Lebensgebiete erlauben. So wie Frömmigkeit und Religion sich nicht nach staatsrechtlichen Kategorien theilen, ebenso soll auch der Staat seinerseits sich zu keiner Confession bekennen, er soll confessionslos sein. ... Der Staat hat das Recht und die Pflicht, alle Angriffe irgend einer Kirche zurückzuweisen. Wenn man der Quelle der Bündnisse zwischen Staat und Kirche (Concordate) vorurtheilslos nachforscht, so kommt man zur Erkenntniß, daß mitunter nicht die Sorge für die Wohlfahrt der Staatsbürger und auch nicht die Sorge für Frömmigkeit und Religion den Grund dazu gelegt haben, sondern daß die Absicht dahin geht, die beiderseitigen Angehörigen zwischen die doppelte Schraube des Staates und der Kirche zu legen, um sie desto ergiebiger und nachhaltiger auspressen zu können. ... Dem Staate muß es freistehen zu erklären, daß er sich an ein Concordat dann nicht mehr gebunden halte, sobald er darin etwas entdeckt, das für das Wohl des Staates, für die geistige Entwickelung der Staatsbürger schädlich oder gefährlich ist.“ Bezüglich der Ehe bemerkt Tschabuschnigg in dieser Rede: das Sacrament falle ganz in das Gebiet der katholischen Kirche, die giltige Schließung der Ehe in den Wirkungskreis des Staates. – Als Minister erklärte er sich auf das entschiedenste für strenge und bewaffnete Neutralität im deutsch-französischen Kriege und stimmte gegen gesteigerte Ansätze im Budget des Krieges und der Landwehr. Er befürwortete die direkten Wahlen ins Abgeordnetenhaus und wirkte bei jeder sich darbietenden Gelegenheit für Aufhebung des Concordates, das bekanntlich während des Ministeriums Potocki für hinfällig erklärt wurde. [Aus den stenographischen Sitzungsberichten des Abgeordneten- und Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes.]
IV. Porträte und Chargen. 1) Porträt. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Tschabuschnigg“. M. Stohl del. C. Kotterba sc. (8°. und 4°.). – 2) Charge. Im „Floh“ vom 24. April 1870, Nr. 17. Klič del. J. Tomassich sc. – 3) Im Besitze der Tochter des Verewigten befinden sich außerdem: ein Oelbild, das ihren Vater als zehn- bis zwölfjährigen Knaben vorstellt; – 4) des Malers Stohl Aquarell, nach welchem der obige Kupferstich von Kotterba ausgeführt ist; – 5) ein Bildniß von Maler Pötl. Brustbild nach vergrößerter Photographie, im Jahre 1867 gemalt. Sprechend ähnlich. – 6) Holzschnitt in Heinrich Kurz’ „Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart“ (Leipzig 1872, Lex.-8.). Sehr ähnlich.
V. Denkmal für Tschabuschnigg. Im Jahrbuche „Die Dioskuren“, wie auch in der „Neuen Freien Presse“, dann in einem besonderen Aufrufe, der im Sommer 1882 (in Klagenfurt bei Leon gedruckt) erschien, regte Ludwig August Frankl den Gedanken an, dem Dichter in dessen Vaterlande Kärnthen ein Denkmal zu errichten. Er bezeichnet Tschabuschnigg als den ersten und hervorragendsten deutschen Dichter in Kärnthen – das ja sonst nur noch zwei namhafte Poeten Paul Renn [Bd. XXV, S. 291] und Vincenz Rizzi [Bd. XXVI, S. 205] aufzuweisen hat. Tschabuschnigg zählt überdies zu den ältesten edlen Geschlechtern seines Vaterlandes, vertrat dasselbe jahrelang als freisinniger Abgeordneter im Landtage, war ein sehr thätiges Mitglied des Abgeordneten-, zuletzt des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes und wirkte, wenngleich nur kurze Zeit, als Minister der Justiz. Genug Momente, die ihn würdig machen, daß sein Andenken durch ein öffentliches Denkmal lebendig erhalten werde. Die Kärnthner haben ja ihrem Landeskinde, dem Bildhauer Gasser, welchem Tschabuschnigg als Poet und Staatsmann gewiß nicht nachsteht, in Villach eine Statue gesetzt; und der Klagenfurter Gesangverein hat dem trefflichen Musiker Herbeck, der nicht einmal ein Kärnthner, sondern ein geborener Wiener ist, eine Büste in der Nähe von Tschabuschnigg’s [20] Villa errichtet, aus keinem anderen Grunde, als well er einmal im Park weilte und die Gesangsvorträge lobte; es ist also nur mit Freude die Nachricht zu begrüßen, daß das Land seinen Sohn durch ein Denkmal zu ehren beschlossen hat. Man schwankt nur in der Wahl des Ortes, da Einige des Dichters Geburtsstadt Klagenfurt, Andere aber Pörtschach, wo derselbe eine Villa besaß, in welcher er in seinen letzten Lebensjahren den Sommer über sich aufzuhalten pflegte, für Errichtung des Denkmals in Aussicht genommen haben. Ob nun Klagenfurt, ob Pörtschach, das ist einerlei, die Hauptfache bleibt immer die, daß dem Manne, auf den sein Vaterland mit gerechtem Stolze blicken kann, das werde, was ihm gebührt, und was eine die Bevorzugten dieser Erde heiligende Sitte heischt. [Aufruf (Klagenfurt 1882). Unterzeichnet von L. A. Frankl, A. Grafen Goëß, P. Freiherrn von Herbert, A. Ritter von Hye, G. Ritter von Jessernigg, G. Freiherrn von Kübek, L. Ritter von Moro und H. Fürsten Rosenberg.]
Vl. Zur Genealogie der Ritter von Tschabuschnigg. Diese Familie erscheint zuerst in Oberkärnthen, wo sie Eisen- und Stahlhandel mit Venedig trieb, auch einige Eisen- und Bleigewerkschaften besaß und mehrere Generationen hindurch die gräflich Ortenburg’schen Besitzungen verwaltete. Unsere Stammtafel beginnt mit Paul Tschabuschnigg (geb. 1637, gest. 1710), dem gräflich Ortenburg’schen Verweser zu Kreuzen, der durch seine Gemalin Ursula geborene von Pergen der Stammvater beider noch blühenden Linien, der österreichischen und bayrischen, ist. Pauls Söhne: Paul Christoph, Johann Adam, Johann Baptist, Georg Wolfgang, Franz Johann, Sigmund wurden mit „Beibehaltung ihres althergebrachten Wappens“ wegen Betreibung gemeinnütziger Gewerk- und Handelsschaften, wegen ersprießlicher Lieferungen an die österreichische Armee in Italien während des spanischen Erbfolgekrieges, wegen Verwandtschaft mit altadeligen Häusern, insbesondere mit den Freiherren von Pergen und Ruebland, dann wegen Verwendung als Baurichter des Herzogthums Kärnthen von Kaiser Karl VI. ddo. Wien 10. Juli 1715 in den Reichsritterstand erhoben. Von diesen sechs Brüdern wanderten zwei, Paul Christoph und Sigmund, nach Bayern aus. Da sie mit Italien ausgebreiteten Eisen- und Stahlhandel trieben, so fingen sie an, ihren Namen der leichteren Aussprache wegen statt mit dem zusammengesetzten Tsch mit dem einfachen Z: Zabuesnigg zu schreiben, welcher Schreibweise die in Bayern blühende Linie noch zur Stunde sich bedient. Paul Christoph und Sigmund blieben ohne Descendenz, sie beriefen daher ihres Bruders Johann Adam Sohn Christoph Balthasar nach Bayern, und dieser wurde der Begründer der bayrischen Linie Zabuesnigg. Um bei veränderter Schreibweise des Namens ihren Zusammenhang mit der österreichischen Linie evident zu halten, ließen sie sich von Kaiser Karl VI. mit weiterem Diplome vom 19. Marz 1728 ihren bereits erworbenen Adel bestätigen. Die Mitglieder der österreichischen Linie erhielten im Jahre 1762 die Landmannschaft in Kärnthen. Ihre Stammesfolge und ihr heutiger Familienstand ist aus der beigegebenen Stammtafel ersichtlich.
VII. Wappen. Quadrirter Schild. 1 und 4: in Schwarz ein goldener goldgekrönter einwärtsschreitender Löwe, in den Vorderpranken einen goldenen Stern haltend; 2 und 3: in Gold drei (zwei über einer) blaue Lilien. Auf dem Schilde ruht der Turnierhelm, aus dessen Krone sich ein offener, rechts von Schwarz, über Gold, links von Gold über Blau getheilter Flug erhebt, dem der goldene Löwe mit dem Sterne eingestellt ist. Helmdecken. Rechts blau, links schwarz, beiderseits mit Gold unterlegt.
VIII. Quellen zur Biographie. Album österreichischer Dichter (Wien 1850, Pfautsch und Voß, 8°.) I. Serie, S. 303–332: „Biographie“. Von F. E. Pipitz. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1877, Nr. 4624. – Brümmer (Franz). Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mitheilungen über Dichter aller Zeiten. Mit besonderer Berücksichtigung der Gegenwart (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung, 4°.) Bd. II, S. 437 [nach diesem geb. am 9. Juli 1809, was unrichtig ist]. – Carinthia (Klagenfurt) 68. Jahrg. (1878), S. 51–65. Von Paul Freiherrn von Herbert. – Constitutionelle Bozener Zeitung (Bozen, 4°.) 1870, Nr. 86: „Der neue Justizminister“. – Constitutionelle Vorstadt-Zeitung (Wien) 1870, Nr. 112, im Feuilleton: „Sonntagsplaudereien“. Von Hesperus. – [21] Deutsche Monatschrift aus Kärnthen. Redigirt von Vincenz Rizzi (Klagenfurt, 8°.) 1850, Nr. 6, S. 195 [nach dieser geb. am 20. Juli 1804, was unrichtig ist, denn Tschabuschnigg ist im Jahre 1809 geboren]. – Dieselbe, Nr. 9, S. 277: „Zur Berichtigung“. – Frankl (Ludwig August). Sonntagsblätter (Wien 1844, Pfautsch und Comp., 8°.) III. Jahrg S. 896. – Gedenke Mein. Taschenbuch (Wien, Pfautsch und Voß, 12°.) 1842: „Biographie“. – Gottschall (Rudolph). Die deutsche Nationalliteratur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Literarhistorisch und kritisch dargestellt (Breslau 1861, Trewendt, 8°.) Bd. III, S. 126 und 688. – Herbert (Paul Freiherr). Adolph Ritter von Tschabuschnigg. Biographische Skizze (Klagenfurt und Villach 1878, Ed. Liegel, 26 S., 8°.) [die frivole Darstellung des „gelesensten Wiener Blattes“, sein Titel ist nicht genannt, energisch widerlegend und an vielen Stellen berichtigend]. – Hermann (Heinrich). Handbuch der Geschichte des Herzogthums Kärnthen in Vereinigung mit den österreichischen Fürstenthümern (Klagenfurt 1860, J. Leon, 8°.) Bd. III, Heft 3: „Culturgeschichte Kärnthens vom Jahre 1790 bis 1857 (1859) oder der neuesten Zeit“, S. 160, 163, 203, 233 u. 235. – Kärnthner Blatt (Klagenfurt, 4°.) 1870, Nr. 33, im Feuilleton: „Der neue Justizminister“. – Kehrein (Joseph). Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im neunzehnten Jahrhunderte (Zürich, Stuttgart und Würzburg 1871, Leon Wörl, gr. 8°.) Bd. II, S. 213. – Kurz (Heinrich). Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart. Mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig 1872, B. G. Teubner, schm. 4°.) Bd. IV, S. 99. – Mosenthal (S. H. Dr.). Museum aus den deutschen Dichtungen österreichischer Lyriker der frühesten bis zur neuesten Zeit (Wien 1854, C. Gerold und Sohn, 8°.) S. 414. – Morgenpost (Wiener polit. Blatt) 1870, Nr. 103: „Von den neuen Ministern“. – Dieselbe, 1870, Nr. 115, im Feuilleton: „Vormärzliche Lieder“. – Neue Freie Presse (Wien) 14. April 1870, Nr. 2021, im politischen Theile, Rubrik „Inland“, Wien, 13. April: „Die alten und die neuen Minister“. – Dieselbe vom 15. April 1870, Nr. 2022, zweiter Leitartikel: „Der neue Justizminister“. – Dieselbe, 1870, Nr. 2024, im Feuilleton: „Der neue Justizminister als Poet“. Von K. v. Thaler. – Dieselbe, 1870, Nr. 2204, im Feuilleton: „Dichter sind Propheten“. – Dieselbe, 1. Mai 1870, Nr. 2037, der zweite Leitartikel: „Wien, 30. April“. – Dieselbe, 1877, Nr. 4737, Abendblatt und Nr. 4739, Morgenblatt. – Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ. 13. April 1870, Nr. 102: „Das Passions-Ministerium“. – Dasselbe, 1870, Nr. 103, im Feuilleton: „Aus den Liedern des Justizministers“. Von Sigmund Schlesinger. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 430. – Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey-Sing [Hamburg, Hoffmann und Campe], bei Athanasius und Comp., 8°.) S. 40 [entwirft folgende nur in Einigem zutreffende Charakteristik des Dichters: „Interessantes blondes Männchen von mittlerer Größe, etwas aristokratische Manieren, in Gesellschaft sehr angenehm geistreich, aber wenig gesprächig, etwas abgelebt, schwache Leibesconstitution, sehr verliebt und darin sehr erfahren, fatal in der Liebe, fruchtlose Bestrebungen, seine Finanzen durch eine reiche Partie zu verbessern, im Leben offenherzig und ehrenvoll, etwas eingebildet auf seinen Schriftstellerruhm, der beste Novellist in der österreichischen Literatur, Landrechtsbeamter in Triest; Garçon“.] – Presse (Wiener polit. Blatt) 1877, Nr. 303, im Feuilleton: „Alfred (?) Ritter von Tschabuschnigg. Ein Nachruf“. [Tschabuschnigg hieß Adolph, nicht Alfred]. – Der Reichsrath. Biographische Skizzen der Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes u. s. w. (Wien 1861, Fr. Forster und Bruder, 8°.) 1. Heft, S. 51. – Seidlitz (Julius). Die Poesie und die Poeten in Oesterreich im Jahre 1836 (Grimm 1837, J. M. Gebhardt, 8°.) Bd. I, S. 168.
[19]
Stammtafel der Ritter von Tschabuschnigg.
Paul
geb. 1637, † 16. Mai 1710.
Ursula von Pergen †.
Paul Christoph
geb. 17. Mai 1667, †,
wanderte nach Bayern
aus.
Johann Asam
geb. 23. December 1671, †.
Rosine Rohr von Rohrau.

Christoph Balthasar,
Begründer der bayrischen
Linie.
Johann Bapt.
geb. 21. Juni 1673, † 21. März 1729.
Eva Rosine Hüetler †.

Paul Matthias, 1762 Landstand,
geb. 26. Jänner 1765,
† 14. November 1793.
1) Theresia Katharina von Holzmann
† 7. März 1762.
2) Josepha von Leobenegg †.
Georg Wolfgang
geb. 22. April 1673,
† 29. Jänner 1740.
Anna Antonie
von Goldberg †.
Franz Johann
geb. 2. Februar
1686, †.
Sigmund
geb. 2. Mai 1694, †,
wanderte nach
Bayern aus.
N. N. Luidl.
Felix Benedict
geb. 30. October 1742, † 25. Juli 1805.
Ludmilla Cordula von Slupna-Bubna.

Karl Felix
geb. 1781, † 25. April 1837.
Magdalena von Fladung und Forchenhof.
Leonhard Edmund
geb. 7. November 1744, † 18. October 1838.
Elisabeth von Regatschnigg
geb. 3. November 1752, † 17. Jänner 1798.
Franz Xaver
geb. 8. März 1786, † 3. Februar 1874.
1) Henriette Freiin von Kranz † 1840.
2) Rosalie Maier.
Karl Leopold Emanuel
geb. 29. December 1780, † 12. Juli 1848.
Aloisia Hubmerhofer von Sonnenberg
geb. 11. August 1786, † 11. November 1841.
Karl Felix
geb. 31. August 1804, † 31. August 1875.
Agnes Golaverschig.
Eduard
geb. 8. März 1808,
† 6. Februar 1868.
Maria Zwatz
geb. 13. Februar 1817.
Ludovica
geb. 21. Mai
1807, † 1860.
Gustav
geb. 4. Nov.
1808.
Johanna
Bettini.
Heinrich
geb. 30. Juli
1819, † 1838.
Adolph Ignaz [S. 3]
geb. 20. Juli 1809,
† 1. November 1877.
Julie Marie von Heufler
zu Rasen und Perdonegg,
Schwester des Botanikers
Ludwig Heufler
[Bd. VIII, S. 450],
geb. 24. Mai 1810,
† 7. October 1867.

Marie Julie
geb. 6. Februar 1847,
vm. Joseph Salvator Ritter
von Thavonat zu Thavon.
Franz Karl
geb. 12. Nov.
1815,
† 25. Nov. 1840.
Gabriel
geb. 24. März
1852.
Josephine
geb. 2. Jänner 1854,
vm. Johann Payk.
Marie
geb. 14. April
1841,
vm. Johann
Leutsche
geb. 4. Sept.
1816.
Eduard
geb. 17. Mai
1844.
Auguste
geb. 17. August
1846,
vm. Heinrich
Schirnhofer
geb. 17. Mai
1828.
Peter
geb. 26. August
1848.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Abendblatt“.