Geschichte der abgesetzten Feyertage in den ritterschaftlichen evangelisch-lutherischen Gemeinden Obbach, Euerbach, Niederwehrn

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Autor: M. v. K. [Anonym]
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Titel: Geschichte der abgesetzten Feyertage in den ritterschaftlichen evangelisch-lutherischen Gemeinden Obbach, Euerbach, Niederwehrn
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aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 55-64
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh
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Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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III.
Geschichte der abgesetzten Feyertage in den ritterschaftlichen evangelisch-lutherischen Gemeinden Obbach, Euerbach, Niederwehrn.

Folgender kurze Aufsatz mag für viele Leser kein Interesse haben; aber manchem Individuo, hoffe ich, wird er doch nicht unwillkommen seyn.

 Schon in der Mitte des Jahrs 1771 wurde nach dem Willen der Gutsherren, nämlich des noch lebenden Herrn Ritterraths von Bobenhausen zu Obbach, des verstorbenen Herrn Generals von Münster zu Euerbach, und des nun ebenfalls verstorbenen Herrn Geheimenraths von Münster zu Niederwehrn – durch Uebereinkunft ihrer drey evangelischen Pfarrer die Anzahl der Feyertage bis auf die Feyer Mariä-Verkündigung, Himmelfahrt Christi und der zweyten Festferien eingeschränkt. Man konnte von Seiten des Landvolks allerdings Motionen erwarten, allein von Seiten der Reformatoren,| die nach reifer Überlegung durch entscheidende Gründe bestimmt zu seyn schiene, desto weniger unzeitige Nachgiebigkeit.
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 I. Zu Obbach waren auch wirklich die Gegenvorstellungen der Bauern fruchtlos. Allein, statt zu arbeiten, standen sie nun an abgesetzten Feyertagen müssig, in Feyerkleidern vor den Häusern. Der Sonntagsstaat in der Woche wurde verboten, doch aber Niemand zur Arbeit gezwungen. Klug und zweckmäßig war, daß die Herrschaft an den aufgehobenen Feyertagen selbst arbeiten ließ, und so mit einem guten Beyspiel voranging; und daß an solchen Tagen auf strengen Schulbesuch der Kinder gehalten wurde. – Bey solchen Maaßregeln gewann die gute Sache bald. Die Klügern fingen an zu arbeiten, erst im Hause, dann im Felde; in kurzer Zeit fanden sie Nachfolger, und nun ist die Wunde lange verschmerzt, und jeder Tag den fleißigen Einwohnern dieses Ortes gleich.[1] Freylich mußten sie sich deshalb von ihren Nachbarn oft manchen Vorwurf machen, und nicht selten mit scheelen Augen ansehen lassen. Denn in den beyden andern Orten wich man bald von der Conformität| mit Obbach ab; die Herrschaften waren katholisch, und wollten wahrscheinlich nicht zu streng auf ihren Episcopal-Beschlüßen beharren, so bald ihre Herren Pfarrer selbst Vorstellungen dagegen machten. Dieser Zeitpunct kam bald.

 II. In Euerbach brachte der damahlige Pfarrer – aus Liebe zum Frieden, gar bald bey der Herrschaft ein Gesuch vor, das seinem im Jahr 1771 gegebenen Voto ganz entgegen war; und es schlich sich ein Feyertag um den andern wieder ein; auf die wenigen, die wegfielen, wurde die Wochenbetstunde verlegt. So kam man hier so wenige einen Schritt weiter, als

 III. zu Niederwehrn, wo die Bauern den Pfarrer bestürmten, die Herrschaft überliefen, und wenigstens zum Theil ihren Zweck erreicht sahen. In allen drey benachbarten Orten herrschte auf einmahl wieder die größte Verschiedenheit, indem in den beyden Münsterischen Dörfern der herrschaftliche Schluß durch Bitten und Murren der Bauern, durch unzeitige Nachgiebigkeit ihrer Lehrer beynahe völlig annullirt wurde.

 In den folgenden Jahren kam es zwar mehrmahls zur Sprache, sich mit Obbach wieder zu conformiren. Allein vergebens,| der Landmann weiß alles ihm Günstige zu seinem Vortheil zu benutzen. So führte der Euerbacher als Beweis der Unthunlichkeit der Feyertagsabsetzung die Vermischung mit Katholiken an. So wenig dieser Entwurf auch traf – denn in keinem Orte sehen die beyden Religionsparteyen wegen des äussern religiösen Cerimoniels weniger auf einander, als zu Euerbach, – so blieb es denn doch wieder beym Alten.

 Indessen waren die beyden Orte, Niederwehrn und Euerbach, wieder Einem Herrn zugefallen, und der Wunsch nach Einförmigkeit des Kirchenwesens in zwey so verwandten Gemeinden aufs neue rege. Zu den Feyertagen kamen jetzt noch mehrere Gegenstände, z. E. Wochenbetstunden, Bußtage, Einführung des ritterschaftlichen Gesangbuchs etc.

 Endlich in dem Anfange des Jahres 1789 wurden nach erfolgter Beredung mit den Pfarrern der drey Orte, Obbach, Euerbach und Niederwehrn nebst mehrern Reformen auch die Bschränkung der Feyertage, wie sie in Obbach eingeführt wäre, aufs neue von dem jetzigen Stammherrn von Münster decretirt. Es fehlte nach der Publication dieses Beschlusses nicht an Gegenvorstellungen| von Seiten der Bauern, nicht an den lieblosesten Beschuldigungen über ihre Pfarrer, die aber dießmahl über dem herrschaftlichen Decret standhafter hielten, als im Jahr 1771. Die Sache wäre bald ins Geleis gekommen, wenn, wie zu Obbach, die Herrschaft selbst an abgesetzten Feyertagen werktägliche Arbeiten hätte verrichten lassen. Allein die Herrschaft bekennt sich zu der katholischen Kirche, in welcher alle jene Feyertage, die nun die lutherischen Gemeinden nicht mehr haben, noch streng gehalten werden. Das eigene gute Exempel mußte demnach unterbleiben, und der Zeit das Übrige überlassen werden. Je nachdrücklicher den Bitten und Vorstellungen der Bauern begegnet wurde, desto allgemeiner war nun das Räsonniren derselben. Öffentlich, in der Nähe und Ferne schwätzten sie nun von den abgesetzten Feyertagen, nahmen ihre Pfarrer deshalb waidlich her, weil die Liebe zur Bequemlichkeit allein der erste Grund alles causirten Übels seyn sollte. Kurz, auf Bierbänken und Marktplätzen vereinigte sich alles zu einem erbaulichen Chorus.
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 Überhaupt sträubt sich, auch sogar der weisere Landmann – aus Mißtrauen – gegen alle Neuerungen. Aber das allgemeine| tobende Gelärm über den Verlust der Feyertage hatte noch besondere Quellen. Dahin rechne ich

 1) den Haß gegen die Obbacher, der seinen Grund vielleicht in politisch-ökonomischen Verhältnissen haben mag. Sonst, wie schon oben bemerkt ist, machten sich die Euerbacher oft über die Halbchristen zu Obbach, die auf dem Felde wühlten, während sie sich in der Kirche durch einen christlichen Schlaf erquickten, recht von Herzen lustig, und – „Jetzt wären wir ja gar den Obbachern gleich“ – hörte man sie nun oft seufzen.

 2) In Euerbach trugen auch die katholischen Einwohner, die, wie überall, Veränderungen kirchlicher Anstalten mit Abänderungen des kirchlichen Systems so gerne verwechseln, viel zur Widerspenstigkeit ihrer lutherischen Mitbürger bey, und machten ihnen oft den Vorwurf: „Ihr wißt selbst nicht was ihr glaubt!“ Das war Wasser auf die Mühle.

 3) Die Nähe von Gochsheim, Sennfeld, Oberndorf, Schwebheim, wo alle und jede Aposteltage noch gefeyert werden, wirkte auch nicht wenig. Das sind ja doch auch Lutheraner! Und fast hätte man Lust| gehabt, die Wohlhabenheit der meisten Bewohner dieser Dörfer – als Gegensatz mit dem weniger gesegneten Obbach, auf Rechnung der heiligen Apostel zu bringen. Ein Argument von der Art wirkt oft Wunder!
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 4) Selbst Schweinfurt mußte der Unruhe Nahrung geben. Der Pöbel bleibt auch im aufgeklärtesten Orte – Pöbel; und der durstige Bauer und der weinschenkende Bürger können einander nicht entbehren. Ein guter Trunk löst die Zunge; die Lieblingsmaterie kommt aufs Tapet; der Kopf wird wärmer, und der heilige Apostel, der Herrschaft und dem neologischen Pfarrer zum Trotz, in seinen geheiligten Rechten vertheidigt. Die Liebe zur Kundschaft erlaubt nicht viel Contradicirens; und oft ist wohl auch der Schenkwirth nicht weiser als der Bauer; in diesem Fall steift er wohl noch seinen Gast, der nun von Wein erhitzt, mit neuen Wendungen und Begriffen ausgerüstet, in der Rechthaberey bestärkt, voll Erbitterung ins Ort zurück kommt, und alles aufbietet, um schon beruhigte Gemüther aufs Neue in Gährung zu bringen. – Dieß war mehrentheils ganz der Fall bey den Euerbachischen und Niederwehrner Bauern, die| Schweinfurt und die benachbarten lutherischen Orte wohl nie fleißiger besucht haben mochten, als in dieser Periode, an den bey ihnen abgesetzten Feyertagen.

 Das Amt zu Niederwehrn wollte sich, wie es scheint, in die Sache gar nicht mischen, und hielt selbst nicht streng über den herrschaftlichen Schluß. Kraft desselben sollten des Jahrs einige Bußtage gefeyert werden. Allein Bußtage wollten die Bauern nicht; sie bucken am Charfreytag im Gemeindbackofen Brod. Die Anzeige davon ignorirte das Amt. An einem andern neuverordneten Bußtage hatten die lutherischen Bauern herrschaftliche Frohnfuhren zu thun! – Solche Umstände machten sie immer starrköpfiger!

 Indeß waren mehrere Feyertage ungefeyert, aber auch ungearbeitet vorbeygegangen. Die üble Witterung und der leere Beutel mochte eine Wallfahrt nach Schweinfurt vielleicht nicht begünstigen, und doch sollte eine Predigt mit angehört werden. In leicht zu errathender Absicht besuchten nun die Lutheraner zu Euerbach, die zuvor wohl niemahls die katholische Kirche von innen besehen haben mochten, die Predigten des katholischen Geistlichen. Allein ihr Pfarrer,| der sich selbst oft in den Predigten des katholischen Herrn Pfarrers Manger erbaut hatte, befürchtete für die Grundsätze seiner Beichtkinder nichts. Christliche Prediger geben auf ihren Kanzeln nie dem Sectengeist, nur dem Geist des Christenthums Nahrung, und Controversen fallen in Euerbach ganz weg. – Da dieser Schritt nicht die gehoffte Wirkung hatte, blieben sie aus der Kirche, die sie ohnehin nicht aus Liebe zur Erbauung besucht hatten; aber noch immer wird hier so wenig, als zu Niederwehrn, an solchen abgesetzten Feyertagen gearbeitet. Drey volle Jahre konnten nun kaum so viel bewirken, daß hier und da ein Klügerer kleine häusliche Arbeiten daran verrichtet. Wer weiß, wie viel Zeit noch hingeht, bis diese Landleute weise werden!

 Die Einwohner der oben benannten benachbarten lutherischen Orte geben oft unschuldiger Weise Gelegenheit, den alten Eifer zu erneuern.

 Das Beyspiel der Katholiken hiesiger Gegend wirkt auch nicht wenig. Bekanntlich sind im Wirzburgischen viele Feyertage abgeschafft. Doch muß an solchen Tagen Messe gelesen werden. Der Bauer hört sie in seinem Sonntagsstaat an, und läuft aus| der Kirche – an die Arbeit? – nicht doch! ins Wirthshaus. An eigentliche Arbeiten ist noch immer nicht zu denken, und bey Überschwemmungen, Mißwachs, Krieg und Seuchen et cet. hat der erbitterte Heilige die Hand im Spiel. Die leidige Klage: „alles ist besser gewesen, ehe die Feyertage abgesetzt wurden“ ist noch immer allgemein unter dem Pöbel hohen und niedern Standes.

 Endlich auch die Schweinfurter Jahrmärkte, welche daselbst der Beschränkung der Feyertage noch viele Decennien hinderlich seyn werden, und die damit verknüpften Lustbarkeiten lassen den benachbarten Landmann den Verlust des privilegirten Müssiggangs nicht vergessen. Von Bier und Wein, von Schmauß und Tanz ist auch in hiesigen Gegenden der Bauer ein Freund, und dazu wird der entzogene Feyertag applicirt. Alles strömt an solchen Tagen in die Stadt, und kehrt voll im Kopf, und leer im Beutel wieder zurück.

 Wie viel muß noch zusammenpassen, wenn der Zweck, den man bey Absetzung der Feyertage vor Augen hatte, erreicht werden soll.

M. v. K. 



  1. S. Fränkisches Archiv 2ter Band S. 228. f. f.