BLKÖ:Stremayr, Karl Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Strele, Karl
Band: 40 (1880), ab Seite: 36. (Quelle)
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Stremayr, Karl Ritter von (Staatsmann, geb. zu Gratz 30. October 1823). In seiner Geburtsstadt besuchte er das Gymnasium, beendete auf der Karl Franz-Universität die juridisch-politischen Studien und promovirte (1846) zum Doctor der Rechte. Da es von allem Anfange in seiner Absicht gelegen, sich dem Lehramte zu widmen, so arbeitete er nach seinem Eintritte in den praktischen Dienst bei der k. k. Kammerprocuratur auf eine Professur des römischen Rechtes hin. Das Jahr 1848 traf den jungen Juristen nicht unvorbereitet. Vom Wahlbezirke Kindberg in Steiermark wurde der kaum großjährig gewordene Bewerber als Abgeordneter in das Frankfurter Parlament entsendet, wo er in der constituirenden Eröffnungssitzung zum ersten Jugend-Secretär gewählt, als solcher bis zu seinem Austritte wirkte. In der Paulskirche nahm er seinen Sitz im linken Centrum, dem Club des „Württemberger Hofes“ sich anschließend, dem auch Robert Mohl, Mittermeier und Pözl[WS 1] aus München, Wurm und Riesser aus Hamburg, Kierulf aus Rostock und die Oesterreicher Giskra, Groß, Makowitzka, Schreiner, Unterrichter und Arneth angehörten. Consequent dem Begriffe einer constituirenden Versammlung, welchen Namen das Parlament sich beilegte, bildete die Anerkennung der souveränen Machtvollkommenheit desselben, mit der weiteren Folge, daß es zur Begründung des deutschen Verfassungswerkes keiner Vereinbarung mit den einzelnen Regierungen bedürfe, das Programm der Partei, zu welcher Stremayr zählte. In der Sitzung vom 26. October 1848 sprach er sich in einer Rede für die Paragraphe 2 und 3 der Reichsverfassung und gegen den Ausschluß, sowie gegen eine Sonderstellung [37] Oesterreichs mit seinen zum deutschen Bunde gehörenden Ländern aus. Als die österreichische Regierung im April 1849 ihre Abgeordneten aus der Nationalversammlung abberief, verließ auch er Frankfurt, und zwar vor der Uebersiedlung derjenigen Deputirten nach Stuttgart, welche noch immer an eine Durchführung der Reichsverfassung dachten. Mit welchem Eifer, mit welchen Hoffnungen war man an die Lösung der längst ersehnten Frage herangetreten, und welch klägliches Ende nahm dieselbe! Aber die Eindrücke, welche Stremayr aus seiner Thätigkeit in dem Parlamente und aus der Berührung mit den Koryphäen der deutschen Nation empfangen, sollten nicht spurlos an ihm vorübergegangen, vielmehr in der Folge für ihn entscheidend sein, auch wirkten sie entwickelnd auf seinen Charakter, bestimmend auf sein politisches Denken. Nach Gratz zurückgekehrt, wurde er, dem ursprünglichen Plane getreu, dem Lehramte seine Thätigkeit zu widmen, im Jahre 1850 Supplent an der Hochschule daselbst. Als aber bald darauf die Schmerling’sche Organisation der Justizbehörden ins Leben trat, kam er zur Staatsanwaltschaft bei der General- Procuratur und blieb in dieser Beschäftigung während der darauffolgenden Jahre, in welchen eine völlige Stagnation des politischen Lebens herrschte. Im Jahre 1860 versah er die Stelle eines Staatsanwalts-Substituten, womit er zugleich jene eines Privatdocenten an der Universität verband. Erst das Jahr 1861 rief auch ihn wieder auf das Feld öffentlicher politischer Thätigkeit. Daß das bisherige Regime auf die Dauer nicht haltbar sei, hatte er gleich vielen Anderen, welche in der Gewährung einer Verfassung und aller aus derselben entspringenden freien Institutionen das einzige Heil für den Kaiserstaat erblickten, längst empfunden, aber den damaligen Gewalten gegenüber war jede Bemühung vergeblich, man mußte sich aufs Abwarten verlegen, und eine Vollkraft wie jene Stremayr’s konnte warten. Als aber das Februar-Patent verkündet, die Landtage und der Reichsrath einberufen worden waren, da erkannte er, daß seine Zeit gekommen, und trat, obgleich erst von schwerer Krankheit genesen, mit vollem Behagen in das öffentliche Leben. Die Stadt Gratz, welche den strebsamen Beamten und Gelehrten längst als Fortschrittsmann erkannt hatte, wählte ihn auch sofort zu ihrem Abgeordneten in den steirischen Landtag, von dem er sogleich in den Landesausschuß aufgenommen wurde. In diesem entfaltete er eine außerordentlich fruchtbare und ersprießliche Thätigkeit. Er besorgte das für die Landesinteressen so wichtige Referat über die Wohlthätigkeits-Anstalten, das Impfwesen, die Zwangsarbeitshäuser und über das Armenwesen, insoweit es durch die Gesetze den Landesfond in Anspruch nimmt. Die ungemein verwickelte Uebertragung der diesfälligen Fonds aus der Verwaltung der Regierung in jene des Landes und die Lösung der mit dieser Arbeit verbundenen oft schwierigen Rechtsfragen waren vornehmlich sein Werk. Als Freiherr von Königsbrunn, der Leiter des Obereinnehmer-Amtes, in den bleibenden Ruhestand sich zurückzog, erhielt Stremayr dessen Stelle und versah dieselbe über ein Jahr hinaus, wodurch er mit den Einzelnheiten dieses Dienstzweiges so vertraut wurde, daß er bei der Organisation des landschaftlichen Cassen- und Centraldienstes einen hervorragenden Einfluß zu behaupten vermochte. Die Rechenschaftberichte des steirischen Landesausschusses, [38] wahre Muster in Anordnung des Materials, in Klarheit der Darstellung und Uebersichtlichkeit des Stoffes, sind aus seiner Feder geflossen. Dabei waltete er seines Amtes als Rath des Gratzer k. k. Landesgerichtes, zu welcher Stellung er mittlerweile befördert worden, wirkte als Prüfungscommissär bei den rechts- und staatswissenschaftlichen Prüfungen und hielt noch Vorträge im juristischen Vereine über die verwickeltsten Fragen des Rechtes und der Gesetzgebung. Als Giskra, Stremayr’s Parteigenosse im Frankfurter Parlamente, das Portefeuille des Innern übernahm, glaubte er eine so energische Arbeitskraft, als welche sich derselbe in der Provinz bewährte, im Centrum des Reiches, in dessen wichtigstem Amte, im Ministerium des Innern, am rechten Platze. Zum Ministerialrathe ernannt, hatte Stremayr vorwiegend Gesetzentwürfe und Verordnungen auszuarbeiten, und er zählte bald nicht minder durch die Humanität, mit welcher er im amtlichen Verkehre auftrat, als durch die Gediegenheit seiner Operate zu den Zierden des Ministeriums. Und so geschah es, daß bei den hochgehenden Wogen der politischen Bewegung in Oesterreich, wo die ungarische Ausgleichsfrage, die Auseinandersetzungen mit Preußen auf der Tagesordnung standen, Stremayr am 1. Februar 1870 mit dem Portefeuille für Unterricht und Cultus betraut wurde, welches er aber damals, wo ein Cabinet dem andern folgte, nur dritthalb Monate, bis 14. April 1870, verwaltete. Hierauf trat er als Hofrath zum obersten Gerichtshof über, doch schon im Mai übernahm er wieder dasselbe Minister-Portefeuille. Als dann am 7. Februar 1871 Graf Hohenwart an die Spitze des Innern gelangte, legte Stremayr sein Portefeuille zum zweiten Male nieder, um Herrn Jireček Platz zu machen. Nach der kurzen Dauer des Ministeriums Hohenwart trat er am 25. November d. J. abermals in seiner früheren Eigenschaft in das neugebildete Cabinet ein. Er blieb Minister des Unterrichts bis zu dem im Frühjahre 1870 erfolgten Rücktritte der Minister Auersperg, Lasser, Glaser und Unger, worauf der zum Minister des Innern ernannte Graf Taaffe mit der Neubildung des Cabinetes betraut wurde. Stremayr führte sein Minister-Portefeuille fort, übernahm aber zu gleicher Zeit als ältester Minister im Dienste den Vorsitz im Ministerrathe. Bei der neuen Reichsrathswahl im Juli 1879 mußte er in seinem früheren Wahlbezirke seinem Gegner, dem Advocaten Magg, der eine Stimme mehr aufzuweisen hatte, weichen, dagegen wurde er bei der Nachwahl eines Reichsrathsabgeordneten aus der ersten Curie des Bukowinaer Großgrundbesitzes an Stelle des zurückgetretenen Landespräsidenten Freiherrn Alesani gewählt. Am 14. August verkündete die „Wiener Zeitung“ das neugebildete cisleithanische Ministerium, in welchem Graf Taaffe zum Minister-Präsidenten und Stremayr zum Justizminister ernannt wurde. Zugleich erhielt Graf Taaffe die Leitung des Ministeriums des Innern und S. jene des Unterrichts. Was Stremayr für das Unterrichtswesen in Oesterreich geleistet, das hier zu schildern, überstiege weit die Grenzen unserer Aufgabe, wobei der Umstand, daß er sich noch im Amte befindet, auch nicht außer Betracht zu lassen ist. Gleich das erste Jahr seiner Ministerschaft kennzeichnet der „Jahresbericht des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht für das Jahr 1870“ (Wien 1871, Staatsdruckerei), in welchem [39] er eine Uebersicht seiner vor Allem in das Volksschulwesen eingreifenden Wirksamkeit darbietet. Aber auch die Mittelschulen, später die Hoch- und Kunstschulen fühlten des Ministers einflußreiche und reformatorische Hand. Er hatte bei seinen Maßnahmen mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen, da das österreichische Schulwesen mit seinen veralteten Schäden und Uebelständen um so mehr ein energisches Eingreifen erforderte, als es oft unter einem Schutze stand, welcher der Omnipotenz des Staates beharrlichen Widerstand entgegensetzte. Auch hat er die Steilung der Lehrer nicht unwesentlich gehoben, aber zugleich die Ansprüche an ihre Leistungen gesteigert. Keine geringe Mühe war es, ein lebendigeres Vaterlandsgefühl durch die Schule zu wecken, denn nicht nur wirkten Einflüsse von außen auf eine Minderung und Verschiebung des österreichischen Staatsgefühls, sondern man überschwemmte förmlich den österreichischen Schulbüchermarkt mit Erzeugnissen auswärtiger deutscher Lehrer, welche gleichsam auf eine Zersetzung des österreichischen Bewußtseins hinarbeiteten und durch Bild und Wort für eine uns fremde Macht warben, als ob das angestammte Regentenhaus gar nicht vorhanden wäre. Es war keine leichte Aufgabe, diesen mit hinterlistigen Absichten gehegten Augiasstall auszumisten, und nach dieser Richtung hat er Großes geleistet und, ohne Herabsetzung anderer Gefühle, die Regungen des österreichischen Patriotismus geweckt und gepflegt. Schließlich sei noch bemerkt, daß er still, aber sicher und ohne einen ostensiblen Conflict hervorzurufen, die neuen Kirchengesetze durchgeführt hat.

Neues Fremdenblatt (Wien, 4°.) 1870, Nr. 34 [nach diesem geboren im Jahre 1826]. – Neue freie Presse, 1869, Nr. 1591, in der „Correspondenz aus Graz ddo. 28. Jänner“. – Dieselbe, 12. Juli 1871, Nr. 2470, in der Rubrik „Unterrichtszeitung“: „Stremayr’s Jahresbericht“. – Dieselbe, 1871, Nr. 2536: „Correspondenz aus Leibnitz ddo. 14. September“. – Dieselbe, 26. November 1871, Nr. 2607. – Schulzeitung für Innerösterreich. Herausgegeben vom Gratzer Lehrervereine (Gratz, 4°) III. Jahrg. (1870), Nr. 5: „Unterrichtsminister Dr. Karl von Stremayr“. – Ueber Land und Meer. Allgemeine illustrirte Zeitung (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) XXIV. Bd. (1870), Nr. 31. – Laibacher Zeitung, 9. Juli 1870, Nr. 153: „Schreiben des Unterrichtsministers von Stremayr“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.), 1874, Nr. 296, S. 4588: „Aus Oesterreich“. – Dieselbe, 1873, Nr. 180, Seite 2824: „Aus Oesterreich“. – Dieselbe, 1875, Nr. 317: Correspondenz aus Wien ddo. 10. November. – Dieselbe, 1879, Nr. 35, Beilage: „Herr von Stremayr und die Mittelschul-Reformen“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 15. März 1879, Nr. 1863: „Dr. von Stremayr“.
Porträte. 1) Unterschrift: „Karl Ritter v. Stremayr, Vorsitzender im österreichischen Ministerrathe“. Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. – 2) Unterschritt: „Dr. Karl v. Stremayr, Minister des Cultus und Unterrichts in Oesterreich“. Originalzeichnung von Fritz Kriehuber E(d.) H(allberger’s) X(yl.) A(nstalt) in „Ueber Land und Meer“, XXIV. Band, Nr. 31.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pölzl.