Die Gartenlaube (1876)/Heft 20

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1876
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 20.   1876.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich  bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig – In Heften à 50 Pfennig.



Nachdruck verboten und Ueber-
setzungsrecht vorbehalten.     
Im Hause des Commerzienrathes.


Von E. Marlitt.


(Fortsetzung.)


„Wohl dem, der sein Schäfchen in’s Trockene bringt!“ fuhr Franz, gemächlich auf die Tasche klopfend, fort. „Ehrlich verdient und fein stet und redlich vermehrt, das ist meine Parole; dabei kann man ruhig schlafen. Wer sich auf das Speculiren nicht versteht, der soll’s bleiben lassen. Da ist der Herr Commerzienrath drüben – den ficht freilich die ganze Geschichte nicht an; der sitzt bombenfest, weil er ein kluger Kopf ist und eine feine Nase hat.“ Er hob mit wichtiger Anerkennung den Zeigefinger. „Kam gestern erst wieder von Berlin, stramm wie immer. Ich hatte gerade Mehl an die Bahn gefahren – hui, wie da seine zwei Schwarzen, seine Prachtpferde, vorbeisausten! Der versteht’s wie Keiner. Die Leute meinten, er hätte gewiß wieder einmal gehörig eingestrichen, so munter sah er aus und so recht wie Einer, der Millionen commandirt. Er war diesmal lange fort und wär’ wohl auch gestern Abend nicht gekommen, wenn sie heute nicht Polterabend drüben feierten.“

Polterabend! Und übermorgen war die Hochzeit, und gleich nach der Trauung sollte das junge Paar abreisen. Käthe wußte das ja; sie hatte es oft genug in Henriettens Tagebuche gelesen, und doch durchfuhr sie ein jähes, schmerzvolles Erschrecken, als es Menschenlippen so selbstverständlich aussprachen.

„Es soll hoch hergehen heute Abend,“ sagte Suse, indem sie der jungen Herrin eine Tasse Kaffee präsentirte. „Ich sprach gestern dem Herrn Commerzienrath seinen Anton, der sagte, es kämen so viele Gäste, daß sie nicht Platz genug schaffen könnten. Ein Theater haben sie gebaut, und eine Menge Fräulein aus der Stadt sollen verkleidet kommen, und das Grüne zum Putzen wird wagenweise aus dem Walde geholt.“

Es schlug Elf auf dem Thurme der Spinnerei, als Käthe nach der Villa ging. Noch klang das verworrene Stimmengeräusch von der Fabrik her an ihr Ohr, als sie den Mühlenhof durchschritt, aber kaum war die kleine Bohlenthür in der Mauer, die das Mühlengrundstück von dem Parke trennte, hinter ihr zugefallen, als auch schon tiefe, so recht vornehme Parkstille sie umfing.

Franz hatte Recht: hier überkam Einen das Gefühl, daß der wüste Lärm des Geldmarktes den reichen Mann und seine wohlgeborgenen Schätze nicht anfechte, daß die Alles verschlingenden Unglückswogen nicht einmal bis zu seinen Sohlen hinauflecken durften. Ah, dort dehnte sich ein herrlicher Wasserspiegel hin. Er fing den Azur des wolkenlosen Morgenhimmels auf – ein riesiger Sapphir von fleckenloser Reinheit! Der Teich war fertig, unglaublich rasch fertig geworden durch die massenhaft auf diesen kleinen Fleck concentrirte Menschenkraft und riesige Geldopfer. Schwäne durchfurchten die blaufunkelnde Fluth, und dem Ufer nahe schwankte ein buntbewimpelter Nachen an der Kette. Als Käthe gegangen war, hatte der Park in heller Maienblüthe gelegen – jetzt schien alles Grün tief schattirt, wie ein nachgedunkeltes Gemälde; über das sanfte Farbengemisch der Frühlingsblumen waren die Sonnenflammen sengend hingelaufen und hatten dafür die Blüthenfackeln der Cannas, die kerzenartig aufstrebenden Gladiolen auf jedem zwischen der Boscage hervortretenden Rasenspiegel angezündet.

Wie viele Hände mußten bezahlt werden, um dem Parke das Gepräge peinlicher Sauberkeit und Pflege zu bewahren! Kein abgefallenes Blättchen lag auf den Wegen; kein Grashalm bog sich über die vorgeschriebene Linie; keine verdorrende Blüthe hing an den Zweigen. Und dort zwischen den köstlich schattirten Gruppen von Laubholz trat jetzt die imposante Façade des neuen Marstalles hervor; auch an ihr war ununterbrochen gearbeitet worden; ihr Emporwachsen war ein so zauberhaft rasches, als habe eine Riesenkraft das Mauerwerk mit seinen Stuckverzierungen aus der Erde getrieben. Und hier förderte in der That die treibende Macht, das Geld, fort und fort; hier sprang der Goldquell in unverminderter Stärke, ob auch auf der Börsenbühne die großen Brunnen verschüttet waren – nein, nicht einer der elektrischen Schläge, welche die Geschäftswelt so mörderisch durchzuckten, hatte seinen Lauf hierher gelenkt.

Unter der kühlen Wölbung der Lindenallee hinschreitend, kam Käthe der Villa näher und näher. Noch nie war ihr das kleine Feenschloß so aristokratisch unnahbar erschienen, als heute in dieser tiefgoldenen Morgenbeleuchtung, mit der aufgezogenen, farbenglänzenden Flagge auf seiner Plattform – das flatternde Willkommenzeichen wogte, festlich einladend, hoch in den Lüften. Unwillkürlich legte das junge Mädchen die Hand auf das ängstlich pochende Herz – sie war nicht eingeladen, und doch kam sie. Es war ein schwerer Gang, es war ein großes Opfer der Schwesterliebe, dieses Niederkämpfen der eigenen stolzen Natur. Hinter dem Bronzegitter des untern Balcons lief das Löwenhündchen der Präsidentin auf und ab und kläffte die Kommende wie immer feindselig an, und die Papageien im blauen Salon accompagnirten kreischend durch die weit offenen Glasthüren.

Als Käthe unter das Portal trat, huschte eine Dame an ihr vorüber; sie hielt das Taschentuch vor das Gesicht, aber [328] über den Spitzenbesatz hinweg streifte ein scheuer Blick aus furchtbar verweinten Augen das junge Mädchen. Käthe erkannte sie – es war die schöne, üppige, in Luxus schwelgende Frau eines Majors; die Eleganz ihrer Toiletten war in der Residenz sprüchwörtlich geworden. Sie eilte um die Hausecke, in das Dunkel der Boscage, jedenfalls, um erst die Thränenspuren zu beseitigen, ehe sie die von Spaziergängern wimmelnde Promenade betrat.

„Dem Manne bleibt auch nichts Anderes übrig, als ‚die Kugel vor den Kopf‘ – das Bett unter dem Leibe soll ihm genommen werden,“ hörte Käthe, an der halb offenen Thür der Portierstube vorübergehend, einen Bedienten sagen. „Geschieht ihm ganz recht – was braucht denn solch ein Officier in Papieren zu speculiren, von denen er nicht den Pfifferling versteht! Nun kommt die Frau und heult unserm Herrn was vor, und der soll nun den Karren aus dem Moraste holen – das könnte ihm fehlen! Wenn er allen Denen helfen wollte, die in den letzten Tagen dagewesen sind, da könnte er nur den Ziegenhainer in die Hand nehmen und den Staub von den Schuhen schütteln – da blieb’ ihm nichts.“

Abermals ein Opfer der entsetzlichen Katastrophe! Käthe schauerte in sich zusammen und stieg unbemerkt die Treppe hinauf. In der Beletage war es feierlich still – mechanisch schritt sie zuerst nach dem kleinen Salon, den sie bewohnt, und öffnete die Thür. Die Frau Baronin Steiner herrschte allerdings hier nicht mehr, aber das Zimmer war auch nicht angethan, einen andern Gast wieder aufzunehmen. Sämmtliche Möbel waren ausgeräumt – dafür standen große, schöndrapirte Tafeln die Wände entlang und trugen auf ihren Flächen einen förmlichen Bazar von Ausstattungsgegenständen, den mit großer Ostentation aufgebauten, wahrhaft fürstlichen „Trousseau“ der Frau Professorin in spe; in der Mitte des Salons aber wogte von einem Kleiderständer nieder milchweißer Atlas, umhaucht von Spitzenduft und mit Orangenblüthen besteckt, und so hoch auch das Postament war, der schwere Stoff schleppte doch noch weit über das Parquet hin – Flora’s Brautanzug! Käthe drückte mit weggewandten Augen die Thür wieder zu – einige Secunden später lag sie tieferschüttert in Henriettens Armen, die in einen so exaltirten Jubel ausbrach, als werde sie durch diese Ankunft aus namenloser Pein erlöst.

Die kranke Schwester war allein. Man habe heute im Hause keine Zeit für sie, klagte sie; der Commerzienrath richte Flora die Hochzeit aus, und zwar mit einem beispiellosen Aufwand. Er wolle bei dieser Gelegenheit der Residenz wieder einmal zeigen, wie hoch er Alle überrage, wenn er auf seinen Geldsäcken stehe – das sei nun einmal seine Schwäche. … Ganz ihrer unabhängigen Art und Weise gemäß, hatte sie es unterlassen, den Verwandten anzuzeigen, daß sie Käthe telegraphisch berufen habe. Das sei doch völlig überflüssig, meinte sie mit großen, erstaunten Augen auf Käthe’s betroffenes Kopfschütteln hin; sie habe es stets betont, daß die Schwester eines Tages zurückkommen werde, um sie zu pflegen – man wisse das im Hause gar nicht anders, und was ein mögliches unvorbereitetes Zusammentreffen mit dem Commerzienrath betreffe, so möge sie ganz ruhig sein, er habe jedenfalls „eine neue Flamme“ in Berlin; er sei die beiden letzten Male – vorzüglich aber gestern – ziemlich zerstreut[WS 1] zurückgekehrt, und habe auf Flora’s Neckereien hin nur schlau gelächelt und durchaus nicht geleugnet.

Käthe schwieg auf alle diese Mittheilungen; sie hatte zuletzt nur den einen Gedanken, daß es allerdings die höchste Zeit für sie gewesen sei, zurückzukehren. Sie fand die Kranke maßlos aufgeregt; der hohle, erstickende Husten schüttelte den schattenhaft abgezehrten Körper viel häufiger als früher; die Hände brannten wie Kohlen, und der Athem ging so schwer, so mühsam aus und ein. Henriette hatte es bisher auch bei den heftigsten Leiden nie „zu Thränen kommen lassen“ – sie hatte einen unglaublich starken Willen, heute aber waren ihre schönen Augen verweint bis zur Unkenntlichkeit. Sie verzehre sich in Angst, daß Bruck bei all seiner Liebe für Flora doch vielleicht sehr unglücklich werden würde, klagte sie, ihr Gesicht an Käthe’s Brust verbergend, und obgleich nie ein unvorsichtiges Wort darüber gefallen, sei sie dennoch fest überzeugt, daß die Tante genau so denke und sich gräme. … Käthe wies sie mit der schneidenden Antwort zurecht, daß das einzig und allein Bruck’s Sorge sei und bleiben müsse; Niemand habe mehr Anlaß gehabt, tiefe Einblicke in Flora’s selbstsüchtiges Wesen zu thun, als gerade er; wenn er trotzalledem darauf bestehe, sie zu besitzen, so werde er sich auch mit seinem Schicksal abzufinden wissen, möge es fallen, wie es wolle. … Henriette fuhr ganz erschrocken empor, so rauh klang das Gesagte; es lag überhaupt etwas so bestürzend Fremdes, eine Art starrer Zurückhaltung und Abgeschlossenheit in der Erscheinung der jungen Schwester, als sei auch sie mit sich und ihrem Schicksal fertig – nach schweren Kämpfen. …




23.


Kurze Zeit nachher stieg Käthe, die kranke Schwester vorsichtig stützend, auf der kleinen Treppe in das untere Stockwerk hinab, „um sich zu melden“. Sie kamen durch den schmalen Corridor, in welchen Käthe bei ihrer Abreise für einen Moment geflüchtet war. Er lief den großen Saal entlang, der fast den ganzen Raum des einen Seitenflügels der Villa nahezu beanspruchte – in ihm wurden die berühmten Hausbälle des reichen Mannes abgehalten.

„Es ist Probe für heute Abend, und dabei wird noch fortdecorirt und geschmückt,“ sagte Henriette aufhorchend und heiser und höhnisch vor sich hinlachend – pathetische Declamation, hie und da durch intensives Pochen und Hämmern unterbrochen, scholl durch die Thüren. – „Wie ekeln mich diese Mädchen da drinnen an! Sie möchten sämmtlich, wie sie auch auf der Bühne stehen, der Braut die Augen auskratzen, und doch faseln sie in grenzenlosem Schwulst von der schönsten Blume, die ihrem Kranz entrissen werde, von dem Dichtergenius, der ihre Stirne geküßt habe, und was dergleichen poetische Aderlässe mehr besagen. Und Moritz mit seiner maßlosen Verschwendung benimmt sich dabei wie ein Narr. Gestern Abend, unmittelbar nach seiner Rückkehr von Berlin, hat er die Handwerker wie Buben gescholten; die Decoration mußte als ‚trödelhafter Plunder‘ sofort von den Wänden gerissen werden, weil die Leute in zwei dunklen Ecken Wollstoffe statt Seidendamast verwendet hatten; er wird nachgerade abstoßend mit seinem ewig herausgekehrten Millionärbewußtsein. Da sieh her!“

Sie schob unhörbar eine der Thüren etwas weiter auf. Durch den nur schmalen Spalt sah man die Bühne nicht, auf der die Probe abgehalten wurde; dagegen präsentirte sich schräg seitwärts ein prachtvoller Baldachin von goldbefranztem Purpursammet – er sollte sich heute Abend über dem Brautpaar wölben.

„Wie wird er mit seinem blassen, finsterbrütenden Gesicht sich ausnehmen unter dem komödienhaften Firlefanz dort!“ flüsterte Henriette und drückte den blonden Kopf wie in ausbrechender Verzweiflung tief bewegt an die Gestalt der Schwester. „Und sie wird wieder neben ihm stehen, siegend, triumphirend wie immer, in der wohlstudirten Toilette von weißem Mull und kindlich naiven Margarethenblümchen, wie sie der unschuldsvollen Braut am Polterabend zukommt. Ach Käthe, es ist etwas so Seltsames, Unbegreifliches um diese ganze Geschichte; ich habe jetzt so oft das Gefühl, als laure ein unglückseliges Geheimniß dahinter, so etwas wie ein heimlich glimmender Feuerbrand unter grauer Asche.“

Im Eßzimmer saß die Präsidentin mit Flora und dem Commerzienrath beim Frühstück. Die Braut war im eleganten, rosa bordirten Schlafrock, und ein Morgenhäubchen bedeckte die aufgewickelten Locken. Käthe erschrak fast, so grau und scharf erschien das Römergesicht der schönen Schwester ohne die goldene Glorie der Stirnlöckchen; heute sah sie zum ersten Male, daß Flora die Jugend hinter sich habe, daß endlich das ruhelose Bestreben, sich hervorzuthun, die glühende Ehrsucht anfingen, das herrliche Oval unerbittlich in harter, einwärtssinkender Linie zu verlängern.

„Mein Gott, Käthe, wie kommst Du denn auf die Idee, uns gerade heute in’s Haus zu fallen?“ rief sie emporschreckend, im rückhaltslosen Aerger. „In welche Verlegenheit bringst Du mich! Nun muß ich Dich wohl oder übel mit in’s Gefolge stecken. Ich habe aber schon zwölf Brautjungfern – eine dreizehnte kann ich nicht brauchen, wie Du Dir wohl selbst sagen wirst“ – sie unterbrach sich mit einem leisen Aufschrei und fuhr zurück.

Der Commerzienrath hatte mit dem Rücken nach der Thür [329] zu gesessen und eben ein Glas Burgunder zum Munde geführt, als Flora’s Ausruf den Eintritt der Schwestern signalisirte. War ihm das Glas in Folge der Ueberraschung entglitten, oder hatte er es unsicher, mit abgewendeten Augen auf den Tisch gestellt, – genug, der volle, dunkelpurpurne Inhalt ergoß sich über das weiße Damasttuch und benetzte auch Flora’s Kleider.

Der reiche Mann stand einen Augenblick starr, verwirrt, mit völlig entfärbtem Gesichte und stierte erschreckten Auges nach der Thür, als trete dort ein wesenloses Phantom, nicht aber das imposante Mädchen mit den ernsten Zügen und der ruhigen, festen Haltung herein. Aber er faßte sich rasch. Mit einer lebhaften Entschuldigung gegen Flora drückte er auf die Tischglocke, um helfende und säubernde Hände herbeizurufen, dann eilte er auf Käthe zu und zog sie in das Zimmer herein. Und da ließ sich auch nicht eine Spur vom verschmähten Liebhaber in seinem ganzen Wesen entdecken; er war in jedem Worte, in seinem kühlen Händedrucke ganz und gar der väterlich gesinnte Vormund von ehedem, der sich freute, seine Mündel wohlbehalten zurückkehren zu sehen. Er klopfte sie wohlwollend auf die Schulter und hieß sie willkommen.

„Ich habe nicht gewagt, Dich einzuladen,“ sagte er; „auch war ich in der letzten Zeit geschäftlich zu sehr überbürdet, um viel an Dresden denken zu können – Du wirst das verzeihen –“

„Ich bin einzig und allein als Henriettens Pflegerin gekommen,“ unterbrach ihn Käthe rasch, aber ohne den leisesten Anklang von Gekränktsein über Flora’s ungezogene Begrüßung.

„Das ist lieb und gut gemeint, mein Kind,“ sagte die Präsidentin mit aufgehelltem Gesichte; jede, auch die letzte Befürchtung erlosch in ihr angesichts dieser unbefangenen Begegnung. „Aber wohin mit Dir? In Deinem ehemaligen Zimmer ist Flora’s Trousseau aufgestellt und –“

„Sie werden mir deshalb nun doch erlauben müssen, mich in meinem eigenen Daheim einzuquartieren, wie ich auch bereits gethan habe,“ fiel Käthe höflich mit bescheidener Zurückhaltung ein.

„Es wird mir vorläufig nichts Anderes übrig bleiben,“ versetzte die alte Dame lächelnd und sehr gut gelaunt. „Heute Nachmittag wird unser Haus zum Bersten überfüllt sein – dazu leben wir in einem Trubel, wie ich ihn noch nicht gesehen; mit Mühe haben wir uns an den Frühstückstisch gerettet. Vom Morgengrauen an wird gehämmert, probirt –“

„Ja, sie declamiren drüben, daß die Balken zittern,“ sagte Henriette boshaft und legte sich müde in einen Lehnstuhl zurück, den ihr der Commerzienrath hingerollt hatte. „Im Vorübergehen hörten wir ‚Pallas Athene‘, die ‚Rosen von Kaschmir‘ und die ‚neue Professur‘ in lieblichem Versegemengsel –“

„Hu!“ stieß Flora heraus und legte zornig beide Hände auf die Ohren. „Es ist geradezu unverschämt, mir ein solches Dilettantenproduct vorzuleiern, mir, die ich mit meinen reizenden Festspielen stets und immer, vorzüglich bei Hofe, excellirt habe. Und da soll man nun stillsitzen und keine Miene verziehen, während man sich vor Spott und Lachen die Zunge abbeißen möchte –“

Die Präsidentin unterbrach sie mit einer hastigen Handbewegung; eben traten die darstellenden Damen, die vor der Probe Chocolade im Eßzimmer getrunken hatten, herein, um ihre zurückgelassenen Hüte und Sonnenschirme zu holen.

Flora schlüpfte in das anstoßende Boudoir der Großmama.

Mit affectirter Freude eilte die Hofdame, Fräulein von Giese, auf Käthe zu und begrüßte sie als eine „Langentbehrte“; auch dem Commerzienrathe reichte sie die Hand zum Gruße. „Schön, daß wir Sie hier treffen, mein bester Herr von Römer!“ rief sie. „Da können wir Ihnen doch vorläufig danken für die bewunderungswürdige Art und Weise, mit der Sie unsern kleinen Polterabendscherz unterstützten. Wahrhaftig superbe, zauberhaft!“ Sie küßte entzückt ihre Fingerspitzen. „Solche Feerien aus ‚Tausend und einer Nacht‘ kann man allerdings auch nur in der Villa Baumgarten arrangiren – darüber ist die ganze Welt einig. – Apropos, haben Sie schon von dem Unglücke des Major Bredow gehört? Er ist fertig, total zu Grunde gerichtet – alle Kreise sind alarmirt. Mein Gott, in welcher entsetzlichen Zeit leben wir doch! Sturz folgt auf Sturz, in so rapider Weise –“

„Major Bredow hat aber auch wahnsinnig genug in den Tag hinein speculirt,“ sagte die Präsidentin gleichmüthig und stützte behaglich den Ellenbogen auf die gepolsterte Lehne ihres Fauteuils. „Wer wird denn so toll, so ohne Sinn und Verstand vorgehen?“

„Die Frau, die schöne Julie, ist schuld – sie hat zu viel gebraucht; ihre Toiletten allein haben jährlich dreitausend Thaler gekostet.“

„Bah, das hätte sie auch fortsetzen können, wenn der Herr Gemahl mit seinem Anlagecapital vorsichtiger gewesen wäre, aber er hat sich an Unternehmungen betheiligt, die von vornherein den Schwindel an der Stirn getragen haben.“ – Sie zuckte die Achseln. „In solchen Fällen muß man mit einer Autorität gehen, wie ich zum Beispiel; gelt, Moritz, wir können ruhig schlafen?“

„Ich mein’ es,“ versetzte er lächelnd mit der lakonischen Kürze der Ueberlegenheit und füllte sein Glas mit Burgunder – er leerte es auf einen Zug. „Ganz ungerupft bleibt man bei einem solchen eclatanten Zusammensturz selbstverständlich auch nicht; da und dort entschlüpft ein kleines Capital, das man ‚spaßeshalber‘ riskirt hat – Nadelstiche, an denen sich bekanntlich Niemand verblutet –“

„Ach, da fällt mir eben ein, daß ich ja heute die Börsenzeitung noch nicht erhalten habe,“ fiel ihm die Präsidentin in’s Wort und richtete sich lebhaft auf. „Sie kommt sonst pünktlich um neun Uhr in meine Hände.“

Er zog gleichgültig die Schultern empor. „Wahrscheinlich ein Versehen auf dem Postamte, oder das Blatt hat sich in mein Brief- und Zeitungspaket verirrt und ist mit hinüber in den Thurm gewandert; ich werde nachsehen.“ Dabei stellte er sein Glas nieder.

„Pardon, meine Damen!“ sagte er mit Hindeutung auf sein rasches Trinken. „Ich fühlte plötzlich, daß mein gefürchteter Kopfschmerz im Anzuge; er kommt blitzschnell, und ich pflege ihn mit einem schnellgenossenen Glase Wein aus dem Felde zu schlagen.“ Vorhin hatte er in der That ausgesehen, als dringe ihm die dunkle Gluth des Rothweins bis unter die Stirnhaut.

Er entkorkte rasch eine Flasche Sect und füllte mehrere auf dem Büffet stehende Gläser. „Ich bitte, mit mir auf das Gelingen unserer heutigen Abendvorstellung zu trinken,“ sagte er, ein Glas hebend, zu den Damen, welche die Krystallkelche ergriffen und seinem Beispiele folgten. „Die Blumenfee mit ihrem reizenden Gefolge soll leben. Die Jugend und die Schönheit, und das herrliche Leben selbst, das ja Keinem von uns feindlich ist, ja auch der süßen Gewohnheit des Daseins ein Hoch!“

Die Gläser klangen, und die Präsidentin schüttelte leise lachend den Kopf.

Käthe war unwillkürlich in die Fensternische zurückgewichen, in deren Nähe Henriettens Lehnstuhl stand. Sie sah, wie sich bei dem tactlosen Trinkspruche die Wimpern der Kranken feuchteten, wie sie sich im schmerzlichen Zorne auf die Lippen biß – die süße Gewohnheit des Daseins war für sie ein Marterrost, und „das herrliche Leben“ ließ sich „feindlich“ genug jeden Athemzug mit Schmerzen abkaufen. Die junge Mündel hatte kein Glas genommen, und der Herr Vormund hatte ihr auch keines angeboten. Der Blick des Mädchens glitt dunkel und ernstsprühend über seine lebhaft erregten Züge. Sie hatte nie geahnt, daß auch hinter diesem glatten, leidenschaftslosen Männerantlitze ein innerer Sturm aufwogen könne – und da war er in den unstät flackernden Augen, in dem leisen, convulsivischen Beben der Lippen, in der ungewöhnlich lustig forcirten Stimme.

Es war, als fühle der reiche Mann den Blick – er sah unwillkürlich nach der Fensternische, dann stellte er rasch sein Glas auf den Tisch und fuhr sich mit beiden Händen hastig über Stirn und Haar; zu dem Kopfschmerze, der diesmal der Weincur zu spotten schien, hatte sich für einige Secunden nun auch ein leichter Schwindelanfall gesellt.




24.


Der Polterabendlärm in der unteren Etage steigerte sich Nachmittags bis zur Unerträglichkeit. Die adeligen Rittergutsbesitzer aus der Umgegend fuhren vor und mußten einlogirt [330] werden. Aus der Stadt wurden Korbwannen voll „Theaterstaat“ herbeigeschleppt – die Darsteller sollten sich in der Villa costümiren. Friseure und Schneidermamsells rannten aus und ein, und dazwischen trabten die Gärtnergehülfen immer noch von den Treibhäusern her nach der Villa, keuchend und schweißtriefend unter der Last mächtiger Palmen, Orangen- und Gummibäume.

Bei all’ dem dumpfen Geräusche unter ihrem Zimmer war Henriette doch in einen scheinbar erquickenden Nachmittagsschlummer gesunken. Im anstoßenden Cabinete saß Nanni, die Kammerjungfer, und nähte mit flinken Händen Silberflitter auf eine Gazewolke, deren die immer noch fieberhaft arbeitenden Tapezierer drunten im Saale bedurften. Käthe öffnete leise die Thür und empfahl dem Mädchen, wachsam zu sein und das Zimmer nicht zu verlassen, bis sie zurückkehre – dann ging sie hinab, um in der Mühle verschiedene Anordnungen zu treffen.

Sie vermied es, den Hauptcorridor zu betreten – er wimmelte von ab- und zugehenden Menschen – und bog in den neben dem Saale hinlaufenden Gang ein. Er war weniger belebt, aber in der schmalen Thür, auf die er mündete und welche in’s Freie führte, stand der Commerzienrath, den Strohhut auf dem Kopfe und augenscheinlich im Begriff, nach dem Thurme zu gehen. Er gab dem Lakai Anton, der ihn speciell bediente und deshalb mit ihm die Ruine bewohnte, einige in der Stadt zu besorgende Aufträge. „Lasse Dir Zeit!“ rief er dem Forteilenden nach. „Erst nach sechs Uhr will ich mich umkleiden.“

Käthe schritt leise und langsam weiter; sie hoffte, er werde nun auch die Schwelle verlassen und in den Garten hinaustreten, allein er schob mechanisch die Hände in die Seitentaschen seines leichten Ueberziehers und ging nicht. Zu seinen Füßen liefen einige Stufen hinab; er stand ziemlich hoch und konnte von da aus ein bedeutendes Stück seines herrlichen Parkes übersehen, und das fesselte ihn offenbar an seinen Platz. Hatte er denn noch nie diesen Anblick in seiner überraschenden Schönheit so empfunden wie jetzt, wo die Spätnachmittagsbeleuchtung, in die sich bereits rosige Tinten des Abendlichtes stahlen, darüber hinfloß? … Immer wieder zeigte die Bewegung seines Kopfes, daß er die Augen rundum schweifen lasse, aber das junge Mädchen sah auch, daß sein Oberkörper unter fliegenden, gepreßten Athemzügen förmlich bebte; sie sah, wie sich seine Hände in den Taschen krampfhaft ballten, wie die Rechte plötzlich aufzuckend nach der Stirn fuhr und sich über die Augen legte. Er kämpfte jedenfalls mit dem Unwohlsein, über welches er heute Morgen geklagt und das er standhaft verbiß, um die Abendfestlichkeiten nicht zu stören.

Sie trat jetzt geflissentlich fester auf, und bei dem Geräusche fuhr er herum.

„Dein Kopfweh hat sich verschlimmert?“ fragte sie theilnehmend.

„Ja – und ich habe in diesem Augenblicke wieder einen beängstigenden Anfall von Schwindel gehabt,“ antwortete er mit unsicherer Stimme und drückte sich den Hut tiefer in die Stirn. „Kein Wunder! Hätte ich eine Ahnung gehabt von den tausend Widerwärtigkeiten, die mit dieser Polterabendfeier verknüpft sind, ich hätte ganz gewiß davon abgesehen,“ setzte er gefaßter, aber auch mit einer ihm sonst fremden Art von Poltern hinzu. „Diese bornirten Handwerkerköpfe haben in meiner Abwesenheit Alles verkehrt gemacht; sie haben mich und meine Intentionen nicht begriffen, und was sie in einer vollen Woche zusammengekleistert und ‑genagelt haben, das mußte heruntergerissen und in Zeit von zwölf Stunden neu hergestellt werden. Nun haben wir den Lärm und die beispiellose Hetzerei bis auf den letzten Moment, wo die Gardine in die Höhe gehen soll.“

Er stieg die Stufen herab, langsam und zögernd, als schwimme bereits Alles wieder vor seinen Augen.

„Soll ich zurückgehen und Dir ein Glas Selterswasser holen?“ fragte sie, auf der Schwelle stehenbleibend. „Oder wäre es nicht besser, den Arzt zu holen?“

„Nein – ich danke Dir, Käthe,“ versetzte er in seltsam weichem Tone, und sein feuchter Blick überflog schimmernd, wie messend das schlanke Mädchen, das seiner Besorgniß so ungekünstelt Ausdruck gab. „Uebrigens irrst Du sehr, „wenn Du meinst, Bruck sei so leicht erreichbar. Der läßt sich von seiner Praxis hetzen bis zum letzten Augenblick; ich glaube, man wird ihn übermorgen vom Krankenbette zur Trauung holen müssen.“ Ein sarkastisches Lächeln, als mache er sich innerlich über die ganze Welt lustig, flog über seine Lippen. „Das beste Mittel habe ich selber“ – sagte er gleich darauf – „meinen kühlen Thurmkeller. Ich bin eben im Begriffe, hinüberzugehen und die Weine für heute Abend herauszugeben; die frische Kellerluft wird wirken wie eine kühlende Compresse.“

Käthe knüpfte die Hutbänder unter dem Kinne fester und trat heraus auf die Thürstufen.

„Und Du gehst noch in die Mühle? Hoffentlich nicht weiter?“ meinte er, nach seiner Uhr sehend; diese einfache Frage klang so nachlässig hingeworfen, und doch kam es Käthe vor, als stocke der Athem dabei.

Die Stufen herabsteigend, sagte sie ihm, was sie nach der Mühle führe, dann ging sie mit einem freundlichen Kopfneigen über den Kiesplatz, während der Commerzienrath die Richtung nach dem Thurme einschlug. Hinter dem ersten Strauche des nächsten Boskets sah sie noch einmal unwillkürlich nach ihm hinüber; er war unverkennbar leidender, als er eingestehen mochte. Schon wieder ging er zögernd, wie mit einknickenden Knieen; er hatte den Hut in den Nacken geschoben, als stürme ihm die Fiebergluth abermals nach dem Kopfe, und seine Augen irrten ziellos über den Park hin.

Jetzt brauste es auch ihr durch das Gehirn; ein dunkles Angstgefühl überkam sie. Der kranke Mann mit dem unsicheren Gebahren allein im Thurmkeller! Wie ein Fiebergespenst jagte der grauenhafte Gedanke, der sie einst angesichts der Ruine gepackt, an ihr vorüber. „Ich bitte Dich, Moritz, sei vorsichtig mit dem Kellerlicht!“ rief sie ihm angstvoll zu.

War er zu tief im Nachgrübeln versunken gewesen, oder hatte sich bereits jene nervöse Reizbarkeit seiner bemächtigt, die vor jeder lauten Menschenstimme erschrickt: er fuhr wild empor, als habe ihn ein Schuß getroffen.

„Was willst Du damit sagen?“ rief er heiser zurück. „Wie? Siehst Du Gespenster am hellen Tage, Käthe?“ setzte er gleich darauf hinzu; er brach in ein schallendes Gelächter aus, das etwas tief Beschämendes für die jugendliche Warnerin hatte, und verschwand mit einem spöttisch grüßenden Handwinken und sehr stramm gewordener Haltung im nächsten Laubgange.

Kaum eine halbe Stunde später ging Käthe am Flusse hin. Die Geschäfte waren erledigt, und so viel Zeit blieb ihr noch, verstohlen das alte, liebe Doctorhaus wiederzusehen. Wie schlug ihr das Herz, als sie durch das bewegliche Laub der Uferbirken die in der Sonne glühenden Wetterfahnen flimmern sah! Wie erschrak sie bei jedem verrätherischen Knirschen des Sandgerölles unter ihren Füßen! Sie kam wie eine Vertriebene, die einen letzten Blick in das gelobte Land werfen will. Und nun lehnte sie an der Pappel, die den Holzbogen flankirte – an dieser Stelle hatte Sie das letzte unverwischliche Bild in ihre Seele aufgenommen; wie aus Goldgrund hatten sich die lauschenden Kinderköpfchen neben der Hausecke draußen von der strahlenden Landschaft abgehoben, und dort an dem Gartentische war der kraftvolle, strenge Mann in unbegreiflicher Gemüthserschütterung zusammengebrochen.

Jetzt war es still auf dem tiefbeschatteten Rasengrunde. Die Obstbäume, die sie in prangender Maienfrische gesehen, bogen sich unter der Last ihrer Früchte, die gelb und rothbackig das unscheinbar gewordene Laub überstrahlten und die Lüfte mit dem köstlichen Aroma der Reife erfüllten, und am Weinspalier des Hauses hing der vielgerühmte Traubenreichthum in tiefer Bläue. Nur einen einzigen schüchternen Blick nach dem Eckfenster, wo der Schreibtisch stand! Der Doctor war ja nicht daheim; er eilte von einem Krankenbette zum andern „bis zum letzten Augenblicke“. Und in dem Zimmer wohnte er auch nicht mehr. Weiße, spitzenbesetzte Gardinen hingen hinter den Scheiben; auf dem Sims, zwischen den Töpfen mit vollblühenden Alpenveilchen, lag ein schneeweißes Kätzchen, und jetzt hoben sich zwei strickende Hände, und ein Frauenkopf mit silberweißem Scheitel unter dem sauberen Mullstrich bog sich darüber her – die alte Freundin der Tante Diakonus war bereits eingezogen. Er hatte auch diese Brücke hinter sich abgebrochen; er war reisefertig, und

[331] übermorgen kam „der letzte Augenblick“, wo die stolze, herzlose Schwester neben ihm stand, im weißen Atlaskleide, um – „die Salonrepräsentantin des berühmten Mannes“ zu werden. Hatte sie einst schwerer gekämpft, die schöne, blonde Edelfrau, als das Mädchen, das jetzt, bitterlich weinend, die Arme um den schlanken Stamm legte und an die rauhe, harte Rinde die Stirn preßte, bis sie ihr schmerzte? Jene war geliebt worden, und wenn auch verlassen, traf sie keine Schuld, hier aber nagte an dem Herzen einer Ungeliebten sündhafte Eifersucht, und die sie beneidete, war – die eigene Schwester.

Starke Männerschritte hinter ihr machten sie aufschrecken. Der Müller Franz ging mit einer über die Schulter gelegten Eisenstange vorüber, um nach dem oberen Wehre zu sehen, wie er sagte. Diese Begegnung, die ihr das Blut in das Gesicht trieb, scheuchte sie von ihrem Lauscherposten, und während Franz rasch weiter eilte, ging sie langsam am Ufer hin. Sie konnte sich noch nicht entschließen, in die Villa zurückzukehren – mit ihrer Toilette für heute Abend war sie ja längst fertig, ehe Henriette, die trotz ihrer Hinfälligkeit um jeden Preis dem Festspiel beiwohnen wollte, ihren armen, elenden Körper so geschmückt hatte, daß die Spuren der verheerenden Krankheit weniger hervortraten.

Adolf Neumann.
Von ihm selbst gezeichnet.


Hier war es so köstlich einsam. Niemand sah ihre gerötheten Augen, und wie sie zornig mit ihrem widerspenstigen Herzen rang, mit ihrer sündigen Sehnsucht, die sie hierher getrieben hatte – ja, sie allein – Schande über sie, wenn sie sich selbst anlog und ihr leidenschaftliches Verlangen beschönigte! Nicht das traute Haus, nicht die liebenswürdige alte Frau drinnen hatte sie wiedersehen wollen, und es war auch nicht ihre feste Ueberzeugung gewesen, daß er nicht daheim sein könne – sie hatte es doch gehofft, und nun, wo sich ein anderes Gesicht als das seine am Eckfenster gezeigt hatte, war ihr das traute Fleckchen Erde öde und sonnenverlassen erschienen.

Der voranschreitende Müller war ihren Blicken entschwunden – sie kam der Ruine näher. Der Wasserring glitzerte von ferne und das auseinandertretende Gebüsch ließ sie den eleganten Brückenbogen übersehen, der sich über den Graben schwang. … In diesem Augenblicke beschritt ihn vom Thurme her ein Mann mit großem, rothblondem, tief auf die Brust hinabreichendem Vollbarte. Er trug eine blaue Arbeiterblouse unter dem lässig übergeworfenen Rocke und jagte mit seinem Stocke die zwei Rehe vor sich her. Sie stoben förmlich über die Brücke und flohen in den Park hinein.

Käthe würde den Mann nicht weiter beachtet haben – Handwerker verkehrten ja oft im Thurme – wenn sein Gebahren sie nicht stutzig gemacht hätte. Der Commerzienrath liebte die Rehe zärtlich; er konnte sehr böse werden, wenn er eines im Parke umherirrend fand – und nun jagte der Fremde die scheuen Thiere geflissentlich über das Wasser! War er einer jener Erbitterten, die dem beneideten Reichthume Schaden zufügen [332] und Schabernack anthun, wo sie können? … Er schlug den Weg ein, der nach dem großen Parkthore und auf die Landstraße hinausführte; sie verfolgte ihn mit den Augen, bis ihn das Dickicht aufnahm – welche Aehnlichkeit! Seiner Haltung und Größe, seinem ganzen Körperbau nach hätte der Mann im Arbeiterrocke ein blonder Zwillingsbruder des Commerzienrathes sein können.

Sie blieb wider Willen gefesselt stehen und sah nach dem Thurme, von wo er gekommen war – wie herrlich gruppirte sich hier die Landschaft um die Ruine, und mit welch’ künstlerischem Tacte und Gefühle hatte der aus der Ferne herbeigerufene Baumeister das Vorhandene zu benutzen verstanden, um die Mauerreste mit einem so ergreifend romantischen Zauber zu umspinnen! Es war wieder still geworden; nur das Flügelklatschen der Tauben, die über dem Thurme kreisten, klang schwach herüber – wie kleine Silberkähne durchschifften die graziösen Luftsegler den klaren, roth angehauchten Abendhimmel und schlüpften durch die Lücken der Mauerkrone, die scharfzackig in das Aetherblau hineinschnitt – nein, nicht die Mauerkrone! Ein urplötzlich speiender Krater war es, der unter donnerndem Krachen eine Garbe schwarzen Schwalles riesenhoch in den Himmel hineinschleuderte. Der Boden wurde dem Mädchen buchstäblich unter den Füßen weggerissen – sie stürzte, wie hingeschmettert – dann schwemmten kühle Wassermassen an sie heran.

(Fortsetzung folgt.)

Nachdruck verboten und Ueber-
setzungsrecht vorbehalten.     
Das rothe Quartal.
(März–Mai 1871.)
Von Johannes Scherr.
10. Das rothe Gespenst geht leibhaft um.

Der Marschall Mac Mahon hat sich als Leiter der Einnahme von Paris und der Niederwerfung der Kommune zweifellos als tüchtiger General erwiesen, wenigstens als ein weit tüchtigerer denn im Feldzug von 1870. Nachdem die Kommune einmal im Vollbesitze der Hauptstadt und ihrer unermeßlichen Hilfemittel, waren zur Wiedergewinnung von Paris Streitkräfte nöthig, die sich nicht aus dem Boden stampfen ließen. Es hat sich überhaupt noch nie etwas Rechtes und Tüchtiges aus dem Boden stampfen lassen. Woher dem Marschall das Material an Soldaten hauptsächlich zufloß, ist schon früher erwähnt worden. Nach der Unterzeichnung des Definitivfriedens zwischen Deutschland und Frankreich am 10. Mai zu Frankfurt und nach der Ratifikation dieses Friedensvertrages durch die Nationalversammlung zu Versailles am 13. Mai war der Zufluß ein so ausgiebiger geworden, daß sich Mac Mahon in den Stand gesetzt sah, die Organisation seiner Truppen zu vollenden. Er hatte zuvörderst drei Korps formirt, zwei Infanterie- und ein Kavalleriekorps (Ladmirault, Cissey, Du Barail). Dazu waren dann zwei weitere Armeekorps gekommen (Douay und Clinchant) und endlich noch eine aus 3 Divisionen bestehende Reserve unter dem General Vinoy. So gerüstet, sah sich der Marschall kräftig genug zum entscheidenden Handeln und dieses war, wie wir gesehen, auf den 23. Mai angesetzt. Die Ereignisse vom 21. Mai hatten aber den Angriff vorgerückt. Vom Mont Valerien herab hatte der Obergeneral den Einbruch der Truppen in die Stadt geleitet. Dann hatte er sich zur Stunde, als der Trocadero, das Marsfeld und die Kriegsschule von demselben genommen waren, von der Citadelle herab und in die Mitte seiner Regimenter begeben. Während der Nacht traf er seine Bestimmungen und Verfügungen in Betreff der großen Straßenschlacht, welche am folgenden Tage anhob und erst nach siebentägigem Streiten zu Ende sein sollte, – nach einem Streiten, von welchem der Dichter hätte sagen können, was er von der Bestürmung Jerusalems durch die Römer des Titus gesagt hat:

„Oh, welcher Mordkampf hat sich da entsponnen!
Aus tausend Wunden sprang so voll das Blut,
Als wären unversiegbar solche Bronnen …“

Frisch, klar, sonnig, so recht ein Maimorgen, ging der vom 22. über Paris auf, welches diesem Frieden und Glanz der Natur gegenüber wieder einmal darthat, was es mit der vielgepriesenen Civilisation unseres Jahrhunderts eigentlich auf sich hat. Von beiden Seiten wurde die siebentägige Schlacht mit gleicher Wuth gefochten. Der Unterschied war nur, daß die Blauen mit Methode, die Rothen dagegen mit Verzweiflung wütheten.

Der Marschall hütete sich wohl, den Stier bei den Hörnern fassen zu wollen, d. h. einen Massenangriff auf das furchtbar barrikadirte Centrum der Stadt zu unternehmen. Er und seine Generale griffen die Sache anders an. Im Besitze einer festen Operationsbasis, verschritten sie zu einer Reihe von koncentrischen Angriffsbewegungen, welche den Zweck hatten und erreichten, auf Seitenwegen und selbst mitten durch Häuserwände und Häuserreihen hindurch die festesten „Volkscitadellen“ zu umgehen, Paris mittels Besetzung der Hauptverkehrsadern und der strategischen Punkte mälig zu umstricken und einzuwickeln, um dann die Umschnürung fester und enger zu machen, zuletzt so eng und fest, daß mit einem letzten Würgegriff der Insurrektion ihr letzter Athemzug zu entpressen wäre.

Angenommen, ein Beobachter hätte von der Kuppel des Invalidenpalastes herab den Bewegungen der fünf Kolonnen, in welche der Marschall seine Streitkräfte getheilt hatte, am 22. Mai zusehen können und hätte bei dieser Schau das Antlitz nach Norden gekehrt, so würde er ganz linkswärts die Kolonne des Generals Ladmirault die Linie der Gürteleisenbahn aufwärts verfolgen gesehen haben, eine Bewegung, welche den Zweck hatte, einem der Hauptbollwerke der Rothen in den Rücken zu kommen, dem Montmartre. Demselben Ziele strebte der General Clinchant zu, welcher vom Triumphbogen aus gegen den Park von Monceaux und Batignolles hinaufdrängte. Der General Douay seinerseits sucht im Centrum die Champs Elysées und den Beauvauplatz zu gewinnen. Zur Rechten, auf dem linken Seineufer, lenkt der General Cissey seine Truppen auf den Bahnhof Montparnasse zu, um sich von dort den Weg zum Pantheon zu öffnen. Die Reserve unter Vinoy behält der Marschall bei der Hand, um damit nach Bedarf Douay oder Cissey zu unterstützen.

Den ersten bedeutenden Vorschritt machte der letztgenannte General. Noch am 22. Mai. Sein Sturm auf den bezeichneten Bahnhof gelang, auch entriß er den Rothen die gewaltige Barrikade, welche sie hinter der Umwallung auf der Straße nach Orleans erbaut hatten, und brach sich damit Bahn zur Butte aux Cailles. Auch im Centrum und auf der Linken war die Schlacht im Gange, führte jedoch erst am folgenden Tage zu einem für die Blauen beträchtlichen Ergebniß. Dies war kein anderes als der am 23. Mai mit ganzem Erfolg unternommene Angriff auf das Montmartre-Quartier. Clinchant bedrängt es vom Süden und Westen aus; Ladmirault faßt es vom Norden her. Mittags 1 Uhr flattert die Trikolore auf der Spitze des Thurmes von Solferino. Noch zwei Stunden lang aber tobt der Kampf um die mächtige Barrikade auf dem Platze Pigalle, so recht die Arx oder Akropolis der Kommune. Hier befehligt Dombrowski in Person, wird niedergestreckt und sterbend zum Spital Lariboisière getragen, wo er am nächsten Morgen ausathmet. Der Verlust des Montmartre bedeutet für die Rothen schon ihre entschiedene strategische Niederlage. Auf Sieg kann jetzt nicht einmal der Wahnsinn mehr hoffen. Die beiden Plätze Pigalle und Blanche sind mit Blutlachen bedeckt, 100 Kanonen, mehrere tausende von Gefangenen sind die Beute der Sieger. Die Rache beginnt ihre Füsilladen an der Stelle, wo am 18. März der Frevel die seinigen begonnen hatte. Der General Ladmirault bleibt vorderhand auf Montmartre stehen; der General Clinchant steigt auf die äußere Boulevardlinie hinab, um von dieser aus und über die innere hin mit dem General Douay im Centrum Fühlung zu suchen. Links der Seine hat inzwischen der General Cissey seinen Vormarsch, allerdings unter schwerem Ringen, bis zur Kirche Saint-Sulpice fortgesetzt.

Die Nacht sinkt herab auf die rothen Walstätten des zweiten Schlachttages, auf Weh und Wunden ohne Zahl. Tausende von Wachtfeuern lassen kein Dunkel aufkommen und das Gebrause und Getose ruht kaum für etliche Stunden. Dann kommt der dritte Tag –

[333]

„Aufgeht die Sonne; untersinkt sie wieder;
Sie sieht nur Blut und Tod; sie steigt empor –
Im Kampfe stehen immer neue Glieder.“

Noch hielten die Rothen nicht nur den Osten der Stadt, sondern auch das Centrum unter ihrer Hand. Die Tuilerienterrasse, das Schloß selber, den Louvre, das Palais Royal, die Madeleine, den Vendômeplatz machten sie am 23. Mai den Angreifern noch immer streitig und behaupteten diese Punkte den ganzen Tag hindurch.

Mittels Umgehungen, Häuserdurchbrüchen, Massenwirkungen des schweren Geschützes suchten die Blauen, deren Harste in sicherem Einvernehmen und unter festeinheitlicher Oberleitung handelten, diese Centralstellung ihrer Gegner zu bewältigen, um dann, stromaufwärts dringend, den Herzstoß auf den Aufstand zu führen, d. h. das Hôtel de Ville anzugreifen. Gleichzeitig mit diesen Operationen im Mittelpunkte der Stadt gingen draußen an der Peripherie derselben andere vor sich, welche die Absicht hatten und erreichten, die drei Südforts Montrouge, Bicêtre und Ivry den Rothen zu entreißen. Die von dem Generalstabsofficier Leperche geschickt geleiteten, von den Obersten Deloffre und Desgarets tüchtig geführten, durch die Reiterei des Generals Du Barail kräftig unterstützten Angriffe auf die genannten Citadellen hatten zur Folge, daß die Vertheidiger es gerathen fanden, die Werke aufzugeben und in mehr oder weniger eiligem Rückzug ihr Heil zu suchen. Jedoch erst, nachdem sie bis zum 25. Mai ausgehalten hatten.

Sie hielten überhaupt überall aus, so lange auszuhalten war. Die Kämpfer der Kommune der Feigheit zu bezichtigen, ist nicht allein ungerecht, sondern heißt auch die Thatsachen nicht sehen wollen und ist demnach ganz albern. Der gerechte Urtheiler muß es ja geradezu staunenswerth nennen, daß die Rothen der ganzen Ueberlegenheit militärischer Technik und Disciplin gegenüber den Kampf so lange zu führen vermochten, sie, die ohne einheitliches Kommando und darauf angewiesen waren, alles, was ihre Gegner vor ihnen voraushatten, mittels ihrer Anstelligkeit und Todesverachtung einigermaßen auszugleichen.

Aber, wohlverstanden, ich spreche von den wirklichen Kämpfern der Kommune, nicht von dem schandbaren Gesindel, welches die Waffen nur trug, um damit wehrlose Opfer hinzuschlachten, zum Abscheu der Mit- und Nachwelt.

Solches Gesindel, Auswurf der Riesenkloake Paris, durch alle Latrinen der Gaunerei gekrochene Hallunken, auf allen Schmutzwegen der Ausschweifung bewanderte Dirnen, sah man schon am 23., zahlreicher noch am 24. Mai in den Straßen zwischen dem Bastilleplatz und dem Père Lachaise lungern und lauern, Aasvögeln gleich, welche Leichen wittern. Sie umkreis’ten die Mauern des Gefängnisses La Roquette und krächzten grässliche Drohungen zu den vergitterten Fenstern empor, hinter welchen die „Geiseln“ gefangen saßen.

Aber nicht diese Elenden hätten das rothe Gespenst vom September von 1792 wieder heraufzubeschwören vermocht. Von amtswegen wurde es heraufbeschworen. Die Kommune hatte den Beschluß gefaßt, die sämmtlichen Geiseln sollten umgebracht werden.

Ort, Tag und Stunde dieses Beschlusses, sowie die Namen der Mitglieder, welche dabei mitgewirkt, genau zu ermitteln, ist bislang nicht gelungen. Fest aber steht, daß das Exekutivkomité am Mittwoch den 24. Mai diesen Befehl erließ: „Der Bürger Rigault in Gemeinschaft mit dem Bürger Regère wird mit der Ausführung des Dekrets der Kommune in Betreff der Geiseln beauftragt.“ Unterzeichnet: Delescluze. Billioray.

Die Vertheidiger der Kommune sagen, dieses Blutdekret sei nur erlassen worden zur gerechten Wiedervergeltung der Gräuel, welche die „Insurgentenjagd“ verübte, die von den Blauen in den von ihnen eroberten Stadtvierteln erbarmungslos angestellt wurde. Das mag so sein und kein gerechter Mann wird anstehen, die Gräuel dieser Menschenjagd zu brandmarken. Allein immerhin besteht ein Unterschied zwischen diesen Barbareien, welche eine kampftoll gewordene Soldateska auf von dem Blute ihrer Kameraden dampfenden Walstätten gegen mit den Waffen in der Hand ergriffene oder ihr als solche bezeichnete Kommunarden verübte, und der kaltblütig angeordneten und kanibalisch-roh ausgeführten Abschlachtung von armen Gefangenen, welche an dem Mordkampfe gar nicht theilgenommen hatten. Nicht die Leidenschaft, nein, die kühlberechnende Grausamkeit hat das Signal zu den ruchlosen Massenmorden gegeben, wie sie am 24. Mai begannen. Das ist das glühendste Brandmal, welches die Kommune sich aufgedrückt hat.

Der Bürger Rigault zauderte nicht, zu thun, was ihm eine Lust. Dieser Mensch war einer von jenen in unserer Zeit nicht eben seltenen Kalkulatoren, welche die materialistische Lehre des Jahrhunderts als einen Panzer tragen, an welchem alles abprallt, was Gefühl, Menschlichkeit, Ehre, Wahrheit und Gerechtigkeit heißt. Solchen Strolchen ist das Laster eine Eleganz und der Frevel ein Zeitvertreib. Sie kennen und anerkennen nichts als ihr eigenes kleines, hohles, eitles, vom Größenwahn aufgeblähtes Ich, und die Selbstsucht, keck, frech, schamlos bis zur Hündischkeit, ist das Idol, vor welchem sie auf dem Bauche liegen.

Der Mordbefehl des Exekutivkomité war kaum in Rigaults Händen, als er nach Sainte Pelagie eilte, wo der von ihm gehaßte Republikaner Chaudey eingekerkert war. Der Prokurator der Kommune zeigte dem Gefängnißdirektor Ranvier an, daß die Stunde der „Hinrichtung“ der Geiseln geschlagen habe und daß Chaudey „den Tanz beginnen werde“. Selbstverständlich hatte die Kommune bei Zeiten dafür gesorgt, das Verwaltungs- und Aufsichtspersonal in den Gefängnissen aus „Bürgern“ zusammenzusetzen, auf die sie sich verlassen konnte. Ihre Gefängnißdirektoren waren jedenfalls Leute, die als im Gefängnißleben erfahren bezeichnet werden mußten. So dirigirte z. B. in La Roquette ein gewisser François – in einigen Zeugenaussagen heißt er auch Lefrançais –, welchem die Züchtlingsjacke, die er früher getragen, noch jetzt ganz gut auf Leib und Seele gepaßt hätte.

Der arme Chaudey wurde in die Schreibstube des Gefängnisses heruntergebracht, wo ihn der Bürger Prokurator also begrüßte: „Bürger, ich bin beauftragt, die Hinrichtungen in den Gefängnissen zur Ausführung zu bringen. Sie kommen heute daran, sofort – binnen einer Stunde werden Sie erschossen sein.“ Chaudey ward durch diese brutale Eröffnung begreiflicher Weise verblüfft, faßte sich aber rasch und sagte: „Aber, Raoul Rigault, haben Sie denn auch bedacht, was Sie thun wollen?“ – „Allerdings. Ich vollziehe einen Beschluß der Kommune. Das ist alles.“ – „Aber Sie wissen doch, ich bin ein guter Republikaner. Sie schädigen eine heilige Sache. Sie bringen die Republik um.“ – „Gleichviel. Sie sterben wie alle die übrigen Geiseln.“ – „Aber, Bürger Rigault –“ „Genug, meine Zeit ist knapp. Wollen Sie etwa einen Beichtvater?“ – „Scherzen wir nicht! Sie wissen recht gut, daß ich keinen Beichtvater will.“ – „Sie sind ein Mörder. Sie haben es verschuldet, daß Blanqui umgebracht wurde.“ – „Aber Blanqui lebt ja; ich kann es beweisen. Vielleicht vermag ich sogar seine Austauschung zu bewirken.“ – „Aha, Sie stehen also mit Versailles in Verbindung? Wohlan, Sie und alle die andern Geiseln sterben.“ – „Gut, ich werde Ihnen zeigen, daß und wie ein Republikaner zu sterben weiß.“

Der Wackere zeigte es. In den Rundgang des Gefängnisses geführt, wo das Mordpeloton seiner harrte, wurde er der Kapelle zur Seite in einen Mauerwinkel gestellt. Der Bürger Prokurator gönnte sich das Vergnügen, mit gezogenem Degen den Mordakt zu kommandiren. Schlecht getroffen stürzte Chaudey zu Boden und hatte noch die Kraft, zu rufen: „Vive la république!“ Da wirft sich mit den Worten: „Ich will Dir die Republik schon aus dem Schädel treiben,“ der Brigadier Gentil, ein Haupthandlanger Rigaults, auf den Verwundeten und jagt demselben eine Revolverkugel „durch den Rachen“, wie er sich später lachend rühmte. Die Ausplünderung des Todten durch die Mörder gehörte mit zum Ganzen. Neben Chaudey’s Leichnam wurden etliche Minuten darauf noch die von drei gefangenen Gensdarmen hingeworfen, auf welche man, den Gräuel zu würzen, in dem Rundgange wie auf Jagdthiere unter Zoten, Flüchen und Gelächter geschossen hatte. Nach also vollzogenem Menschenopfer brach der Bürger Rigault nach dem Gefängnisse La Santé auf, „um sein Geschäft fortzusetzen“  …

Die Muse der Geschichte hat die traurige Verpflichtung, vor nichts zurückschaudern zu dürfen und alles sagen zu müssen. Aber sie hat auch das Recht, mit beschwingten Sohlen über [334] Blutlachen hinwegzuschreiten. Müßte man doch selber so eine rothe Bestie von 1871 sein, wollte man sich dazu hergeben, die grässliche Reihe der Niedermetzelungen der Geiseln und anderer Opfer breitspurig zu durchwaten. Auch zu zählen brauchen wir die Gemordeten nicht genau. Die Zahl macht bei solchen Schrecknissen eigentlich gar nichts aus. Nicht wie viele Opfer die Inquisition, die Hexentribunale, die Bartholomäusnacht, die Septembermorde und das rothe Quartal hingeschlachtet, macht den Gräuel aus, sondern dieses, daß überhaupt Menschen so gegen Menschen wüthen konnten und gewüthet haben.

Den scheusäligsten Anblick gewährten auch wiederum hierbei die weiblichen Scheusale, wie die „Amazonen“ Katharina Rogissart, Natalie Lemel, Zelie Grandel und Marguerite Gandair, genannt Lachaise. Die letztgenannte hat eine Hauptrolle bei den Mordthaten gespielt und sich ganz unglaublich gräulich in La Roquette aufgeführt, sowie bei der Abschlachtung des Grafen de Beaufort, welcher als Offizier in der Armee der Kommune gedient hatte, aber plötzlich, ohne einen Schatten von Grund, durch die Furie des Verraths bezichtigt und auf ihr Betreiben auf dem Voltaireplatze niedergemacht wurde. Das Wildschwein von Weib stampfte auf dem noch warmen Leichnam herum und sagte etwas und that etwas, was nicht geschrieben werden kann.

Mittwochs, den 24. Mai, begannen die Massenmorde. An der Spitze der Mörderrotte, welche schon seit etlichen Tagen La Roquette umlauert hatte, brachen die Grandel und die Lachaise in das Gefängniß ein. Die letztgenannte Megäre that gerade so, als wäre sie die amtlich bestellte Leiterin der Mordarbeit, welche von den Gefängnißbeamten freilich mehr nur zugelassen und angeordnet worden ist, aber doch zugelassen.

Das Nachtstück, wie der Erzbischof Darboy und fünf seiner Mitgefangenen im Hofraume des Gefängnisses beim Fackelschein niedergemetzelt wurden, hat sich dem schaudernden Gedächtniß der Zeitgenossen unverlöschbar eingeprägt.

Nach verübtem Frevel wies einer der Mörder den Wächtern Pinet und Bourguignon ein Pistol mit den Worten: „Seht, es raucht noch. Damit hab’ ich dem Kerl von Erzbischof den Garaus gemacht.“ Ein anderer bemerkte grinsend: „Dieser alte Hund von Darboy wollte nicht sterben, dreimal noch versuchte er aufzustehen.“ Draußen auf dem Platze pralten die Mordbuben ganz laut: „Wir haben 50 Franken verdient.“

Etliche Tage darauf fand man auf der Mairie des 11. Arrondissement dieses lakonische Protokoll: „Komité der öffentlichen Sicherheit. Heute den 24. Mai, 8 Uhr Abends sind im Gefängnisse La grande Roquette Georges Darboy, L. B. Bonjean, L. Ducoudray, M. Allard, A. Clerc und G. Deguerry hingerichtet worden. Kommune von Paris. Kabinett des Chefs der öffentlichen Sicherheit. Gemeindepolizei.“ Dieses Aktenstück trägt das amtliche Siegel der Polizeipräfektur, aber keine Unterschrift. Es ist jedoch festgestellt, daß der Bürger Ferré, der Delegirte bei der öffentlichen Sicherheit, am 24. Mai zweimal in La Roquette sich zu schaffen machte, am Vormittag und am Nachmittag. Vor dem Kriegsgerichte zu Versailles hat ein Hauptzeuge dem Angeklagten Ferré ins Gesicht gesagt, daß dieser die Mordrotte persönlich in das Gefängniß geführt habe. Dieser Augenzeuge war der Civilingenieur Duval, ein Ehrenmann, ebenfalls als „Geisel“ eingethürmt. Der Gerichtspräsident: „Sie sind also ganz sicher, in dem Angeklagten Ferré das Mitglied der Kommune zu erkennen, welches gemeinschaftlich mit Ranvier das Exekutionspeloton in La Roquette einführte und welches Sie am 24., 26 und 27. Mai in der Schreibstube des Gefängnisses gesehen haben?“ Herr Duval: „Ja, ich schwör’ es.“ Uebrigens ist auch die Anwesenheit Rigaults in La Roquette während jener Mordtage wohlbezeugt. Summa: Die Schlächtereien in dem genannten Gefängniß sind nicht etwa nur zufällige gewesen, sondern amtlich angeordnete, nicht ein bloßer Pöbelexceß, sondern eine vorbedachte, berechnete That der Kommune, eine That, bei deren Ausführung sie sich solcher Thiermenschen bediente, wie sie ihr in Hülle und Fülle zur Hand waren.

Donnerstags, den 25. Mai, mußten die Dominikanermönche von Arcueil, wo sie eine Schule hatten, in den Tod gehen. Sie waren, 23 Patres und Fratres, auf Befehl des Wohlfahrtsausschusses am 19. Mai verhaftet und in das Fort Bicêtre gebracht worden. Als am 25. die Rothen das Fort aufgeben mußten, schleppten sie die Mönche mit sich, stellten sie auf einer Barrikade der Avenue d’Italie den Kugeln der Blauen bloß, und nachdem sie gegen Abend zu auch die Barrikade hatten verlassen müssen, massakrirten sie mit schon gewohnheitsmäßiger Brutalität die wehrlosen Opfer, von welchen nur einige wenige zu entfliehen vermochten.

Weiter, weiter in diesem Blutsumpfe! Wir müssen hindurch …

Nach der Ermordung des Erzbischofs und seiner Todesgenossen war es drei Geistlichen, dem Generalvikar Surat, dem Abbé Beourt und dem Missionär Houillon, gelungen, in Gemeinschaft mit dem Stadtsergeanten Chaulieu aus der großen Roquette zu entweichen. Aber alsbald hatte sich eine Jägerschar, geführt von einer Megäre, welche in der Linken eine rothe Fahne und in der Rechten ein Messer hielt, auf die Fährte der Flüchtlinge geworfen. Sie wurden eingeholt, in den Hof der Petite Roquette geschleppt, an die Mauer gestellt und niedergeschossen. Chaulieu bat die Fahnen- und Messerträgerin – Wolff-Guyard[WS 2] hieß die Vettel – sein Leben zu schonen, da er der Vater von acht unerzogenen Kindern sei. Sie schleuderte ihm eine Zote in’s Gesicht und kommandirte „Feuer!“ Ein Gassenjunge – einer jener Gamins, welche August Barbier mit dem ätzenden Griffel eines Juvenal also gezeichnet hat:

„Dein echt Geschlecht, Paris, das ist der Straßenschreier,
Halbwüchsig, schmutzig fahl, wie ein verschliffner Dreier,
Das ungezogene Kind, der Taugenichts, der träg
Verschlendert Tag um Tag, der gern auf seinem Weg
Die magern Hunde quält und, seinen Gassenhauer
Sich pfeifend, schlüpfrig Zeug hinkritzt an jede Mauer;
An nichts glaubt dieses Kind; es speit die Mutter an;
Der Himmel dünkt ihm nur ein abgeschmackter Wahn;
Was zuchtlos nur und frech, spukt in des Buben Hirne,
Dem reif das Laster steht auf fünfzehnjähr’ger Stirne“ –

ja, ein solcher Sproß „de la race de Paris“ stand später, der Mitschuld an diesem Mord angeklagt, vor dem Kriegsgericht und gab auf die Frage des Vorsitzenden, warum er auf die Priester-Geiseln geschossen habe, kurzweg die Antwort: „Weil man keine Religion mehr braucht.“ Das sind so Folgen der Thatsache, daß eine Stadt, welche sich rühmt, die „Weltleuchte“, die „Sonne der menschlichen Civilisation“ zu sein, barbarisch genug war und ist, innerhalb ihrer Mauern 60,000 Kinder ohne alle Schulbildung und Erziehung aufwachsen zu lassen.

Freitags, den 26. Mai, gab man dem Pöbel von Belleville jenes entsetzliche Schauspiel, welches unter dem Namen des Gemetzels in der Straße Haxo bekannt ist. Man hatte zu dieser schrecklichen Opferung 50 Geiseln, 14 Geistliche und 36 Stadtpolizisten (Gardes de Paris) aus La Roquette geholt. Zwischen 5–6 Uhr Abends am 26. Mai führte man die Opfer inmitten einer Procession von johlenden Banditen und lachenden Vetteln die Rue de Paris hinauf und dann rechtshinein in die Rue Haxo. In dieser stand rechts und links dichtgedrängt die Menge, welche die dem Tode geweihten Männer mit wüthenden Verwünschungen überschüttete. „Nieder mit ihnen! Schießt sie todt!“ war der Kehrreim des kanibalischen Gebrülls. Bei dem Hause Nr. 83 wurden die Geiseln in einen Hofraum oder vielmehr in einen ummauerten Graben hineingetrieben. Stabsofficiere von verschiedenen Bataillonen, in Schärpen und Borten prangend, wohnten der anhebenden Schlächterei an. Chassepot und Revolver thaten ihr Werk, thaten es so lange, bis keins der Schlachtopfer mehr athmete. Die Leichen warf man in den Kellerraum eines unvollendeten Gebäudes. Als der Gräuel zu Ende, brach die Menge in ein wildes Beifallsgeheul aus, und junge Weiber liefen auf die Mordbuben zu, drückten ihnen die pulvergeschwärzten, blutbespritzten Hände und riefen ihnen zu: „Brav gemacht, gut gearbeitet, Schatz!“

Auf Sonnabend, den 27. Mai, scheint noch eine Schlächterei größten Stils geplant gewesen zu sein, darauf deutete es hin, wenn der Bürger Ferré in der Schreibstube der großen Roquette erschien und die Freilassung und Bewaffnung der in dem Gefängnisse verwahrten Kriminalverbrecher und Bagnokandidaten anordnete. Offenbar in der Meinung, durch diese ehrenwerthen „Bürger“ alle noch im Hause vorhandenen „Geiseln“ niedermachen zu lassen. Allein den Bösewichten gelangen an diesem Tage nur noch einzelne Mordthaten. Zu weiteren ließ ihnen das bedrohliche Vorrücken der Blauen keine Zeit mehr. Auch [335] verbarrikadirten sich die Geiseln, durch diesen und jenen Wächter heimlich unterstützt und von der Annäherung der Retter unterrichtet, in ihren Zellen, entschlossen, ihr Leben so theuer als möglich zu verkaufen. Die Bagnokandidaten ihrerseits fanden es mehr nach ihrem Geschmacke, davonzugehen, als eine mehr und mehr gefährlich werdende Blutarbeit zu verrichten. Der „Bürger Gefängnißdirektor“ François hatte zwar eine hübsche Anzahl von Orsinibomben in Bereitschaft, um damit, wie er prahlte, noch im letzten Augenblick die sämmtlichen Geiseln zu vernichten. Aber auch er fand es in der Erinnerung an Züchtlingskleider und Züchtlingskost gerathen, sich davon zu machen, bevor der „letzte Augenblick“ gekommen war.

Die aufgehende Pfingsttagssonne strahlte Trost und Befreiung in die Angst- und Todeshöhle von La Roquette.




Bücher und Büchersammlungen im Mittelalter.
Von Ferdinand Sonnenburg.

Wenn unsere Diplomaten die Großmächte Europas aufzählen, so bringen sie die Zahl derselben, Italien eingeschlossen, auf sechs. Diese Rechnung stimmt nicht; denn nicht mit Unrecht hat man behauptet: die Presse ist die siebente Großmacht, und wahrlich nicht die letzte. Freilich zieht sie nicht mit sausenden Geschossen und mit blanken Klingen in’s Feld, doch ihre Waffen sind nicht minder scharf, und ihre Hülfstruppen bilden ein stattliches und wohlgeordnetes Heer. Bereitwillig öffnet sich ihnen der Prunksaal des Fürsten, das stille Gemach des Gelehrten, das einfache Zimmer des Arbeiters; überall erweist die Presse ihre Macht; überall gedeihen in ihrem Schutze die höchsten Lebensinteressen; überall richtet sie die Blicke der Menschen auf jene Fragen, deren Kreise über der täglichen Arbeit liegen und mit unwiderstehlicher Macht alle Stände und alle Völker, so verschiedenartig sie auch sein mögen, immer mehr zu einem brüderlichen Bunde auf dem freien Gebiete der allgemeinen Menschlichkeit vereinigen werden. Man denke sich die Presse als aus unserem Culturleben geschwunden – müßte nicht dieses selbst damit zusammenbrechen?

Die Presse eine Großmacht! Wir wollen, wie dies bei mächtigen Herrschern ja einmal üblich ist, den Stammbaum dieser Fürstin zu erforschen suchen und die Geister ihrer Ahnen beschwören, daß sie uns Rede und Antwort stehen und uns die bescheidenen Anfänge zeigen, aus denen eine solche Macht sich entwickelte.

Gehen wir nur ein einziges Jahrhundert zurück, so zeigt sich uns statt des breiten, wallenden Stromes, der die Erzeugnisse der heutigen Presse bis in die entlegensten menschlichen Wohnungen trägt, nur ein bescheidenes Flüßchen, dem manche gefährliche Sandbank drohte und dem seine engen Grenzen fest vorgezeichnet waren. Zur Zeit Friedrich’s des Großen hatte Berlin zwei kleine Zeitungen, die nicht einmal täglich erschienen, und vor dem achtzehnten Jahrhundert gab es keine allgemeiner verbreiteten Schriften, als die Kalender oder Almanache, die einmal jährlich ihren langsamen Botengang antraten und in ihrer Reisetasche kaum etwas anderes mit sich führten, als Regeln für Ackerbau, für Aderlassen und ähnliches.

Ein völlig neues Gebiet aber thut sich auf, wenn wir bis in die Zeit vor Erfindung der Buchdruckerkunst zurückgehen. Die Gestalten, in denen das literarische Leben sich damals zeigte, bieten des Seltsamen und Interessanten außerordentlich viel. Die eigentlichen Zufluchtsstätten des Bücherwesens waren damals die Klöster, vorzugsweise diejenigen der Benedictinermönche, welche durch die Observanz ihres Gründers zum Abschreiben ausdrücklich angehalten wurden. Ueber alles, was bei dieser Beschäftigung in Betracht kam, wollen wir in der Kürze Aufschluß geben, und nur bei einigen besonders interessanten Punkten etwas länger verweilen.

Die ersten, welche die Schreibkunst in Deutschland verbreiteten, waren irische Mönche. Sie hatten ihre Ausbildung von römischer Hand genossen; ihre Betriebsmittel waren dieselben, mit denen das römische Alterthum arbeitete. Sie fanden unter den Deutschen die sogenannte Runenschrift vor, über welche sich nichts Genaueres feststellen läßt. Wahrscheinlich bezeichnete, wie noch heute bei den Chinesen, jedes Runenzeichen ein ganzes Wort. Man schnitt die Runen mit dem Messer in einen Stab oder ein Täfelchen von weichem Holz ein; die Täfelchen überzogen die Mönche später auch wohl nach römischer Weise mit weißer Farbe – daher der Name Album. Das Einschneiden war unbequem; die Mönche brachten die römischen Wachstafeln in Gebrauch, auf welche man mit einem Griffel von Holz, Elfenbein oder Metall schrieb. Die Griffel waren einen Fuß lang und darüber, und müssen recht kräftig gearbeitet gewesen sein, denn der fromme Kirchenvater Prudentius erzählt in seinem neunten Hymnus, daß die Schüler des Cassianus ihren Lehrer mit den Griffeln tödteten.

Nach der Angabe des Franzosen Leboeuf waren die Wachstafeln bis zum sechszehnten Jahrhundert im Gebrauche. Man vereinigte auch wohl mehrere Tafeln durch Bänder, und nannte sie dann Codex, ein Wort, welches ursprünglich ein Stückchen Holz bezeichnet und später auch auf Pergamentblätter, die zusammengebunden waren, übertragen wurde. In alter Zeit bezeichnet dieses Wort Codex den Gegensatz zu dem einzelnen Pergamentblatte, das man zusammenrollte und daher Volumen nannte; auch eine größere Anzahl von einzelnen Blättern, die zusammengeheftet waren, konnten ein Volumen bilden. Die beiden Ausdrücke Codex, mit festen Deckeln wie die heutigen Bücher, und Volumen, gerollte Blätter, zuweilen in eine runde Kapsel eingeschlossen, bezeichnen also die äußere Gestalt der Bücher. Die Form des Volumen findet sich noch jetzt bei den Gesetzesrollen der Juden, deren einzelne Blätter nach besonderen genauen Vorschriften durch Nähen an einander befestigt werden.

Als Schreibmaterial mußte das Album und die Wachstafel bald dem Pergamente weichen, das man in Deutschland nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, aus Eselshäuten, sondern aus Kalbsfellen bereitete, welche geölt und geglättet wurden. Die Farbe des Pergamentes war weiß, zuweilen auch violett oder gelb. Sein Preis war ziemlich hoch, und um zu sparen, schabte man wohl einzelne Blätter, ja sogar ganze Bücher, mit Bimsstein ab und beschrieb sie auf’s neue. Die Bibliothek in Wolfenbüttel besitzt die gothische Uebersetzung des Briefes an die Römer von Ulfilas, auf welche eine Schrift des Isidor geschrieben ist. Beide Schriften sind noch zu lesen. Derartige Schriftstücke, Palimpseste genannt, finden sich bis zum vierzehnten Jahrhundert. Von dieser Zeit an lieferten die verschiedenen Papierarten ein billigeres Schreibmaterial. Doch hörte der Gebrauch des Pergamentes mit der Einführung des Papieres keineswegs auf; noch im sechszehnten Jahrhundert druckte man umfangreiche Bücher ganz auf Pergament.

Das erste Papier brachten Araber aus dem Orient nach Spanien; von dort verbreitete es sich über die europäischen Länder. Es war aus roher Baumwolle verfertigt, weich und dick und dem Pergamente ähnlich und mußte, wenn es zum Schreiben benutzt werden sollte, stark geglättet werden. Die ältesten Documente auf diesem Baumwollenpapier, die man in Deutschland verwahrt, sind päpstliche Bullen über das ehemalige Kloster Gandersheim im Herzogthum Braunschweig, aus dem Jahre 844. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts verschwindet dieses Papier, das auch den Namen „griechisches Pergament“ führt, da man es aus Constantinopel über Venedig zu beziehen pflegte.

Verdrängt wurde es von dem Leinenpapier, dessen erster Erfinder nicht bekannt ist, obwohl man über diesen Punkt weitläufige Untersuchungen zu verschiedenen Zeiten angestellt hat. Das älteste beschriebene Leinenpapier ist ein Document der kaiserlichen Bibliothek in Wien aus dem Jahre 1243. Die Echtheit desselben hat man, wie es scheint ohne Grund, angezweifelt. Die Städte Kaufbeuren und Nürnberg besitzen Urkunden auf Leinenpapier aus den Jahren 1318 und 1319. Von dieser Zeit an wurde der Gebrauch desselben immer allgemeiner.

Um Pergament und Papier zu beschreiben, bediente man [336] sich zuerst einer Feder von Rohr, das man im Rauche trocknete und in derselben Weise wie die früher gebräuchlichen Gänsekiele mit dem Messer schnitt; mit dem Bimssteine glättete man die Spitze noch nach. Die Schreibfedern werden zuerst von dem oben genannten Isidor am Anfange des siebenten Jahrhunderts erwähnt. Große Buchstaben, deren man sich zu Titeln, zu Ueberschriften im Anfange bediente, wurden oft mit dem Pinsel sehr kunstvoll ausgemalt. Man findet vollständig ausgeführte kleinere und größere Gemälde in den alten Manuscripten. Abgesehen von dem zuweilen nicht geringen Kunstwerthe derselben sind diese bunten Bilder oft wichtig zur Bestimmung der Trachten und der Gewohnheiten ihrer Zeit.

Die gewöhnliche Schreibtinte war schwarz, doch von anderer Zusammensetzung, als die heute gebräuchliche, denn sie war nicht mit Vitriol versetzt. Man bereitete sie aus Ruß, Kohlenpulver, gebrannten Knochen u. dergl. mit einem Klebstoffe, Leim, Gummi, auch Honig. Die Buchstaben, welche mit dieser Tinte hergestellt wurden, bildeten gleichsam eine Kruste, bei manchen sehr alten Manuscripten liegen sie merklich erhaben auf, auch ist wohl der eine oder der andere abgesprungen. Seit dem zehnten Jahrhunderte lernte man den Gebrauch des Vitriols kennen.

Sehr häufig kommt in den Handschriften auch die rothe Tinte vor, die man aus verschiedenen Farbstoffen, Mennige, Zinnober u. dergl. bereitete. Bisweilen sind ganze Seiten, einzelne wichtige Stellen, fast immer die Anfangsbuchstaben und die Ueberschriften damit geschrieben. Unsere Ausdrücke „Rubrik“, „rubriciren“ finden daher ihre Erklärung. Der, welcher das Rothe schrieb, war von dem Abschreiber des Textes unterschieden und hieß Rubrikator. Der erste Schreiber zeichnete ihm die Buchstaben, welche roth ausgeführt werden sollten, mit leisen Strichen vor. In seltenen Fällen wechselt mit der rothen Tinte eine blaue, grüne oder gelbe.

Auch in Gold und Silber stellte man prächtige Manuscripte her, gewöhnlich auf Purpurpergament. Doch gehören ganz in Gold geschriebene Bücher zu den größten Seltenheiten. Die kaiserliche Bibliothek in Wien, das Stift St. Emeran in Regensburg besitzen einige dergleichen. Meist sind es kirchliche Bücher, an welche wohlmeinende Frömmelei diese Pracht verschwendete, denn nach dem Glauben der alten Zeit sicherte sowohl der Abschreiber als auch der, welcher die Mittel zur Herstellung der Handschriften lieferte, sich die besondere Fürsprache der Heiligen.

Häufiger sind Manuscripte, in denen einzelne Zeilen, einzelne Wörter oder einzelne Buchstaben mit Gold und Silber geschrieben sind. Die Goldtinte wurde als Farbe mit dem Pinsel aufgetragen, oder man grundirte die Buchstaben, legte seine Goldblättchen auf und glättete sie mit einem heißen Eisen.

Pergament und Papier, welches beschrieben werden sollte, versah man stets mit Linien, die man dem Schreibmateriale mit einem besondern Instrumente eindrückte. Jedes Jahrhundert pflegte in seinen Manuscripten diese Linien auf eine besondere Weise zu ziehen, und sie bilden eines der Kennzeichen, durch welche man das Alter einer Handschrift bestimmt.

Da die deutschen Völkerschaften die Schreibkunst von den überwundenen Römern erlernten, so nahmen sie natürlich auch die lateinischen Buchstaben an, doch veränderte jedes Volk sie allmählich in seiner Weise, sodaß sich die Schrift der Merovinger, der Angelsachsen, der Westgothen, der Longobarden selbst in den geringen Bruchstücken, die von ihren Manuscripten erhalten sind, deutlich unterscheiden läßt. Durch die Bemühungen Karl’s des Großen kam ein einheitlicher Charakter in die Züge der lateinischen Schrift, die vom neunten Jahrhunderte an im Großen und Ganzen überall dieselben Gestalten der Buchstaben zeigt. Unsere gewöhnliche deutsche Cursivschrift bildete sich seit Kaiser Friedrich dem Zweiten; allgemein verbreitet war sie erst seit der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts. Daß ihr die Charaktere des römischen Alphabets zu Grunde liegen, ist leicht zu erkennen.

Die deutschen Handschriften aus der ältesten Zeit weisen eine nur sehr spärliche Interpunction auf, zuweilen fehlt sie ganz. Es ist ebenfalls ein Verdienst Karl’s des Großen, in diesem anscheinend so geringfügigen Punkte feste Regeln aufgestellt und ihre Durchführung bewirkt zu haben. Die beiden Diakonen Warnefried und Alkuin werden als Urheber der karolingischen Interpunctionszeichen genannt, die ursprünglich sehr verschiedene Gestalten zeigen, doch verleugnen sie fast nie die Grundformen des Punktes und des Striches oder des Kreuzes. Das erste Erscheinen unserer heutigen Interpunction knüpft sich an den Gebrauch der deutschen Cursivschrift.

Die Anfänge der jetzt so ausgebildeten stenographischen Kunst führen bis zu den Römern zurück. Schon Cicero nennt Geschwindschreiber. Auch die Schreiber des deutschen Mittelalters bedienten sich gewisser Abkürzungen, von denen manche den heutigen Stolze’schen Sigeln nahe verwandt sind. Einige Klöster, in denen viel geschrieben wurde, hatten besondere, stets festgehaltene Abkürzungen.

In den Klöstern der Benedictiner finden sich oft sehr wohl eingerichtete Schreibstuben. Die Regel des Stifters schon schrieb die Vereinzelung der verschiedenen Verrichtungen bei Anfertigung der Handschriften vor. Einer der Brüder besorgte die Tinte; der andere lieferte die geschnittenen Federn; der dritte glättete das Pergament, welches ein Anderer zu Tafeln zerschnitt; diese versah ein neuer Bruder mit Linien und trug sie den eigentlichen Schreibern zu, aus deren Händen sie zu dem Corrector, dann zu dem Rubrikator kamen; nun wanderten sie zu denen, deren Amt es war, den Einband zu besorgen, und wenn die nunmehr fertigen Bücher schließlich noch die Censur des Abtes passirt waren, konnten sie in die Welt hinausgehen, oder ihren Ruheort in dem Bücherzimmer des Klosters finden.

Die Größe der alten Codices übertraf die der heutigen Bücher um ein Bedeutendes. Die Universitätsbibliothek in Erlangen bewahrt einen Codex, der siebenundzwanzig Zoll hoch und achtzehn Zoll breit ist.

Die äußeren Einbände der Bücher bestanden aus Holzdeckeln, die mit Pergament, Tuch und ähnlichen Stoffen überzogen waren. Man schmückte sie mit Figuren in Gold, Silber und Schmelz, versah sie mit Buckeln, metallenen Ecken, wohl auch mit Edelsteinen und schloß sie mit einem Gesperre, wie ein modernes Album. Um die Motten abzuhalten, bestrich man sie mit Cedernöl.

In den Bibliotheken stellte man die Bände nicht nebeneinander, wie wir gewohnt sind, sondern man legte sie auf den unteren Einbanddeckel, oder hing sie an kleinen Ketten von Eisen oder von Silber an den Wänden auf. Besonders werthvolle Bücher schloß man auch wohl an, ja es finden sich Beispiele von Bänden, die angeschmiedet waren und nur, so lang ihre Kette reichte, von dem Orte ihrer Aufbewahrung entfernt werden konnten. Es läßt sich leicht einsehen, daß bei dieser Einrichtung das Gesperre an jedem Buche nothwendig war.

Außerhalb der Klöster gab es im Mittelalter keine Bibliotheken, höchstens besaßen einzelne Gelehrte eine Anzahl von Büchern. Denn unter den Laien war selten Jemand des Lesens und des Schreibens kundig, und noch seltener besaß ein Einzelner die Mittel, Bücher zu kaufen, die damals den hundertfachen Preis kosteten, den wir heute dafür entrichten. In den Klöstern aber gab es viele müßige Hände, denen das Abschreiben eine wohlthätige Beschäftigung war. Eine wohlgeordnete und zahlreiche Büchersammlung bildete den Stolz eines jeden Klosters; man lieh sich gegenseitig werthvolle Werke, Abschriften davon zu nehmen. Gelehrte Mönche verfaßten bekanntlich selber Schriften. Besonders die sogenannten Annalen oder Chroniken sind fast sämmtlich von Geistlichen geschrieben, und in ihnen sind uns äußerst werthvolle Schätze zur Bestimmung der vaterländischen Geschichte erhalten.

Auch Spuren von städtischen Büchersammlungen finden sich schon früh, aber immer sind Geistliche die ersten Begründer und die ausdauernden Pfleger derselben, und die Bibliotheken selber nehmen oft eine Capelle einer großen Kirche ein. Nach der Reformation gingen diese Büchersammlungen dann in städtische Verwaltung über, und gerade sie bildeten die werthvollsten Unterlagen für die großen Bibliotheken, wie manche deutsche Städte sie jetzt in so ruhmwürdiger Vollständigkeit besitzen.

So entwickelte sich aus unscheinbaren Anfängen das großartige Bücherwesen unserer Zeit. In tiefer Verborgenheit, in klösterlicher Stille zwischen Berg und Wald, in enger Zelle beginnt der Stammbaum der siebenten Großmacht.




[337]
„Die Königin von Abyssinien“.


„Aha, diesmal eine Reclame für Renz!“ wird Mancher beim Anblick unseres Bildes und dieser Zeilen denken, und es liegt mir bei solcher gewiß nicht irrigen Voraussetzung recht nahe, meine Ansichten über die Reclamemacherei unserer Zeit auszusprechen, ich will mich aber darauf beschränken, zu sagen, daß meiner Meinung nach in einem vielgelesenen Blatte jede wohlwollende und anregende Besprechung eines interessanten Gegenstandes zur Reclame im weitern Sinne des Wortes wird – versteht man aber darunter ein geflissentliches Loben zum Zweck geschäftlichen Vortheils, was doch wohl die richtige Erklärung des Wortes „Reclame“ ist, so bin ich der Ausübung derselben ungefähr so nahe, wie unsere wackere Erde dem edlen Sirius. Was nun obendrein Renz betrifft, so ist dieser doch wahrlich über die Reclame hinaus; da, wohin er nicht kommt, kann sie ihm Nichts helfen, und wo er erscheint, stellt sich die Ansicht über seine Leistungen durch diese selbst so schnell durch mündliche Mittheilung fest, daß lobende Besprechungen in den Blättern eine sehr bescheidene Rolle hinsichtlich der Empfehlung spielen dürften. Wollte man die jetzigen Renz’schen Vorführungen öffentlich tadeln, würde eine Gegenprobe die Hinfälligkeit solchen Thuns sofort beweisen.

Es liegt nahe, bei der Besprechung des vorliegenden Gegenstandes sich den Gedankengang zu vergegenwärtigen, von welchem Renz geleitet worden ist, bis er zu seinen jetzigen Leistungen und dem „Afrikanischen Fest“, der Spitze derselben, gelangte. Daß in Bezug auf die eigentlichen Kunstreiterkünste ein steter Fortschritt nicht möglich, mußte ihm bald klar werden; seit langen Jahren hat er daher immer noch für Etwas von ganz besonderer Anziehungskraft gesorgt, um das Publicum zu fesseln und der wachsenden Concurrenz zu begegnen. Die Brülldressur von Batty’s Löwen, das Scheusal Julia Pastrana und andere derartige Effectstücke haben diesen Zweck früher sehr gut erfüllt, aber Renz war dabei immer von dem zufälligen Vorhandensein einer solchen Neuigkeit und der oft mißlichen Aufgabe abhängig, sich dieselbe als der Erste unter seinen Concurrenten, also so lange sie wirklich noch den Reiz des Neuen hatte, zu verschaffen. Das hat ihn offenbar darauf geführt, die Herstellung dieser besonders anziehenden Productionen selbst in die Hand zu nehmen; diesem Gedanken sind wohl die Aufführungen der Märchen „Schneewittchen“ und „Aschenbrödel“ entsprungen, und, nachdem dieselben bald auch von anderen Gesellschaften vorgeführt wurden, andere Leistungen, welche schwerer nachzuahmen sind, vor Allem das Afrikanische Jagdfest, oder wie es gegenwärtig bei Renz’ Aufenthalt in Leipzig genannt wird: „Die Königin von Abyssinien“.

Als ich das Stück in Berlin eine Reihe von Tagen hintereinander gesehen hatte, fragte ich den Regisseur, Herrn Neiß, einmal nach den Kosten der Einrichtung. „Die sind gar nicht zu berechnen und festzustellen,“ war die Antwort. Nach näheren Mittheilungen, von denen hier Einiges folgt, leuchtet mir die Wahrheit dieser Behauptung völlig ein.

Das Fest ist im Winter 1874 bis 1875 zuerst, und zwar in Berlin, aufgeführt worden; es sind dazu sechsundzwanzig Balletdamen engagirt worden, deren geringste Monatsgage zweihundertzehn Mark beträgt. Die Costüme, deren Pracht aller Beschreibung spottet, waren bis zum Januar 1876 schon zum vierten Male erneuert, sind übrigens immer doppelt vorhanden. Ihrethalben hauptsächlich sind stets eine Anzahl Schneider und Schneiderinnen beim Circus engagirt und mit ihm auf Reisen, außerdem aber für den ganzen Circusbedarf ein Sattelmacher mit Gehülfen, ebenso ein Zimmermann und ein Decorationsmaler. An Thieren für die „Jagden“ waren bis Januar 1876 sechs Giraffen, sechs Strauße, acht Lamas, neun Antilopen, drei Elephanten und vier Känguruhs angeschafft worden. Davon waren in jenem Monat noch zwei Giraffen, drei Strauße, drei Lamas, eine Antilope, zwei Elephanten und die damals erst angeschafften Känguruhs übrig. Gegenwärtig (1. Mai) ist kein Strauß mehr vorhanden; die Giraffen sind bereits wieder neu angeschafft worden; die eine Antilope befindet sich im Berliner Zoologischen Garten zur Cur etc. Wie nun dieses Material an Menschen und Thieren in dem „Afrikanischen Feste“ vorgeführt wird, das mögen die folgenden Zeilen Denen zu schildern versuchen, welche nicht in der Lage sind, aus eigener Anschauung sich den Genuß dieses Schauspiels zu verschaffen.

Nachdem die Kunstreiterleistungen der ersten Abtheilung beendet, wird der Circus mit zwei über einander liegenden Decken belegt, von denen die obere einen farbigen, sehr schön wirkenden Teppich darstellt. Ein Thron wird am Circusausgange, dem eigentlichen Eingange gegenüber, aufgestellt und auch der letztere durch ein improvisirtes Thor mehr hervorgehoben. Jetzt ertönt die Musik, und eine eintretende Kabylenwache, welcher zwei Ceremonienmeister und zwei Wilde mit Keulen folgen, eröffnet das Schauspiel. Die erstern besetzen den Eingang; die letztern stellen sich zu den Seiten des Thrones auf. Pomphafte Marschmusik kündigt nun die Ankunft der Königin an, und indem sie, gefolgt von zwei Hofdamen, erscheint, ergießt sich von oben ein Strahl elektrischen Lichts auf die Gruppe, bis die Drei auf den Sesseln des Thrones Platz genommen haben. Nun erscheinen nach und nach die geladenen Gäste, Fürsten und Fürstinnen, braune, schwarze, mit ihren Dienern und Dienerinnen; alle bezeigen in afrikanischer Weise ihre Huldigung und nehmen dann rechts und links auf den Sitzen im Kreise Platz.

Dazwischen erscheint eine Blumenspenderin, ebenso eine jugendliche Tänzerin, alle aber glänzen in farbenreichen und stets verschiedenartigen Costümen. Zwei Fürstinnen nehmen noch neben der Königin Platz, unter denen namentlich die Eine eine wahrhaft holdselige Erscheinung ist – es ist Renz’ jüngste Tochter.

Und nun herein, ihr kleinen Mohrenkinder! Kniet nieder vor der Königin und dann führt trippelnd eure Tänze auf mit Anschlagen an die Holzhalbkugeln, welche ihr auf Bauch, Rücken und Beinen tragt! – eine sehr hölzerne, aber recht bezeichnend afrikanische Musik. Nun aber macht diese Komik der Grazie, Schönheit und Pracht plötzlich Platz; denn in Abtheilungen zu je Vier, die in gleichen Farben prangen, treten jetzt unter lieblicher Musik die Sclavinnen ein, jede einen grüngoldenen Palmenzweig tragend. Die sie bestrahlende elektrische Beleuchtung taucht sie in ein Meer von farbenwechselndem Glanze, welches um so zauberhafter wirkt, als bei gedämpftem Gaslichte die Zuschauerräume wie im Dunkel erscheinen. Die Tänze und Gruppirungen dieser jugendlichen Gestalten machen stets einen bestrickenden Eindruck auf die Zuschauer, wenn sich aber alle die reizenden Tänzerinnen mit ringsherausgehaltenen Palmenzweigen gleichsam zu einem Palmenwipfel gruppiren, – immer ist es dieser eine Anblick, welcher das Publicum zu rauschendem Applaus hinreißt.

Sind diese Tänze, woran sich auch die einiger Solotänzerinnen schließen, beendet, so erhebt sich die Königin und verläßt, gefolgt von den Anwesenden und einige Male im Circus herumschreitend, den Schauplatz und dieser wird nun zur Jagd vorbereitet. Teppich, Sessel, Thron, Thor verschwinden; dagegen werden hölzerne Schranken, welche das Ausbrechen der Thiere verhindern, rings aufgerichtet, und nun erscheinen zuerst die berittenen Jäger zum Rendez-vous. Sind sie fort, herrscht einen Augenblick erwartungsvolle Stille. Drei langhälsige Giraffen treten ein und schauen sich neugierig im Circus um. Aber das Geschrei der hereinstürmenden Reiter scheucht sie auf; vier-, fünf-, sechsmal werden sie jetzt im Circus herumgehetzt, wobei ihr grotesker Galopp zur Erscheinung kommt, bis sie entlassen werden. Jetzt treten zwei Elephanten durch den geöffneten Eingang und eilen quer durch den Circus dem Ausgange zu, ihnen nach die verfolgenden Reiter, bis sie nach wiederholtem Durchrennen eingeholt sind und von zwei Reitern bestiegen werden. Den auf dem kleinsten Elephanten Reitenden läßt das praktische Schicksal stets vor dem Ausgange herunterfallen, damit der Kleine die Barrière besser überklettern kann. Sind die Elephanten bezwungen, so hüpfen plötzlich vier Känguruhs in den Raum, ein auf die Zuschauer höchst komisch wirkender Anblick. Auch sie werden von einigen Reitern gehetzt, wobei aber am Schlusse mancher der Hüpfer sich allzu träge zeigt, sodaß ein abgestiegener Reiter ihm seine Aufgabe deutlicher machen muß, indem er den Schweif des Thieres erfaßt und

[338]

Der Umzug der Königin von Abyssinien im Circus Renz.
Nach der Natur aufgenommen von H. Leutemann.

[339] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [340] der Bewegung desselben durch Schieben nachhilft. Die Lamajagd macht den Schluß: vier dieser schlanken Thiere stürzen herein und werden, wie die Elephanten, quer durch den Raum wiederholt gehetzt, und daß dies in sausendem Galopp geschieht, erhöht außerordentlich den lebenswahren Eindruck. In Berlin wurden auch Strauße gejagt, ja, in Hamburg (freilich andere Exemplare) sogar von kleinen Knaben geritten.

Die Jagd ist vorüber; die Schranken schwinden; ein Corps reizender Jägerinnen tritt mit Pfeil und Bogen auf, prachtvoll, aber zugleich praktisch zur Jagd gekleidet, indem alle Kleidungsstücke möglichst eng anschließen. Unter Jagdmusik ziehen sie ein und führen uns nun auch eine Reihe reizender Tänze und Gruppirungen vor, wobei von Neuem das elektrische Licht Alles auf’s Herrlichste bestrahlt. Und alsdann folgt der Schluß, den unser heutiges Bild wiederzugeben versucht. An der Spitze des eintretenden Festzuges sehen wir die Königin auf einem die Gestalt eines radschlagenden Pfauen darstellenden „goldenen“ Wagen, der von zwei lebenden, prächtig angeschirrten Giraffen gezogen wird, deren Zügel sie selber lenkt. Hinter ihr das männliche Gefolge und die sich anschließenden Jägerinnen, sodann der kleine Elephant, welcher einen Wagen zieht, auf dem ein Mohrenfürst sitzt, umgeben von seinen Dienern, hierauf der größere Elephant mit zwei Hofdamen und zuletzt ein Kameel (jetzt ein einhöckeriges, bei der Aufnahme des Bildes ein zweihöckeriges) mit den „Kindern“ der Königin. Die Wirkung dieses den Circus mehrmals umkreisenden Zuges ist großartig, und bei der blendenden elektrischen Beleuchtung geradezu märchenhaft – kein Wunder daher, daß, wenn der Letzte des Zuges verschwunden ist, der Beifall donnernd losbricht und, so viel ich bisher in Hamburg, Berlin und Leipzig beobachtet habe, der Director Renz stets dreimal gerufen wird.

Wer bisher noch bezweifeln konnte, daß sich auch in solchen Leistungen eine geniale Thätigkeit entwickeln läßt, weil er sie für nichts weiter als Routine hielt, der wird nach Anschauung dieser Vorstellung seine Ansicht sicher berichtigen und gewiß mit uns darin übereinstimmen, daß jetzt der Circus Renz einzig in seiner Art und der Leiter desselben in seinem Berufe ein Genie ersten Ranges ist.




Die sibirische Forschungsreise des Bremer Polarvereins.


„Gruß aus Asien!“ So lautete ein Telegramm der Sibirienreisenden des Bremer Polarvereins vom 5. April aus Jekaterinburg, jener bekannten, schon am jenseitigen Abhang des Ural belegenen Bergstadt. Die Fahrt dahin von Nischni war an Strapazen reich. Der Frühling war nämlich in diesem Jahre in Rußland unberechenbar zeitig eingetreten; gleichwohl durften die Reisenden, wenn sie ihre Aufgabe, Westsibirien von der Gebirgskette des Altai bis zu der Mündung des Obi in den sechs Monaten Mai bis October zu naturwissenschaftlichen Zwecken zu bereisen, lösen wollten, nicht säumen und gemächlich warten, bis etwa die Wolga-Kama-Dampfschifffahrt eröffnet und die Wege besser wurden. So mußten sie denn gleich im Anfang, wie der Berichterstatter der russisch-deutschen Zeitung „Herold“ aus Kasan schrieb, „alle Unbilden einer Sibirienreise kennen lernen“.

Die Reisenden erfuhren von dem Augenblicke an, wo sie russischen Boden betraten, die freundlichste, ja man kann sagen eine glänzende Aufnahme. Durch Vermittelung des Präsidenten des Bremer Polarvereins, des Bremer Reichstagsabgeordneten Mosle, waren sie auf das Wärmste von den höchsten Behörden des Reichs empfohlen; ihr Gepäck passirte ohne Revision die Grenze. In Petersburg wurden die Herren dem Kaiser und dem Großfürsten-Thronfolger vorgestellt; ihnen zu Ehren hielten die geographische Gesellschaft und der Verein zur Förderung der russischen Handelsinteressen Extrasitzungen. Bei der Feststellung der Einzelheiten des Reiseplanes standen ihnen die ersten Autoritäten bei. Rußland hat bekanntlich Bedeutendes in der Geographie geleistet, und gerade in jener Sitzung der geographischen Gesellschaft war die reiche wissenschaftliche Ausbeute, welche Prczewalski[WS 3] von seiner denkwürdigen Reise durch die Mongolei mitgebracht hatte, ausgestellt. Ein specielles praktisches Interesse knüpfte sich an die Forschungen und Untersuchungen in Westsibirien, welche sich der Bremer Verein zur Aufgabe stellte, nachdem die Reichsbehörde seine Eingabe wegen Bewilligung der Mittel zu einer neuen Polarexpedition ablehnend beantwortet hatte. Der oft genannte schwedische Gelehrte Adolf[WS 4] Erik Nordenskjöld hat bekanntlich im vorigen Sommer die in früheren Jahrhunderten viel und immer vergeblich gesuchte Seefahrt von Nordeuropa nach den Polarküsten Sibiriens glücklich gefunden. Sein kleines Fahrzeug hat die Reise sogar zweimal, hin und her, glücklich zurückgelegt. Kein Wunder, daß man nun russischerseits daran denkt, diese Entdeckungsfahrt für den Seehandel auszunutzen. Freilich wird in so hohen Breiten nur immer während vier bis sechs Wochen, im Hochsommer, die Seefahrt möglich sein; immerhin bereitet das selbst zu dieser Zeit häufig eiserfüllte Karische Meer ernste Schwierigkeiten. Rußland sendet eine Expedition in diesem oder im nächsten Sommer aus, welche die Fahrbarkeit des Meeres zwischen Archangel und der Obi-Mündung gründlich untersuchen soll. Gleichzeitig wird aber auch von Gothenburg einerseits und von Jenisseisk (tief im Innern Sibiriens) andrerseits je ein Dampfer mit Gütern, jener nach der Jenissei-Mündung, dieser nach Petersburg bestimmt, den neuen Seeweg praktisch erproben. Wichtiger noch für Handel und Verkehr wäre die Eröffnung einer Seefahrt von Europa aus nach der Obi-Mündung.

Dieser mächtige Strom Westsibiriens, dessen Länge 457½ deutsche Meilen beträgt, hat, wie neulich ein Vortrag des Herrn Latkin in der russischen Handelsgesellschaft zu St. Petersburg constatirte, ein Gebiet von 58,000 Quadratmeilen mit 2½ Millionen Einwohnern. Die südlichen Theile haben eine bedeutende Kornproduction und könnten davon nach Latkin an 60 Millionen Pud jährlich abgeführt werden. Salz und Holz würden weitere wichtige Ausfuhrartikel abgeben. Die Viehzucht könnte an Fellen, Talg, Butter, Fleisch, Haaren, Wolle im Ganzen jährlich 5 Millionen Pud liefern. (Gegenwärtig concentrirt sich der Talghandel Westsibiriens für die Ausfuhr nach England in Jekaterinburg.) Endlich sind noch Fische, Leder, Häute, Pelzwaaren und Metalle zu erwähnen. Die sibirische Eisenbahn ist beschlossen; sie wird nach einer Reihe von Jahren eine stetige bequeme Landverbindung mit Sibirien schaffen, die thatsächlich jetzt nur zeitweilig, während des Winters, vorhanden ist. Hat die westsibirische Reise des Bremer Polarvereins sonach ihre nicht zu mißachtende praktische Seite, so kommt hinzu, daß in jenem ausgedehnten Gebiete die zahlreichen Vorgänger in der wissenschaftlichen Forschung, an ihrer Spitze Pallas, noch Manches zu thun übrig ließen. Finsch und Brehm und neben ihnen Graf Waldburg-Zeil werden daher sicher mit interessanten Ergebnissen von ihrer an Strapazen immerhin reichen Reise zurückkehren.

Während diese Zeilen niedergeschrieben werden, geht die Nachricht ein, daß auch die Petersburger Akademie einen Zoologen, Herrn Poljakoff vom kaiserlichen naturwissenschaftlichen Museum in St. Petersburg, zu wissenschaftlichen Forschungen in diesem Sommer nach dem Obi aussenden wird. Er soll namentlich auch der Fischfauna des Obi seine Aufmerksamkeit zuwenden. Dieser Strom ist, wie schon angedeutet, außerordentlich reich an Fischen; Anfang Mai setzen sich, wie Latkin berichtet, die Hauptarten derselben, wie der Stör, der Sterlet, die Quappe, die Nelma, der Moksun, die Zärte, der Häring, in großen Massen der Strömung entgegen in Bewegung. Mit Fischfang beschäftigen sich außer den Samojeden und Ostjäken alle russischen Uferbewohner, hauptsächlich in der Niederung des Flusses unweit der Mündung, wo eine ungeheure Menge Fische gefangen wird, wieviel läßt sich nicht genau bestimmen. Einige zählen bis zu einer Million Pud à 20 Kilo im Jahre, Andere bis zu 500,000. Die letztere Zahl ist wohl die richtigere, da aus den Obdorskischen Lande jährlich 150,000 Pud Fische verführt werden. Der Fischfang beginnt Anfang Juli und währt bis zum October. Die Fische werden theils getrocknet (von den Samojeden und Ostjäken), theils eingesalzen (von den russischen Fischern), doch ist die Art und Weise des Einsalzens eine mangelhafte. Der [341] Delphin-, Weißwal- und Seehundsfang im Obimeerbusen ist zur Zeit noch wenig ausgebeutet und könnte, wenn eine Seeschifffahrt im Sommer nach Europa möglich, sehr bedeutend ausgedehnt werden. Die nördlichste Ansiedelung, welche unsere Reisenden auf der Obifahrt erreichen werden, ist der zweiundvierzig Häuser und hundertfünfzig Einwohner zählende, reichlich eine deutsche Meile von der Mündung des Obi in den Obimeerbusen gelegene Marktplatz Obdorsk. Im Sommer ist derselbe völlig verlassen, da um diese Zeit die Einwohner dem Fischfange im Flusse und Meerbusen obliegen, im Winter großer Markt.

Die Schifffahrt auf dem Obi und seinen Zuflüssen hat sich in der letzten Zeit sehr entwickelt. Ihr Centrum ist die Stadt Tomsk. Man zählt an zweiunddreißig Dampfer, darunter vier Passagierdampfböte, welche regelmäßige Fahrten zwischen Tjumen und Tomsk unterhalten. Was die Frage der Seeverbindung zwischen der Obimündung und den europäischen Küsten betrifft, so würde die weit nach Norden sich erstreckende Halbinsel des Samojedenlandes, wenn das Karische Meer glücklich passirt ist, das Einlaufen in den Obibusen immer nur mit Verlust vieler kostbaren Zeit gestatten. Möglicher Weise könnte aber dieser Umweg vermieden werden, wenn die Seefahrt ihren End- und Ausgangspunkt in einer Ausbuchtung der Karabai, der Baidaratzkybucht, finden und die Waaren von Obdorsk dahin und von da zurück theils über Land, theils auf einem Flusse sich bewegen könnten. Jene Bucht liegt von Obdorsk in dieser Richtung nur circa sechsundzwanzig deutsche Meilen entfernt.

Diesem Projecte tritt man russischerseits ernsthaft näher, und es werden in diesem Sommer Untersuchungen in jener Gegend stattfinden. Die neueste Nachricht über die Eröffnung einer Frachtschifffahrt von Schweden nach dem Jenissei lautet dahin: „Mitte Juli läuft der Dampfer ‚Ymer‘ von fünfundvierzig Pferdekraft und vierhundert Tonnen Tragfähigkeit von Gothenburg zur Fahrt um das Nordkap durch’s Karische Meer nach dem Endpunkte der Jenisseidampfer, dem Flecken Dudino, aus. Er wird von Schweden und Norwegen Fracht mitnehmen, unter Anderm Muster schwedischer Industrieproducte und soll auch aus Sibirien Güter mitbringen. Drei schwedische Botaniker begeben sich zu Lande nach dem Jenissei, um dort naturwissenschaftliche Forschungen anzustellen, und beabsichtigen mit jenem Dampfer im Herbste nach ihrer Heimath zurückzukehren.“ Ob und welchen praktischen Erfolg alle diese Unternehmungen haben werden, steht dahin. Für die Naturwissenschaft dürfte aber in allen Fällen Gewinn zu erwarten sein.

Der Initiative des Bremer Polarvereins ist es zu verdanken, daß auch Deutschland seinen Antheil an diesem Gewinne haben wird. Mit Recht darf daher der Verein auf thatkräftige Sympathie in weiten Kreisen Anspruch erheben. Gegründet zunächst zur Förderung der deutschen Polarforschung, hat er, wie die von ihm herausgegebenen Werke beweisen, sich diese Aufgabe ernst und mit Erfolg angelegen sein lassen.[1] Neuerdings hat er, den Charakter einer geographischen Gesellschaft annehmend, seine Ziele erweitert und auf die Veranstaltung von Entdeckungs- und Forschungsreisen überhaupt ausgedehnt. Die jetzt unternommene Reise nach Westsibirien ist die erste That auf diesem größeren Gebiete des Schaffens. Um seine Bestrebungen auch ferner mit Energie zu bethätigen, bedarf er Mittel und Kräfte. Wenn zu der sibirischen Reise ein reicher Russe dem Vereine unaufgefordert eine bedeutende Summe zur Verfügung stellte, so darf sicher erwartet werden, daß deutsche Landsleute daheim und in transatlantischen Ländern in größerer Zahl bereit sein werden, dem Vereine durch Darbietung von Mitteln oder durch sonstige Mitwirkung bei der Lösung seiner Aufgabe hülfreich zur Seite zu stehen. Zur Erforschung des Erdballes durch Reisen hat Deutschland schon Großes beigetragen. Gerade jetzt, bei errungener und gefestigter Machtstellung, ist es berufen, dieses Werk des Friedens in großem Maßstabe fortzusetzen, und für das Volk, welches mit gerechtem Stolze Alexander von Humboldt und Karl Ritter zu den Seinen zählt, gilt auch auf diesem Gebiete erst recht das „Noch lange nicht genug! sagt Bismarck.“

  1. In dieser Beziehung mag beispielsweise erwähnt werden, daß von der letzten deutschen Polarexpedition her achtzehn Universitäts- und sonstige öffentliche naturwissenschaftliche Sammlungen mit zoologischen und siebenzehn Sammlungen mit botanischen Collectionen bedacht wurden; von ersteren gehörten vier dem Auslande an und eine war Privatinstitut.




Blätter und Blüthen.


Der kalte Trunk. Die mütterliche Autorität wird in einer ihrer Grundansichten bedroht. Die erste Regel, welche eine Mutter ihrer tanzenden Tochter auf das Dringendste an das Herz zu legen pflegt, ja nicht im erhitzten Zustande einen kalten Trunk zu nehmen, ist für null und nichtig erklärt. „Der kalte Trank schadet nichts, nein, er nützt –“ gegen diese immer mehr Freunde gewinnende Ansicht erheben sich vom medicinischen Standpunkte einige Bedenken, welche es jedenfalls, wie leicht zu beweisen, für gerathen erscheinen lassen, den goldenen Mittelweg einzuschlagen und eine vernünftige Anwendung der durch die Praxis geheiligten Sitte beizubehalten.

Der Magen, welcher zunächst das kalte Wasser empfängt, liegt bekanntlich in einer äußerst blutreichen Gegend. Er selbst besitzt ein sehr starkes Blutgefäßnetz; links grenzt er in directer Berührung an die Milz, nach vorn und rechts liegt die Leber, hinter ihm die große Schlagader mit ihren Abzweigungen zur Ernährung der erwähnten Organe. In diesem Blutreichthum haben wir die schlimmen Folgen des kalten Trunkes zu suchen. Heftige und vorzüglich unregelmäßige Körperbewegungen, wie wir sie beim Tanzen ausüben, bedingen eine bedeutend raschere Circulation des Blutes durch die Adern als gewöhnlich. Die Blutgefäße dehnen sich vermöge ihrer Elasticität mehr aus, und kleine Röhren, welche sonst ganz eng sind, zeigen in einem so erhitzten Zustande eine beträchtliche Erweiterung. Die Wirkung des kalten Trunkes ist nun leicht zu begreifen. Die Kälte hat die Eigenschaft, die Blutgefäße zu verengern; es kann dann selbstverständlich nicht mehr eine so große Menge Blut wie vorher in sie hineinfließen. Wird nun die Vorsicht außer Acht gelassen und eine erhebliche Menge kaltes Wasser mit diesen erweiterten Blutgefäßen in Berührung gebracht, so muß sich die plötzliche Kältewirkung nicht allein in dem Magen, sondern auch in den angrenzenden Partien geltend machen und eine Verengerung der hier befindlichen Adern bewirken. Das Resultat ergiebt sich von selbst. Der Blutstrom nach unten zu wird plötzlich bedeutend gehemmt, und es müssen deshalb für einen Moment die oberen schon erweiterten Adern noch mehr Blut aufnehmen. Die Thatsächlichkeit dieses Umstandes hat schon Jeder an sich selbst erlebt.

Trinkt man sehr erhitzt kaltes Wasser, so wird man für einen Augenblick, vorzüglich am Kopfe, noch wärmer, weil die Schweißdrüsen und die ganze Haut dieser Theile mehr Blut von der verengten Magenumgebung zugeführt erhalten. Vor Allem betrifft dieser vermehrte Blutzufluß die nach oben in senkrechter Richtung sich an die große Schlagader ansetzende Gehirn-Arterie, und zweitens, in Folge der für das Herz eintretenden Stauung, die Lungengefäßchen. Halten diese Adern den plötzlichen Anprall aus, wie es bei einem gesunden Menschen zu erwarten ist, so entsteht kein Schaden, sind aber die kleinsten Endungen der Adern, die Capillaren, geschwächt und leicht zerreißbar, so bersten dieselben, und es kommt zu einem Bluterguß in das Gehirn oder die Lungen, eine bei Bällen leider nicht selten beobachtete Thatsache. Ein weiterer Nachtheil kann noch, vorzüglich an den Lungen, dadurch entstehen, daß die so übermäßig ausgedehnten Blutgefäßchen eine fortdauernde Reizbarkeit behalten, bei jeder Gelegenheit erkranken und als gelindeste Folge öfters Luftröhrenkatarrhe veranlassen.

Andere Verhältnisse als die geschilderten bietet dagegen das Militär, bei dessen Marschübung die Wasserentziehung bis vor Kurzem auf die Spitze getrieben wurde. Hier haben sich durch die lang andauernde rhythmische Bewegung die Blutgefäße an einen anderen Gleichgewichtszustand gewöhnt; sie sind durch den starken Wasserverlust des Schweißes nicht mehr so stark erfüllt, und endlich befinden sich die Leute in ihren gesündesten Jahren. Also ein Wasserverbot für längere Zeit müßte sich der starken Verdunstung wegen als absolut schädlich erweisen, doch ist auch hier dem Einzelnen die geringe Vorsichtsmaßregel anzurathen, einige Secunden zwischen der starken Bewegung und dem Trunke zu pausiren und die ersten Schlucke etwas im Munde zu erwärmen, bis sich der übermäßige Blutdruck ausgeglichen hat. Wer also im unserem scrophulösen Zeitalter sicher überzeugt ist, daß seine Blutgefäße den Ueberdruck aushalten, mag unsere Ermahnung allenfalls unbeachtet lassen. Vorsicht aber ist nicht Aengstlichkeit, und der Besonnene hält es daher lieber noch mit dem zwar alten, aber dennoch wahren Fibelvers:

„Auf Hitze trinke nie,
Noch kühle schnell Dich ab!
Leicht könnt’ es schaden Dir,
Und früh sinkst Du in’s Grab.“

Dr. –a–.




Eine Gefahr für das tägliche Brod. Vor einigen Monaten sandte die Firma Heeremans und Comp. in Rotterdam an verschiedene Mühlenbesitzer in der Provinz Hannover Proben von Kunstmehl. Die Begleitschreiben, die mit den Proben zur Versendung kamen, waren in holländischer Sprache verfaßt, und bei jeder Offerte befanden sich zwei Muster in folgender Weise bezeichnet: „Kunstmehl Nr. 1“ und „Kunstmehl Nr. 2“. Die Verwendbarkeit der eingesandten Waare fand in dem Empfehlungsschreiben wohlweislich keine Erwähnung; man hatte der Einsicht der Mühlenbesitzer das Vertrauen geschenkt, die richtige Verwendung sofort zu errathen, und so glaube ich den Lesern dieses Artikels dasselbe Vertrauen schenken zu dürfen.

Da jedoch die fraglichen Proben von Kunstmehl in ihrer äußeren Beschaffenheit eine täuschende Aehnlichkeit mit Kornmehl zeigten, womit [342] wir das tägliche Brod backen, das für die Ernährung unseres Organismus so wichtig und unentbehrlich ist, so hielt ich es aus einem naheliegenden Grunde für nicht uninteressant, das künstliche Mehl auf seinen Nährwerth zu prüfen. Diese Untersuchung ergab das Resultat, daß nicht der geringste Werth für die Ernährung in dem fraglichen Kunstproducte vorhanden war, denn die mikroskopische und chemische Prüfung ließ beide Muster des Kunstmehls in unzweideutiger Weise als ungeglühten, schwefelsauren Kalk erkennen, dem wohl kein Physiologe eine ernährende Kraft zuschreiben dürfte.

Von Kornmehl oder einer anderen organischen Substanz war nichts darin zu entdecken, und die beiden Muster unterschieden sich nur in Betreff der Feinheit und Farbe. „Kunstmehl Nr. 1“ war sehr fein und schneeweiß, und „Kunstmehl Nr. 2“ besaß bei etwas gröberer Beschaffenheit einen schwach gelblichen Schein.

Besonders beachtenswerth ist der billige Preis des künstlichen anorganischen Mehles im Vergleiche zum Kornmehle. Hundert Kilo Kunstmehl Nr. 1 kosten ab Rotterdam acht Mark fünfzig Pfennige, und dasselbe Quantum von Nr. 2 sieben Mark fünfzig Pfennige. Hiermit vergleiche man die Preise von Roggen- und Weizenmehl, die drei- und viermal so hoch sind, und man wird begreifen, welcher Vortheil erzielt wird, wenn aus Versehen oder aus einer anderen Ursache das Kunstmehl sich mit dem Kornmehle zusammenbegiebt und dann als reines Mehl verkauft wird.

Vielleicht haben wir es hier mit dem nämlichen Kunstmehle zu thun, das vor nicht gar langer Zeit von Holland aus in die Rheinprovinz eingeführt wurde und nun seine Wanderung nach dem Norden angetreten hat, um dort sein Heil oder Unheil zu versuchen.

Es ist nicht anzunehmen, daß derartige Mustersendungen von Kunstmehl sich auf einzelne Provinzen Deutschlands beschränken werden. Man wird sie überall zu verbreiten suchen, und es wird sich dieses Mehl, das nur zur Beschwerung des Magens beiträgt und den Nahrungsgehalt unseres Brodes herabsetzt, doch hier und da Eingang verschaffen.

Es erscheint daher geboten, das Publicum zu warnen, beim Ankauf von Mehl vorsichtig zu sein, zumal auch noch ein anderer Feind im Anzuge ist, der mit seinen gewichtigen, unverdaulichen Massen ebenfalls das tägliche Brod zu verderben sucht. Ich meine den pulverisirten Schwerspath, der sich vorzugsweise in elsässer und französischen Mehlsorten gezeigt hat. In Altbaiern sollen derartig gefälschte Mehle massenhaft zum Verkauf gekommen sein, und haben dort die Districts- und Ortspolizeibehörden bereits Weisung erhalten, Prüfungen vornehmen zu lassen und etwaige Fälschungen des Mehles sofort zur Anzeige zu bringen.

Es ist ein beklagenswerthes Zeichen der Zeit, daß die Verfälschungen der Genuß- und Nahrungsmittel immer mehr um sich greifen. Man fälscht das Mehl, die Milch, die Butter, den Thee, den Kaffee, den Essig, den Pfeffer, den Zimmt und manches Andere, und nur in einigen Städten Deutschlands haben die Magistrate Gesundheitsämter zur Ueberwachung des Handels mit Nahrungsmitteln errichtet.

Es ist die höchste Zeit, daß diesem Unwesen der Nahrungsfälschungen ein Ziel gesetzt wird und die Consumenten vor Betrügereien geschützt werden, da sie außer Stande sind, sich überall selbst davor zu schützen; denn nicht Jeder ist in der Lage, eine chemische oder mikroskopische Prüfung vornehmen zu können oder für die Untersuchung der täglichen Bedürfnisse an Genuß- und Nahrungsstoffen Geld zu opfern.

Dr. Julius Erdmann.




Adolf Neumann. (Mit Portrait Seite 331.) Den Lesern der „Gartenlaube“ ist der Name Adolf Neumann längst als derjenige eines Künstlers bekannt, dem wir so manches durch lebensvolle Auffassung und Feinheit der Technik ausgezeichnete Portrait verdanken. Sowohl seine Frauen- wie seine Männerköpfe sind seit langer Zeit – schon zweiundzwanzig Jahre hindurch widmet Neumann einen großen Theil seiner Kraft unserem Blatte – eine wahre Zierde der „Gartenlaube“.

Im Hinblick auf diese Leistungen unseres Künstlers und die so überaus freundliche Aufnahme, welche seine Zeichnungen gefunden, darf die Veröffentlichung seines von ihm selbst gezeichneten Portraits in unserer heutigen Nummer wohl als eine vollauf verdiente und von den Freunden unserer Zeitschrift gern gesehene Anerkennung bezeichnet werden. Ebenso, glauben wir, werden einige Daten aus dem äußerlich allerdings sehr wenig bewegten Leben des Künstlers unseren Lesern in der nachfolgenden kurz gefaßten Form nicht unwillkommen sein.

Adolf Neumann wurde am 5. Juni des Jahres 1825 zu Leipzig geboren, wo sein Vater als Colorist thätig war. Die beschränkten, fast ärmlichen Verhältnisse, in denen der Knabe aufwuchs, standen der sich schon frühzeitig in ihm regenden Liebe zur Zeichenkunst wohl in mehr als einer Weise hindernd im Wege, aber sein frisches Talent brach sich dennoch Bahn; denn schon im zwölften Jahre brachten Leidenschaft für die Kunst und ein nimmer müder Ehrgeiz ihn dahin, daß er unter seinen Mitschülern der beste Zeichner wurde. Der damalige Director der Akademie der bildenden Künste zu Leipzig, Veit Hans Schnorr, befand ihn für würdig, das berühmte Institut als Schüler besuchen zu dürfen.

Später kam Neumann in das damals bekannte Atelier von H. Winkles, ebenfalls in Leipzig, um sich der Kupferstecherkunst zu widmen. Hier wurde er sehr bald Herr der technischen Fertigkeiten seiner Kunst und veranlasste durch seine tüchtigen Arbeiten den Meister Lazarus Sichling, später Lehrer und Freund Neumann’s, aus eigener Anregung die weitere Ausbildung des jungen Künstlers zu übernehmen, der schon früh durch den Verlust des Vaters sich schweren Pflichten gegenübergestellt sah, welche namentlich in der ihm anheimfallenden Versorgung seiner mittellosen Mutter und verwaisten Geschwister bestanden.

Dieser Kampf mit des Lebens Noth lähmte indessen nicht Neumann’s künstlerische Schaffenskraft. Im Gegentheile feuerte er ihn zu kräftigerem Streben an. Durch Studien nach der Natur in Aquarell unter der bewährten Leitung des Professor Carl Werner schuf er seinem Schaffen eine realistischere Basis.

Als Kupferstecher ist er vielfach thätig gewesen. Zu den gediegensten seiner Leistungen auf diesem Gebiete gehören wohl Grützner’s „Unfehlbare Niederlagen“, Hoff’s „Rast auf der Flucht“, „Blätter aus der Schillergalerie“, „Ruhmeshalle der deutschen Musik“, „Charakterbäume aus Roßmäßler’s Wald“, die Portraits von Haupt, Liszt, Händel, R. Franz und Andern.

Adolf Neumann’s zeichnerische Leistungen werden vor Allem durch die einfache Weise, mit welcher er ein markiges Portrait in frappirender Aehnlichkeit herzustellen versteht, charakterisirt. Sein Gerstäcker und Benedix, sein Bismarck und Moltke, seine Königin Louise und andere Frauenköpfe, durch die „Gartenlaube“ weithin bekannt, sind überall mit großem Beifall aufgenommen worden und die zwei erstgenannten namentlich als die einzigen getreuen und charakteristischen Portraits dieser beiden Schriftsteller bezeichnet worden. Was die Technik unseres Künstlers betrifft, so hat er durch Anwendung von leichten und einfachen Strichlagen und durch eine seltene energie- und zugleich empfindungsvolle Behandlung der Zeichnung sich um die Kunst des Holzzeichnens ein dauerndes Verdienst erworben.




 Die Wacht auf dem Meer.[1]

Ein Gruß an Deutschlands Kriegsflotte.

Melodie: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall etc.“

Was zieht dahin durch Wogenschwall,
Umdonnert von Kanonenschall?
Hoch ragt der Mast; das Segel schwillt,
Ob auch die Brandung tobt und brüllt;
Durch Fluthenschaum und Wellennoth
Weht uns’re Flagge schwarz-weiß-roth.

Heil Dir, o Deutschland! – Freudig seh’
Ich mächtig Dich und stark zur See;
Es meldet der Geschütze Mund:
Geeint sind wir zu festem Bund;
Des jungen Reiches Morgenroth
Verkündigt unser Schwarz-Weiß-Roth.

Und ungestraft zeigt nimmermehr
Sich jetzt ein Feind im deutschen Meer;
Ihm, der zu schaden sich bestrebt,
Des Handels Frieden untergräbt,
Verderben uns’ren Küsten droht,
Trotzt kühn die Flagge schwarz-weiß-roth.

Mit Stahl beschient, in Eisenwehr
Zieht uns’re Flotte stark einher;
Doch stärker wohl als Stahl und Erz
Ist uns’rer Söhne Heldenherz;
Und wie’s das Vaterland gebot,
Beschirmen sie Dich, Schwarz-Weiß-Roth. –

Zieht denn durch Sturm und Wogengraus,
Ihr wack’ren Jungen, froh hinaus!
Hin, wo der Tropen Himmel lacht
Und zu des Südpols grauser Nacht
Tragt Deutschlands Ruhm und bis zum Tod
Schützt uns’re Flagge schwarz-weiß-roth!

Graaff-Reinet, Cap der guten Hoffnung, März 1876.

 M. Alsberg.



  1. Obiges Gedicht geht uns, wie das Datum besagt, von einer der entlegensten Stationen deutschen Geistes zu und wird unseren Lesern daher als der Ausdruck der patriotischen Empfindungen eines Landsmannes in der Fremde sicher willkommen sein.
    D. Red.




Zu dem Artikel „Vom Standesamte“ in Nr. 15 unseres Blattes haben wir noch nachzutragen, daß Angehörige des rechtsrheinischen Baierns im Auslande nur mit specieller Genehmigung der betreffenden Bezirksregierung eine Ehe schließen können, welche auch in Baiern legal ist; ohne vorherige Einholung dieser Genehmigung ist die Ehe ungültig. (Gesetz vom 16. April 1868.)




Kleiner Briefkasten.

W. Forscher. Ihre „Beweisgründe“ für die Haltbarkeit des Spiritismus sind unseres Erachtens sehr hinfälliger Natur und die angeführten Stellen aus classischen Schriftstellern höchst gewaltsam herbeigezogen. Verfügen Sie gefälligst über Ihre „Lichtbilder von Abgeschiedenen“!

C. in C. Wozu in aller Welt macht man Berichtigungen, wenn sie nicht beachtet werden? In Nr. 7 des laufenden Jahrgangs finden Sie den Druckfehler corrigirt.

X. Y. Z. in Weimar und A. S. in Boersum (Braunschweig). Ungeeignet. Disponiren Sie über das Manuscript!

Arthur G–r in Leipzig. Ueber die Etymologie des Wortes „Weißkäufer“ bedauern wir keine Auskunft geben zu können.

Der anonyme Einsender eines „Im Landrutsch“ betitelten Manuscriptes wird ersucht, darüber zu verfügen, da sich dasselbe zur Aufnahme nicht eignet.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zersteut
  2. Vorlage: Wolff-Guyrad
  3. Vorlage: Prczewealski
  4. Vorlage: Anders