Drei Marschälle und ein Pinsel

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Autor: Eduard Schmidt-Weißenfels
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Titel: Drei Marschälle und ein Pinsel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 121-124
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Drei Marschälle und ein Pinsel.
Balzac. – Der ungalante Damenliebling. – Die Frau à l’enfant. – Das Goldfieber. – Eugen Sue. – Der aristokratische Sozialist. – Le beau Sue (bossu). – Alexander Dumas. – Das Schluß Monte Christo. – Ehre und Gold. – Dumas bezahlt nicht. – Die literarische Fabrik und das Haus Dumas und Kompagnie. – Die Werke der Kompagnie. – Das Genie stiehlt nie. – Rosa Bonheur. – Der Unterrock in Männerkleidern. – Atelier und Pinsel.

Unter den mannigfachen Berührungen mit bekannteren Personen, die sich theils durch den Salonbesuch, theils bei anderen Gelegenheiten für mich nach meiner Rückkehr in Paris darboten, war die Balzac’s eine der interessantesten. Der berühmte Romanschriftsteller, Marschall der Literatur, zerstörte durch seinen persönlichen Eindruck jede Illusion, welche sich die Phantasie von einem Autor machen mußte, der in seinen Romanen eine schreckenerregende Kenntniß der Frauenherzen an den Tag legte, und eine graziöse Eleganz, die man vergeblich in der Person Balzac’s und in seinem Benehmen suchte. Als ich diesen berühmten Mann zum ersten Male sah und sprach, glaubte ich viel eher einen alten penslonirten Offizier vor mir zu sehen, denn einen der liebenswürdigsten Autoren. Groß, stark und fast eckig gebaut, trugen alle Manieren Balzac’s den Stempel einer derben Rauheit, obwohl man in dem tiefen Blick dieses Mannes eine bald sanfte, bald leidenschaftliche Gefühlswelt deutlich ergründen konnte. Aber nicht die geringste Spur von Eleganz des Benehmens oder von Feinheit der Tournüre war in dem Wesen dieses gleichwohl geistvollsten Schriftstellers; er stand, an’s Fenster gelehnt, mit der einen Hand die Lehne eines Sessels trommelnd, ganze Stunden lang in irgend einer Fensternische und schien förmlich mit Ueberdruß die Huldigungen entgegenzunehmen, welche sowohl Herren wie Damen ihm unausgesetzt darbrachten. Trotzdem war Balzac eine der interessantesten Personen; die kurze Antwort, welche er auf an ihn gerichtete Fragen gab und der Sarkasmus, der sehr oft darin lag, konnte Niemanden kränken, sobald man wußte, wer sie aussprach. Am originellsten schien mir die Art und Weise zu sein, mit der Balzac die Damen behandelte, deren tiefste Herzensgeheimnisse er veröffentlicht und deren Aufmerksamkeit ihm nicht das geringste Interesse verursachten. Das Originelle dieses Mannes war die an den Tag gelegte Gleichgültigkeit gegen das schöne Geschlecht, dem er gleichwohl so liebliche Kränze gewunden und welches das Studium seiner gesammten Werke bildet. Er hat von den Huldigungen der Damen, die ihn trotz der Indifferenz Balzac’s, wie ein verzogenes Kind behandelten und noch in seinem vorgerückten Alter die Liebe ihres Vernichters zu erstreben trachteten, niemals besondere Notiz genommen, sondern mit der größten Seelenruhe ihnen eröffnet, daß die Frauen die interessantesten Gegenstände für die Schriftsteller, aber viel weniger für die Männer seien.

Am meisten war es Balzac unangenehm, wenn man ihn nach den Motiven zu seinen Schilderungen fragte. Eines Abends trat lächelnd die junge Frau eines Künstlers zu ihm hin.

„Wissen Sie, Herr von Balzac,“ sagte sie und setzte sich ohne Weiteres neben den berühmten Autor, „daß ich mich gar nicht vor Ihnen fürchte, und nach Ihren Werken, die ich jetzt zum ersten Male gelesen, mir auch nicht denken kann, daß Sie, wie man sagt, unausstehlich ungalant seien?“

Herr von Balzac sah das reizende Weib betroffen an.

„Glauben Sie denn, daß ich glaube, was man von Ihnen erzählt?“

„Was erzählt man denn von mir?“

„Sie könnten nicht lieben.“

„Ah! der Teufel, Madame, man scheint Sie belogen zu haben.“

„Nicht wahr? Und überdies,“ fuhr sie schalkhaft fort, indem sie ihre Stimme dämpfte, „die Gräfin R… straft dieser Behauptung Lügen.“

Balzac erröthete.

„Madame,“ sagte er kurz, „ist das Alles, was Sie mir zu sagen haben?“

„Nicht doch, Herr von Balzac; aber ich frage Sie Alle, meine Herren,“ entgegnete sie und wandte sich zu den Umstehenden, „ob man die Frauen so beschreiben kann, wenn man nicht ihre Geheimnisse besitzt?“

„Madame,“ sagte Balzac, „ich besitzt keineswegs Ihre Geheimnisse; aber vielleicht habe ich die Ehre, sie noch einmal zu beschreiben.“

„Als eine Frau von zwanzig Jahren etwa?“

„Nein, als eine Frau à l’enfant.“

Die junge Dame lachte recht herzlich darüber und bat sich diesen projektirten Roman aus, wenn Herr von Balzac ihn habe drucken lassen.

Es mag sein, daß Balzac den Salon und die Damen desselben nicht liebte; denn er besuchte deren nur sehr selten und pflegte am liebsten in seiner Wohnung zu bleiben, die er mit einem fürstlichen Luxus und orientalischer Pracht ausgestattet hatte. Seine Leidenschaft für Gold und Reichthum war außerordentlich, ohne jedoch mit der Habsucht eine Spur von Geiz zu verbinden. Mit fieberhafter Glut trachtete Balzac danach, Gold zu erwerben und zog sich einsam Wochen lang in die großartige Pracht seiner Wohnung zurück, um zu arbeiten. Wie ein Kind freute er sich an dem blanken und gelben Glanz der Goldstücke, packte sie Stunden lang und legte sie mit innigem Behagen in allerhand Figuren auf dem Tische zusammen. Dann aber schien ihm dieser Reichthum Skrupel [122] zu verursachen und mit der Seelenruhe eines Nabob verschwendete er in kurzer Zeit die Summen Goldes, deren Erwerb ihn kurz zuvor zu dem größten Fleiß und den anhaltendsten Anstrengungen getrieben hatte. War das Gold von den Geschenken, die er armen Teufeln mit fürstlicher Generosität machte oder von den lucullischen Gastmählern, die er gab, bis auf den letzten Sou verausgabt, so pflegte Balzac in seinem glänzenden Negligee, die Hände in den Taschen und die Haare weit nach hinten gestrichen, durch die Reihe seiner prächtigen Zimmer zu schreiten und den Teppich mit einer Art von Verzweiflung zu stampfen. Ohne Gewissensbisse über den Leichtsinn seiner Verschwendung zu empfinden, fühlte er sich gleichwohl als der unglücklichste aller Menschen und erregte seine Phantasie mit den Hoffnungen auf noch zu erwerbenden Reichthum, die sich nie anders als auf dem Piedestal von Millionen erhoben. Kam irgend Jemand in diesen Tagen zu Balzac, so konnte er sicherlich den Anblick eines der ärmsten Teufel genießen, der mit der ganzen Gesellschaft in Hader, die mährchenhaftesten Träume von Reichthum und Luxus zum Besten gab. Auch ließ er alsdann nichts von der Pracht seiner Wohnung erblicken.

Ich wurde gerade in einem solchen Momente zu Balzac eingeführt, und war erstaunt, von ihm in dem reichsten Morgenanzuge aber in einem so bescheiden möblirten Zimmer empfangen zu werden, daß ich die Mittheilungen von der Pracht seiner Wohnung für eine Phantasie Derjenigen hielt, die sie mir gemacht. Ueberhaupt zeigte sich Balzac sehr unglücklich und rechtete mit dem Himmel, der ihm Schätze verweigere für die Arbeiten, die er geliefert; er entschuldigte sich, nur mit einer Tasse Bouillon aufwarten zu können und lud mich zur Entschädigung dafür, mit demselben Athemzuge, zu einem Gastmahle ein, welches er nach acht Tagen geben werde. In der That hatte Balzac bis zu jener Zeit wieder Schätze gesammelt; seine Prachtzimmer waren geöffnet; die Grooms bedienten wie kleine Gnomen und bei dem lucullischen Mahle, inmitten der Parfüms und Blumendüfte war Balzac der glücklichste Marschall aller Marschälle, deren Stab ein Gänsekiel bildet.

Dem Leser der Sue’schen Romane mußte, ebenso wie bei Balzac, eine große Ueberraschung geboten werden, wenn er das Glück erreichte, in die Wohnung dieses Sozialisten zu treten, der in seinen Schriften so viel Theorie für die Armuth entwickelt und so unendliche Schuld auf die Reichen häuft. Wie? fragt man sich geblendet und verwundert, wohnt hier Herr Eugen Sue, hier in dem Palais des Faubourg St. Honoré, hier, wo der Flur ein prachtvolles Vorgemach ist und Diener in seidenen Strümpfen und fein aristokratischen Livreen empfangen?

In der That, hier wohnt Herr Eugen Sue, Sozialist, sagt man darauf.

Eugen Sue war 1850 noch überdies Volksrepräsentant; ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als der Diener meine Visitenkarte auf silbernem Teller und mit weißen Handschuhen dem Verächter und Richter des Reichthums, des Luxus und der Verschwendung hineintrug. Herr Eugen Sue schien mir ein sehr ausgebildeter Aristokrat zu sein.

Der Reichthum seiner Wohnung mußte etwas unangenehm berühren, wenn man die Anathemata kannte, welche Sue in seinen Schriften gegen den Reichthum schleudert. Wie ein Fürst hatte dieser Socialist sein Haus dekorirt, hinter dem ein reizender Garten lag; die Zimmer waren durch die schwerseidenen Fenstervorhänge und die reichen Blumen in jenem echt aristokratischen Dunkel gehalten, welches einen bedeutenden Vorschub der Sinnlichkeit bildet; die Möbel waren die glänzendsten, die je einen Salon des legitimistischen Faubourg geziert haben; große Oelgemälde, Statuen und Skulpturen schmückten die tapezirten Wände jeder Piece, die ich sah, und eine kostbare Gallerie von Vasen, Zierräthen, Porzellan und Nippsachen war auf den Tafeln der Kommoden, den Tischen und Spinden, welche die Zimmer mit ihrer Sauberkeit und ihrer luxuriösen Arbeit verschönten. Ein lieblicher Wohlgeruch herrschte im ganzen Hause und überhaupt zeigte sich in Allem ein so ausgebildeter Aristokratismus, daß mir die sozialistische Brandfackel, welche Sue so wild in seinen Romanen schwang, der schmachvollste Hohn zu sein schien, den je ein Talent gegen das arme Volk ausgeübt.

Endlich führte mich der Diener in das Arbeitskabinet des sozialistischen Marschalls der Literatur.

Eugen Sue war früher ein Abgott der Damen gewesen, man sagt, wegen seiner Schönheit, die zu dem Calembourg le beau Sue (bossu) Anlaß gegeben. Mein Erstaunen war deshalb nicht gering, als ich, dicht vor dem gezähmten Autor, in eine der unangenehmsten und häßlichsten Physiognomien blickte. Das ganze Gesicht hatte eine lächerliche Aehnlichkeit mit dem eines Laubfrosches; breit und ohne feine Züge, sah eine gewisse Stupidität aus den Augen, eine aufgeblasene Vornehmheit, die mehr zum Lachen als zum Imponiren reizte. Trotz aller Eleganz, welche Eugen Sue in seiner Garderobe entfaltete, sah man dennoch einen plebejischen Aristokraten heraus, dessen Manirirtheit einen sehr widerlichen Eindruck macht. Die Haare waren parfümirt und frisirt, aber ihre Tracht kleidete durchaus nicht dem Antlitz, welches durch einen sauber gepflegten Backenbart noch breiter gemacht wurde. Die blendend weißen Kragen, die seidene Kravatte, das weiße Vorhemd und die Weste, waren gewiß tadellos; aber ich mußte auf die Lippen beißen, als ich den Sozialisten mit den feinsten Jouoin’schen Handschuhen bekleidet fand und zwar mit der Feder zwischen den Fingern. Sue treibt die aristokratische Noblesse so weit, daß er seine Theorien für die Armuth, seine sozialistischen Reformen und seinen Haß gegen den Luxus und Reichthum nicht anders als mit Glacehandschuhen auf den Fingern niederschreibt, als habe er Furcht, daß er sich mit seinem Stoff die Hände beschmutze. Freilich verdient der Verfasser der Geheimnisse von Paris so riesige Summen jährlich durch seine berühmte Feder und besitzt selber ein so bedeutendes Vermögen, daß man es ihm nicht verdenken kann, sich mit allem raffinirten Luxus zu umgeben; schade nur, daß er diesen Luxus selbst in seinen Schriften gebrandmarkt hat und daß dieser Freund des Volkes, so verschwenderisch im Almosengeben seiner Theorien, so geizig im Wohlthun mit seinem Reichthum ist.

Das Nabobthum eines änderen literarischen Marschalles, Alexander Dumas, welches sich vornehmlich in dem grotesken Schlosse Monte Christo zeigte, hat dagegen gar nichts Beleidigendes für die übrigen armen Teufel. Alexander Dumas hat bewiesen, wieweit es ein industrielles Talent in allen Zweigen zu bringen vermag, und selbst auf dem hungrigen Gebiet der Literatur, auf dem mehr Proletarier des Geistes vor Elend umgekommen sind, als irgendwo anders. Es ist wahr, daß derjenige ein dummer Kerl ist, der aus Ehrgeiz und um des Nachruhms willen hienieden hungert; aber wer kann für diese Schwäche? Alexander Dumas hat dergleichen nie gekannt; er hat in der Literatur einen Marschallsstab erhalten und Millionen erworben, die ihm selbst die Ausführung eines Planes seiner grotesken Phantasie gestatteten und den glücklichen Chef des literarischen Industrialismus erlaubten, bei St. Germain die berühmte Villa Monte Christo zu bauen, dessen sonderbare Bauart sie beim ersten Anblick sogleich für das Kind eines wilden phantastischen Kopfes erkennen ließ.

Diese Villa, zu deren Bau die fabelhaftesten Summen von Dumas erworben werden mußten, enthielt Alles, was die Phantasie einem Nabob nur in den Sinn kommen ließ. Dumas berief selbst zwei Araber zu sich, welche ihm ein Zimmer ganz in maurischer Manier auszieren mußten, die Wände desselben mit Koransprüchen beschrieben und sich schriftlich verpflichteten, niemals eine ähnliche Arbeit in Europa auszuführen. Die feenhafte Pracht von Monte Christo mit seinen kostbaren Malereien, gothischen Pavillons, Glockenthürmen, Irrgärten, Inseln, Wasserfällen und jenem berühmten Kiosk inmitten dieser Krösusschöpfung, in welchem Dumas zu arbeiten pflegte und dessen Wände mit reich gemeiselten Medaillons geziert waren, deren jedes den Titel seiner Werke trug, ragte mit aller Sonderbarkeit wie ein Monument des literarischen Schelmenthums in die Luft, dem Millionen vernünftige und gebildete Kreaturen Weihrauch streuten, was beweist, daß das wahre Verdienst Eselsohren hat und die große Masse vor demjenigen sich beugt, der es am besten an der Nase umherführt.

Die Villa Monte Christo, deren bloße Unterhaltung jährlich eines fürstlichen Vermögens bedurfte, hatte ein Atelier für die Maler, zwölf Besuchszimmer, einen kleinen, aber kostbaren Palast für die Affen, nämlich die vierbeinigen; ein reizendes Haus für die Papageien, nämlich die gefiederten; ein drittes Schlößchen für die Hunde, nämlich die angenehmen; einen königlichen Marstall mit recht kostbaren Pferden, Wagenhäuser mit Tilbury’s und Kabriolets.

Der große Salon der Villa bot unglaubliche Pracht dar, sowohl in der Dekorirung, wie auch in dem Reichthum der Ornamente; [123] im Boudoir waren die Gardinen von wunderschönem Cachemir. Bilder mit den kostbarsten Rahmen, Statuen, vergoldeten Möbeln und bizarren Merkwürdigkeiten begegnete das Auge überall und um diese Pracht zu bewundern, war St. Germain, sonst ein unbesuchtes Dörfchen, während Dumas’ Residenz daselbst zu einem Wallfahrtsort der Fremden und Pariser, zu einer nobeln Villegiatur der Aristokratie geworden.

Ein schönes und reiches Theater wurde im Schlosse Monte Christo gebaut und hat in der ersten Zeit, als „Thèatre historique“ die Neugier aller Pariser gefesselt. Da aber Dumas, welcher eine kolossale Summe für die Unterhaltung des Theaters verbrauchte, nur Stücke von sich aufführen lies;, so gab es bald nur noch spärliche Besucher und endlich eine so bedeutende Schuldenlast, daß zuerst das Theater, dann das Schloß Monte Christo dem Gerichtshammer verfiel und verkauft wurde.

Alexander Dumas selbst ist eine der imposantesten Persönlichkeiten, dessen Abstammung von einer Negerin sich sehr deutlich markirt. Die schwarzen, gekräuselten Haare, der dunkle Teint des Gesichts, die großen Augen, welche in den Augenblicken der Aufregung wie glühende Feuerkugeln aus dem Weiß hervorleuchten, die starke, aber schön geformte Nase und die angeschwollenen Lippen gaben der Physiognomie den Urtypus eines Farbigen, verbunden mit den edlern Formen eines Europäers. Ueberdies zeigt Dumas in seinem ganzen Habitus und in seiner Tracht diese eigenthümliche Vorliebe für den auffallenden Prunk, welche den farbigen Naturen gehört. Er liebt leidenschaftlich das orientalische Kostüm und pflegt gemeinhin in einem weiten, faltenreichen Mantel nach griechischem Schnitt in seinen mit sinnlicher Pracht möblirten Zimmern zu erscheinen; eitel, und von sich selbst eingenommen, liebt er die Orden und Ordensbänder, welche ihm die Fürsten mancher Länder zum Zeichen ihrer Hochachtung gegeben haben, und im Jahre 1848 konnte es keinen stattlicheren Kommandanten der Nationalgarde von St. Germain geben, als den französischen Lope de Vega in seinem glänzenden Kostüm. Diese Vorliebe für die Pracht und den Glanz herrscht auch in seiner Häuslichkeit; die schwellenden Ottomanen, die reichen Teppiche und die Parfüms sind Zeugen von der ewig erregten Sinnlichkeit dieser glühenden Natur, welche nichtsdestoweniger in Gesellschaften eine seltene Liebenswürdigkeit und ein Erzählungstalent besitzt, welches den aristokratischen Cirkeln, die Dumas mit Eifer besucht, manche sonst mangelnde Würze verleiht.

Die immensen Summen, welche Dumas durch seine kaum noch zu zählenden Romane verdient hat, genügten gleichwohl nicht der Prachtliebe und Verschwendungssucht dieses Mannes, der überdies mit der Generosität eines Krösus seine Wohlthaten, oft über die Gebühr, zu spenden liebt. So schnell wie er große Summen verdient, ebenso schnell schmelzen sie auch in seinen Händen und überwiesen ihn für einige Zeit dem Kredit, den manche arme Teufel wie ihre gute Fee aufsuchen, ohne ihn finden zu können.

Zur Zeit, als Dumas durch die Residenz in seiner Villa Monte Christo St. Germain mit vielen Besuchern belebte, errichtete dort ein spekulativer Kopf ein Café. Der Besitzer hielt natürlich große Stücke auf Dumas, der für ihn der Grund seines schönen Geschäfts war und lieferte den Champagner oder das Eis an seinen Mäcen, ohne jemals die Unverschämtheit zu haben, eine Rechnung dafür an Dumas einzusenden. Selbstverständlich, daß er deswegen auch niemals Zahlung bekam.

Da der Winter ohne Frost gewesen war, so mangelte es bei den Restauranten an Eis und der Wirth des Café Monte Christo reservirte deshalb sein Weniges für den etwaigen Bedarf Alexander Dumas. Nichtsdestoweniger fühlten sich eines Tages einige Besucher so erhitzt, daß sie um jeden Preis sich durch Eis abkühlen wollten. Sie schickten deshalb ihren Diener zum Restauranten und glaubten auf jeden Fall ihren Wunsch befriedigt zu sehen, wenn sie im Namen Dumas das Eis verlangten.

In der That holte der Wirth das Verlangte ohne Zögern; Dumas war sein König.

„Wie viel kostet es?“ fragte der Diener, und legte ein Goldstück auf den Tisch.

„Ah!“ rief der Wirth, und griff schnell nach dem Eise; „Sie kommen sicherlich nicht von Seiten Alexander Dumas!“

„Wie so?“ fragte der bestürzte Diener.

„Bah, mein Lieber; Sie müssen wissen, daß Alexander Dumas niemals bezahlt.“

Der Diener mußte mit seinem Gelde ohne Eis zurückwandern.

Alexander Dumas ist bekanntlich der Chef einer großen literarischen Fabrik, welche unzählige Werke veröffentlicht hat, von denen der berühmte Autor keine einzige Zeile oder höchstens nur einige Kapitel geschrieben hat. Dumas selbst arbeitet mit unglaublicher Geschwindigkeit; aber er arrangirt mehr die Romane, welche seinen Namen tragen, als daß er sie schreibt. Marschall der französischen Literatur ist ihm Alles erlaubt und selbst die Kopien, welche er mit liebenswürdiger Freiheit aus den Werken Anderer macht, um sie als seine Originalarbeit auszugeben, erregt keinen Anstoß mehr, da er ein berühmter Mann ist und die Gloire noch viel mehr trügerischen Glanz besitzt, als der deutsche Ruhm, der für Poeten und Schriftsteller keine schönen Schlafstellen schafft. Das Haus Alexander Dumas und Kompagnie ist einzig in seiner Art in der Literatur und, gibt es deren noch mehr, so hat es jenes auch zu einer kaum glaublichen Ausdehnung gebracht. Todte und lebendige Schriftsteller arbeiten für den literarischen Marschall und Alle nur für seinen Ruhm und Säckel allein. Er entwirft einen Roman, schneidet den Stoff in Kapitel, gibt das eine diesem Autor zur Ausarbeitung, das andere jenem; heut schneidert er einen Roman aus irgend einem längst vergessenen Buche; morgen ein Theaterstück aus einem alten Roman oder mit den Scenen irgend eines Stückes von irgend einem längst begrabenen Literaten, wie der selige Shakespeare oder auch Schiller, wie Walter Scott oder auch Goethe. Mitten in diesem Arrangiren neuer romantischer Fabrikate schreibt er Mahnbriefe oder galante Korrespondenzen, dazwischen einen Feuilletonartikel, auch eine Scene von einem neuen Stück, oder einige Seiten von einem Roman; dann setzt er den Plan zu einer Erzählung auf, stempelt ein eingeliefertes Produkt mit seinem Namen, um es sogleich drucken zu lassen, liest eine Korrektur, empfängt Besuche, plaudert und redigirt dabei den Roman irgend eines seiner Mitarbeiter. Das ist der Schriftsteller Alexander Dumas.

Wenn es auch allgemein bekannt ist, daß der berühmte Autor dergleichen Fabrikarbeit unternimmt, so ist es doch von Interesse, die Namen der Verfasser oder die Kopien, die Dumas als Originale gemacht, aufzuführen. Von seinen Dramen will ich nicht reden, denn es ist bekannt, in welcher Weise er dabei Schiller, W. Scott, V. Hugo, da Vigny bestohlen, und wie die besten Stücke von andern Autoren geschrieben wurden.

Interessanter noch ist in seinem literarischen Atelier die Fabrikation der Romane. Alexander Dumas stempelte mit seinem Namen Corriculo und Speronare, welche beide von Fiorentino verfaßt sind; ebenso Ascanio, Amaury und die beiden Dianen, welche Paul Maurice geschrieben hat. Mallefille schrieb den Roman „Georges“ von einem Ende bis zum anderen und ließ ihn Alexander Dumas signiren; August Marquet, der fruchtbarste aller literarischen Collaborateure für den romantischen Industriehelden, lieferte demselben mehr wie fünfzig Bände; darunter die drei Musketiere, zwanzig Jahre später, der Vicomte von Bragelonne, Sylvandire, der Graf von Monte Christo, der überdies ganze Kapitel aus den Mémoires tirés des archives de la police von Peuchet enthält; ferner der Frauenkrieg, Königin Margot, der Chevalier von Maisonrouge und die Dame von Montsereau: – das heißt also alle diejenigen Werke, welche am bekanntesten sind und welche Dumas zu einem Wunder der Erfindungskraft und zu einem Autor dieses Jahrhunderts erhoben, dessen Fruchtbarkeit ohne Gleichen sei.

Das Stück „Romulus,“ welches seiner Zeit viel Glück auf dem Theater der Rue Richelieu machte, ist vollständig einem Romane des guten Lafontaine entnommen, den Paul Borage zum dramatischen Leben verhalf und welchen Dumas zeichnete, ohue ein Wort davon zu kennen. Als Romulus gelesen wurde, war der Verfasser desselben, der es aber nicht geschrieben, in Brüssel. Alexander Dumas macht aus dergleichen Dingen gar keine großen Geheimnisse. „Die Menschen,“ sagt er, „nicht der Mensch erfindet; Jeder bemächtigt sich der bekannten Sachen, setzt sie durch neue Zusammenstellungen wieder zurecht, und bringt damit seinen Theil zur Summe der menschlichen Kenntnisse. Eine vollständige Schöpfung einer Sache ist unmöglich; man nimmt das Gute, wo man es findet, denn der Mann von Genie stiehlt nicht, er erobert. Ich sage dies, weil, ohne die Schönheiten meiner neuen Scenerien anzuerkennen, man mich des Diebstahls und Plagiats [124] beschuldigt; es ist wahr und das tröstet mich, daß ich hierin Shakespeare und Molière ähnle.“

Diesem Grundsatz getreu florirt das Haus Dumas und Kompagnie. –

Bei Gelegenheit eines glänzenden Künstlerfestes, zu welchem ich eingeladen war, sah ich inmitten der gefeierten Maler eine Dame von etwa neunundzwanzig Jahren, von mittelmäßigem Wuchs, aber mit den interessantesten Augen, die sich denken lassen.

„Wer ist denn diese Dame hier inmitten der Künstler?“ fragte ich einen meiner Freunde, der eben mit ihr gesprochen.

„Sie kennen sie nicht? O das ist einer der liebenswürdigsten und gefeiertsten Pinsel Frankreichs, Rosa Bonheur.“

Diese seit mehreren Jahren schon berühmte und durch ihre Thierstücke gefeierte Malerin hatte sehr regelmäßige, doch etwas harte und strenge Züge; auf ihrer schönen Stirn aber thronte der Geist als alleiniger Herrscher. Die Linien ihres Profils drückten eine hervorragende Stärke des Charakters aus; die braunen Augen glänzten in sanftem Feuer und die Hände waren klein, aber nervig. Ueberdies war ihre Toilette ebenso einfach, als originell. Sie trug über einem dunkeln Rock eine Art lange englische Jacke, einen feinen Hemdkragen darauf, der ihren Hals ziemlich frei ließ und dem Kopfe mit einer liebenswürdigen Frisur à la Titus sofort etwas Künstlerisches verlieh.

Rosa Bonheur war zuerst im Jahre 1843 mit kleinen Thierstücken aufgetreten und das Glück begünstigte diesen Debut so sehr, daß ihre Gemälde weit und breit begehrt wurden. Ihr Talent, sorgsam von ihrem alten Vater gepflegt, ist eins der natürlichsten und naivsten, welche je den Pinsel geführt; ihre einfachen Gemälde überraschen durch die Natürlichkeit, welche sie beseelt, und man kann sich nichts Wahrheitsgetreueres denken, als ihre Ochsen und Pferde, die friedlich weidenden Hammelheerden, oder die lagernden Kühe, welche ihr genialer Pinsel malt. Es scheint, als lehre ihr Pinsel uns in dem Buche der Natur lesen, aber man muß auch die Leidenschaft kennen, welche dieses ganz der Kunst sich widmende Mädchen für die Natur, den Wald, das Feld und die Landschaften empfindet, die sie häufig Tage lang, als Mann gekleidet, durchstreift.

Für diese Excursionen zieht Rosa Bonheur ganz tüchtige Männerstiefel auf ihre kleinen Füße, nimmt Zuflucht zu männlichen Unaussprechlichen, legt um ihre schlanke Brust das profane Gewand eines Ueberrocks und stülpt einen anständigen Cylinder von Belpel, jenen Fluch des Männergeschlechts, auf ihren reizenden Kopf. Rosa Bonheur ist in dieser Tracht ein junger Mann comme il faut, sogar ein sehr hübscher junger Mann, dem drolliger Weise manches hübsche Kind holde Sehnsuchtsblicke zuwerfen mag; aber es ist sehr wohl anzunehmen, daß Rosa Bonheur unempfindlich für diese Verfänglichkeiten ist, um so mehr, als sie der Kunst zur Liebe in die Männergarderobe flüchtet.

Ohne daß man vermag, auf der Straße ihr Geschlecht zu errathen, geht sie mit festem und schnellem Schritt, den Kopf gesenkt, ohne Jemanden anzusehen, und stets mit irgend einem Gedanken beschäftigt. Zwei große Hunde begleiten sie, und machen mit ihrer Gebieterin die Landparthieen, welche Rosa Bonheur unternimmt, um die Felder zu besuchen, die Meiereien, die Ställe und Schäfereien, die Pferdemärkte und Pachthöfe. Ein solches Studium würde in Frauentracht unternommen, mannigfache Unbequemlichkeiten und Unannehmlichkeiten darbieten, während ein junger Maler, so hübsch wie Rosa, überall Wohlwollen bei den Bauern findet und noch bei weitem mehr bei den Bäuerinnen. Aus diesem Grunde geht die geniale Malerin niemals außerhalb der Befestigungen von Paris, als in Männertracht.

Die kleine ländliche Wohnung, welche Rosa Bonheur inne hatte, zeigte ihre Vorliebe für die Natur schon durch den kleinen, reich mit Blumen gezierten Garten. Ein Affe und ein Papagei hießen den Besucher willkommen. Das Atelier wies alle die seltsamen weiblichen Koketterieen auf, die den Frauen allein bei der Möblirung und Dekorirung ihrer Zimmer zu Gebote stehen, und zwischen denen sich die aufgehängten Croquis und Skizzen sonderbar contrastirend ausnahmen. Nur an einem einzigen Tage der Woche gestattete die überaus fleißige Künstlerin Besuche in ihrem Heiligthume, und auch dann selbst gab sie ihrem Pinsel keine Ruhe. Indem sie auf das Liebenswürdigste empfängt und sich mit dem Besuche unterhält, arbeitet sie fort und zwar mit einer Ausdauer, die in Erstaunen setzen muß, und welche keineswegs aus der Sucht nach Geldgewinn sich motivirte, wie bei den drei Marschällen der Literatur.
E. Schmidt-Weißenfels.