Gedanken eines Armen-Commissions-Deputirten über den sinkenden Wohlstand der Häcker oder Weinbauer in Franken

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Autor: Anonym
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Titel: Gedanken eines Armen-Commissions-Deputirten über den sinkenden Wohlstand der Häcker oder Weinbauer in Franken
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 2, S. 238–255
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Aufforderung (Journal von und für Franken, Band 4, 2)
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II.
Gedanken eines Armen-Commissions-Deputirten über den sinkenden Wohlstand der Häcker oder Weinbauer in Franken.
Schon seit vielen Jahren her denke ich immer nach, warum ein so zahlreicher Theil meiner Mitbürger und Zeitgenossen, die Weinbauer oder Häcker nach Fränkischer Sprache, so sehr und mehr als eine andere| Classe, in seinem Wohlstande zurückgehe. Ich glaube verschiedene Ursachen davon gefunden zu haben, welche ich dem Publicum vorlegen will, theils um die Pflichten meines Standes und Verhältnisses zu erfüllen; theils um dem, vielleicht eher, als man glaubet, erfolgenden gänzlichen Verarmen des Häckerstandes, thätiges Mitleiden und Hülfe von denen zu verschaffen, welche ihm helfen können.

 Die von mir aufgefundenen wichtigsten Ursachen sind diese:

I. Die zu vielen auf magerem, kaltem, sandichtem oder sonst geringem Erdreich angelegten Weingärten.
II. Die zu gleichgültige Anlegung der Weingärten, ohne gehörige Auswahl der Reben nach der Eigenschaft des Erdreiches und der Lage.
III. Die nachlässige Behandlung der Trauben bey der Lese, und des Mostes im Keller.
IV. Die zu großen Kosten und Auslagen für die Weinberge und den Lagerwein.

 Welche Wirkungen jede dieser Ursachen auf den Wohlstand der Häcker hervorbringe, wollen wir nun einzeln untersuchen.

 I. Mancher Ort, Flecken oder manche Stadt, besonders am Mayn, hat von seiner| Gemarkung die Hälfte, oder drey Achttheile, oder ein Drittheil mit Rebstöcken besetzt, und dem Ackerbau, der Gärtnerey, dem Wieswachs etc. etc. die übrigen Theile der Gemarkung, und dieß oft in sehr unrichtigem Verhältniß, gewidmet. In solchen Orten ist der Viehstand sehr klein, und öfters auch geringen Schlages; daher ist der den Weinbergen nöthige Dünger seltener und theurer, als daß jedermann solchen für seine Weinberge zu rechter Zeit und in gehöriger Menge kaufen oder erzielen könnte. Was auch davon hie und da zusammen gebracht wird, ist aus Mangel des Strohes insgemein mager und elend. Das Fuhrlohn ist wegen des wenigen Zugviehs höher, als an andern Orten, und diese Gebrechen schaden dem Weinbau in dergleichen Gemarkungen nicht wenig. Das Korn und andere Getraidarten, welche in solchen Orten gebauet werden, sind oft nur für ein Drittheil der eigenen Nothdurft hinlänglich; und das wenige Fleisch von Kälbern und Mastlingen reicht nicht für ein halbes Jahr auf Sonntage und Feyertage zu. Man muß also das noch nöthige Brodkorn und andere Früchte von der Ferne mit mehrern Kosten herbeyschaffen, Fleisch und Gemüß von dem Fremden kaufen, und bey so theuren| Preisen, wie sie z. B. nur jetzt sind, eine große Lücke in die Sparbüchse, oder Schulden machen, oder erbärmlich darben.

 Die zu vielen Weinberge auf einer Gemarkung hindern auch den nöthigen guten Bau und die gehörige Pflege aller derselben, und erhöhen den Arbeitslohn: daher auch der Ertrag von den bessern Lagen nur gering oder mittelmäßig seyn kann, und die aufgewandten Baukosten mit den Zinsen selten ganz ersetzt werden. Daß der Weinberg zweymahl so viel Arbeit fordert, als der Acker, ist bekannt: und wenn bey einfallender günstiger Witterung eine Arbeit die andere treibet, was kann da der arme oder geldlose Weinbergsbesitzer mit seinen 3, 5, oder 10 Morgen Weinbergen anders thun, als dieselben dem Zufall überlassen, und sich mit geringem oder wenigem Most begnügen?

 Auf schlechtem, nassem, sandichtem, den Überschwemmungen ausgesetztem Boden angelegte Weingärten sind dem steten Ausbessern auch mehr unterworfen, als andere, welches den erwarteten Ertrag sehr vermindert; ja manchmahl muß schon im 12ten oder 15ten Jahre der ganze Weinberg wieder neu angelegt und bestocket werden; und dieß fällt schwer; ja es thut auch dem Bemittelten| wehe. Wie viel vortheilhafter würde statt eines solchen Weinbergs seinem Eigenthümer eine Wiese oder ein Acker seyn? Wie viel allgemein nützlicher wäre es, daß jeder nur so viele Weinberge hätte, als er ohne häusliche Noth selbst bauen, oder mit richtig berechnetem Nutzen bauen zu lassen im Stande wäre. Welche Wohlthat wäre es für jedes Ort und Amt, wann in jeder Gemarkung landesgesetzmäßig nur der vierte Theil derselben höchstens zum Weinbau verwendet werden dürfte; oder, woferne die Lage besser dazu taugen sollte, dafür gesorgt wäre, daß Brod, Fleisch und Holz nicht in drückenden Preisen und mit Zeitverlust zu suchen wären!
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 Wie viel glücklicher würde sich jetzt besonders eine Gemeinde schätzen können, wenn sie in ihrer Gemarkung anstatt 2800 bis 3000 Morgen Weinberge nur 1800 hätte, und anstatt 3300 Morgen Ackerland jetzt 43 bis 4500 im Baue wären. Wenn diese 1200 Morgen umgeänderte Weinberge auch nur 900 Malter Korn etc. und andere Getraidarten ertragen sollten, so wäre für eine solche Gemeinde schon eine baare Ausgabe von 6000 fl. erspart. Der Preis ist zwar meistentheils 8 und 9 fl. das Malter, und um| 8 fl. in Häckers- oder Weinbaugegenden nicht wohl zu haben: indessen mag der Ansatz bleiben, und er ist gewiß hinlänglich dem Ertrag von 1200 Morgen geringer Weinberge das Gleichgewicht zu halten, den übrigen 1800 Morgen eine bessere Pflege zu verschaffen, und mehrern Nutzen aus denselben zuziehen, als bisher geschehen ist.
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 Mancher Eigenthümer würde gerne und aus eigner Überzeigung seine geringen Weinberge in Äcker umwandeln, wenn er nicht 1/8 1/4 1/2 oder oft 1 ganzen Eimer Gült etc. etc. davon jährlich zu entrichten hätte. Woher nun diesen 1/8 etc. etc. Eimer nehmen? Von bessern Weinbergen, da ist vermeintlicher Schaden; oder soll er denselben kaufen, oder in Geld bezahlen: so hat er eine Auslage an Geld mehr, und an Geld fehlt es ihm ohnehin. Ein anderer hat auf seinen Weinberg fremde Gelder aufgenommen; wird solcher zum Acker gemacht, so ist er statt 120 nur 60 oder 50 wehrt, und die Sicherheit des Capitals ist dann zu klein: er muß also seinen Weinberg stehen lassen. Diese Hindernisse sind wirklich groß und wichtig: demungeachtet wird man sie beyde, wo nicht ganz, doch größtentheils heben können. Welchen Vortheil hat derjenige, der von eingelesenen 3 oder| 4 Eimern Most seine Gült in Natura abreichen kann; dagegen aber die Zinsen und Baukosten für dieselben nur zur Hälfte oder zu zwey Drittheilen bezahlt oder ersetzt erhält? Ein geringer Weinberg gibt gewiß nicht mehr Sicherheit als ein guter Acker; wie vielen Zufällen ist nicht der Weinstock ausgesetzt, die dessen Ausreutung verursachen?
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 II. Die allzu gleichgültige Anlegung und Ausbesserung der Weinberge, ohne Rücksicht auf die Eigenschaften des Bodens und der Reben, auf deren Verhältniß gegen einander, ist ein sehr großer, und fast allgemeiner Fehler, der den einzelnen Besitzern sowohl, als ganzen Gemeinden viel größern Schaden bringet, als man glaubet. Herr Joh. Christian Fischer zeiget in seinem 1782 herausgegebenem Fränkischen Weinbau diesen Fehler auch, und räth die Gattungen Reben nach den Eigenschaften des zu bestockenden Erdreiches, und wo es nöthig ist, auch nach den Lauben genau abzumessen. Allein das alte Vorurteil: unsere Eltern haben es auch so gemacht, und es hat gut gethan, welches bey genauer Untersuchung öfters als falsch sich darstellen würde, und der bequeme Schlendrian ist noch zu tief gewurzelt, als daß man mehrere Sorge und Auswahl von den Häckern| hoffen könnte, so lange nicht höhere Belehrung und Befehle, oder doch Beyspiele, die Eindruck machen, dazu antreiben. Die erste Sorge ist immer, nur vielen Wein zu erhalten. Man bedenket nicht, daß aus dieser Sorglosigkeit für edlere Gattungen der Reben, der geringe Gehalt des Weines entstehet, und der fremde oder auch einheimische Käufer, welcher dergleichen Weine einkellert, nach wenigen Jahren solchen finden muß, wodurch alsdann die Käufer auf die Zukunft abgeschrecket werden, und der Preis solcher Weine merklich niedriger werden muß.

 Ganze Ortschaften werden durch eine solche Gleichgültigkeit und ihren Hang nach vielen Most verrufen. Man kann hin und wieder die betrübten Klagen hören, daß keine Käufer kommen, indem diese oder jene Nachbarn derselben doch so viele hätten; man klagt, daß, wenn diese das Fuder für 60 Rthl. verkaufen, die erstern froh wären, wenn sie für 40 Rthl. abgeben könnten. Man sieht bey öftern Mißwachs den sinkenden Wohlstand in solchen Orten, wo die Weinberge, meistens wegen ihrer zu großen Menge, nur mit der altgewohnten Gleichgültigkeit gebauet werden. Eine wahre Geschichte wird hier nicht am unrechten Platze stehen.

|  Vor 6 oder 7 Jahren wollte mein Freund, ein Weinhändler, um die Nachfrage seiner Kunden zu befriedigen, sich auch von dem berühmten –heimer Wein einlegen. Er reisete selbst nach dem Hauptplatz, kostete und kaufte 2 oder 3 Stück 83ger von der besten Lage. Um genau zu wissen, was er sich von diesem Weine zu versprechen hätte, ging er selbst in die Weinberge, wo der gekaufte Wein gewachsen war; er kostete die Trauben, besah die Stöcke, und fand zu seiner Verwunderung über die Hälfte geringere Gattungen von Rebstöcken. Er stutzte, führte seinen Wein nach Haus, den er des alten guten Rufes wegen theuer bezahlen mußte; und fand nach einem Jahre, daß sein –heimer um ein Drittheil im Wehrt zurück gegangen sey. Alles guten Rufes ungeachtet wird dieser Weinhändler gewiß so bald keinen Tropfen Wein mehr auf diesem Platze kaufen. Und wenn nun noch 20. 30. und mehrere fremde Käufer dieses ebenfalls gewahr geworden sind, welcher Schaden wird diesem sonst berühmten Weinorte dadurch zugehen? Er wird künftig seine Weine meistens selbst einkellern müssen, und dann den Schaden doppelt empfinden. Das geringe Gewächs wird sich nach 3 oder 4 Lagerjahren den wenigen Käufern| noch eher entdecken; der Preis wird um ein Viertel oder ein Drittel geringer werden; der Ärmere wird den Baulohn und andere Auslagen erst nach 2 bis 4 Jahren einziehen können, oder dem reichern Käufer nach seinem Willen verkaufen müssen, wobey oft kein Kreuzer Zins für das auf dem Weinberg liegende Ankaufs-Capital, oft nicht die halben Auslagen heraus kommen werden. Wenn nun dieser Fall 10, 12 und mehrere Jahre durch in einem Weinorte sich ereignet, muß da nicht der Häckerstand ins Abnehmen kommen; muß er nicht endlich durch diese gleichgültige Anlegung oder unterlassene Ausbesserung der Weinberge allein schon in die bitterste Armuth hinabstürzen?
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 III. Die nachlässige Behandlung der Trauben bey der Lese, und des neuen Weines im Keller hindern ferner die Güte des Weins, und also den gehörigen Nutzen der Weinberge. Man findet sehr viele Ortschaften, wo die Beere abzukämmen eine unbekannte Sache ist; und wo oft nicht ein Weinbergsbesitzer daran zu denken gewohnt ist, die Trauben zu sondern. Zeitige, halb und ganz unzeitige kommen oft, ja sehr oft, zusammen auf die Kelter: schon vor 8 oder 14 Tagen aufgesprungene und entsaftete Frühtrauben werden| mit noch nicht ganz zeitigen Spattrauben ohne Bedenken in einerley Butte geschüttet und auf die Kelter gebracht. Was kann aus einer solchen Mischung für ein Wein werden? Wie ein Trank von Essig und Honig, oder von Wasser und Brantewein. Freylich kann nicht jedermann, entweder wegen des zu wenigen Ertrags, oder wegen der zu wenigen Weinberge, die Trauben in jedem Herbste sondern; allein auch die Eigenthümer von 5, 8, 15 und mehrern Morgen Weinbergen thun dieses nicht; und man entschuldiget sich insgemein mit den zu vielen Weinbergen, oder mit den mehrern Kosten. Nicht Vielheit der Felder, sondern gute fleißige Pflege derselben, lohnet ihren Besitzer.
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 Dieser Fehler könnte im Keller durch fleißigern Bau in etwas wieder verbessert werden: aber leider sind diejenigen, die es am nothwendigsten bey ihrem Wein bedürften, oft die nachlässigsten und gleichgültigsten. Der Most kommt oft in das Faß, ohne daß man viel sorget, wie solches beschaffen oder gesäubert ist; und er ist glücklich, wenn er schon nach einem halben Jahre von der Hefe kommet. Der Käufer, welcher dergleichen Weine kaufet, weiß sich insgemein diese Sorglosigkeit wohl zu Nutz zu machen; der Häcker| muß hier wieder Haare lassen, und noch froh seyn, wenn er nur baares Geld zu seiner höchsten Nothdurft in die Hände bekommt. Gesetzt auch, der Verlust wäre nur einige Thaler aufs Fuder, so macht dieser auf die vielen Jahre und Haushaltungen schon etwas beträchtliches aus. Man nehme an, daß 100 Einwohner für das Fuder, deren sie jährlich 200 abkeltern sollen, nur 2 Rthl. weniger lösen; so entsteht für sie schon ein Verlust von 400 Rthl. jährlich, und in 10 Jahren sind sie um 4000 Rthl. ärmer. Dieß werden sie gewiß merklich fühlen; ja mancher wird dabey sein völliges Verderben finden: zumahl wenn das erste und zweyte Gebrechen, welche insgemein vergesellschaftet sind, zu gleicher Zeit bey einerley Weinbergsbesitzer sich finden.
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 Der Fränkische Weinbau des Herrn Fischer würde in den Händen der vernünftigern und reichern Häcker oder Weinbergsbesitzer gewiß gute Dienste thun, und die Vorurtheile und Bequemlichkeitsliebe oder Trägheit der andern durch das Beyspiel jener bald verscheuchen. Ich weiß zwar, daß es aller Orten verständige und fleißige Häckersleute gibt; aber ihre Zahl ist doch noch zu klein,| um dem größern Haufen das Gleichgewicht zu halten. Vor 200 Jahren ungefähr waren im Hochstift Wirzburg noch Häckerszünfte. Die Reichsstadt Schweinfurt hat noch eine, und ihr Weinbau ist, trotz der eben nicht zu günstigen Lage, vorzüglich. Der Ruhm des Frankenweines kommt gewiß mehr von diesen, als von den neuern Zeiten her. Ich trage also kein Bedenken, meinem Vaterlande die Einführung der Häckerzünfte anzurathen: ich muß aber auch bitten, diesen solche Zunftgesetze zu geben, welche die Verminderung schlechter Weinberge, die Vermehrung guter Rebstöcke von der besten Art, und die sorgfältigste und nutzenvolleste Ablese derselben hervorbringen müssen. Dieser Bitte setze ich noch den Wunsch bey, daß nur in jedem Oberamte, wenn darin wenigstens 4000 Morgen Weinberge sind, eine Zunft errichtet werde, und daß jede Zunft einen Erdbohrer zum Zunftschatz sich anschaffe. – Ich gehe nun zur letzten und 4ten Ursache über, und bitte jeden Leser, diese drey angezeigten nicht dabey ausser Augen zu lassen.
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 IV. Die zu großen Kosten und Auslagen für die Weinberge, und den Lager- oder eingekellerten Wein sind endlich die letzte Ursache des Verderbens. Hätte mancher Besitzer| diese voraus gekannt, so würde er nie Lust gehabt haben, sich nur einen Morgen Weinberg zu kaufen. Woher kommt es, daß so viele vermögende Leute, die ihre Weinberge nicht selbst bauen, schon einige Jahre her mit allem Ernste, und unter dem Ankaufspreis dieselben zu verkaufen und sich vom Halse zu schaffen sich bemühen? Warum ist der Preis der Weinberge überhaupt seit 8 und 6 Jahren um 1/4 oder hie und da um 1/3 gefallen? Gewiß deswegen, weil man von dem Ankaufscapital die jährlich erwarteten 4 oder 5 Procent Zinsen nebst den Baukosten schon seit vielen Jahren nicht heraus bringen konnte. Und wie kann dieses möglich seyn?

 Der Morgen Weinberg auf flachem oder lehnendem Boden (vom steilen, durch Regengüsse öfters von Erde entblößt werdenden, und weder mit Erde noch Besserung, Pfälen etc. etc. anfahrbaren will ich gar nichts sagen) kostet jährlich

18 fl. für gewöhnlichen und Extra-Baulohn, dann Pfähle, Besserung, Les- und Kelter-Auslagen,ein Jahr ins andere gerechnet:
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05 fl. an jährlichen Zinsen von 100 fl. Capital, wiewohl man selten einen ordentlich besteckten Morgen Weinberg auch der geringsten Lage dafür bekommen wird; die Contribution solle auch mit den 5 fl. bezahlet werden können, so kostet er doch überhaupt
23 fl. Fränkisch jedes Jahr.
Nun will ich gelten lassen, daß jeder solcher Morgen jährlich 6 Eimer Most ertrage, und der Eimer 4 fl. Rheinisch wehrt sey. Nach dem jährlichen Anschlag von 21 Jahren, der jederzeit nach der Mittel-Qualität genommen wird, ergibt sich der Wehrt im Durchschnit nicht höher als 501/2 Batz oder 3 fl. 22 Kr. Fränkisch, und in diesen 21 Jahren waren keine 3 ganzen Lesen, wo der Morgen 12 Eimer, im Ganzen genommen, ertrug: und mehr als 12 Jahre, wo nur 2, 3, oder 5 Eimer auf einen Morgen kamen. Rechne ich dann, daß doch jeder dieser Morgen für 20 fl. Most jährlich ertragen habe, wobey ich 48 Kr. Fränkisch zugebe; so hat der Besitzer jährlich 3 fl. Fränk. auf jeden Morgen verloren und folglich nur 2 Procent erhalten, die andern 3 fl. aber von seinem Vermögen jedes Jahr darauf legen müssen. Hat Einer 3, 4, 5 bis 8 Morgen solcher Weinberge, so ist der| Verlust von 3, 12, 15 bis 24 fl. jährlich für ihn gewiß sehr empfindlich. Noch mehr aber, wann Mißwachs 2, 3 oder 4 mahl hintereinander kommt, wie es seit 1770 bis hieher einige mahle geschehen ist; so muß dieß den ganzen Vermögensverfall nach sich ziehen.

 Wenn 1000 bis 1200 Morgen solcher geringen Weinberge auf einer Gemarkung sind, und von jedem jährlich nur 3 fl. verloren werden, so ist eine solche Gemeinde schon bis 3600 fl. jährlich ärmer, und in 20 Jahren um 72000 fl. Muß dieß nicht einen merklich sichtbaren Verfall nach sich ziehen? Wenn man erst rechnet, daß Weine auf geringern Boden gezeuget im Verkauf oft, und in manchem Orte, nur 24 bis 36 Batzen gelten; welcher Schaden entstehet da nicht auf einmahl? Selbst die bessern Jahre können diesen nicht heilen.

 Die Kosten, welche der eingekellerte oder Lager-Wein machet, sind eben so wenig vortheilhaft. Man darf jährlich für Zinse, Büttner- und Kellerkosten 10 Procent rechnen; und setzet man Zinsen zu Zinsen, so hat der Wein im achten Jahre sich schon in sich selbst verzehret. Wie viele zehenjährige Weine liegen nicht im Frankenlande, und welchen Nutzen kann dasselbe davon rechnen?[1]| Dieß muß in dem Herzen jedes ächten Patrioten den Wunsch erregen, daß die zu hohe| ohnehin so viele Mühe, Arbeit, Zeit und Geld erfordernden Weinbergen liegende Contribution herabgesetzet werde; daß der Ausgangs- oder sogenannte Guldenzoll, der oft 2 bis 3 mahl bezahlt werden muß, zur Beförderung der Weinausfuhr vermindert werde; um die Weinbergs- und Weinbesitzer doch in etwas zu erleichtern, und denselben ihr Eigenthum nützlicher zu machen.
*z*** *ein 



  1. [254] Hubertus hat im Herbst von der Kelter weg 1 Fuder 79ger Most für 80 Rthl. nachher 1 Fuder 81ger für 60 Rthl. und dann 1 Fuder 83ger für 50 Rthl. von sehr guten Lagen gekauft, und eingekellert. Diese Preise waren damahls die laufenden. Man nehme an, daß diese 3 Fuder Wein volle 12, 10, und 8 Jahre liegen: so kostet dem Hubertus das Fuder 79ger, mit Abgang, Keller und Büttnerskosten, dann der Zinsen von
    80 Rthl. 00 jetzt Rthl. 200.
    Das Fuder 81ger zu 60 Rthl. 00 130.
    Das Fuder 83ger zu 50 Rthl. 00 090.
    alle 3 Fuder also jetzt 00 Rthl. 420.

    Der laufende Verkaufspreis ist dermahlen

    80 bis 190 Rthl. für 79ger
    90 bis 120 Rthl. für 81ger
    100 bis 120 Rthl. für 83ger
    und Hubertus erhielte also jetzt Rthl. 320
    für seine 3 Fuder Weine, und hätte Rthl. 100
    darauf verloren, die er vielleicht verschmerzen kann. Wie aber, wenn er nur 79er und 81er allein zu verkaufen gehabt hätte; wenn er erst nach 5 oder 6 Jahren verkaufte: wie wäre es dann? Man rechne, daß nur 3000 Fuder dergleichen Weine im Lande liegen, und man sage mir dann, ob der Weinbesitzer nicht eben sowohl, als der Häcker in Gefahr stehe? Der einzige Trost bleibt noch übrig, daß durch die Weinhändler der Schaden der Häcker und Weinbesitzer vermindert wird; aber ausgeglichen wird er wohl selten.
    .
     Sollte es nicht nützlich seyn, in jedem Orte den Weinunterkäufern den Auftrag zu geben, den Preis und Jahrgang aller jährlich verkauften Weine aufzuzeichnen und einzuschicken? Der laufende Herbst-Preis [255] des Ortes und Jahres oder der Anschlag dagegen gestellet, würde gewiß eine richtigere Einsicht über den Nutzen oder Schaden des Weinbaues und Weinlagerns verschaffen, als man bisher hatte, und von Wichtigkeit seyn. Eine Weinconscription würde dabey eben so nützlich werden, als jene des Getraides: und dann könnte dieses Geschäfft durch Tabellen sehr erleichtert und von jedem Ortsvorstand verrichtet werden.