Die Gartenlaube (1863)/Heft 52

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1863
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[817]
Der Kurfürst und der Geldfürst.
Novelle von Louise Mühlbach.
(Schluß.)

Der Landgraf hatte mit abgewandtem Gesicht dagestanden; als Gudula und Mayer Anselm über die Schwelle dahinschritten, sprang er vorwärts, zur Thür hin, aber dann blieb er stehen, seine Hände klammerten sich um den Thürpfeiler, als wolle er sich selber zwingen, nicht weiter zu gehen, ein schwerer Seufzer rang sich aus seiner Brust hervor und Thränen entströmten seinen Augen, Thränen des Zornes, der Beschimpfung und der gekränkten Eigenliebe.

Hand in Hand, mit beflügelten Schritten, war das junge Paar indeß durch den Garten dahingegangen. Niemand hiel sie auf, Niemand sah sie; der Mond schaute groß und glänzend auf sie nieder, beleuchtete ihren Pfad, zeigte ihnen die kleine Pforte, durch die Mayer Anselm eingetreten war, und geleitete sie freundlich und schützend auf ihrem weiten einsamen Wege.

Sie sprachen Beide nicht, ihre Herzen waren zu voll, als daß sie es hätten wagen mögen, das heilige Schweigen durch Worte zu entweihen. Nur einmal fragte Gudula: „Aengstigt sich mein Vater sehr?“

„Ja, Gudula,“ erwiderte Mayer Anselm, „er ängstigt sich sehr. Aber er ist ein frommer Mann und er betet.“

„Laß uns eilen,“ sagte Gudula, und sie schritt rascher vorwärts.

Und endlich jetzt hatten sie das Ziel ihrer Wanderung erreicht, jetzt schritten sie durch das Thor hinein in die Judengasse. Nur wenige Schritte, und sie hatten jenes Haus erreicht, aus dessen untern Fenstern ein heller Lichtschein ihnen entgegemflammte, das Haus, in welchem der alte Baruch Schnapper in Todesangst seiner Tochter harrte.

Sie schritten rascher vorwärts, hinein in das schweigende Haus. Ein Freudenruf ertönte aus dem Innern der Stube bei dem Schall ihrer Tritte, die Thür ward heftig geöffnet, und Vater und Tochter lagen sich weinend in den Armen.

„Vater Baruch,“ sagte Gudula nach einer Pause, auf Mayer Anselm hindeutend, „der hat mich gerettet vom Tode und von der Schande. Ihm dankst Du es, daß wir wieder vereinigt sind.“

„Ich werde für ihn beten Abends und Morgens,“ rief Baruch, ihm seine beiden Hände darreichend. „Ich werde ihn lieben, als wenn er wäre mein eigener Sohn.“

„Laßt mich Euer Sohn sein, Baruch,“ sagte Mayer Anselm, „gebt mir das Recht Euch zu lieben als meinen Vater!“

„Wie meinst du denn das, Mayer Anselm?“ fragte Baruch staunend.

„Ich will’s Euch sagen, Vater Baruch, und besonders will ich es Dir sagen, Gudula. Ich nenne Dich nicht mehr Schwester Gudula, wie ich es that heute Abend. Die wenigen Stunden haben Alles in mir umgewandelt, sie haben mir ein großes Geheimniß offenbart, das in mir geruht hat von Kindheit auf, und das ich selber nicht habe gekannt. Als ich dahinschritt in die Nacht hinaus in der Angst und Sorge um Dich, Gudula, da war’s auf einmal, als wenn sich in meinem Herzen die goldenen Pforten des Allerheiligsten aufthäten, und ich sah darin Dich, den Engel meines Lebens, Dich, das Gebet meines Lebens, die Hoffnung meiner Zukunft, und ich erkannt’ auf einmal, was ich bis dahin nimmer gewußt, daß ich Dich grenzenlos liebe, daß das Leben nur Werth für mich hat, wenn Du es mit mir theilen willst, Gudula. Und so frag’ ich Dich denn, Gudula, ob Du meine Lieb’ und mein Herz willst annehmen, ob Du mich machen willst zu einem glücklichen Menschen, indem Du mir Dein Herz giebst und Deine Liebe? Hab’ mühsam an mich gehalten, sonst hätt ich es Dir schon gesagt auf dem Wege hierher, daß ich Dich grenzenlos liebe, hätt’ Dich gebeten, mein Weib zu sein. Aber ich schwieg, weil ich weiß, daß ein tugendhaftes Mädchen nur Antwort giebt auf solche Frage im Beisein ihres Vaters. Und darum, Baruch, frag’ ich, bevor die Gudula mir Antwort giebt, nur Dich, ob Du mich willst haben zu Deinem Tochtermann und willst mir geben die Gudula zum Weibe?“

„Mit Freuden will ich Dich annehmen zu meinem Tochtermann,“ rief der Alte mit frohem Angesicht, „will Dir geben die Gudula zum Weibe und dazu meinen inbrünstigen Segen. Aber nein, nein,“ unterbrach er sich selber, „es geht ja nicht, Du bist ja nicht mehr im Stand, um irgend ein Mädchen zu werben. Mayer Anselm, muß ich Dich daran mahnen, daß Du der Bräutigam bist der reichen Veilchen Rahel, die Dich so herzlich liebt, daß sie Dir will geben ihre Hand und ihr Vermögen? Muß ich Dich daran mahnen, daß Du Dein Herz nicht mehr verschenken darfst, daß es der Veilchen gehört? Erst ein paar Stunden sind’s her, daß Du uns hast um Rath gefragt, ob Du die Veilchen Rahel heirathen sollst, die Dich zu einem reichen Manne macht, und wir haben Beid’ gesagt, daß Du es thun sollst. So kann ich Dir jetzt nur wieder sagen: geh’ hin und heirathe des reichen Nathan’s Tochter und werde ein reicher Mann!“

„Du meinst, erst ein paar Stunden wär’s her, daß Du mir das gesagt hast?“ fragte Mayer Anselm, indem er seine Augen fest auf Gudula heftete. „Nein, Du weißt, eine Ewigkeit ist es [818] her, denn eine ganze Welt von Empfindungen liegt dazwischen, ein neues Leben ist in mir aufgegangen seitdem. O, ich war bis dahin umhergegangen mit blinden Augen und mit tauben Ohren! Ich hatte mich schwer versündigt an der Liebe und an dem Glück, und in der thörichten Verstocktheit meines Herzens suche ich das Glück da, wo es nimmer zu finden ist, und wollt’ von dem Geld haben, was nur das Herz geben kann, das Glück und die Freudigkeit des Lebens. Gudula, werde meine Frau, und ich werde der reichste Mann auf Erden sein, denn ich werde besitzen, was alle Schätze der Erde nicht erkaufen können, ein schönes, tugendhaftes und geliebtes Weib! Gudula, sag, daß Du mich liebst, und dann werd’ ich ein Millionär sein, wenn ich auch in den Augen der Welt nichts hab! Aber das Herz einer geliebten Frau ist mehr werth als Millionen, und freudvoller ruht sich’s an seiner Brust, als auf Bergen von Gold und Edelsteinen.“

Gudula antwortete nicht, sie hatte sich abgewandt, daß die Beiden ihr Gesicht nicht sehen konnten, aber sie sahen doch, wie ihre ganze Gestalt bebte, sie hörten doch, wie sie leise schluchzte.

„Gudula,“ rief ihr Vater, „ich sag’s jetzt dem Mayer Anselm, warum Du Dich wolltest in den Main stürzen, wo er am tiefsten ist.“

Sie wandte sich hastig um und ließ den Beiden ihre erglühten Wangen sehen, über welche die Thränen in hellen Bächen niederschossen. „Vater, wenn Du das sagst,“ rief sie leidenschaftlich, „so geh’ ich und thu’, was ich geschworen.“

„Mayer Anselm, halt’ sie fest, daß sie nicht gehen kann,“ sagte der Alte lächelnd. „Ich droht’ ihr heut’ Abend, daß ich Dir wollt’ sagen ihr Geheimniß, das sie in ihrem Herzen trägt, und da hat sie geschworen, daß, wenn ich es Dir verriethe, sie sich darum wollte stürzen in den Main.“

„Und was war das für ein Geheimniß?“ fragte Mayer Anselm mit aufstrahlenden Blicken.

„Ich darf es Dir ja nicht sagen, Mayer Anselm. Frag’ die Gudula darum.“

Mayer Anselm legte sanft seinen Arm um ihre Gestalt und sah ihr tief und flehend in das erglühte Angesicht. „Gudula,“ sagte er mit flehender Stimme, „ich hab’ Dir heute Abend gesagt, daß ich mein Leben wollt’ dran setzen, ein reicher Mann zu werden. Sieh nun, Gudula, ich steh’ vor einem großen Schatz und möcht’ ihn heben, denn er wird mich zum reichen Mann machen. Aber der Schatzgräber muß das Erlösungswort kennen, wenn er heben den Schatz soll. Ich denk’ aber, Gudula, Dein Geheimniß ist das Erlösungswort. Was war’s, das Dein Vater mir nicht sagen sollt’?“

„Daß ich Dich liebe!“ rief sie, indem sie ihre beiden Arme um seinen Nacken schlang und ihr Antlitz an seinem Busen barg.

„Gudula,“ rief er jauchzend, „ich danke Dir! Ich habe meinen Schatz gefunden, ich bin ein reicher Mann!“


3.

Die Glücklichen haben keine Geschichte, und die Jahre rauschen an ihnen vorüber, wie ein einziger Sonnentag. Mayer Anselm hatte seinen Schatz gefunden, und er ehrte ihn und hielt ihn hoch sein Leben lang, er nannte nach langen Jahren der Vereinigung noch seine Gudula die schöne und bessere Hälfte seines eigenen Wesens. Sie hatte ihren Antheil an allen seinen Gedanken, seinen Bestrebungen, sie darbte freudig mit ihm, als sie noch arm waren, sie arbeitete mit ihm und nahm Theil an fernen Geschäften, sie hatte mit ihm dasselbe Streben, dasselbe Ziel, reich zu werden! Denn sie wußten es Beide: nur der Reichthum konnte sie erlösen aus dem Druck der Verhältnisse, konnte ihnen die Freiheit geben und sie befähigen, auch für die Ihrigen, für die große Familie der Unglücklichen in der Judenstadt, Abhülfe ihrer Noth und Tröstung in ihren Leiden zu schaffen.

Und sie wurden reich, und nach Jahren unermüdlichen Schaffens und Sparens und klugen Berechnens und Speculirens war der Mayer Anselm Rothschild ein angesehener Mann auch unter den christlichen Geldmännern von Frankfurt, man grüßte ihn achtungsvoll an der Börse, wenn er so stattlich daherschritt mit seinen drei ältesten Söhnen, die er früh schon zu Gehülfen und Teilnehmern seines Banquiergeschäftes gemacht, und man gab wohl Acht, welche Papiere der Mayer Anselm kaufte, denn man wußte wohl, daß der niemals schlechte Papiere kaufte und niemals auf gewagte Speculationen sich einließ. Man wußte wohl, daß man sich nach ihm richten könne, weil er nicht blos ein kluger Geschäftsmann, sondern auch ein Ehrenmann war, auf dessen Wort man bauen konnte, wie auf einen Fels.

Nur durch sich selbst, durch seine Geisteskraft, seinen klugen Blick und seine unermüdliche Thätigkeit war Mayer Anselm geworden, was er war, ein reicher Mann, und gerade dessen freute er sich und sagte es mit Stolz zu seinen Söhnen: ich bin Alles durch mich selbst, Nichts durch Andere! Die Arbeit ist meine Gönnerin, der Fleiß mein Freund und die Sparsamkeit meine liebreiche Mutter gewesen. Durch sie bin ich geworden, was ich bin, ein reicher Mann, der Niemand zu danken hat, als dem großen Gott da droben, welcher ihm mehr gegeben hat, als Reichthum: ein geliebtes Weib und zehn liebe gesunde Kinder. So laßt uns denn fortfahren, fleißig zu sein, zu schaffen und zu wirken, und der Segen Gottes wird bei uns bleiben allezeit. – Jahre, lange Jahre waren so dahingegangen, sie hatten aber die Verbindung zwischen dem Landgrafen von Hanau und dem Mayer Anselm Rothschild, welche auf seltsame Weise begonnen, nicht wieder gelöst. Der Landgraf hatte sich standesgemäß vermählt, er hatte, da er nach dem Tode seines Vaters 1785 zum Kurfürst von Hessen succedirte, nach Kassel seine Residenz verlegt, aber immer war er eingedenk geblieben jener Scene im Pavillon, und es schien ihm nothwendig, dem Mayer Anselm Rothschild eine Genugthuung zu geben für die Beleidigungen und Schmerzen, welche er ihm angethan, und ihm zu beweisen, wie sehr er ihn hochachte und ihm vertraue.

Er ernannte also den Mayer Anselm Rothschild im Jahre 1801 zu seinem Hofagenten. Mayer Anselm ging mit dem fürstlichen Bestallungsschreiben zu seiner Gudula, die er im Familienzimmer im Kreise ihrer Kinder fand. Er reichte ihr das Papier dar und fragte lächelnd, ob sie etwa dem Kurfürsten noch grolle und ob sie etwas dawider habe, wenn er den Titel und das Geschäft annehme.

Gudula warf einen flüchtigen Blick auf das Papier und dann lächelte auch sie. „Ich groll’ dem Kurfürsten nicht,“ sagte sie, „im Gegentheil, er ist ja unser Brautführer gewesen und hat gemacht, daß der Mayer Anselm mein herzlieber Mann geworden. Aber ich möcht’ doch wissen, was der große Mayer Anselm Rothschild davon hat, wenn der kleine Kurfürst von Hessen ihn zu seinem Hofagenten ernennt.“

„Der Kurfürst von Hessen ist ein ausbündig reicher Herr,“ erwiderte ihr Mann ernst, „er wäre ein mächtiger und angesehener Herr, wenn er auch kein Fürst wäre, denn er besitzt viele Millionen Gulden.“

„Aber man weiß ja, auf welche Weise er sie sich erworben,“ sagte Gudula achselzuckend. „Hat seine armen Unterthanen für Geld an England verkauft, daß sie sollen helfen die Freiheit und Unabhängigkeit von Amerika unterdrücken. Hat sich lassen von England für jedes seiner gefallenen Landeskinder zahlen hundert Gulden und hat das Geld nicht etwa gegeben an die Hinterbliebenen der Gefallenen, sondern hat’s gesteckt in seine eigene Tasche, und einstmals, als in einer Schlacht am Mississippi nur wenige Hessen gefallen sind, da hat der Herr Kurfürst eigens geschrieben an den englischen commandirenden General in Amerika und hat sich beklagt, daß so wenig Hessen auf dem Schlachtfeld geblieben, und hat verlangt, daß man in den Schlachten die Hessen sollt’ immer dahin postiren, wo’s am gefährlichsten wär’![1] Ist mir ein prächtiger Landesvater, der Kurfürst von Hessen, verdient es wahrhaftig nicht, daß der Mayer Anselm Rothschild ihm die Ehr’ erweist, sein Hofagent zu werden.“

„Hast freilich Recht, Gudula,“ sagte Mayer Anselm sinnend, „ist ein schlechter Landesvater und hat für Geld seine Unterthanen verkauft an England. Aber ist doch Veranlassung gewesen zu einer großen und herrlichen Schöpfung. Wär’ der Kurfürst von Hessen nicht gewesen, so hätte der Friedrich Schiller nicht sein Trauerspiel Kabale und Liebe geschrieben, das Du neulich hast angeschaut mit mir im Theater und über welches Du so herzlich viel hast geweint.“

„Mit dem schlechten Landesfürsten hat er gemeint den Kurfürsten von Hessen?“ fragte Gudula lebhaft.

„Ja wohl, Gudula,“ erwiderte Mayer Anselm lächelnd, „und es hat nur an Dir gelegen, daß der Schiller mit der Lady Milford nicht hat gemeint die Gudula Schnapper.“

[819] Gudula erröthete, als wäre sie noch das junge Mädchen von achtzehn Jahren von damals. „Der Gott meiner Väter sei gepriesen, daß ich hab’ keine Gemeinschaft mit der armen Lady Milford, über die ich neulich so viel hab’ weinen müssen. Es ist ein gar herrliches Stück, das der Schiller da gemacht hat aus dem Kurfürsten von Hessen und seiner schlechten Wirthschaft, aber um des Schillers willen soll ihm vergeben werden, und wir wollen nicht weiter gehen mit ihm in’s Gericht. Thu’ ihm die Ehr’ an und nimm seinen Titel an, und vielleicht, wenn Du seine Millionen verwaltest, wird sich der Fluch, der an ihnen haftet, in Segen verwandeln!“

Mayer Anselm that also, was Gudula ihm erlaubt hatte, er nahm den Titel an, er ward der Hofagent des reichen Kurfürsten von Hessen-Kassel, er verwaltete mit Treue und Umsicht die ihm anvertrauten Millionen, und wie mißtrauisch und ängstlich der geizige Kurfürst auch immer sonst war, so hatte er doch zu Mayer Anselm’s Redlichkeit und Einsicht unbedingtes Vertrauen, denn er sah, wie seine Capitalien sich vermehrten und immer ungeheurer anwuchsen unter den Händen des klugen, weitschauenden Geschäftsmannes.

Aber während Mayer Anselm Rothschild in seinem kleinen, gemüthlichen Hause in der Judenstadt zu Frankfurt ein glückliches Familienleben führte, an der Börse der alten stolzen Reichsstadt ein immer angesehenerer Mann wurde, war außerhalb Frankfurts die ganze Welt in Aufruhr und Bewegung, durchhallte Kriegsgeschrei und Schlachtendonner ganz Europa, und der Name Napoleon’s, des Siegers von Marengo und Austerlitz und so vieler andern gewonnenen Schlachten, heulte wie die Windsbraut durch ganz Europa hin, und erfüllte die Herzen aller Fürsten mit Angst und Schrecken, die Herzen aller Völker mit Haß und Abscheu. Und endlich tönte er mit Donnergerolle auch hinein in die alte Reichsstadt Frankfurt, und bleich vor Entsetzen schrie Einer dem Andern entgegen: die Franzosen kommen! Sie rücken unter Mortier heran! Sie haben Hanau und Kassel und das ganze Gebiet des Kurfürsten eingenommen und besetzt, und den Kurfürsten verjagt! Und jetzt werden sie auch Frankfurt einnehmen wollen, und es ist aus mit der alten Reichsstadt, aus mit unsern Freiheiten und Rechten!

Am Abend dieses Tages der Schrecken und Aufregung, als Mayer Anselm längst sein Bureau geschlossen hatte und heimgekehrt war in sein Haus, um im stillen Gemach auszuruhen von den Anstrengungen des Tages, meldete man ihm, daß draußen ein Fremder stehe, der ihn dringend zu sprechen begehre.

„Die Sonne ist schon untergegangen,“ sagte Mayer Anselm unwillig, „und es werden heut’ keine Geschäft’ mehr gemacht.“

„Die Sonne ist untergegangen, aber sie wird auch wieder aufgehen, darauf hoffe ich,“ sagte eine ernste, traurige Stimme hinter ihm, und als Mayer Anselm sich umwandte, sah er da in der offenen Thür eine tief in einen Mantel gehüllte männliche Gestalt stehen.

„Wer seid Ihr?“ fragte Mayer Anselm, aufstehend und dem Verhüllten entgegenschreitend. „Mit welchem Rechte tretet Ihr hier ohne Zustimmung ein, und belauscht meine Worte, und –“

„Laßt den Diener hinaus gehen, Herr Hofagent, ich habe mit Euch zu reden,“ erwiderte der Fremde mit ernster, gebieterischer Stimme, indem er in das Gemach vorschritt.

Mayer Anselm mußte die Stimme wohl erkannt haben, denn er machte keine Einwendungen mehr, sondern entließ den Diener und verschloß hinter ihm die Thür.

Dann kehrte er zu dem Fremden zurück, der mit einem lauten Aechzen sich auf den Lehnstuhl des Hausherrn niedergelassen hatte.

„Ist es möglich, gnädigster Herr, Ihr seid es, und allein, zu Fuß?“ fragte Mayer Anselm mit schmerzlicher Verwunderung.

„Allein, zu Fuß und flüchtig,“ erwiderte der Fremde, indem er sein Haupt matt an die Lehne des Stuhls zurücksinken ließ. „Mich hungert, ich bin müde, ich bin den ganzen Tag zu Fuß gewesen. Gebt mir etwas zu essen, Mayer Anselm Rothschild.“

Mayer Anselm erwiderte nichts, er stürzte aus dem Zimmer, er rief sein Weib, er flüsterte ihr Etwas in’s Ohr, und dann waren sie Beide thätig und geschäftig in Küche und Keller. Mayer Anselm trug selbst, als wäre er der Diener des fremden Herrn, die Speisen und das Speisegeräth in das Zimmer des Hausherrn und servirte den Tisch, während der Fremde auf dem Lehnstuhl saß, mit geschlossenen Augen, in dämmerndem Halbschlummer.

„Gnädiger Herr, wenn es Ew. Hoheit gefällig wäre, es ist servirt“ sagte Mayer Anselm dann lächelnd, indem er den Tisch vor den Fremden hinrollte.

Dieser trank hastig ein Glas Wein und aß einige Bissen. Mayer Anselm stand ihm gegenüber, und schaute sinnend und gedankenvoll in sein trübes, bleiches Gesicht. Plötzlich hob der Fremde den Blick zu ihm empor, und die Augen der beiden Männer begegneten sich.

„Mayer Anselm,“ sagte er, „ich dachte eben an längst vergangene Zeiten.“

„Ich auch, gnädiger Herr Kurfürst,“ erwiderte Mayer Anselm sanft.

„Ich dachte daran, wie wir uns damals als Knaben zum ersten Male begegneten. Es sind jetzt dreiundfunfzig Jahre her, und doch sehe ich Euch noch ganz deutlich, wie Ihr vor mir standet mit Eurem zugleich klugen und trotzigen Gesicht, das mir, dem hochmüthigen Knaben, ein gewaltiges Aergerniß gab. Ich meine noch Eure Stimme zu hören, wie Ihr mir zum Abschied sagtet: „Ich bin der Mayer Anselm Rothschild und residire mit meiner Frau Mutter in der Judenstadt zu Frankfurt. Wenn Ihr meiner bedürft, so kommt nur zu mir.““

„Ich war ein recht unverschämter Junge damals,“ sagte der Banquier lächelnd.

„Nein, ich glaube, ich war es,“ erwiderte der Kurfürst, „und darum hat das Schicksal vielleicht gewollt, daß Euer Wort von damals sich auch erfüllen sollte. Mayer Anselm Rothschild, ich bin zu Euch gekommen, weil ich Euer bedarf.“

„Und Ew. Hoheit wissen wohl, daß Sie auf meinen Diensteifer zählen können.“

„Ich weiß, daß Ihr ein braver und rechtlicher Mann seid, und ich vertraue Euch. Seht mich an,“ fuhr der Kurfürst fort, indem er seinen Mantel zurückschlug, „ich bin als Bauer verkleidet, und nur dieser Verkleidung verdanke ich mein Leben. Die Franzosen haben mich vertrieben, haben meine Städte besetzt, meine Beamten verjagt, und Napoleon, meinen Haß gegen ihn und sein fluchwürdiges Räuberwesen kennend, hat mich meines ererbten und legitimen Thrones für verlustig erklärt. Meine Familie ist bereits glücklich nach Dänemark entkommen, ich konnte nicht sogleich mit ihnen gehen, denn ich mußte wenigstens für mein Vermögen Sorge tragen, da man mir mein Land gestohlen hat. Die sichern Geldpapiere nehme ich mit mir, aber das baare Geld, und Ihr wißt wohl, daß ich eine Freude an meinen schönen Goldrollen habe, das baare Geld kann ich nicht mit mir nehmen. Ich habe das Geld selbst in Säcke verpackt, die außerdem Korn enthalten, und ich habe die Säcke auf einem Bauerwagen, als Bauer verkleidet, hieher gebracht. Der Wagen hält vor der Thür. Mayer Anselm Rothschild, wollt Ihr mir mein Geld aufheben und behüten?“

„Ich will es, Herr Kurfürst,“ erwiderte der Banquier einfach.

„So laßt die Säcke abladen und hier hereinbringen. Beordert Eure Leute. Mein vertrauter Kammerdiener ist draußen bei dem Wagen.“

„Aber wär’s nicht besser, Hoheit, wenn ich allein die Säcke hereinschaffte?“

„Unmöglich! Sie sind zu schwer, denn es sind drei Millionen in geprägten Louisd’or und Goldbarren. Ich habe sie in zwölf Säcke vertheilt.“

„Drei Millionen!“ rief Mayer Anselm seufzend, „es wird sehr schwer sein so viel Geld sicher zu verbergen.“

„Ihr werdet es zu Stande bringen,“ sagte der Kurfürst; „eilt Euch, Rothschild, laßt die Säcke abladen, damit ich mein Geld in Eurem Besitz weiß. Dann muß ich fort.“

Eine Stunde später waren die zwölf Säcke ausgeladen, und die zwölf Fässer mit Louisd’or und Goldbarren standen in Mayer Anselm’s Zimmer.

Der Kurfürst betrachtete sie mit zärtlich traurigen Blicken, wie ein Liebender, der Abschied nimmt von seiner Geliebtesten.

„Mayer Anselm Rothschild,“ sagte er, „ich vertraue Euch dasjenige an, was auf der Welt das Höchste, Wichtigste und Nothwendigste ist, mein Geld. Ich bin ein armer, flüchtiger Mann. Ihr sollt mich davor bewahren, daß ich ein Bettler werde. Wollt Ihr es?“

Mayer Anselm Rothschild legte seine beiden Hände auf die Geldsäcke, und sagte heimlich: „Ich schwöre es Euch bei dem Allerheiligsten in unserm Tempel, bei Jehovah im Himmel und bei [820] Allem was mir heilig ist auf Erden, ich schwöre es Euch, Herr Kurfürst, daß ich Euer Geld bewahren und behüten, daß, wenn es sein muß, ich es selbst mit meinem Leben vertheidigen will. Ich schwöre auch, daß ich die ganze Sache geheim halten will vor Jedermann!“

„Ich weiß, Ihr werdet Euren Schwur halten, Mayer Anselm,“ sagte der Kurfürst ernst, indem er dem Banquier seine Hand darreichte. „Und jetzt lebt wohl, Rothschild, ich muß fort. Betet für mich, daß ich meinen Verfolgern glücklich entkomme und eine Zuflucht finde, bis daß die Zeit der Rache gekommen ist, die Zeit, da Deutschlands Völker und Fürsten die Schmach und Erniedrigung vergelten und sühnen werden, unter welcher sie jetzt dahin gehen.“

Als der Kurfürst ihn verlassen hatte, verschloß Mayer Anselm die Thür seines Zimmers, und wäre Baruch Schnapper noch am Leben gewesen, und hätte er noch da gegenüber gewohnt in dem kleinen Hause, so würde er sich gewundert haben, diese ganze Nacht in dem Zimmer seines Schwiegersohnes Licht zu sehen, und seinen Schatten an den Vorhängen zu gewahren, wie er kam und ging, und wie das Licht zuweilen verschwand, und dann wieder im Erdgeschoß aufglänzte, und wie dort hinter den keinen Kellerfenstern dann auch wieder ein Schatten kam und ging, und wie das dauerte und sich immer wiederholte die ganze Nacht hindurch. Aber Baruch Schnapper war längst heimgegangen zu seinen Vätern, und nur der Diener des Banquiers wunderte sich am andern Morgen, als er die Kleider seines Herrn so beschmutzt fand mit Erde und Staub, und Spuren von Kalk und Mörtel daran entdeckte.

Mayer Anselm sprach zu Niemand über den Besuch des flüchtigen Kurfürsten, er hatte ihm ja geschworen sein Geheimniß zu bewahren, und er that es. Aber es verbreitete sich dennoch gar bald ein dunkles Gerücht davon durch ganz Frankfurt, denn die Nachbarn hatten den Wagen vor Mayer Anselm’s Thüre halten sehen und zugeschaut, mit welcher Anstrengung man die Säcke in das Haus geschafft, und die Leute, welche die Säcke getragen, erzählten mit geheimnißvoller Miene, wie ungeheuer schwer sie gewesen, und daß sicherlich in diesen Säcken kein Korn gewesen. Und man combinirte und calculirte so lange, bis man der Wahrheit so ziemlich auf die Spur kam, und überall sich die Nachricht verbreitete: der Kurfürst ist glücklich entflohen und seine Millionen hat er seinem Hofagenten, dem Mayer Anselm Rothschild, in Verwahrung gegeben. Und diese Nachricht flog weiter, von Mund zu Mund, hinaus in die Welt, den Franzosen entgegen, die jetzt von Hanau daher zogen, um Frankfurt zu erobern und aus der alten deutschen Reichsstadt die Residenzstadt eines Großherzogs von Napoleon’s Gnaden zu machen! Und ein Deutscher war’s, der diese großherzogliche Krone aus den Händen des französischen Usurpators empfangen sollte. Sonst seit Jahrhunderten bei jeder Kaiserkrönung hatte der Reichsherold gerufen. „Ist kein Dalberg da?“ Und dann war ein Dalberg gekommen und hatte sein Knie gebeugt vor dem deutschen Kaiser, um von ihm den Ritterschlag zu empfangen, und ihm den Eid unverbrüchlicher Treue zu leisten. Jetzt aber hatte der französische Kaiser den Dalberg gerufen, und der Dalberg hatte vor dem Unterdrücker Deutschlands das Knie gebeugt, und hatte ihm den Eid der Treue geleistet, und hatte sich von ihm stempeln lassen zum Großherzog von Frankfurt.

Aber bevor der neugeschaffene Großherzog einziehen konnte in seine Residenz, mußte diese Residenz doch erst ihrer alten Freiheiten und Privilegien beraubt werden, mußte ihre Verfassung verlieren und aufhören eine deutsche, freie Reichsstadt zu sein! Napoleon hatte gesagt, daß es so sein solle, und was er sagte, das war damals wie der Machtspruch einer Gottheit, dem man sich unterwerfen mußte.

Die Franzosen rückten von Hanau und Kassel in großen Colonnen heran, und was konnte Frankfurt anders thun, als sich der Uebermacht fügen, als sich unterwerfen?

Es unterwarf sich, und die Franzosen waren jetzt die Herren und Gebieter; die guten Bürger von Frankfurt, die heute Morgen als freie deutsche Männer aufgestanden waren, sahen sich am Abend in Unterthanen des Großherzogs von Napoleon’s Gnaden verwandelt.

Am Nachmittag dieses selben Tages zog eine Colonne französischen Militärs auch in die Judengasse von Frankfurt ein. Der voranschreitende Officier fragte die gaffenden Kinder, die am Thore standen und ganz verwundert darüber waren, daß so schöne und vornehme Soldaten die alte schmutzige Judenstadt besuchen wollten, ob sie vielleicht wüßten, wo der Mayer Anselm Rothschild, der Hofagent des Kurfürsten von Hessen, wohne.

Sie wußten’s Alle, die gaffenden Kinder, und sie rannten diensteifrig voraus, um den französischen Soldaten den Weg zum Hause des Mayer Anselm Rothschild zu zeigen.

Mayer Anselm saß ruhig in seinem Arbeitszimmer und berechnete beim Abschluß der Woche seine Bücher, als die Thüre hastig aufgerissen ward und Gudula bleich und angstvoll hereinstürzte.

„Mayer Anselm, es sind französische Soldaten in’s Haus gedrungen! Sie haben die Straße und den Hof besetzt, sie stehen auf dem Flur und auf der Treppe. Wir sind verloren! Sie werden’s erfahren haben, daß der Kurfürst bei Dir war, daß –“

„Still, Gudula,“ unterbrach sie ihr Gatte ruhig, „siehst Du nicht, daß wir nicht allein sind?“

In der That, es befanden sich einige französische Officiere in dem Gemach, und vor der geöffneten Thür standen französische Soldaten mit geschultertem Gewehr.

Mayer Anselm schritt den Officieren ruhig entgegen und fragte nach ihrem Begehr.

„Wir sind beauftragt, von Ihnen die Millionen einzufordern, welche der vormalige Kurfürst von Hessen Ihnen anvertraut hat,“ sagte der erste der Officiere.

„Ich habe keine Millionen von dem Kurfürsten von Hessen empfangen,“ erwiderte der Banquier ruhig.

Der Officier lächelte. „Sie weigern sich die Millionen herauszugeben? Der Kaiser Napoleon hat befohlen, daß dieselben dem Großherzog von Frankfurt übergeben werden sollen. Wir haben die strengsten Ordres, von Ihnen diese Millionen einzucassiren.“

„Ich weiß von keinen Millionen,“ rief Mayer Anselm. „Der Herr Kurfürst von Hessen hat mir nichts in Verwahrung gegeben.“

„Wir wissen mit Bestimmtheit, daß der abgesetzte Kurfürst Ihnen seine Millionen anvertraut hat, leugnen Sie es also nicht. Man wird Ihr Eigenthum schonen, man will nichts rauben von Ihrem Hab’ und Gut, Sie sollen nur herausgeben, was nicht Ihnen gehört.“

„Ich weiß von keinen Millionen,“ wiederholte Mayer Anselm.

„Ich warne Sie,“ rief der Officier heftig. „Sie sehen, Ihr Haus ist besetzt, bewaffnete Soldaten stehen vor Ihrer Thür. Wir haben gemessene Ordre, und wenn Sie nicht gutwillig nachgeben, sind wir zu den strengsten Maßregeln genöthigt. Ich darf es Ihnen nicht verhehlen, Sie riskiren sogar Ihr Leben, wenn Sie beharren bei Ihrer Weigerung.“

„Er ist verloren! Sie werden ihn tödten,“ murmelte Gudula, indem sie auf ihre Kniee niedersank und ihre gefalteten Hände zum Himmel emporrang.

„Sie können mich tödten,“ sagte Mayer Anselm ruhig, „aber Sie können mich nicht zwingen zu bekennen, was ich nicht weiß.“

Der Officier winkte einige Soldaten in das Gemach. „Besetzt alle Thüren,“ befahl er ihnen, „durchsucht alle Räume vom Boden bis zum Keller, laßt Niemand aus dem Hause hinaus, und wo Ihr Widerstand findet, da macht Ihr Gebrauch von Euren Waffen. Geht! Ich mache Euch die genaueste Durchsuchung zur Pflicht!“

Man hörte das taktmäßige Abmarschiren der Soldaten, die sich nun durch alle Räume des Hauses vertheilten. Mayer Anselm stand mit bleichem, aber entschlossenem Gesicht mitten in dem Gemach und horchte aufmerksam auf das Geräusch und das Getobe der Soldaten. Gudula lag noch immer auf den Knieen und betete.

„Mein Herr,“ sagte der Officier, „ich wiederhole es Ihnen, wir haben Befehl, zu den äußersten Mitteln zu schreiten. Wenn Sie die Millionen nicht herausgeben, bin ich gezwungen, Sie als Hochverräther und Rebellen erschießen zu lassen.“

Gudula stieß einen Schrei des Entsetzens aus und sprang empor, um zu ihrem Manne hinzueilen, um ihn zu umklammern mit ihren Armen und sich fest, fest an seine Brust zu drücken.

„Mayer Anselm,“ flehte sie, „sei barmherzig gegen mich und Deine Kinder! Du darfst nicht sterben, Du mußt Dich uns erhalten! Du mußt der Gewalt weichen. Du darfst Dein Leben nicht hingeben für elendes Geld! O Gott, Gott, sie werden Dich tödten!“

„Sie werden mich tödten, aber ich werde sterben als ein ehrlicher Mann,“ sagte Mayer Anselm fest. „Geh’ zu Deinen Töchtern, Gudula! Rufe mir die Söhne hierher!“

[821]

Albert Traeger.




„Es darf Niemand hier eintreten,“ sagte der Officier. „Alle Zimmer sind besetzt, und Jeder, der sich in einem Zimmer befindet, bleibt darin als Gefangener, bis Ihr sie befreit, indem Ihr bekennt, oder bis nach der Execution.“

„So bleiben meine Kinder Gefangene,“ rief Mayer Anselm ruhig, „und Du, Gudula, bleibst bei mir bis zur Execution!“

„Ich will beten, beten!“ flüsterte Gudula und sie sank wieder auf ihre Kniee nieder.

Nun ward Alles still in dem Gemach. An der Thüre standen Soldaten mit geschultertem Gewehr, die Officiere hatten sich in die Fensternische zurückgezogen.

Nach einiger Zeit trat eine Ordonnanz in das Zimmer, um zu melden, daß sie den obern Bodenraum des Hauses durchsucht und nirgends Geld oder Geldeswerth gefunden hätten.

„Sie verharren bei Ihrem Leugnen?“ fragte der Officier.

„Ich verharre dabei,“ erwiderte Mayer Anselm ruhig.

„Auch wenn ich Ihnen sage, daß wir durch unsere Spione und Agenten es mit Bestimmtheit wissen, daß der Kurfürst bei Ihnen war, daß er Ihnen seine Schätze anvertraut hat?“

„Auch dann noch!“

„Auch dann noch, wenn ich Ihnen sage, daß Sie nicht blos sich durch Ihr Schweigen zum Tode verurtheilen, sondern alle Ihre Glaubensgenossen gefährden? Denn wenn Sie uns die Millionen nicht ausliefern, so werden Sie erschossen, und dann erlaube ich den Soldaten die Plünderung der Judenstadt.“

„Mayer Anselm, sei barmherzig,“ schrie Gudula „errette unsere armen Glaubensgenossen. Unterwirf Dich der Gewalt!“

„Ich unterwerfe mich ihr, darum bin ich bereit, mein Leben hinzugeben,“ sagte Mayer Anselm feierlich.

„Und das Leben vieler Ihrer Glaubensgenossen zu gefährden, denn Sie wissen es wohl, wenn die Plünderung der Judenhäuser begonnen hat, so wird der Fanatismus aus der Plünderung einen Vernichtungskampf, eine Glaubenssache machen.“

„Mayer Anselm,“ jammerte Gudula, „gedenke Deines Vaters und Deiner Mutter, die keine Ruhe werden haben im Grabe, wenn ihr Sohn es ist, der sein geknechtetes Volk in neues Unglück stürzt; gedenke des Elends und der Noth, das auf den unsern lastet, und wolle nicht den Jammer noch vergrößern. Wehre ab neues Unheil, wenn Du es vermagst, erbarme Dich der Schwachen und Kranken, errette Dein Volk.“

Mayer Anselm stand da, unbeweglich, mit todtenbleichem Angesicht, mit festgeschlossenen Lippen, die Augen mit einem traurigen fragenden Blicke aufwärts gewandt.

Wieder trat jetzt eine Ordonnanz ein, um zu melden, daß man auch die untere Etage des Hauses durchsucht habe, ohne irgend etwas zu finden.

[822] „So begebt Euch jetzt hinunter in die Keller,“ befahl der Officier, „nehmt Hacke und Spaten mit, untersucht den Keller ganz genau, und wenn Ihr auch dort nichts findet, ist die Untersuchung beendet und die Execution beginnt.“

„Mayer Anselm,“ schrie Gudula in Verzweiflung, „errette mir den Vater Deiner Kinder, errette Dein Volk!“

Ihr Gatte richtete sich empor und athmete hoch auf, man sah es wohl an seinen zuckenden Zügen, er hatte einen letzten Kampf mit sich selber gekämpft. Der Schweiß stand in großen Tropfen auf seiner bleichen Stirn, und als er dann sprach, war seine Stimme matt und gebrochen.

„Nun wohl,“ sagte er, „ich gebe nach. Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht anders kann, daß ich mich unterwerfen muß. Herr Hauptmann, rufen Sie Ihre Leute zurück, lassen Sie mein Haus nicht ganz und gar zerstören. Geben Sie Befehl, daß sie sogleich Alle mein Haus verlassen und meine Kinder freilassen, und ich bin bereit, das mir anvertraute Geld herauszugeben.“

„Endlich!“ rief der Officier. „Ich sage Ihnen, Mann, Sie standen bereits mit einem Fuß im Grabe, denn ich hätte Sie erschießen lassen, ich hatte strengen Befehl dazu. Das Flehen Ihrer Frau, welches Ihren Starrsinn erweichte, hat Sie vom Tode errettet. Meine Herren Officiere, bringen Sie den Soldaten die Ordre, daß die Untersuchung beendet ist, verlassen Sie mit den Mannschaften sofort das Haus und postiren Sie sich mit denselben auf der Straße bis auf weitere Ordre. Nur die Posten hier an der Thür bleiben noch.“

Die Officiere verließen das Zimmer, und der Hauptmann wandte sich wieder dem Banquier zu. „Jetzt, mein Herr, erfüllen Sie Ihr Versprechen. Uebergeben Sie mir die Gelder.“

Mayer Anselm stieß einen letzten bangen Seufzer aus und schien nach Athem zu ringen. „Gudula,“ sagte er dann mit sanfter, bittender Stimme, „gehe jetzt hinaus. Man wird Dich nicht länger zurückhalten. Begieb Dich in das Familienzimmer und erwarte mich dort mit unsern Söhnen und Töchtern. Ich werde zu Euch kommen, sobald ich die Geschäfte mit diesem Herrn beendet habe.“

Gudula nahm seine ihr dargereichte Hand, drückte einen langen inbrünstigen Kuß auf dieselbe und grüßte ihn mit ihren Augen, dann schlich sie schweigend und demüthig hinaus.

Mayer Anselm wartete, bis die Thür sich hinter ihr geschlossen hatte, bevor er entschlossenen Schrittes durch das Gemach ging nach der gegenüberliegenden Wand. Er nahm von derselben das Bild ab, welches sich über seinem Repositorium befand. Eine kleine eiserne Thür ward sichtbar. Der Banquier zog aus seiner Brusttasche einen Schlüssel hervor und öffnete dieselbe. Man sah nun in einen in der Mauer angebrachten Verschlag, der ganz und gar mit Geldrollen, gefüllten grauen Leinenbeuteln und Papieren angefüllt war.

„Hier, mein Herr,“ sagte Mayer Anselm mit tonloser Stimme. „Es sind zwei Millionen achtmalhunderttausend Thaler in Gold, in Barren und in guten Werthpapieren.“

Zwei Stunden später trat Mayer Anselm in das Familienzimmer ein, in welchem er seine Frau, seine Söhne und Töchter versammelt fand.

Er grüßte sie Alle mit einem Neigen seines Hauptes, und ein wunderbarer Friede, eine stolze Freudigkeit war in seinen Zügen ausgeprägt. Mitten in dem Gemach blieb er stehen, hochgehobenen Hauptes, fester Haltung, wie ihn die Söhne nur in großen, entscheidenden Momenten gesehen.

„Söhne meines Herzens und meiner Liebe,“ sagte er, „als ich Euch zu Theilnehmern machte in meinem Geschäft, welches war da das Wort, welches ich Euch gab zum Gesetz Eures Lebens? Antworte Du, Anselm, im Namen Deiner Brüder. Wie lautet das Gesetz, das ich Euch gegeben?“

„Seid treu Euch selber und denen, welche Euch vertrauen,“ sagte der junge Mann feierlich. „Haltet fest an dem Glauben Eurer Väter, haltet fest an Arbeit und Ehrlichkeit. Heilig sei Euch Euer Wort, und was Ihr versprochen habet, das sei so unverbrüchlich, daß man darauf bauen kann wie auf einen Fels. Verschmähet nicht den kleinsten Gewinn, wenn er gemacht wird auf ehrliche Weise, verschmähet den größten Gewinn, wenn Ihr dabei müßt niederschlagen die Augen vor der Redlichkeit und Treue. So habet Ihr gesprochen, Vater, und ich hoffe, Ihr werdet uns geben das Zeugniß, daß wir darnach gelebet und gehandelt.“

„Und ich hoffe,“ rief ihr Vater mit begeisterter Stimme, „und ich hoffe, Ihr sollet in meiner Sterbestunde auch mir geben das Zeugniß, daß ich darnach gelebt und gehandelt. Meine Söhne, ich hatte einem Manne, der mir sein Geld anvertraute, mit dem heiligsten Eide geschworen, es ihm aufzubewahren und zu behüten, es zu vertheidigen mit meinem Leben. War ich verpflichtet, ihm Wort zu halten?“

„Ihr wart verpflichtet, ihm Wort zu halten,“ riefen die Söhne wie aus einem Munde.

„Und wenn ich sein Geld retten konnte, indem ich das meine hingab, mußte ich es geben?“

„Ihr mußtet es geben, Vater!“

„Nun wohl, ich habe meine Schuldigkeit gethan. Ich habe mein gegebenes Wort erfüllt. Das mir anvertraute Geid und Gut ist gerettet, aber mein und Euer ganzes Vermögen und Alles, was wir gehabt im Geschäft, ist verloren. Ich bin wieder ein armer Mann.“

„Nein,“ rief Gudula, und auf ihrem gealterten Gesicht glänzte ein Strahl der ewigen Jugend und der ewigen Liebe, „nein, Du bist reich, Mayer Anselm, denn Du bist ein braver Mann, Du hast ein Weib und Söhne und Töchter, welche Dich lieben. Du hinterläßt Deinen Kindern einen ehrenvollen Namen und ein reines Gewissen.“

Mayer Anselm stieß einen Freudenschrei aus und zog sein Weib an seine Brust. „Gudula,“ rief er, „ich sage Dir heute, wie ich es Dir damals sagte, als Du die Braut wurdest des armen Mayer Anselm: Ich bin ein reicher Mann, denn Dein Herz ist ein Schatz, der unvergänglicher ist, als Geld und Gut! Meine Söhne, unser Reichthum ist verloren, aber nicht unsere Kraft. Wir werden wieder von Neuem anfangen. Wir werden arbeiten, und Gott wird uns seinen Segen geben!“

– – – Und Gott gab seinen Segen! Das Haus Rothschild wuchs und gedieh, und sein Credit war nicht einen Augenblick erschüttert. Niemand wußte ja, daß Mayer Anselm sein Vermögen verloren, nur das hatte man erfahren, daß Mayer Anselm von den Franzosen gezwungen worden, die ihm anvertrauten Gelder des flüchtigen Kurfürsten herauszugeben, und Niemand tadelte ihn deshalb, denn man wußte, daß er nur der äußersten Gewalt gewichen war.

Und so verging die Zeit, und es kamen für das erniedrigte und in den Staub getretene Deutschland die Tage der Erhebung, die Tage der Rache. Das Volk, welches so lange wie ein gebändigter Löwe am Boden gelegen unter den Füßen des Allgewaltigen, das deutsche Volk brach seine Ketten, und stand auf, und ward sich seiner Kraft bewußt, und zwang seine Fürsten abzulassen von dem Usurpator und die nationale Sache zu der ihrigen zu machen. Das deutsche Volk erkämpfte sich seine Freiheit, seine Ehre wieder, und im Jahre 1813 am 18. October, da nahm es seine Rache, da übte es Vergeltung, da trieb es Napoleon mit seinen flüchtigen Schaaren hinaus aus Deutschland, und dann, dann nahm der großmüthige Löwe freiwillig seine Ketten wieder auf, und ordnete sich wieder unter seinen Bändigern und seinen Herren, rief seine verjagten Fürsten zurück, und aus den freien deutschen Männern wurden wieder deutsche Unterthanen von achtunddreißig Fürsten.

Auch der Kurfürst von Hessen kehrte nach der gewonnenen Schlacht bei Leipzig wieder heim in seine Staaten, und sein Volk, das großmüthig all’ die Unbill, welche der Kurfürst ihm früher angethan, vergessen hatte, sein Volk nahm ihn wieder an zu seinem Herrn.

Nachdem die Tage der Huldigung vorüber waren, begab sich der Kurfürst nach Frankfurt, und sein erstes Geschäft war, daß er nach dem Banquierhause Rothschild sandte, und den Chef desselben zu sich entbieten ließ.

Eine Viertelstunde später meldete man dem Kurfürsten den Banquier Anselm Rothschild, er befahl ihn einzulassen, und schritt hastig nach der Thür hin.

Aber es war nicht Mayer Anselm Rothschild, welcher da eintrat, sondern ein jüngeres Abbild von ihm, ein Mann von kaum vierzig Jahren.

„Wer seid Ihr, mein Herr?“ fragte der Kurfürst hastig. „Ich sandte nach meinem Hofagenten, dem Mayer Anselm Rothschild.“

„Hoheit, er konnte Eurem Rufe nicht folgen, denn Gott hat ihn zu sich gerufen.“

[823] „Er ist todt?“

„Ja, Hoheit, er starb vor einem Jahr.“

„Er war ein braver, guter Mann,“ sagte der Kurfürst seufzend. „Ich hegte das größte Vertrauen zu ihm, und ich habe es ihm bewiesen. Ich kann ihm auch keinen Vorwurf daraus machen, daß das Resultat meines Vertrauens unglücklich ausgefallen. Ich habe durch meine Agenten und Bevollmächtigten Alles erfahren, und ich weiß, daß Euer Vater nur nach dem tapfersten Widerstreben und gezwungener Weise den schändlichen französischen Räubern mein Geld ausgeliefert hat. Euer Vater hat sich benommen als ein redlicher und treuer Mann, ich gebe ihm dies Zeugniß noch in das Grab, und was die drei Millionen anbelangt, die ich ihm übergeben, so habe ich sie verschmerzt. Nicht deshalb ließ ich Euch rufen, es sind mir Gott sei Dank noch einige Millionen geblieben, und die wollte ich Eurem Vater übergeben, daß er sie mir sicher anlege. Ich beklage es, daß er gestorben, denn wie gesagt, er war ein redlicher, treuer Mann, und es ist nicht seine Schuld, daß meine drei Millionen verloren gegangen.“

„Hoheit,“ sagte Anselm Rothschild lächelnd, „Ihre Millionen sind nicht verloren gegangen!“

„Wie meint Ihr das? Es ist also nicht wahr? Man hat Euren Vater nicht ausgeplündert?“

„Ja, Hoheit, das ist wahr. Aber mein Vater hatte Eurer Hoheit geschworen, Ihnen das ihm anvertraute Gut zu bewachen, und er hat seinen Schwur erfüllt. Er übergab den Franzosen, die ihn mit dem Tode bedroheten, sein eigenes Vermögen und rettete dadurch die drei Millionen Eurer Hoheit.“

„Sodaß meine Millionen also wirklich nicht verloren gegangen sind!“ rief der Kurfürst mit aufleuchtendem Gesicht.

„Hoheit, das Haus Rothschild ist bereit, wenn Eure Gnaden es befehlen, die drei Millionen sofort auszuzahlen, nebst den üblichen Zinsen, vom Tage des Empfanges an.“

Der Kurfürst blickte staunend, athemtos in das ruhige, unbewegte Gesicht des Banquiers. „Alles?“ fragte er nach einer Pause. „Ihr konntet mir Alles verleugnen, und Ihr gebt mir Alles, das Capital sowohl, wie die Zinsen?“

„Es ist selbstverständlich, Hoheit,“ erwiderte der Banquier ruhig. „Nur um Eins ersuchet das Haus Rothschild Eure Hoheit, nämlich um dieses: daß Ihr wollet in Anbetracht der schlimmen Umstände, unter denen unser Vater Eure Millionen rettete, nicht bis zum heutigen Tage von den Zinsen den Zins fordern, sondern diesen Zins uns anrechnen für die jahrelange Verwaltung der drei Millionen. Wir sind bereit über Alles Rechenschaft abzulegen.“

„Aber ich bin nicht bereit sie entgegenzunehmen,“ rief der Kurfürst lebhaft. „Herr Banquier Anselm Rothschild, Ihr seid der würdige Sohn Eures Vaters. Ich habe einmal vor Eurem Vater beschämt die Augen niederschlagen, vor seinem Sohne will ich es nicht. Ihr sollt mir die drei Millionen nicht auszahlen, sie bleiben in Eurem Geschäft, und es darf keine Rede mehr sein von den Zinsen und Procenten, die Ihr mir anbietet vom Tage des Empfanges bis zu dieser Stunde. In diesem Augenblicke erst übergebe ich Euch meine drei Millionen, Herr Banquier Rothschild, und erst vom heutigen Tage an könnt Ihr mir Procente berechnen, doch dürfen dieselben nicht mehr als die Hälfte des üblichen Zinsfußes betragen.“

„Eure Hoheit, ich weiß nicht, ob ich diese Großmuth annehmen darf, und –“

„Still,“ unterbrach ihn der Kurfürst ernst, „redet nicht von Großmuth, sonst müßte ich bekennen, daß Ihr es seid, der sie geübt, Ihr, der Banquier gegen den Kurfürsten. Aber ich habe in diesen Jahren der Verbannung viel Neues begriffen, und der fürstliche Hochmuth hat sich beugen gelernt und eingesehen, daß es außer den legitimen Fürsten noch andere Fürsten giebt, und daß das Geld ebenso gut Throne aufrichtet, wie die Geburt. Wir conferiren also Macht gegen Macht, Herr Anselm Rothschild. Ich bin der Kurfürst, Ihr seid der Geldfürst. Und wer weiß, vielleicht ist der Geldfürst zuletzt mächtiger als der Kurfürst. Was ich dann thun kann, Euch Macht in die Hände zu geben, das soll geschehen. Ihr sollt sehen, Herr Geldfürst, daß der Kurfürst nicht undankbar ist, und daß er sich nicht schämen wird, laut gegen Jedermann zu bekennen, wie viel Dank er Euch schuldet!“

Und der Kurfürst hielt seinem Banquier, dem Oberhofagenten Rothschild, den er zum hessischen Finanzrath ernannt, sein Wort, hielt ihm besser Wort, als seinem Volk, dem er die versprochene Constitution bald wieder nahm.

Als die Fürsten alle in Wien sich zum Congreß versammelten, als dort, wie der Fürst von Ligne sagte, „die europäischen Fürsten ihre Ferien feierten“, als dort „der Congreß tanzte, aber nicht vorwärts schritt“, da erzählte bei einem der heitern festlichen Gastmahle der Kurfürst von Hessen den anwesenden Königen und Fürsten die Geschichte seiner drei Millionen und der Redlichkeit des Hauses Rothschild. Und staunend vernahmen die Fürsten diese seltene Mähr, und Jeder dieser gekrönten Herrn erklärte sich freiwillig bereit die seltene Redlichkeit zu lohnen. Und dies Mal hielten alle Fürsten Wort. Oesterreich erhob die Gebrüder Rothschild in den Freiherrnstand, Preußen ernannte sie zu Geheimräthen, die andern Fürsten decorirten sie mit Orden, und alle Fürsten, die kleinen wie die großen, wenn sie des Geldes bedurften, wandten sich an das Haus Rothschild, an die Geldfürsten, von denen man bald sagen konnte, daß sie mehr als die legitimen Fürsten über Krieg und Frieden zu entscheiden hatten.

Gudula, die Stamm-Mutter des Hauses Rothschild, die treu verblieb in ihrem kleinen Hause in der Judenstadt, obwohl die Söhne längst sich fürstliche Paläste gebaut da draußen auf der Zeil und anderswo im schönen Frankfurt, in Wien, Paris, Neapel und London, Gudula kannte auch gar wohl die Macht ihrer Söhne, der Geldfürsten. Als im Jahre 1830 eine Nachbarin weinend zu ihr kam und klagte über die Revolution, die in Frankreich und Polen ausgebrochen, und daß es nun wohl zum großen Kriege kommen werde, da antwortete Madame Gudula lächelnd und stolz: „Sei Sie ohne Furcht, meine Gute. Ich werde meinem Sohn sage, daß er dene Fürschte soll nit gebe Geld, und dann können die Fürschte keinen Krieg mache.“




Der Dichter der Gartenlaube.
(Mit Portrait.)

Aus den grünen Waldbergen Thüringens ist eine farbenreiche Sage in das deutsche Land hinausgegangen von einem Liederkampfe, den vor grauen Zeiten berühmte Meistersänger auf der Wartburg kämpften. Es soll ein Ringen auf Tod und Leben gewesen sein. Die Geschichtsschreiber freilich behaupten, daß Alles, was man von diesem Sängerkrieg zwischen Wolfram von Eschenbach, Heinrich von Ofterdingen und dem geheimnißvollen Klingsor erzählt, eine Fabel sei, erfunden von den Dichtern späterer Jahrhunderte. Indessen, wie dem auch sei, ob Fabel, ob Wahrheit: das Schauspiel zeigt sich noch täglich vor unsern Augen.

Wie viele junge, glühende Seelen, begierig nach dem Dichterpreis, stürzen sich noch jährlich in die Arena und lassen ihre Leier erklingen! Und wie Viele verlassen nicht mit zerbrochener Harfe und zerstörten Hoffnungen, den bittern Schmerz der Enttäuschung im Herzen, die Schranken! Wie wenig Glückliche erringen sich ein Blatt aus dem Lorbeerkranze, welcher Anstrengungen, welcher Gunst des Schicksals bedarf es nicht, um nicht das Loos jener Schaar zu theilen, für die das Publicum ein kaltes, spöttisches Lächeln oder höchstens ein mitleidiges Achselzucken hat! Ist das nicht auch ein Kampf auf Tod und Leben, wie jener Sängerkrieg auf der Wartburg? Nur mit dem Unterschiede, daß der Besiegte nicht zu den Füßen einer schönen Fürstin flüchten und deren Huld und Schutz anflehen kann, sondern daß er langsam verkümmert und jahrelang stirbt an jenem spöttisch-kalten Lächeln und dem mitleidigen Achselzucken. Wer hieß den Narren auch die Feder in die Hand nehmen und unter die Poeten gehen! Wäre er Bierbrauer oder Bäcker geworden, das sind unstreitig sichere Professionen. Mit einem Worte: es geht bei den modernen Sängerkämpfen zwar nicht so prachtvoll-phantastisch zu, wie bei denen im Mittelalter, wohl aber nicht weniger ernsthaft und viel erbarmungsloser.

[824] Zu jenen Glücklichen nun, welche sich in den Dichterkämpfen der Gegenwart einen Preis errangen, gehört auch der Sänger, dessen Lebensgang diese Zeilen leicht skizziren sollen. Es ist Albert Traeger, der Dichter der Gartenlaube.

Wir nennen ihn den Dichter der Gartenlaube, weil diese Zeitschrift, wenn auch nicht seine ersten, doch seine besten Lieder gebracht hat und er ihr bis auf den heutigen Tag treu geblieben ist. Albert Traeger wurde am 12. Juni 1830 in Augsburg, wo sein Vater bei der Redaction des im Cotta’schen Verlag erscheinenden „Auslandes“ angestellt war, geboren. Seine Jugendbildung erhielt er jedoch im nördlichen Mitteldeutschland, denn schon im Jahre 1838 siedelten die Eltern nach Naumburg über, in welcher Stadt der Großvater des Knaben ein kaufmännisches Geschäft besaß, dessen Führung der Vater übernahm. In Naumburg besuchte Traeger das Domgymnasium und war eben in die Secunda eingetreten, als ihm, 1844, der Vater starb. Bei seinem lebhaften Naturell war es ein Glück für ihn, daß er in seiner Mutter eine ebenso zärtliche, als tüchtige Erzieherin fand.

1848 bestand er sein Abiturientenexamen und bezog die Universität Halle, sich dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften widmend. Im Jahre 1849 finden wir ihn in Leipzig, in engen, freundschaftlichen Beziehungen zu Gustav Liebert, dem Frühgeschiedenen, mehr den schönen Künsten und Wissenschaften, als dem strengen Fachstudium lebend. Nach einjährigem Aufenthalt in Leipzig geht er wieder nach Halle zurück und wird 1851 Auscultator. Er wird dem Appellationsgericht Naumburg zugetheilt, und hier ist es, wo sein Name zum ersten Male in die Oeffentlichkeit dringt. Das heißt nicht als Dichter, sondern als gesuchter und glücklicher Vertheidiger. Seine Vertheidigungsrede vor dem Schwurgericht in der cause celèbre der Frau von Feilitzsch (die der Kindesunterschiebung angeklagt war) verdient den Namen einer Musterrede und fand auch als solche Aufnahme in der Temmeschen Schwurgerichtszeitung.

Im Jahre 1857 wurde Traeger nach einem glänzenden Staatsexamen Gerichtsassessor und als solcher vielfach commissarisch beschäftigt. Seit dem Juni 1862 hat er seinen Wohnsitz als Rechtsanwalt und Notar in dem Städtchen Cölleda in Preußisch-Thüringen, sich einer lebhaften und guten Praxis erfreuend. – Das ist der äußere Lebensgang des Dichters der Gartenlaube. Einfach und gut bürgerlich, wie es in Deutschland bei den meisten unserer Autoren der Fall; frei von abenteuerlicher Romantik, aber auch frei von jenen dunklen Episoden, welche nur zu oft mit dieser Romantik verknüpft sind.

Obwohl Traeger nicht blos Lyriker, sondern auch Prosaiker ist, so verdankt er doch seinen Ruf wesentlich seinen lyrischen Dichtungen, die unter dem Titel „Gedichte von Albert Traeger, Leipzig, Verlag von Ernst Keil,“ im Jahre 1857 zum ersten Male gesammelt erschienen und seitdem wesentlich verbessert und vermehrt mehrere Auflagen (1861 zweite Aufl., 1863 dritte Aufl.) erlebt haben.

Eleganz des Ausdrucks, Formenvollendung und ein gewisser melancholischer Duft, welcher über Traeger’s Lieder gehaucht ist, sind in Verbindung mit einer glücklichen Wahl der Stoffe und Wahrheit der Empfindung wohl hauptsächlich die Vorzüge, welche dem Dichter so rasch die Gunst des Publicums gewonnen. Mit seinem, echt dichterischem Takte weiß Traeger die empfindsamsten Saiten der Menschenbrust zu berühren.

Oder welches Vater- und Mutterherz, dem ein geliebtes, kleines Kind durch den Tod entrissen wurde, wird nicht auf’s Tiefste bewegt durch das rührende und tröstende Gedicht „vom frühen Tod“:

„Zum Himmel kehrt die reine Seele wieder,
Kein finst’rer Tod macht sie beim Scheiden beben:
Es beugt ein Engel sich zum Kinde nieder,
Und von den Lippen küßt er ihm das Leben.“

Ueberhaupt möchten wir jene Lieder, welche der Dichter „Stimmungen“ nennt, als die schönsten und duftigsten Blüthen seiner Muse bezeichnen.

Auch unter seinen Wanderliedern – wir erinnern nur an das so rasch populär gewordene: „Wenn Du noch eine Heimath hast“ – finden wir prächtige Perlen. Weniger haben uns die Sonette angesprochen; auch die Liebeslieder, so formvollendet sie sind, stehen uns hinter den „Stimmungen“ und seinen „Wanderliedern“ zurück. Bis auf wenige, darunter das innig empfundene „Dein liebes Angesicht“, tragen sie mehr den Charakter der Reflexion, als der unmittelbaren Empfindung. Tief ergreifend sind die „den Armen“ gewidmeten Dichtungen. Der Grundton dieser Dichtungen ist religiös-socialistisch, und in einigen, z.B. im „ohne Crucifix“, von einer Energie des Gefühls und des Ausdrucks, welche unsere Seele in tiefem Mitgefühl schmerzlich erbeben läßt. Traeger kokettirt nicht mit diesen Empfindungen, er benutzt sie nicht als theatralischen Aufputz, um durch die Poesie der Contraste zu wirken, sie entspringen wirklich einem guten, die Noth seiner Nebenmenschen, seiner armen Mitbrüder mitfühlenden Herzen. Wir hätten noch seine Zeitgedichte, darunter das Lied von „Schleswig-Holstein und Kurhessen“ mit seinem an die Beranger’sche Weise erinnernden Refrain, sowie das durch den Frankfurter Fürstentag berühmt gewordene Lied: „Wann, wann marschiren wir gen Norden?“ zu erwähnen.

Diese Zeitgedichte haben neben dem allgemeinen Interesse noch ein individuelles. Sie charakterisiren die politische Parteistellung Traeger’s.

Traeger gehört nicht zu jenen kalten, gleichgültigen Naturen, denen die Kunst, die Cultur des Schönen genügt; zu jenen unglücklich organisirten Charakteren, für welche die Worte Vaterland und Freiheit Worte ohne Sinn und Bedeutung sind. Er hat Partei ergriffen, die Partei der nationalen Demokratie, der schon ein Theil der Gegenwart gehört und die das ausschließliche Anrecht auf die ganze volle Zukunft hat.

Im Dienste dieses nationalen demokratischen Gedankens arbeitet Traeger, und zwar nicht blos als Poet, sondern auch als praktischer Politiker, als Voksredner. Er gehört mit zu den thätigsten Mitgliedern des Nationalvereins in Thüringen, und die Erfolge seiner Beredsamkeit sind nicht geringe zu nennen. Die Fortschrittspartei seines Kreises trug ihm bei der Nachwahl für den gemaßregelten Abgeordneten zur zweiten preußischen Kammer, Pastor Gräser, ein Mandat an, das er jedoch zu Gunsten des liberalen Kandidaten, Kreisrichter Blochmann in Nordhausen, ablehnte. Da wir hier seine rednerische Thätigkeit berührt haben, so wollen wir bei der Gelegenheit erwähnen, daß Traeger die Festrede bei der Schillerfeier in Leipzig 1859 hielt und daß der Prolog, welcher der Aufführung der „Hermannsschlacht“ zur 50jährigen Gedenkfeier der Völkerschlacht von Leipzig im Leipziger Stadttheater voranging, seiner Feder entflossen ist.

Es bleibt uns noch übrig Traeger’s sonstige literarische Thätigkeit kurz zu skizziren. 1853 schrieb er eine recht gute Biographie des schottischen Dichters Burns, welche der Pertz’schen Uebersetzung von Burns’ Gedichten vorgedruckt ist. 1860 gründete er das „Leipziger Sonntagsblatt“, ein Beiblatt zum Leipziger Tageblatt, und veröffentlichte eine Novelle „Uebergänge“, interessant geschrieben, voller pikanter, psychologischer Erörterungen, aber ohne recht befriedigenden Abschluß; 1861 erschienen seine „Stimmen der Liebe“, eine Sammlung der reizendsten Liebeslieder, und jetzt eben hat ein zweites Sammelwerk „Deutsche Lieder in Volkes Herz und Mund“ die Presse verlassen. Von einem guten Humor zeugen seine „Tannenreiser“, es sind modern-sociale Skizzen, Weihnachtsarabesken nennt sie Traeger, die im Verlag von Schönewerk in Wien erschienen sind. Auch im dramatischen Fach hat sich Traeger mit einer Kleinigkeit, „die letzte Puppe“, Soloscherz, der in Weimar von Louisabeth Röckel, Tochter des letzten Maigefangenen, mehrfach beifällig aufgeführt wurde, versucht.

Traeger hat jedenfalls noch eine schöne Zukunft vor sich. Noch mancher Preis wird ihm zu Theil werden, wenn er mit derselben ernsten Beharrlichkeit, die sein bisheriges Streben auszeichnet, weiter ringt. Möge er die Anerkennung, welche ihm das Publicum für seine bisherigen Leistungen zollte, als Sporn zu neuen Anstrengungen betrachten, vor Allem aber möge er seine reiche Kraft dem heiligen Herz der Völker widmen, wie unser Sänger Hölderlin das Vaterland nennt, dem deutschen Vaterland, dessen brennendste Wunden seine Lieder uns so ergreifend und mit dem

Ausdruck männlicher Entrüstung geschildert haben.
K. W.



[825]
Die Kunstmethoden der Londoner Langfingerei.
Ein modernes Industriebild.
2.

Handwerkszeug braucht der Taschendieb gewöhnlich nicht. Seine fünf oder je nach Befinden zehn gelenken Finger machen ihm die Beihülfe besonderer Geräthe und Instrumente entbehrlich. Höchstens nimmt er einmal zu einem scharfen Federmesser oder einer feinen Scheere seine Zuflucht, wo sein natürlicher Apparat nicht ausreichen will. Nur zum Abzwicken der Uhrketten pflegt er wohl – doch die Hauptkünstler des Fachs verschmähen auch diese Unterstützung – eine gut beißende, feste Zange bei sich zu führen, die der Drahtzange gleicht, nur viel kleiner ist, so daß sie sich zwischen den drei Vorderfingern der rechten Hand bequem verstecken läßt.

Hause nun die Uhr, wo sie wolle, und sei sie noch so tief in Weste oder Beinkeid vergraben, sicher ist sie nirgends, sobald nur eine Kette, eine Schnur, ein Bandzipfel vorhanden, woran sie hängt. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst einen Bosco meistert, fährt die leise Hand des Gauners an dem haltenden Metalle oder Band oder Faden nach dem Neste des glänzenden Vogels hinunter oder hinauf, und im Augenblicke ist’s geplündert. Blos das Proletariat, der verkommene Janhagel und die schüchternen Anfänger, die armen Schlucker der edlen Gesellschaft vergreifen sich an silbernen Taschenuhren; der „respectable“ Pickpocket, der auf Standesehre hält, erachtet solchen Erwerb unter seiner Würde und wendet sich verächtlich von einem Opfer ab, das sich mit so plebejischem Zeitmesser schändet. Die goldene Uhr ist allein seiner Distinction gemäß, und wo er solche Beute wittert, da läßt er wohl einmal auch seine gewöhnliche Vorsicht bei Seite. Mit festem Griffe packt die linke Hand den kostbaren Fang, ihr Daumen preßt sich auf den Knopf, durch welchen der Ring gezogen ist, von dem Schnur oder Kette ausgehen, während Daumen und Zeigefinger der rechten Hand diesen Ring halten. Ein blitzschnelles Drehen der beiden Hände nach entgegengesetzter Richtung, ein Ruck, und der Ring zerbricht, oder der Knopf windet sich ab, oder – wie es zumeist der Fall ist – der kleine Nagel, der diese beiden verbindet, zieht sich aus, und die Uhr wird frei. Das Alles ist das Werk einer Secunde, und so fest der Griff auch war, ebenso leise löste er seine Aufgabe, kein Klirren, kein Kritzeln, nicht der Schatten eines Klanges verräth, was vor sich geht.

Freilich haben die routinirtesten Gauner ausgesagt, daß ihnen von hundert dergleichen Attentaten im Durchschnitte immer erst zwanzig gelingen! Störungen, Gefahren, Zwischenfälle kommen ihnen ja oft, wo sie dieselben am mindesten berechnet hatten, und gar manchmal gilt es, sich hurtig in Sicherheit zu bringen, ehe die Arbeit noch halb gethan ist und bevor der Gauner Zeit hat, die schon glücklich aus ihrem Verstecke bugsirte Uhr wieder an ihrem rechtmäßigen Orte zu bergen. Wenn man daher plötzlich zu seinem Erstaunen gewahrt, daß die Uhr außerhalb ihres Behälters sich in kühnen Luftsprüngen und Schwingungen versucht, so weiß man, was die Glocke geschlagen hat, und mag die gleichsam neugeschenkte Gabe nur um so inniger an sich fesseln.

Neulich Nachts ging ich in etwas später oder früher Stunde, wie man will, mit einem deutschen Landsmanne aus dem Café chantant am Leicestersquare nach Hause. Ein prächtiger Mondschein lag auf dem jetzt stillen Häusermeere von London; wir nahmen daher einen Umweg durch die Palaststraße von Pall-Mall, dessen Clubfaçaden in dem Silberlichte, welches ihre reiche Architectur umfloß, einen zauberhaften Effect machten. Mit einem Male stieß mich mein Begleiter an. „Da, sieh nur den Mann dort drüben an der andern Häuserreihe! Ob das ein Detective (Mitglied der geheimen Polizei) ist, der uns für ein paar Strolche nimmt, welche auf Arbeit ausziehen? Denn er belauert uns fortwährend und hält immer gleichen Schritt mit uns. Ich hab’ ihn schon bemerkt, als wir um die Ecke von Haymarket bogen, und von da an hat er uns nicht mehr aus den Augen gelassen.“

Ich wurde aufmerksam und beobachtete nun meinerseits den unheimlichen Gesellen. Wir lenken in St. James Street ein, er that’s auch. Da schlug die Glocke des alten verräucherten Königsschlosses; ich wollte nach meiner Uhr sehen – denn es war hell wie am Tage – sie war ihrer Behausung entschlüpft und erfreute sich, an ihrer Gummischnur lustig über die Weste baumelnd, gleich uns der schönen Nacht. Jetzt war das Räthsel von unserm geheimnißvollen Mitwanderer gelöst: es war ein auf eigene Faust wirkender Wire (die active Person beim Taschendiebstahl), der mich vergeblich zu erleichtern gesucht hatte – wo, darüber hatte ich durchaus keine Vermuthung, wahrscheinlich aber war die Attake schon beim Ausgang aus dem besuchten Kaffeehause geschehen – und nun auf einen günstigern Moment lauerte, um sein Ziel zu erreichen. So wie ich die Uhr in die Tasche steckte und mit meinem Freunde dem Burschen einen bezeichnenden Blick hinüber warf, verschwand er.

Ein anderes hübsches Attentat war vor Kurzem auf Mr. Simpson selbst gemünzt gewesen.

„Ich hatte,“ erzählte er mir, „meinen freien Sonntag und spazierte nach dem Nachmittagsgottesdienste“ – Mr. Simpson ist ein guter frommer Brite und regelmäßiger Kirchengänger, sobald es der Dienst erlaubt – „in den Regentpark hinaus, denn es war ein Wetter, wie wir’s in London selten haben. Sie wissen, der Prinz-Gemahl hat es durchgesetzt, daß jetzt an Sonntagsnachmittagen im Regentspark und in Kensington-Gardens die Militärmusik dem Publicum etwas vorspielen darf. Der Rasenplatz, wo das Chor blies, war gedrängt voll Menschen, und ebenso Viele promenirten in der großen Allee auf und nieder. Ich trat zu den Zuhörern, und neben mich postirte sich ein feiner Herr, der an jedem Arme eine schöngeputzte Dame führte. Natürlich war ich in Civil, so daß Niemand wissen konnte, was für ein Geschäft ich treibe. Ich aber kannte meinen eleganten Nebenmann recht wohl; er hatte schon verschiedene Male im Arbeitshause von Clerkenwell seine Wolle gesponnen. Eben begannen sie einen neuen Marsch zu schmettern, und wie so Alles auf die Trompeten und Tam-Tams horcht, da spüre ich, daß mir Etwas leise unter die Rockflügel greift. Ich rühre mich nicht, um die Bande sicher zu machen, und erst im rechten Momente abfassen zu können. Und es glückte mir; ich erwischte das saubere Kleeblatt gerade, wie die eine der schönen Damen mein Taschentuch aus der linken und die andere meine silberne Tabaksdose aus der rechten Schooßtasche an’s Tageslicht befördert, und Cameraden von Scotland-Yards waren flink bei der Hand und führten die feinen Musikfreunde ab. Aber schlau war das Ding eingefädelt! Der Mann hatte, von rechts und von links, beide Daumen unter die Schöße meines Rocks prakticirt und so diese etwas in die Höhe gehoben, damit die Dirnen meine Taschen bequemer und unbemerkter ausleeren konnten. Hätte ich den Kerl nicht gekannt, so wär’ ich ausgeplündert worden, so gut wie der grünste Grünling, – und welche Blame das für einen Constablersergeanten, der bald zwanzig Jahre den Langfingern auf den Dienst paßt!“

Ein höchst sinnreiches Diebsstückchen gab mir der Inspector zum Besten. Nach der letzten Ernte hatte ein reicher Pächter aus Hampshire in dem bekannten Bankhause von Child dicht bei Temple Bar, dem Eingange zur City, eine bedeutende Summe in Geld eincassirt und in einem zu diesem Behufe angeschafften derben Lederbeutel in den Grund seiner geräumigen Hosentasche versenkt. Der stattliche Provinziale war nicht zum ersten Male in London; er kannte also die Gefahren, die seinem Schatze drohten, und nahm sich fest vor, sich nicht wieder einen Streich spielen zu lassen, wie es ihm bei der letzten großen Ausstellung passirt war, wo ihm ein britischer oder festländischer Fingerkünstler Uhr sammt Kette vom Leibe escamotirt und nur den Haken der letztern als traurigen Torso im Westenknopfloche übrig gelassen hatte. Während er somit dem Bahnhofe an der Waterloobrücke zustrebte – wohlweislich hatte er sein Geschäft bis kurz vor seiner Anfahrt aufgespart – that er die Hand nicht aus der Tasche, worin seine Sovereigns staken, und schritt im Bewußtsein seiner Unbesieglichkeit stolz dahin. Wer kann aber sein Erstaunen schildern und den Blick seiner überschwenglichen Verblüffung malen, als er plötzlich den so sorgsam behüteten Mammon nicht mehr unter seinen Fingern fühlt! Das ging denn doch über alle seine Begriffe von menschlicher und selbst von Londoner Gaunerleistungsfähigkeit! Indessen das Schicksal wollte ihm wohl. Ein naher Constabler hatte den einzeln Agirenden, einen alten Bekannten, bemerkt und, ehe sich derselbe mit seinem Raube aus dem Staube machen oder diesen bei Seite schaffen konnte, beim Kragen gepackt.

[826] Und nun zogen alle Drei und zahlreicher Publicus hinterdrein dem Polizeigerichte von Bowstreet zu. Kläger wie Gerichtshof waren gleichgespannt auf die Erklärung des Wunders, das einem Menschen das Geld unter den festhaltenden Fingern aus der Tasche zu zaubern vermag, und der Erstere sicherte dem Meistergauner Straflosigkeit zu, unter der Bedingung, daß dieser mittheile, mit welchem Kniffe er den Diebstahl vollführt habe.

„Nun, sehen Sie, meine Herren,“ bekannte der Verbrecher, „ich kam gerade aus dem Citythore heraus, wie Sie drüben auf Mr. Child’s Bank lossteuerten, und dachte mir gleich, daß da ein gut Stück „Zinn“ (so nennt die englische Gaunersprache das Geld) eingesackt werden sollte. Ich machte mich darum hinter Ihnen in das Bureau hinein und sah, wie Sie das Geld einstrichen. Jetzt waren Sie mir schon so gut als gewiß. Ich ging Ihnen nach, und wie Sie an das Somersethouse kamen und sich einen Augenblick die grauen Mauern anguckten, da kitzelte ich Sie mit der kleinen Feder hier im rechten Ohre. Sie vergaßen für den Moment Ihren Schatz und nahmen die Hand aus der Tasche, um die zudringliche Fliege, oder was sonst Sie juckte, fortzuschaffen – und während dem fuhren meine Finger geschwind nach Ihrem Beutel und holten sich das Moos!“

Selbstverständlich bietet ein Menschengedränge, ein Auflauf oder Tumult dem Langfinger die besten Chancen. Wenn sich also nicht zufällig schon irgendwo eine solche deckende Menschenauhäufung vorfindet, so muß eine geschaffen werden, und um die Mittel und Wege dazu sieht sich der Pickpocket nicht verlegen. Seine erste Sorge ist es, den passenden Operationsplatz zu wählen, d. h. einen Platz, den geldführende Individuen zu passiren pflegen. Geschickt wirft einer der Helfershelfer – nie der ausführende Wire selbst – einen Stein in das nächste Schaufenster. Das schönste Gedränge ist fertig, und das Geschäft der Wires beginnt.

Das ist jedoch ein ziemlich verbrauchter Coup, der blos unter besonders günstigen Umständen, wenn irgend eine bestimmte Veranlassung, sei es eine Vieh- oder eine Blumen-, eine Hunde- oder eine – Kinderschau, ein großes Bootrennen auf der Themse oder eine feierliche Cricketpartie, in welcher Manchester gegen Liverpool oder Cambridge gegen Oxford Ball schlägt, eine zahlreiche Landbevölkerung und Kleinstädtermenge „hinauf“ nach London führt. Vor einem andern feinern Kniffe mag sich dagegen der mitleidige Fremde, der noch nicht lange genug die Londoner Rußluft geathmet hat, um von vornherein gegen alle Ansprachen, Bestrebungen und Productionen mißtrauisch zu sein, mit denen auf seine Theilnahme speculirt wird, vorzugsweise hüten.

Es ist etwa die Stunde, wo sich die großen Geschäftshäuser der City leeren, ihre Eigner und Gehülfen westwärts heimtrachten und, wer es kann, sich beeilt, um in den mächtigen Sauerstoffreservoirs, den Parks, die den Tag über geschluckten Miasmen und Kohlenatome möglichst aus den Lungen zu pumpen. Die Straßen des Westends füllt jetzt das eleganteste Publicum, zu Fuß, zu Wagen und zu Roß. Jählings stockt der Menschenstrom; an der Hydeparkecke oder vor den Villen von Parklane, in Knightsbridge oder vor dem Albertsthore stürzt ein unglücklicher Epileptischer zu Boden. Die Hände sind ihm fest geschlossen, die Augen stier, und Arme und Beine schlagen in gräßlichen Zuckungen um sich. Die Fußgänger bleiben stehen, einzelne Reiter steigen von den Pferden, und schnell hat sich ein Kreis von Mitleidigen und Neugierigen um den Kranken gebildet. Der Eine rathet dies Mittel, der Andere erbietet sich zu jener Hülfsleistung, bis allmählich der Leidende wieder zu sich kommt und mit matter Stimme bittet, ihm eine Droschke herbeizuholen, in der er, von dem Bedauern der Umstehenden gefolgt, davonfährt und – sich in’s Fäustchen lacht. Denn die ganze haarsträubende Scene war nichts Anderes als eine meisterlich gespielte Komödie, und der Krampfbehaftete nur der kunstgeübte Helfershelfer schlauer Taschendiebe, die während des Spectakels eifrig ihre goldene Ernte eingeheimst haben, bald die Mitleidigsten unter den Mitleidigen spielend, bald von dem Kranken keine Notiz nehmend, je nachdem es ihren Zwecken gemäß erscheint. Und morgen wiederholt sich das Schauspiel an einem andern Platze des Westends; der Fallsüchtige macht nämlich aus seiner seltsamen Kunstleistung seinen täglichen und ausschließlichen Lebensberuf, oft Jahre lang und unter den Argusaugen und vor den Spürnasen der schutzmannschaftlichen Blaufräcke selbst. Denn die löbliche Compagnie deren stiller Theilhaber er ist, sorgt dafür, daß der Name ihres trefflichen Mimen noch auf keinem Londoner Polizeiregister figurirt. Auch muß der Mann immer in anständigem, doch nie in auffälligem oder stutzerhaftem Anzuge erscheinen und den ältlichen Gentleman von mäßigen Mitteln copiren, der von vornherein auf Sympathie Anspruch machen darf.

Ab und zu trifft man an Straßenecken, da, wo das Wagenchaos minder gefahrdrohend ist, einen echten oder falschen Krüppel (ohne alle Füße, mit nur einem Arme oder mit einem Stelzbeine) auf dem Trottoir knieen oder kauern, welcher mit verschiedenen bunten Stiften allerhand sehr drastische Figuren und Gruppen auf die Wegplatten malt. Natürlich zieht das ein gewisses Publicum bescheidnerer Art, Ladendiener und Köchinnen, Domestiken und Arbeiter, herbei, und der zufällig vorübergehende Fremde bleibt wohl auch eine Minute stehen, um zu sehen, was die Scene zu bedeuten hat, und einen Blick auf die oft mit entschiedenem Geschicke gemachten unzweideutigen Schildereien zu werfen. Der verstümmelte Künstler ist aber wieder nur ein Diebeshelfer, der Spießgeselle von Beutelschneidern einer untergeordneten Kategorie, die, während sich die farbigen Linien auf dem Asphalte zum pikanten Bilde zusammensetzen, sich die wenigen Schillinge oder Pence zu Gemüthe führen, welche die arglosen Gaffer bei sich tragen.

John Bull’s Steifheit, Rückhaltung und vorsichtige Wortkargheit, wenn er sich Jemandem gegenübersieht, der ihm nicht in optima forma vorgestellt und als „respectabel“ bekannt, ist auf dem ganzen Continente zum Sprüchwort und typischen Komödienvorwurfe geworden, und ein Engländer, der an einen Fremden auf öffentlicher Straße oder an öffentlichem Orte gar das erste Wort richten oder ihm anders als mit einem frostigen „No“ oder „Yes“ antworten wollte, sündigte gegen die Urerz-Grundregel der nationalen Anstandslehre. Diese britische Unnahbarkeit trägt nicht zum kleinsten Theile dazu bei, daß sich der an offene Mittheilsamkeit und freiern geselligen Verkehr gewöhnte Ausländer anfangs unter den Söhnen Albions so unbeschreiblich unbehaglich fühlt. Es ist daher erklärlich, wenn er es als einen ihm leuchtenden besondern Glücksstern betrachtet, sobald ihm einmal eine Ausnahme von dieser unerträglichen britischen Exclusivität aufstößt, und sich freut, wieder einmal von Herzen und nach Herzenslust plaudern zu können. Allein ich kann meine Landsleute nicht genug warnen vor diesen gemüthlichen Engländern, die uns auf der Straße, auf der Eisenbahn und im Omnibus in ein Gespräch zu verwickeln suchen. Tragen dieselben nicht einen völlig untrüglichen Stempel der Biederkeit auf ihrem Gesichte, alsdann bleibe man zugeknöpft – auch im buchstäblichen Sinne – wie der zugeknöpfteste Brite; denn nur zu häufig stehen die freundlich mittheilsamen Herren zur großen Londoner Gaunerwelt in sehr innigen Beziehungen und bemühen sich, uns durch liebenswürdige Unterhaltung festzuhalten, lediglich, damit der Wire, dessen Geschäftskumpane sie sind, die nöthige Zeit findet, den vertrauensnollen Fremden recht gründlich zu durchforschen. Meistens sind die Mittheilsamen, was der Engländer „geknickte“ (broken down) Gentlemen nennt, „Lebensberufverfehler“, die einmal bessere Tage gesehen und darum sich noch eine gewisse Respectabilität in Wesen und Mienen erhalten haben. Um selbst als Wires noch etwas leisten zu können, sind sie zu alt, denn der Dieb muß in der Diebeshöhle geboren und von Klein auf zu seiner Kunst geschult und gedrillt werden, um sich zur Meisterschaft aufzuschwingen; zu Annexions-Helfershelfern aber macht sie jener letzte Schimmer von Achtbarkeit, der ihrem Auftreten geblieben ist, vorzugsweise geschickt. Mit einem Worte, sie sind ein Köder der allergefährlichsten Sorte, vor dem man sich kaum zu viel in Acht nehmen kann. –

Mit der folgenden Falle wird hauptsächlich das zartere Geschlecht, namentlich von gewissem Alter, gefangen. Ein Bürschchen von vier, fünf Jahren mit weißgewaschenem Gesichte und sauberem Kittel oder ein nettgekleidetes kleines Mädchen steht mit betrübter Miene auf der Straße und starrt rathlos auf die Aufschrift eines Briefes, den es bestellen soll. Das arme Ding hat die Adresse vergessen und weiß nun seiner Noth kein Ende. Eben kommt da eine würdige Matrone des Wegs gegangen. Schüchtern trippelt das trostlose Kind an sie heran und bittet ängstlich, ihm doch die vergessene Adresse lesen zu wollen. Wer könnte so hartherzig sein, dieser Ansprache zu widerstehen? Die Dame nimmt dem Kleinen das Billet aus der Hand, sucht vielleicht erst nach dem Brillenfutteral, das sie in der Tasche hat, setzt bedachtsam die Gläser auf die Nase und willfahrt dann gutmüthig und wortreicher, als unbedingt nöthig, dem an sie gestellten Gesuche. Mittlerweile aber lohnt ein schon lauernder Wire ihre Freundlichkeit, indem er ihr die [827] Börse und die in Schildpatt gefaßte Notiztafel, das Brillenetui und den silbernen Fingerhut und was sie sonst noch Nehmenswertes bei sich trägt, entführt. Es ist dies eine Methode, die selten ihr Ziel verfehlt. Obschon die „Haken“ – so nennt der Londoner Gauner die durchtriebenen kleinen Pseudoboten – Tag für Tag die Londoner Straßen unsicher machen und kaum eine Woche vergeht, daß nicht einer und der andere ertappt wird: die menschliche Gutmüthigkeit ist, glücklicher Weise, viel zu ausgiebig und unverwüstlich, um sich nicht immer wieder dupiren zu lassen.

Wenn man weiß, daß in London tagtäglich an anderthalbtausend „Omnibus“ circuliren, von denen nur wenige ihre Außen- und Innensitze nicht vollzählig besetzt haben, so wird man ermessen können, welche herrliche Operationsbasis der Londoner Langfingerarmee damit gegeben ist, um so mehr, als es nicht zu den Seltenheiten gehört, daß die Conducteure als deckende Außenposten der Plänkler oder Plänklerinnen agiren. Denn der Omnibus ist ebenso wie der Schauladen das recht eigentliche Terrain für die Heldenthaten der weiblichen Taschenspielerei. Gewöhnlich wird indeß der Raub nicht während der Fahrt oder im Wagen selbst, sondern erst dann vollbracht, wenn das in der Regel schon vorher in’s Auge gefaßte und gehörig ausgetastete Opfer aussteigen will, und derart, daß Drei der noblen Sippschaft einträchtig zusammenwirken, meistens zwei Frauen und ein Mann. Sowie das aufgetriebene Wild sich anschickt, den Omnibus zu verlassen, erhebt sich eine der Ersteren gleichfalls von ihrem Sitze und sucht dem Aussteigenden den Weg zu verlegen, indem sie plötzlich durch das Thürfenster auf die Straße zu blicken oder an den auf dem Tritte stehenden Conducteur eine eilige Frage zu richten hat oder über die Füße der Nebensitzenden stolpert und so dem Wire den nötigen Spielraum bereitet. Ist der Streich geglückt, so erfolgt das verabredete Zeichen und der Bearbeitete erhält freie Passage. Inzwischen ist Uhr oder Beutel der zweiten Gehülfin zugesteckt worden, die bei dem allerersten schicklichen Haltepunkte das Weite gewinnt, während die beiden Andern noch ruhig eine Strecke lang mitfahren; denn selbst in dem unwahrscheinlichen Falle, daß der Ausgebeutelte seinen Verlust mittlerweile entdeckt haben und seine Omnibusgenossen beargwohnen sollte, fühlen sie sich ja sicher, da nichts bei ihnen gefunden werden kann. Die Zahl der bei dieser Gelegenheit verübten Gaunereien ist enorm, und beinahe alle geschehen auf die gleiche Weise; dennoch wird das Publicum nicht gewitzigt und läuft immer von Neuem in das Garn.

Eines der fruchtbringendsten Tummelgefilde haben die Eisenbahnen dem Londoner Pickpocket erschlossen, und ein so ausgedehntes, gewissermaßen schrankenloses, daß wir seiner Vielseitigkeit auf demselben nur sehr oberflächlich und im Allgemeinen folgen können. Waggon und Perron, Wartesaal und Restaurationszimmer, Passagiere und Bahnbeamte – Alles wird ihm tributpflichtig. Ganze Familien, Männer und Frauen, Söhne und Töchter bis auf den jüngsten verheißungsvollen Sprossen hinab, widmen Thätigkeit und Talente einzig und allein der Eisenbahn und leben lediglich und ohne zu darben von dem Raube, welchen die Segenspenderin ihnen in die Hände liefert. Auch hier gilt wieder die alte Norm der Arbeitstheilung: der Eisenbahndieb versucht seine Kunstfertigkeit nie auf anderem Gebiete und bildet mithin in dem erkornen Gewerbszweige sein Geschick zu jener Vollkommenheit aus, welche die englische Industrie überhaupt charakterisirt. Der Londoner Gauner ist ein trefflicher Nationalökonom. Sein Princip heißt: keine Zersplitterung der Kräfte und Association, und er weiß, wie gut er dabei gedeiht.

Keine Strecke ist dem Eisenbahnlangfinger zu weit. Unverdrossen dampft er bis Aberdeen und Glasgow, bis nach Wales und Cornwallis, wenn ein Haupttreffer zu ziehen ist, wenn ihm seine weitreichenden Späher und Zuträger einen ungewöhnlich reichen Fang signalisirt haben, und wie ein ewiger Proteus lehnt er sich heute in die Plüschpolster der ersten Wagenclasse und fährt morgen als Jockey oder Roßtäuscher im vollgepfropften Coupé der letzten zum Rennen nach Epsom oder Newmarket, ist bald der behäbige englische Pächter mit Kniehosen und Gamaschen und bald der himmelnde Dissenterprediger in kragenlosem Rock und weißem Halstuche.

Kurz, fahrt wo und wie und wann Ihr wollt, – niemals und nirgends und auf keine Weise seid Ihr geschützt vor den kühnen Griffen der Londoner Bahnpickpockets. Also: a priori Mißtrauen gegen Jeden und Jede, die Euch das Schicksal als Coupégenossen in den Weg führt! Habt Ihr aber vollends Mitpassagiere, die an jedem Haltpunkte ruhelos aus dem Waggon steigen und von den Erfrischungs- nach den Wartezimmern hasten oder den Paletot oder Plaid keinen Augenblick vom linken Arme bringen, damit die Manövers der darunter verborgenen rechten Hand nicht vorzeitig bloßgestellt werden, oder denen die Arme in verdächtiger Unbeweglichkeit, als wären es künstliche Wachsgliedmaßen, gekreuzt auf dem Schooße ruhen – alsdann doppelte und dreifache Vorsicht und wo möglich zugeknöpft bis an’s Kinn! Vor Allem, wenn Ihr aussteigt, die Gedanken zusammengehalten und scharfes Auge auf die Nachbarschaft gerichtet! Denn ganz wie bei den Omnibusfahrten ist der Moment des Aussteigens der eigentlich kritische und entscheidende. Im Coupé seid Ihr sicher, – verhältnißmäßig heißt das. Hier setzt sich der Wire, das Haupt der nach Geschäftsbrauch auf Beute ausziehenden heiligen Dreizahl, derselbe feine Gentleman, der Euch vor der Casse, als Ihr das Billet löstet, recht gemüthlich in das Portemonnaie geäugelt und genau weiß, wo Ihr der Brieftasche mit den Fünfpfundnoten Quartier gebt, der nämliche artige Herr, der Eurer Frau so zuvorkommend in den Wagen geholfen hat, höchstens behaglich neben Euch, und ehe Ihr Euch noch auf den Kissen in die gehörige Lage gerückt und mit Euerm Gegenüber die schwierige Fußfrage geordnet habt, seid Ihr mit lindem Striche schon von oben bis unten sondirt und sind die Schlupfwinkel Euerer etwaigen ferneren fahrenden Besitzthümer ausgefühlt. Endlich ruft der Schaffner den Namen Eures Zieles aus und öffnet die Coupéthür, und wenn Ihr nun nicht den gesammten Vorrath Euerer Aufmerksamkeit auf den einen Punkt concentrirt, der jetzt noth thut, so wiederholt sich auf’s Haar das unerfreuliche Spiel, welches vorige Woche, da Ihr im Regent-Circus dem Omnibus erklettertet, das kaum gekaufte prächtige Juchtengeldtäschchen sammt den blanken neuen Sovereigns darin französisch von Euch verabschiedete.




Pulverfuchs.
Ein Waldvagabundenleben.
Von Guido Hammer.

Bei einer Jugendstreiferei – es mögen nun wohl bereits fast dreißig Jahre her sein – traf ich in dem schon damals über Alles geliebten Walde beim Forellenfange einst einen etwa siebenzehnjährigen, gutmüthig aussehenden Burschen, der ebenfalls „gerne in den Busch lief“, wie er sich gegen mich ausdrückte. Da wir uns später noch oft auf unsern Ausflügen begegneten und ich draußen im Walde noch viele Jahre Umgang mit ihm pflog, so lernte ich ihn gründlich genug kennen, um folgendes Conterfei von ihm geben zu können.

Fuchs, dies war sein Name, war blutarmer Leute Kind und hatte, nachdem er die unregelmäßig besuchte Schule hinter sich gebracht, aus Vorliebe für den Soldatenstand, Tambour werden wollen, war aber um eines schlecht geheilten Armbruchs willen, den er zwar schon in seinen Knabenjahren erlitten hatte, der ihn aber noch jetzt für den Militärdienst untauglich machte, abgewiesen worden. Traurig hatte er nun, wie er mir oft erzählte, seine Lieblingsidee, Soldat werden zu wollen, aufgegeben, und war, wie dies nach verfehlten Plänen so oft zu gehen pflegt, – Nichts geworden. Seinem angeborenen Hange folgend, hatte er sich ausschließlich dem Umherstreichen durch Wald und Flur ergeben, wobei er im Frühjahr und Herbst Pilze suchte, Vogelnester ausnahm, die kleinen Sänger in Sprenkeln und Dohnen fing etc. – kurz eine Thätigkeit entfaltete, die schon allein hinreichte, ihn bei allen Jagdbeamten mißliebig zu machen, seiner allerdings etwas bedenklichen Begriffe über Staatseigenthum gar nicht weiter zu erwähnen, die ihm den Wald als völlig freies Gut Aller erscheinen ließen. Nach seinen Ansichten war jeder Jäger ein „erbärmlicher Tyrann“, der sich anmaßte, dem armen Volke sein gutes Recht zu schmälern. Natürlich mußte

[828] er bei solchen Anschauungen mit den Hütern der Forsten in steter Fehde leben, und obgleich er sich bis zum Beginn unserer Bekanntschaft noch keines größeren Forst- oder wohl gar Wildfrevels schuldig gemacht haben mochte, so war er doch schon mehrmals bei Vogel- und Fischfang und unbefugtem Holzlesen – wozu er auch das Absägen eines „Stängelchens“, das, wie er mir selbst eingestand, ungefähr sechs Zoll Durchmesser gehalten hatte, mit rechnete – betroffen und dafür mit „Haidetage thun“ bestraft worden.

Mit Entrüstung sprach er deshalb von den „lumpigen Forstbütteln“, wie er alle Forstleute ohne Unterschied ihres Ranges betitelte, und erklärte sich ganz offen als ihren erbitterten Feind. Viel verderblicher jedoch, als sein Haß gegen die Jägerei, der sich in der Hauptsache doch nur auf Redensarten beschränkte, war für die Forsten seine Leidenschaft für Pulvergaukelei, die ihm auch den Namen „Pulverfuchs“ zugezogen hatte. Immer führte er nämlich das gefährliche Teufelszeug mit sich herum, das er dann auf seinen einsamen Waldgängen ohne allen Zweck verpuffte oder aus einem alten Terzerol verschoß. Manche kleine Haide- und Grasbrände auf dürrem Boden waren bereits die Folgen solcher Ungebührlichkeiten gewesen, wovon ich selbst einmal Augenzeuge zu werden Gelegenheit fand. In meinem Beisein pflegte er seiner Liebhaberei keinen Zwang anzulegen, und so traf ich ihn einst an einem schönen, aber windigen Spätherbsttage, wie er einen Laubstreuhaufen auf dürrem Grasplan, neben einem jungen Kiefernbestand, zusammengetragen hatte und eben durch einen Pistolenschuß ohne Pfropfen entzündete. Knisternd züngelten die Flammen empor, die der scharfe Wind rasch zur baumhohen Lohe anfachte und den dicken Qualm über die Haide hinwälzte. Aber bald ergriff der glühende Brand auch die dürren Schmälen am Boden und verzehrte mit rasender Schnelle die wogenden Halme. Schon sengte die gewaltige Gluth die harzigen Nadeln der zunächststehenden Kiefern, als der kleine Steppenbrand, aus Mangel an weiterer Nahrung für die lechzenden Zungen des verheerenden Elementes, zum Glück in sich verloderte und somit der Wald verschont blieb. Hatte mich bei dieser Scene, um der Folgen willen, wahrhafte Angst erfaßt, so freute sich Pulverfuchs hingegen „wie ein Schneekönig über das scharmante Feuerwerk und lustige Geprassel und Geknister“, und nahm mir es sehr übel, daß ich, die Gefahr für den Wald erkennend, das Feuer auszupeitschen mich bemüht hatte. Ein anderes Mal erwischte ich ihn, als er am Rande der Dresdner Haide hinter einer dicken Kiefer stand und vorsichtig hervorlugte, als lauere er auf etwas ganz Besonderes. Als ich mich aber ihm ungesehen genähert hatte und plötzlich scherzend fragte: „was macht Er hier auf dem Anstande?“ so zog er mich schmunzelnd hinter den Stamm, mit dem kurzen Bedeuten: ich würde es gleich hören und sehen. Und richtig! Kaum zwei Minuten waren nach dieser einfachen Unterredung vergangen, als ich auf einem vor uns liegenden wüsten Sandplatze, unter donnerähnlichem Gekrach, eine mächtige trümmergemischte Staub- und Rauchwolke emporwirbeln sah. Im ersten Augenblicke glaubte ich, der Kerl habe eine Mine gegraben und explodiren lassen, mit welcher Vermuthung ich auch so ziemlich das Richtige getroffen hatte, denn der verteufelte Nichtsnutz hatte in seiner Gaukelwuth ein seit langer Zeit hier befindliches, im Sande halb vergrabenes, verwittertes Denkmal, den sogenannten „alten Uhlanen“, mit Pulver in die Luft gesprengt.

Dies Monument rührte noch aus den Tagen August’s des Zweiten her, der es dem Andenken eines 1742 in Dresden verstorbenen polnischen Uhlanen hatte errichten lassen. Wie oft hatte ich sonst auf dem alten Steinbilde gesessen, das nun der muthwillig-übermüthigen Hand Pulverfuchses zum Opfer gefallen war!

Wie der Strolch mir nach der Affaire erzählte, hatte er Tags zuvor auf dem „letzten Heller“, dem Exercirplatze der sächsischen Artillerie, eine „crepirte“ Granate von einem stattgehabten Manöver gefunden und deren Füllung zur Sprengung des Grabmals benutzt. Lange nachher lagen noch die weit umhergeschleuderten Trümmer der vernichteten Statue auf brombeerumranktem Haidegrunde umher, bis die neueste Zeit über das Grab des polnischen Kriegers den hochunterdämmten glatten Schienenweg führte, auf dem mit Windesschnelle der brausende Dampfzug bis in das Herz seines zerrissenen Vaterlandes eilt. Aber überhaupt hat der beschriebene Schauplatz sich völlig verändert, denn wo vor ungefähr zwanzig und weniger Jahren noch stille Waldeinsamkeit herrschte, erhebt sich jetzt eine ganze, belebte Vorstadt Dresdens.

Doch kehre ich wieder zu meinem Waldvagabunden zurück. Ich müßte es lügen, wenn mich solche Uebergriffe Pulverfuchses, obgleich ich sie schon damals entschieden mißbilligte, von ihm abgeschreckt hätten; im Gegentheil, der Freizügler wurde mir dadurch nur noch interessanter. So ist’s denn erklärlich, daß ich, je älter ich wurde, je freier ich also über meine Zeit und Ausflüge verfügen konnte, auch um so häufiger mit dem Waldläufer draußen zusammentraf. Ja, oft strich ich nun ganze Tage lang mit ihm umher, wobei ich den originellen Kauz so recht studiren konnte. So nahm ich unter andern dabei wahr, daß er nicht nur ein vortrefflicher Vogelfänger und Angeler, sondern seinen verblümten Andeutungen nach auch ein abgefeimter Schlingensteller auf Wild sein mochte, obwohl er mir solches nie eingestanden hat, während er erstere Fangarten ohne Hehl vor meinen Augen betrieb und zwar mit einer Virtuosität, die mich in Erstaunen versetzte. Namentlich verstand er das Forellenfischen in den Waldbächen gründlich und zwar nicht nur mit der Angel, sondern auch ganz besonders mit der bloßen Hand. Hatte er aber bei solchen Gelegenheiten reiche Beute gemacht, für welche er jederzeit, wie er behauptete, gute Abnehmer fand, so pflegte er sich wie zum Lohne für seine Thätigkeit an einer hübschen Stelle des Waldes in’s weiche Moos zu lagern und seinen Schnappsack – er lebte beiläufig gar nicht schlecht – zu öffnen, um mit Brod, Butter, Wurst oder Fleisch und einigen tüchtigen Schlucken Branntwein seinem Leibe etwas zu Gute zu thun. Außerdem führte er noch ein „Pimpelmännchen“ – wie er’s nannte – in besonderer Flasche bei sich, das heißt eine mit Kümmel legirte Sorte Schnaps, die er auch mir zu credenzen für würdig erachtete. Nach solchen lukullischen Genüssen gerieth er gewöhnlich in redselige Stimmung, in der er mir dann oft Abenteuer seines Lebens mittheilte. Folgende Erzählung, die er mir bei angeregter Laune zum Besten gab, mag zu seiner Charakterisirung hier eine Stelle finden, so wie sie seinem Munde entfloß:

„’s war vor ein paar Jahren im Winter und hatte nächten eine grausame Masse Schnee ’runtergeworfen, als ich mich am fruhen Morgen auf die Socken machte, um ein Bissel Holz in’s Haus zu holen. Da ’s mit dem Leseholze zu lange gedauert haben würde, nahm ich mir ein Sägeblättel, das ich mir um den Leib legte, mit, um damit schnell ein paar dürre Stängelchen abzufiedeln. Natürlich wollte ich um der Lumperei willen nicht etwa weit hinter in die Haide kracksen, aber wie ich einmal draußen war und mich warm gegangen hatte, da gefiel mir’s so, daß ich dachte: was sollst Du heim sitzen? und ging also weiter und zwar auf dem „Kannenhenkel“ hinaus, hinter nach dem „schwarzen Kreuze“. Wurde Einem auch das Gehen in dem tiefen Schnee etwas sauer, so war’s doch gar prächtig im Walde, daß ich mich nicht satt d’ran erfreuen konnte. Der Wald sah aber auch gar so herrlich aus – ein Maler hätte ihn nicht schöner malen können! Die Bäume hatten sich von der Last Schnee rechts und links über den Weg gebogen, daß man wie in einem Kirchgang d’runter hinging, nur daß kein Gotteshaus so schön ausstaffirt sein kann, und wenn’s von lauter Gold und Marmor wäre. Kreuz und Kanonen-Pulver, wie gar prächtig sahen die vollhängenden Bäume aus, als die Sonne durchbrach und nun so zwischen ’neinflimmerte! Das war doch grade, als wenn der liebe Gott mit Edelsteinen um sich ’rum würfe. Denn da sah man’s überall glänzen und funkeln, daß Einem die Augen ordentlich übergingen – ich mußt sie, hol mich der Teufel! förmlich darvor zublinzeln. Dabei kam mir’s ordentlich heilig im Walde vor, so daß, als ich am „schwarzen Kreuze“ vorbeikam, wo ich sonst gerne rasch vorüberschnelle, weil’s dort „scheechen“ soll, ich, Ihr könnt mir’s glauben! stehen blieb und mir auf einmal unser Heiland einfiel. Dabei wurde mir’s so eigen zu Muthe, daß ich an allerhand neck’sches Zeug dachte, wie an meine verstorbenen Eltern – Gott hab’ sie selig – und den alten Cantor, bei dem ich in die Schule ging und der nun auch schon lange in’s Gras gebissen hat. Auch wurde mir’s so einsam um’s Herz, daß mir’s ordentlich zu grauen anfing und ich deshalb schnell auf dem „F“ ’nunter nach der „Scheibe“ lief, um nur so schnell wie möglich das fatale Kreuz hinter mir zu haben; denn ich weiß schon, ’s läßt Einen doch nicht gerne ungeschoren vorbei. Darauf wurde mir auch richtig bald wieder ein Bissel leichter um’s Herz, besonders wie ich mir vornahm, nächsten Sonntag wieder einmal zu Gott’s Tisch zu gehen, wozu ich seit meiner Mutter Tode nicht wieder gekommen war.

Na, ich ging also mit meinen Gedanken immer weiter auf

[829]

Pulverfuchs in der Trödelbude.

die Scheibe, um ’nunter nach dem „Wasserfall“ zu gucken, weil der sich im Winter gar so scharmant ausnimmt. Aber schon auf dem Wege dahin war’s reine zum närr’sch werden schön! Ich weiß nicht woran ’s liegen mochte, aber ’s war mir auf die Blitzgedanken alle, die ich an dem Blitzkeuze gehabt hatte, hinterher doch ordentlich wohlig geworden, so daß ich nun johlend weiter stolperte. Auf einmal huscht so’n langes schwarzes Ding über den Weg, daß mir’s doch gleich wie Pulver in alle Glieder fuhr, denn im ersten Augenblick dachte ich, ’s wäre etwa noch eine Scheecherei von dem Galgendinge, dem Kreuze, her, wie ich aber noch so dastehe vor Schreck, da schlüpft das huschige Beest wieder über den Weg ’nüber auf die andere Seite und in’s Dickicht ’nein. Diesmal bekam ich’s aber ungefähr weg, was es eigentlich war – nämlich ein Mard. Und richtig, wie ich an die Tapsen ’ran kam, die ’s in den Schnee gemacht hatte, sah ich’s ganz deutlich, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Aus Neugier ging ich nun dem Viehe nach, um zu gucken, wo’s sich hin versteckt hätte, denn so ein Ding kostet Geld, wenn man’s erwischt. Zum Schießen hatt’ ich freilich nichts bei mir, aber ich wollte doch den Ort wissen, wo der Teufelsbalg hingekrochen wäre. Weil ich gleich hinterher war, so hatte er auch nicht lange mehr herumgetempert, sondern war in eine alte Buche, die nicht gar weit ab vom Wege stand, ’neingefahren. ’Naus kam das Teufelsding nicht wieder, so viel ich auch mit einem Knüppel gegen den morschen Baum schlug. Da fuhr mir auf einmal wie ’ne Rakete der Gedanke durch den Kopf, daß ich eine ganze Düte Kanonenpulver in meiner Fouragetasche stecken habe, weil ich mir eben manchmal gerne einen Spaß mache, so ’was loszulassen. Ich visitirte nun zuerst das Astloch, wo’s Pelzmärdel ’neingekrochen war, und steckte dann, nachdem ich einen langen Streifen Schwamm an die Pulderdüte befestigt hatte, diese in die Höhlung nein und brannte dann das ’naushängende Schwammende an. So dachte ich, wirst Du das Ding schon ’raus kriegen, denn die Jäger räuchern ja auch die Beester ’raus. Ich hatte mich unterdessen ein tüchtiges Stück von der Buch weg hinter eine alte Tanne gesteckt, um da den Spaß abzuwarten. So paß’ ich und passe, daß der Krempel los gehen soll, aber trotzdem, daß ich schon eine ganze Weile gelauert hatte, rührte sich noch kein Aestel. Gewiß, dachte ich, ist der Schwamm am nassen Stamm ersoffen, und wollte in dieser Meinung schon hinter meinem Versteck vorschlüpfen, um nachzugucken, als ich dumpfes Pferdegetrampel, das auf dem Wege herzukommen schien, höre. Ich blieb also noch ruhig hinter meinem Stamm stehen, von wo aus ich ein großes Stück des Weges übersehen konnte, und horchte weiter, ob ich mich nicht etwa verhört hätte. Aber heiliges Donnerwetter, wie erschrak ich, als ich den alten Revierförster Z. auf seinem dicken Gaule daher geritten kommen sah! Gott’s Blitz und Granaten, wie wubberte mir bei seinem Aublick das Herze!

Mich entdeckte er schon nicht, das wußte ich, obgleich er meine Tapfen im Schnee sehen mußte; denn wenn der Grünrock sich auch wirklich über die Spuren nicht täuschen ließ, die er aber doch möglicherweise [830] für die eines Jägers, der dem Marde nachgelaufen wäre, halten konnte, so rechnete ich doch bestimmt darauf, daß der alte Herr zu bequem sein würde, vom Pferde zu steigen und dem Gelaufe nachzugehen. Also, daß er mich etwa erwischen könnte, darum war mir nicht bange, wohl aber, daß der Spectakel in der Buche grade losgehen möchte, wenn der alte Schneesieber vorbeiritt. Mit Zittern sah ich deshalb den Reiter näher und näher kommen, und ’s war mir doch, als wenn ich selber in die Luft fliegen sollte, als ich plötzlich ein Fünkchen vom Salpeterschwamm im Buchenloche aufspritzeln sah, wobei ich schon im Geiste den Krach vernahm, der meiner Meinung nach nun augenblicklich erfolgen mußte. Aber es blieb still – das Feuer konnte das Pulver noch nicht erreicht haben. Schon hoffte ich, daß der Förster wenigstens ein gehöriges Stück von dem elendigen Baum wegkommen würde, ehe der Teufelskram losginge, wenn nicht gar der Schuß „crepirt“ wäre. Aber es sollte dennoch anders kommen. Denn wie der Herr vielleicht nur noch fünfzehn Schritt vom Unglücksstamm entfernt war, that’s doch einen Platz, daß ich mir einbildete, die Erde müsse mich verschlingen – und die Buche flog in die Luft. Zu gleicher Zeit stürzten aber auch Pferd und Reiter zusammen, und eine Schneewolke wirbelte in die Höhe, daß man nichts mehr um sich sah. Dazu flogen die Aeste der alten Mordsbuche wie Schwärmer klirrend im Gezweige der anderen Bäume herum und stürzten neben mir prasselnd zur Erde, so daß mich ein Schrecken überfiel, wie ich ihn in meinem Leben noch nicht gehabt. Und nicht etwa um mein elendiges Leben war mir’s zu thun, ich hatte nur den armen alten Mann, den ich naturlich für todt hielt, im Sinne. Wie ein Wahnsinniger riß ich deshalb aus, und in meinem Leben will ich die Angst nicht vergessen, die ich den Tag über und die folgende Nacht ausgestanden habe, da ich mich natürlich für einen Mörder halten mußte; denn an den Unglücksplatz hinzugehen, um mir Gewißheit zu verschaffen, getraute ich mir nicht. Aber Gott sei’s heute noch gedankt, wir waren Alle, der Förster, ich und das Pferd, wie sich’s später auswies, mit dem bloßem Schrecken davongekommen! Der weiche Schnee hatte nämlich den Sturz des alten Mannes unschädlich gemacht, und Stücke des Baumes, der total zum Teufel gegangen war, hatten ihn sowohl als auch das Pferd unverletzt gelassen.

Daß aber der Förster Z. ein kreuzbraver Ehrenmann, überhaupt der einzige vernünftige Jäger ist, den ich habe kennen lernen, das habe ich dazumal erfahren. Als mir nämlich des andern Tages die Angst keine Ruhe mehr ließ, ging ich, um mich selbst anzuzeigen, in’s Forsthaus. Aber gleich bei meinem Eintreten sah ich zu meiner unaussprechlichen Freude den Todtgeglaubten frisch und gesund im Hausflur stehen, wo ich ihm nun selber mein Vergehen berichtete. Da schalt er mich zwar – die Seele von einem Mann – zwar einen Himmelsschwerenöther über den andern und zankte mich überhaupt tüchtig aus, aber versprach mir auf meine Bitten dabei doch, diesmal noch ein Auge zudrücken zu wollen und keine Anzeige zu machen. Und er hat mir schlechtem Kerl auch richtig Wort gehalten!“

Aus solchen und ähnlichen Offenbarungen folgerte ich denn doch, daß ein fortgesetzter intimer Umgang mit ihm mich endlich nicht nur mit dem Gesetze in Conflict bringen möchte, sondern mich auch den jägerlichen Freunden, die ich mir nun schon seit geraumer Zeit erworben hatte und denen ich mit wahrer Leidenschaft anhing, entfremden müsse, wenn sie erführen, daß ich mit ihrem Gegner fraternisire. Mit einem Worte: der Knabe Karl fing an, mir fürchterlich zu werden! Weil ich ihn deshalb mehr und mehr bei Seite liegen ließ, er mich aber zu wiederholten Malen im Walde mit einem Forstgehülfen, dem Sohne eines Revierförsters der Haide, hatte verkehren sehen, und zwar, da ich unter der Leitung meines jungen Freundes meine ersten Jagdstudien zu betreiben begann, mit Gewehr und Tasche, so mochte mich Pulverfuchs für einen Spion halten und dehnte deshalb seinen Haß jetzt auch auf mich, wie auf Alle aus, die der Jägerei anhingen. Davon machte er mir wenigstens einmal, als er mich im Walde allein traf, unumwundene Mittheilung, wie er denn überhaupt mit Auslassung seines Zornes nicht hinter dem Berge hielt. So verging er sich wider mich nicht nur mit Redensarten, als: „grünitziger Hund“, „spionirender Jägerknirps“ u. s. w., sondern er drohte mir auch noch als ich ihm scharf entgegentrat, sich thätlich an mir vergreifen zu wollen, so daß ich mich wahrhaftig genöthigt sah, den Nickfänger in die Hand zu nehmen, um für alle Eventualitäten bereit zu sein. Von da an, aber noch mehr nach einem spätern nochmaligen unmittelbaren Zusammentreffen mit ihm, wo ich mich noch dazu in Gesellschaft eines Unterförsters befand, der ihm, dem schon Gekannten, den Weg vertrat, um ihn in meinem Beisein Als verdächtiges Subject zu visitiren, wurde er mein entschiedenster Feind. Denn trotzdem ich bei dieser Untersuchung, die einen Nickfänger, Angelschnuren und Dohnen ergab – welche Gegenstände sich in diversen Löchern an der inneren Seite seiner als geheime Taschen benutzten Rockärmel vorfanden – ihm die Brücke zu treten versuchte, indem ich für ihn bat, so sagte er mir geradezu in’s Gesicht, das sei nur Verstellung von mir, denn ich sei doch nur der „niederträchtige Anstifter“ solcher Hudeleien. Drohend rief er mir, als er abgepfändet und zur Anzeige aufgeschrieben worden war, noch nach, ich sollte nur meine verdammten Knochen vor ihm in Acht nehmen, denn wenn er mich einmal zur passenden Zeit erwische, zerschlüge er mir dieselben, daß ich sie nur im Schnupftüchel heimtragen könnte! „Ruppige Jägernase!“ fügte er der Drohung, dabei giftig ausspuckend, hinzu. Ausdruck und Pantomime bezog mein Freund Förster aber auf sich und gerieth darüber so in Harnisch, daß er dem Schimpfenden nachlief, diesen nochmals packte und so lange abschüttelte, bis Pulverfuchs seinen Ausdruck dahin modificirte, daß er nur mich gemeint habe. Pulverfuchs hat indessen, wie ich es von seiner wirklichen Gutherzigkeit auch nicht anders erwartet hatte, seine Drohung gegen mich nie wahr gemacht, so oft ich noch ganz allein mit ihm im einsamen Walde zusammengetroffen bin. Er mied nur geflissentlich jede Annäherung.

Einstmals stieß ich ganz zufällig auf ihn, als mich ein Pürschgang mit dem Förster schon vor Sonnenaufgang tief hinein in den Wald geführt hatte. Lautlos schlich ich auf dem mir bezeichneten Pürschpfade hin, während der Förster nach einem Gehau gegangen war, als mir ein tiefes Schnarchen die Anwesenheit eines Menschen verrieth, der im Dickicht sein Lager aufgeschlagen haben mußte. Darauf hinschleichend, stand ich bald vor einem in eine wollene Pferdedecke gehüllten thaunassen Schläfer, der Niemand anders war – als Pulverfuchs. Aus Neugier lüftete ich, da der Obdachlose beharrlich fortschnarchte, das neben ihm liegende Bündel und fand darin außer einem kleinen Gebauer, der wahrscheinlich für junge auszunehmende Vögel bestimmt war, reichliche Lebensmittel. In einer Anwandlung von Humor breitete ich nun das Tuch, das die genannten Gegenstände umfaßte, vor ihm aus und servirte seine kalte Küche darauf, die ich noch durch ein paar Würstchen aus meiner Jagdtasche vermehrte. Auch die Flasche Nordhäuser, sowie sein „Pimpelmännchen“, – beide Erquickungen enthielt sein Fouragesack – stellte ich auf. Zum Ueberfluß legte ich noch einen aus dem Neste gefallenen halbnackten todten Eichelhabicht, den ich unterwegs gefunden und als Futter für eine Eule, die ich zu Hause besaß, eingesteckt hatte, hinzu und zog mich ungesehen zurück. Lachend schlüpfte ich dann vollends aus dem Dickicht hinaus, um meinen Pürschgang fortzusetzen. Was der Strolch über sein „Tischchen decke dich!“ gedacht haben mag, ist mir niemals kund geworden. Nur so viel weiß ich, daß der Schläfer bald aufgewacht sein mußte, denn auf dem Rückwege ging ich noch einmal an die Stelle, und – der Fuchs war aus dem Bau verschwunden!

Von dieser Zeit an habe ich ihn niemals wieder im Walde erblickt, so oft ich auch noch hineinkam. Vielleicht, daß er den Scherz für Spuk oder Zauberei genommen und deshalb die Gegend gemieden hat, – denn abergläubisch war er wie ein Heide. Endlich, nach Jahren, sah ich ihn einmal wieder, aber nicht im Walde, sondern – in der Stadt. Da stand er vor einem Trödelhandel und feilschte um eine Reiterpistole. Um ihn durch meine Annäherung nicht etwa zu verscheuchen, trat ich der Tausenderlei bietenden Kaufhalle gegenüber in ein Haus, von wo aus ich ihn in aller Ruhe beobachten konnte. Er war ein stämmiger Kerl mit echter Vagabundenphysiognomie geworden, die seine Kleidung, welche in einer alten Soldatenjacke, in die Stiefeln gesteckten leinenen Hosen und einer böhmischen Jägermütze bestand, so recht zur Geltung kommen ließ. Außerdem trug er eine Jagdtasche, an deren Riemen er mit der Fangleine ein allerliebstes Dachshundchen gefesselt hielt. Seine ganze Erscheinung hatte den früheren harmloseren Charakter des bloßen Bummlers verloren – sie war vielmehr das echte Bild eines Wilderers geworden. Besonders machte er diesen Eindruck, als er nach böhmischer Wilddiebsart seinen Hakenstock mit dem Griff über die Achsel legte und diesen, gleichzeitig [831] die Pistole daran anlehnend und mit erfassend, wie ein Gewehr vor sich hinstreckte, um so das „Abkommen“ der zu kaufenden Waffe zu prüfen. Bei dieser Art und Weise, ein kurzes versteckbares Geschoß zu probiren, wußte ich sofort, wieviel es bei dem Burschen geschlagen habe – er war ohne Zweifel ein Wilderer geworden.

Später, als wieder viele Jahre verflossen waren, während welcher Zeit Pulverfuchs für mich wie von der Erde verschwunden schien, kam das verhängnißvolle Jahr 1849. Es war in den Tagen des Dresdner Aufstandes unter der provisorischen Regierung, die sächsischen Truppen, auf Succurs aus Preußen wartend, hatten die von den Insurgenten besetzte Stadt noch nicht angegriffen, so daß also der Verkehr in der Stadt dem Publicum – ließ es sich sonst nicht durch unnöthige Furcht davon abhalten – noch offen stand, als ich eines Morgens mit Interesse die aufgewühlten verbarrikadirten Straßen durchwanderte oder vielmehr durchkletterte. Da gab es malerische Gruppen wildaussehender Gesellen zu betrachten, die trotzig auf ihren kleinen Festungen, den Barrikaden, Wacht hielten. Aber auch herrliche Waffen bekam man dabei zu Gesicht, und namentlich schöne Schießgewehre und Hiebwaffen. Unter andern erblickte ich inmitten eines Kreises gut armirter Burschen eine hervorragende Gestalt, halbmilitärisch uniformirt, den Kopf mit einem österreichischen Uhlanenklapka bedeckt, die eine herrliche Doppelbüchse in der Hand führte. Im Augenblick mehr auf die kostbare Jagdwaffe blickend, hatte ich die bartstarrende Physiognomie des Inhabers ganz übersehen, als dieser mir zurief: „He, Camerad von früher, jetzt könnt’ ich Dir, Du Hund, eine bleierne Bohne auf’s Leder brennen!“ – Es war Pulverfuchs, der mich erkannt hatte, während ich den früher immer Bartlosen ohne diese nette Anrede kaum für denselben genommen haben würde. Lachend erwiderte ich, obgleich ich diesmal dem Landfrieden nicht ganz traute und deshalb schleunigst um eine Ecke schwenkte: er möge den Schuß für etwas Besseres aufsparen.

Die Tage des Maikampfes waren vorüber, Preußens Kaiser-Alexander-Grenadiere und sächsische Truppen standen, noch pulvergeschwärzt vom eben erst beendeten Kampfe, gemeinschaftlich in den Straßen der zurückeroberten Residenz und hielten die Passage, freilich unter scharfer Controle, wieder frei. Dies benutzte ich und ging in das Innere der durch den Kampf vielfach verwüsteten Stadt, um die Zerstörungen mit eigenem Auge zu betrachten. Noch lagen die Todten auf den Straßen unter den Trümmern der zerstörten Barrikaden umher, auf denen sie kampfesmuthig gefallen waren, und mit Wehmuth erblickte das Auge die oft prächtigen Gestalten der Besiegten. Unvergeßlich aber bleibt mir die Ueberraschung, als ich an der Stelle, wo ich ihn zum letzten Male lebend erblickt – den früheren Waldgenossen, Pulverfuchs, auf blutgetränktem Straßenpflaster liegen sah. Todt – das erstarrte Herzblut von der Wunde mitten auf der Brust! Verglasten Auges war das fahle, pulvergeschwärzte Angesicht gen Himmel gerichtet – ein Anblick, von dem ich mich tief ergriffen abwenden mußte. Aufrichtige Trauer erfüllte mich über des Verirrten Tod, denn niemals war ich ihm, dem originellen Menschen, gram geworden, so weit auch unsere Wege auseinander gingen. Möge ihm die Erde leicht sein!





Blätter und Blüthen.

Coburger Lotterie. Wir erhalten von Coburg folgende Erwiderung, die wir auf Wunsch des Einsenders veröffentlichen. „An den Herausgeber der Gartenlaube. Die Nummer 46 gegen die hier unternommene Verloosung für die nothleidenden Schleswig-Holsteiner, gegen den ein Wort der Berichtigung im Interesse der Sache Noth thut und von dem Patriotismus der Gartenlaube nicht versagt werden wird. Der Artikel, dessen patriotischer Gesinnung und Motiven hier nicht zu nahe getreten werden soll, der aber von unrichtigen Voraussetzungen ausgeht, findet seine Erledigung in den folgenden Erwägungen, welche die Veranlassung zu dem erwähnten Unternehmen geworden sind.

Seit Jahr und Tag ergeht der Nothruf aller schleswig-holsteinischen Hülfscomité’s, daß die Mittel längst schon nicht mehr zureichen, auch nur die bitterste Noth zu lindern. Einzelne Hülfscomité’s haben bereits mit bedeutenden Deficits abgeschlossen. Alle Aufforderungen haben bisher nicht bewirkt, daß die Gaben endlich in hinreichendem Maße fließen.

Im Hinblick darauf war es nicht nur nicht zu tadeln, sondern nur zu billigen, daß man auf den Vorschlag der Veranstaltung des jetzt vorliegenden Unternehmens eingegangen ist. Nicht als ob dadurch irgend Jemand in seiner patriotischen Opferfreudigkeit beschränkt und bestimmt werden sollte, nunmehr mit dem unbedeutenden Betrag für ein Loos zu diesem Unternehmen für größere Opfer zu den freiwilligen Sammlungen sich loszukaufen. Nicht im Entferntesten! Aber die Ergebnisse der Letzteren haben die Ueberflüssigkeit dieses weiteren Versuchs der Beschaffung von ausreichenderen Mitteln für den nothwendigen Zweck durchaus nicht constatirt. Es ist nicht bekannt, daß in den letzten Jahren sämmtliche Hülfscomité’s zusammen, geschweige denn eines derselben, eine Summe von 100,000 fl. in einem Jahr für den „verlassenen Bruderstamm“ zusammen gebracht hätten. Dieses Unternehmen aber wird so viel und darüber in Jahresfrist, und je nachdem es rasch gefördert wird, noch viel früher zusammen bringen. Und wer kann voraussehen, wie viel Noth in dem unglücklichen Lande die unberechenbaren Ereignisse noch mehr als bisher im Laufe des bevorstehenden Jahres uns zu lindern geben werden? unter Verhältnissen zu lindern geben werden, unter welchen die Ergebnisse der freiwilligen Sammlungen in ganz anderer Weise für die schleswig-holsteinische Sache Verwendung werden finden müssen!

Wir brauchen mehr Hülfsmittel, als aus den anderen Hülfsquellen bis jetzt herbeizuschaffen waren, wir müssen gewärtigen, daß diese anderen Hülfsquellen im Drang der Ereignisse demnächst eine andere Richtung werden erhalten müssen, während die zu lindernde Noth bis zum vollständigen Siege der guten Sache nicht nur fortbestehen, sondern voraussichtlich sich steigern wird. Warum sollen wir nun die nur zu wohl zu verwendenden Mittel, die auch auf dem hier versuchten Wege geschafft werden können, unbenützt lassen? Nicht darauf kommt es an, daß das Mittel einer Verloosung gewählt ist, auch nicht darauf, wo und bei wem die erst noch zu fertigenden Gegenstände der Verloosung verfertigt werden, und ob die Verfertiger dabei aus reinem Patriotismus handeln, oder ob dieselben, was viel natürlicher und begreiflicher, und im Interesse der Sache sogar viel besser scheint, – lediglich, oder vorzugsweise ihren eigenen geschäftlichen Vortheil, ihre geschäftliche Empfehlung durch die Güte ihrer Leistungen, dabei im Auge haben, – alles das ist für das Unternehmen ganz gleichgültig.

Praktisch wie principiell entscheidend ist nur einerseits: daß auf diesem Wege Viele mittelbar zur Beisteuer angeregt werden, die für den patriotischen Zweck allein bis jetzt nicht in Bewegung zu setzen waren, und andererseits: daß die Bedingungen der Verloosung solid, daß insbesondere die zur Verloosung kommenden Gegenstände wirklich dem planmäßigen Werth entsprechend sind. Ueber diese allein entscheidenden Gesichtspunkte giebt aber der von dem hiesigen Staatsministerium geprüfte und genehmigte Verloosungsplan vollkommen befriedigenden Aufschluß. Zwei Artikel desselben sind hierfür entscheidend. Art. 7 lautet:

„Ein aus achtbaren Bürgern Coburgs bestehendes Comité überwacht die planmäßige Ausführung der Ausspielung und den Loosverkauf und steht dem Staatsministerium gegenüber für die gewissenhafte Durchführung des Spielplans ein.“

Und nach Art. 8 hat dieses Comité „sowohl, unter Zuziehung von Sachverständigen, darüber zu wachen, daß die Gegenstände der Verloosung wirklich den planmäßigen Kaufwerth haben, als dahin Fürsorge zu treffen, daß die für den Loosverkauf eingehenden Gelder sicher deponirt werden, streng planmäßig verwendet, insbesondere daraus nur die nachgewiesenen Kosten der Ausspielungen und die festgesetzten Anschaffungspreise für die Verloosungsgegenstände gezahlt und alle Ueberschüsse und Ersparnisse an den planmäßigen Voranschlägen zum Besten der Schleswig-Holsteiner reservirt und abgewährt werden und die geschehene Abgewährung ihrer Zeit bekannt gemacht werde.“ – Der ganze Reingewinn überhaupt wird nach Schluß der Verloosung einem aus Schleswig-Holsteinern bestehenden Comité zur bestimmungsgemäßen Verwendung ausgezahlt. Das Control-Comité wurde nach Genehmigung des Planes sofort aus nachgenannten hiesigen Bürgern gebildet: dem Bürgermeister und Landtagspräsidenten Oberländer und den Magistrathsräthen: Kaufm. Franz Appel, Banquier Joh. Beyer, Rechtsanwalt Friedr. Köhler und Director von Schauroth.

Unter allen diesen Umständen und durch eigene Wahrnehmung von der Nothwendigkeit und Dringlichkeit den Hülfe überzeugt, hat auch Einsender dieses nicht das mindeste Bedenken getragen, dem Control-Comité seine Mitwirkung zuzusagen und dasselbe zu ersuchen, auch seinen Namen denen der anderen Comitémitglieder beizufügen.

Gegenüber dem in der Gartenlaube enthaltenen Angriff hat Unterzeichneter diese öffentliche Darlegung und Erklärung im Interesse den Sache, zu deren Gunsten es sich handelt, umsomehr für Pflicht gehalten, je langer derselbe bereits für diese Sache thätig ist, und je mehr er Gelegenheit gehabt hat, sich zu überzeugen, daß mit noch so heißen Thränen des Mitgefühls und mit noch so strengen Principien allein keine einzige Thräne des Elends getrocknet wird.

Coburg, den 30. November 1863.

F. Streit,
Mitglied des schleswig-holsteinschen Ausschusses des deutschen Nationalvereins.“




Noch einmal „der mißhandelte Schiller“. Zu der anregenden Notiz, welche in „Blätter und Blüthen“ in Nr. 48 der „Gartenlaube“ gegeben ist, erlauben Sie mir wohl noch einige Illustrationen. Die daselbst citirten Verse aus Don Carlos befinden sich nicht in einer etwa vorhandenen „ersten Handschrift“, sondern in dem (recht selten gewordenen) 1. Heft der „Thalia“, die Schiller im Jahre 1787 zu Mannheim herausgab. In meinem [832] – der Hermann Meyer’schen Bibliothek deutscher Classiker einverleibten Werke: „Schiller als Mensch, Dramatiker und praktischer Denker“ – wurde der erste Act des Don Carlos nach jener „Thalia“ zum ersten Mal vollständig neu veröffentlicht, und zwar nach Voraussendung folgender Bemerkung: „Wir geben den ersten Act des Don Carlos ganz genau so, wie er (mit dem zweiten und dritten) ursprünglich in der Thalia von 1787 erschienen und wie er durchaus verschieden ist von denen aller späteren Ausgaben dieses Stückes. – Wenn schon, mehr als jedes andere Werk Schiller’s, gerade Don Carlos die Doppelperson des Dichters im Infanten und im Marquis Posa darstellte, so geschieht dies am allertreuesten in der ursprünglichen Form der ersten drei Acte, worin der Dichter die ganze Subjectivität seines Wesens unmittelbar ausströmte, während in den folgenden zwei Acten und noch mehr in der späteren Umarbeitung der drei ersten (man sehe auch seine „Briefe über Don Carlos“) sich die objective Haltung, der historisch-kritische Geist des Dichters zeigt und die blanke, plane Individualität zurücktritt. – Wie sehr Schiller seine ganze Persönlichkeit in Don Carlos legte, sagt er uns selbst in seinen Briefen an Dalberg.“ So weit über den Don Carlos in der Thalia.

Aber es existirt auch noch ein anderer, ganz unbekannter Don Carlos und zwar als handschriftliches Theatermanuscript; er ist in Vielem sehr verschieden nicht allein von dem aller bekannten Ausgaben, sondern auch von dem der Thalia. Ich habe denselben aufgefunden und citire darüber, was ich in meinen „Beiträgen zur Geschichte der Schillerperiode in Mannheim“ (siehe „Schillerbuch“, im Verlag der Nationallotterie zu Dresden) veröffentlichte: „Auf dem Tabaksboden eines alten Bücherfreundes fand ich ein Exemplar vom „Tagebuch der Mannheimer Schaubühne“. Darin befindet sich eine Kritik über Don Carlos nach erster Aufführung. Ich gebe sie wieder in der 2. Abtheilung: „Kritiken über Schiller’sche Dramen etc.“ Sie ist von Wichtigkeit, denn sie giebt sämmtliehe Scenen des Stücks mit ihrem hauptsächlichsten Inhalt an und zeigt danach höchst merkwürdige Varianten mit sämmtlichen Ausgaben des Don Carlos. Ich forschte nun nach dem Manuscript der ersten Aufführung und war auch so glücklich, das Soufflirbuch derselben zu finden. Es war in einem sonderbaren Zustand, für spätere Aufführungen nach verschiedenen Ausgaben und Regieführungen von den Hauptdarstellern mit Stecknadeln, Zwirn, Leim, Blau-, Roth- und Graustift zugesteckt, genäht, geleimt, gestrichen, mit „bleibt“ versehen und wieder gestrichen; kurz, auf’s Gewaltthätigste, ja Grausamste behandelt. Dennoch ließ der eigentliche Urtext, oft durchschossen mit Worten und Sätzen von Schiller’s eigner Hand, sich ununterbrochen verfolgen, und es gelang mir, wenn auch nicht ohne große Vorsicht und Mühe, ihn gleichsam aus seinem Chaos herauszuschälen und übersichtlich zusammenzustellen. Dies so gewonnene Manuscript ist jetzt in der Hand des um die ursprüngliche Herstellung Schiller’s hochverdienten Professors Dr. Joachim Meyer zu Nürnberg und sieht, zugleich mit den Varianten in der Thalia, der Veröffentlichung entgegen.

Coburg, den 8. December 1863. Arnold Schloenbach     


Berliner Plaudereien. Einer der geistreichsten, aber zugleich der jämmerlichsten und sittlich verworrensten Diplomaten und Staatsmänner war der bekannte Gentz, die rechte Hand Metternich’s und die Stütze der conservativen Partei, der Liebling und Schmarotzer der aristokratischen Kreise in Berlin und Wien. Er eröffnete die Reihe jener erbärmlichen Apostaten und Sophisten, welche ihre Ueberzeugung für ein Linsengericht verriethen und ihre Feder für Geld verkauften. Spiel und Frauen stürzten ihn fortwährend in Verlegenheit, so daß er zu jedem erlaubten und unerlaubten Mittel griff, um sich die nöthigen Summen für seine Verschwendungen und Bedürfnisse zu verschaffen. Sein bei Brockhaus erschienenes, von Varnhagen herausgegebenes Tagebuch liefert den hinlänglichen Beweis für seine trotz ihrer Naivetät nur Ekel erregende Demoralisation und innere Fäulniß. Ein Zeitgenosse erzählt uns von ihm noch folgende höchst charakteristische und bisher noch nicht bekannte Anekdote. Eines Tages, als Gentz sich wieder einmal in größter Geldverlegenheit befand, besuchte er eine vornehme Dame in Berlin, mit der er ein intimes Liebesverhältniß unterhielt. Im Laufe des Gesprächs zog er unter Scherzen, Lachen und zärtlichen Versicherungen ihr einen kostbaren Ring mit einem werthvollen Diamant vom Finger, um ihn, wie er sagte, als ein theures Pfand ihrer Liebe für immer zu bewahren. Umsonst bat ihn die Dame, ihr den Ring, der ein Geschenk ihres Mannes war, zurückzugeben, lachend entfernte sich Gentz mit seiner Beute. Am folgenden Morgen forderte die Dame, deren Gatte den Ring an ihrer Hand vermißt hatte, diesen dringend von Gentz zurück, da sie sonst die größten Unannehmlichkeiten befürchten mußte. Mit empörender Offenheit gestand ihr der leichtsinnige Verschwender, daß er den Ring für eine ansehnliche Summe versetzt habe. Natürlich blieb der Dame nichts andres übrig, um ihre Ehre zu retten, als das Pfand wieder einzulösen und zu diesem Behufe Gentz das nöthige Geld einzuhändigen.

In seinem späteren Alter litt Gentz an einer wahrhaft kindischen Todesfurcht, welche durch die Ermordung Kotzebue’s durch Sand auf das Höchste gesteigert wurde. Damals schrieb er an den katholisch gewordenen Adam Müller, seinem Freund und Gesinnungsgenossen: „Sie haben vollkommen Recht. Alles ist verloren, wenn nicht Religion – pas seulement comme foi, mais comme loi – wieder hergestellt wird. – Der Protestantismus ist die erste, wahre und einzige Quelle aller ungeheueren Uebel, unter welchen wir heute erliegen. – Die ganze französische Revolution und die noch schlimmere, die Deutschland bevorsteht, sind aus derselben Quelle geflossen. Der politische Protestantismus, ob er gleich durchaus nicht bauen, sondern nur zerstören kann, ist im lebendigsten Fortschritt begriffen. Das Blut gerinnt Einem in den Adern, wenn man in die Zukunft blickt und denkt, daß das höchste Ideal des Staates in den Augen aller unserer Aufgeklärten – die Republik der nordamerikanischen Heiden und Bailleul ihr politisches Evangelium ist. Jeder Feudalismus, selbst ein sehr mittelmäßig geordneter, soll mir willkommen sein, wenn er uns von der Herrschaft des Pöbels, der falschen Gelehrten, der Studenten und der Zeitungsschreiber befreit.“

Hauptsächlich durch Gentz und unter seiner Mitwirkung wurden die berüchtigten Carlsbader Beschlüsse gefaßt, unter deren Druck Deutschland jahrelang schmachtete, bis sie dem unaufhaltsamen Fortschritt der Zeit weichen mußten. Gentz erlebte noch die Julirevolution, die zum Theil sein Werk zerstörte; er starb verzweifelnd an der Welt, an Gott und mit dem Bewußtsein, daß die Freiheit über die von ihm vertheidigte Reaction siegen werde.

Aehnlich erging es dem bekannten Geheimrath Tzschoppe in Berlin, welcher zur Zeit der Demagogenverfolgung eine traurige Rolle spielte und durch seine inquisitorische Härte, durch seinen grausamen Eifer die allgemeine Verachtung auf sich lud, nachdem er hundert unglückliche Jünglinge zu Grunde gerichtet hatte. Anfänglich von der Regierung befördert und reich belohnt, sah er sich später, wo ein milderer Geist herrschte, vernachlässigt und zurückgesetzt, von allen Besseren vermieden. Er vermochte diesen Zustand nicht zu ertragen und verfiel darüber in eine geistige Krankheit. In seinem Wahnsinn glaubte er, der bis jetzt jeden freisinnigen Mann verfolgt hatte, selbst ein Gegenstand der Verfolgung zu sein, von Gensdarmen bewacht, von Häschern aufgespürt zu werden. Rastlos jagte er bei Tag und Nacht, wie von den Furien gepeitscht, umher, um sich vor seinen eingebildeten Verfolgern zu verbergen, bis der Tod unter schrecklichen Qualen seinem traurigen Leben ein Ende machte.

Auch die neueste Zeit hat besonders in Berlin eine Reihe von politischen Apostaten aufzuweisen, von denen im Laufe des letzten Jahres der auch in weiteren Kreisen bekannte Geheime Kanzleirath und Chef des Druckschriftenbureaus Jacoby in Carlsbad auf einer Badereise gestorben ist. Derselbe debutirte in den dreißiger Jahren mit den „Klagen eines Juden“, einer glücklichen Nachahmung der Paroles d’un Croyant von Abbé Lamennais; schrieb außerdem „Rhapsodien“, „Briefe aus Berlin“ und liberale Zeitungsartikel, welche ihn mit der Regierung in Conflict brachten und seine Verurtheilung zu einer kürzeren Festungsstrafe herbeiführten. Als er das Gefängniß verließ, schloß er mit der Regierung seinen Frieden und erhielt eine Anstellung in Berlin. Bald gewann er einen bedeutenden, geheimen Einfluß auf die leitenden Persönlichkeiten, die besonders unter dem Ministerium Manteuffel und dem Regimente Hinckeldey’s u. s. w. im Verborgenen eine allen Glauben übersteigende Thätigkeit entwickelten. Jacoby schrieb die Berichte und Auszüge aus den Zeitungen für den König und überwachte die gesammte Presse. Auch er fühlte besonders in den letzten Tagen das Drückende seiner Stellung, da er, zwar ohne Charakterfestigkeit, nicht Kenntnisse genug besaß, um die Verhältnisse und das Treiben einer sich selbst überstürzenden Reaction richtig zu beurtheilen. Lange Zeit besaß er das Vertrauen der Fahne und der höchsten Regierungskreise, und man wird nicht irren, wenn man ihn auch jenen „geheimen Agenten“ beizählt, welche in anscheinend subalterner Stellung, die Geschicke des preußischen Staates in ihrer Verborgenheit zum Theil bestimmen, ähnlich wie die Creaturen einer Lichtenau unter Friedrich Wilhelm II. und eines Haugwitz unter Friedeich Wilhelm III.


Wislicenus’ Bibelwerk ist vom Anfang an mit einer seltenen Theilnahme seiten des Publicums begrüßt worden, und diese Theilnahme und mit ihr die Verbreitung des trefflichen Buches hat sich noch von Woche zu Woche gesteigert, ein Beweis, wie sehr der Verfasser das Bedürfniß des Volkes erkannt hat, „sich mit den überlieferten Religionslehren in’s Klare zu setzen.“ Mit dem demnächstigen Erscheinen der Endlieferung des ersten Bandes kommt die erklärende Betrachtung des Alten Testamentes zum Abschlusse, und es ist nach dem Obigen wohl nur selbstverständlich, daß die Auslegung des Neuen Testamentes, welches als der Grund unserer christlichen Religion die Mehrzahl so unendlich viel näher und inniger berührt, ein noch regeres und allgemeineres Interesse erwecken wird. Es war uns vergönnt, einen Blick in das weitere Manuscript zu werfen, und wir können mit voller Ueberzeugung versichern, daß wir kaum noch etwas so Klares zugleich und Tiefes und Bedeutendes über das Leben Jesu und die von ihm vollbrachten Wunder gelesen haben, wie die Darstellung unsers geistvollen und gelehrten Verfassers, die dem vielgenannten Renan’schen Werke an Scharfsinn der Auslegung und Durchsichtigkeit der Form jedenfalls ebenbürtig zur Seite gestellt werden kann.


Für die braven Schleswig-Holsteiner gingen im Laufe der letzten Tage wieder bei mir ein: 15 Ngr. Sch-dt in Leipzig – 25 Ngr., gesammelt bei einer Abendunterhaltung in Schönefeld – 56 fl. Bankn., gesammelt in Graz von 28 Patrioten – 1. Thlr. Emilie W., „Dem Muthigen hilft Gott“ – 1 Thlr. 6 Ngr., gesammelt bei einer Bowle in Niederforchheim – 1 Thlr. W. in L. für die Vertriebenen und 1 Thlr. für den Kampf – 3 Thlr 5 Ngr., gesammelt in einem kleinen Kreise deutscher Burschen in Chemnitz – 25 Thlr. der Bürgerverein in Spremberg, „ursprünglich zu einem Vergnügen bestimmt“. Ein Bravo den wackern Sprembergern! – 1 Thlr. 7½ Ngr., gesammelt in einer Gödewitzer Gesellschaft – 20 Thlr. für den Kampf vom Wittenberger Turnverein mit dem Motto: Durch ! – 1 Thlr. S. H. E. in Kraschen – 4 Thlr. aus Jöhstadt, gesammelt in einem Kreise Bürger beim Geburtstage des Königs Johann – 2 Thlr. G. L. in Großschönau – 2 Thlr. der Löwen-Club in Wurzen – 70 Thlr. 14½ Ngr., Sammlung der Thomasschüler in Leipzig. Möge die Jugend aus Deutschlands Lehranstalten diesem wackern Beispiele der Leipziger Thomasschüler überall nachfolgen! – 8 Thlr., gesammelt von Robert Reinsch in Sagan – 18 Thlr. 10 Ngr. für die vertriebenen Beamten. ges. in Camenz beim Königsmahle am 12. December von Adv. Beck. Ernst Keil.     


Unsere Leser

bitten wir das inliegende Circulair nicht zu übersehen. D. Red.     


Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Historisch.