Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/6. Kapitel

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Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das sechste Kapitel.
Gott hat Himmel, Erde, Engel und alle sichtbaren Creaturen aus nichts geschaffen.
 141. Bisher haben wir vernommen, was für einen Gott wir verstehen sollen, wenn nun ferner bei Erwägung der christlichen Lehrpunkte desselben gedacht werden wird. Nun kommen wir zu seinen Werken, insonderheit zu denen, die er an den Menschen gethan| und deren erstes die Erschaffung ist, dann zu der Erschaffung aller Creaturen.

 Die Erschaffung aller Creaturen anlangend, haben wir zu erforschen, wer aller Geschöpfe Werkmeister sei; woraus Alles geschaffen; wann Alles geschaffen, und was für Werke erschaffen worden.

 142. a. Wer aller Geschöpfe Werkmeister sei? Wir verehren in unserm Glaubensartikel Gott als einen Schöpfer Himmels und der Erde, welches theils die Natur uns zeigt, wenn wir Himmel, Erde und andere herrliche Werke ansehen, und daraus erkennen, es müsse ein allmächtiger Herr sein, der dieses Alles bereitet hat. Weish. 13, 5. „Es kann ja an der großen Schöne und Geschäfte derselben Schöpfer, als im Bilde, erkannt werden.“ Sirach 43, 5. „Das muß ein großer Herr sein, der sie (die Sonne) gemacht hat, und hat sie heißen, so schnell laufen.“ Röm. 1, 20. „Gottes unsichtbares Wesen, das ist, seine ewige Kraft und Gottheit wird ersehen, so man das wahrnimmt an den Werken, nemlich an der Schöpfung der Welt.“ Welches ferner theils die Schrift lehrt, indem sie die Erschaffung aller Dinge Gott dem Herrn als ein recht göttliches Werk zuschreibet, 1 Mos. 1, 1. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Außer diesem, dem rechten wahren lebendigen Gott, ist nichts im Himmel und auf Erden, weder Sichtbares noch Unsichtbares, das im Werke der Erschaffung etwas verrichtet hätte, sondern es ist einig und allein Gottes Werk. Jes. 44, 24. „Ich bin der Herr, der Alles thut, der den Himmel ausbreitet allein, und die Erde weit machet ohne Gehilfen.“

|  143. b. Woraus Alles erschaffen sei? Die Schrift zeugt, daß, obwohl der Mensch aus einem Erdenkloß (1 Mos. 2, 7.), die Kräuter aus der Erden (Cap. 1, 11.), Fische und Vögel aus dem Wasser (V. 20.), die Thiere aus der Erden (V. 24.) erschaffen worden sind, doch das ganze Werk ursprünglich aus Nichts hergekommen sei. Hebr. 11, 3. „Durch den Glauben merken wir, daß die Welt durch Gottes Wort fertig ist, daß Alles, was man siehet, aus Nichts worden ist.“ Röm. 4, 17. „Der Herr rufet dem, das nichts ist, daß es sei,“ wie auch zuvor nichts gewesen ist, als Gott am ersten Tage Himmel und Erde, das ist, eine solche Materie, aus welcher Himmel und Erde hernach gemacht worden ist, geschaffen hat.

 144. c. Wann alles geschaffen sei? Wir dürfen uns nicht mit einigen heidnischen Philosophen einbilden, als ob die Erschaffung der Welt von Ewigkeit her geschehen wäre, indem wir, außer Gott, von keinem Ewigen wissen; daß solches vor 6000 Jahren geschehen, ist aus den Historien der h. Schrift leicht auszurechnen, also für gewiß anzunehmen, daß die Welt nicht ewig, sondern in und mit der Zeit geschaffen sei.

 145. d. Was für Werke erschaffen worden seien, begreift Gott selbst kurz unter den Worten Himmel und Erden, dabei man es könnte beruhen lassen. Doch muß etlicher weniger Geschöpfe insonderheit Meldung geschehen, als

 146. e. des Himmels, weil man im Papstthum einen besonderen Himmel, der über diesen sichtbaren sei, erdichtet und ihn Coelum empyraeum, den| feurigen Himmel genannt hat, in welchem die h. Engel und auserwählten Seelen wohnen und Gott von Angesicht zu Angesicht anschauen. Von einem solchen Himmel wird aber weder in Mosis, der Propheten und Apostel Schriften etwas berichtet, noch mag von diesem aus der Vernunft etwas verstanden werden; auch ist er nicht durch besondere göttliche Offenbarung kund geworden, und darum bleibt uns solches in dieser Zeit gänzlich verborgen, ja ist ein Gedichte menschlicher Vernunft, welche gerne höher steigen will, als Gott sie durch seine Offenbarung geführt hat. (Siehe §. 384.)

 147. f. Der Engel, welche auch unter die Creaturen Gottes zu rechnen sind, und allein mit dieser irdischen Welt nichts zu thun zu haben scheinen, weshalb vielleicht Moses in seiner Historie ihrer in der Schöpfungsgeschichte keine Meldung gethan hat. Von diesem ist zu wissen: ihr Name, ihr Wesen, ihr Verstand, ihre Kraft, ihre Anzahl, ihre unterschiedenen Gradus, der Unterschied der Guten und Bösen.

 148. g. Der Name Engel ist ein Amtsname, und heißt in griechischer Sprache (daraus er genommen ist) ein Abgesandter und Bote, weil die Engel auf Gottes Dienst warten, Ps. 103, 20. „Lobet den Herrn ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet.“ V. 21. „Lobet den Herrn alle seine Heerschaaren, seine Diener, die ihr seinen Willen thut.“

 149. h. Das Wesen. Die Creaturen, die Engel genannt werden, sind geistliche Wesen, und haben in ihrer Natur nichts Leibliches, Hebr. 1, 7. „Er macht| seine Engel Geister,“ ein Geist aber hat nicht Fleisch und Bein, Luc. 24, 39., und diese sind die unsichtbaren Creaturen, deren St. Paulus gedenket, Coloss. 1, 16. Was aber dem nichts nimmt, daß die Engel etwa in menschlicher Gestalt erschienen sind; 1 Mos. 18, 2. 19, 1. Tob. 5, 6. Marc. 16, 5. u. s. w., indem sie solche äußerliche Gestalt nur auf eine Zeitlang an sich genommen haben, damit die Menschen nicht durch Anschauung der engelischen Klarheit erschreckt würden, Luc. 2, 9. Wenn sie ihre Verrichtung bei den Menschen vollbracht hatten, so ist die angenommene menschliche Gestalt wieder verschwunden. B. Richter 13, 20.

 150. i. Der Verstand der Engel wird aus ihren Werken und Verrichtungen (B. Richter 6, 12. Luc. 1, 13. 19. 28. 2, 10. 14. 22, 43. Marc. 16, 5. ff. u. s. w.) leicht abgenommen werden können. Wiewohl nun bisweilen bei den Menschen der Gedanke entstehet, als erstreckte sich der Engel Verstand so weit, daß sie auch die verborgenen Herzens-Gedanken erforschen könnten, so ist jedoch gewiß, daß sie mit ihrem Verstand so weit nicht kommen; denn Niemand weiß, was in dem Menschen ist, ohne der Geist des Menschen, der in ihm ist. 1 Cor, 2, 11. Gott allein hat den Namen, daß er der Menschen Gedanken verstehe, Ps. 139, 2., daß er Herzen und Nieren prüfe, Ps. 7, 10., Jerem. 20, 12. Wenn nun auch die Engel die Herzen prüften, wie bliebe Gott dieser Ruhm eigen?

 151. k. Ihre Kraft, welche gerühmt wird, wenn die Engel heißen die starken Helden, Ps. 103, 20. die große und starke Macht haben,| 2 Petr. 2, 11., die Gewaltigen, die Kräfte, Coloss. 1, 16. und ihre Kraft damit erweisen, daß sie ganze Haufen und Heerlager darniederschlagen, 2 Könige 19, 35. 2 Sam. 24, 15. 16., welches menschliche Kraft weit übertrifft;

 152. l. ihre Zahl. Davon ist nichts Gewisses aufgezeichnet, Hiob 25, 3. „Wer will seine Kriegsleute zählen?“ Daß aber der Engel eine große Anzahl sei, ist daraus zu entnehmen, daß der Sohn Gottes Matth. 26, 53. spricht: „Meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?“ Daniel siehet im Gesichte, wie die Engel auf den Dienst Gottes warten, welches er also beschreibt: „Tausendmal tausend dieneten ihm und zehnmal hundert tausend standen vor ihm.“ Cap. 7, 10. Und Offenb. Joh. 5, 11. „Ich sahe, und hörete eine Stimme vieler Engel um den Stuhl, und ihre Zahl war viel tausendmal tausend;“

 153. m. ihre unterschiedenen Gradus oder Ordnungen. Die h. Schrift gedenkt der Thronen, Herrschaften, Fürstenthümer und Obrigkeiten, Coloss. 1, 16.; der Engel und Erzengel, 1 Thess. 4, 16. Worin aber der Unterschied bestehe, vermögen wir nicht zu erkennen, weil uns Gott davon weiter nichts geoffenbaret hat;

 154. n. der Unterschied der guten und bösen. Gott zeugt von seinen Geschöpfen, daß sie alle sehr gut seien, 1 Mos. 1, 31. Darum sind die Engel allesammt ohne einigen Unterschied, ihrer Substanz und ihrem Wesen nach, gewiß gut, aber der Unterschied besteht darin, daß nicht alle in dem Stande| der Heiligkeit, in welchem sie geschaffen worden, geblieben sind, weßhalb Gott die, welche von ihm abgefallen sind, aus gerechtem Gerichte von seiner Gnade ewiglich verstoßen und ihnen das ewige höllische Feuer zur Strafe bereitet hat. Joh. 8, 44. „Der Teufel ist ein Mörder vom Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit.“ 2 Petr. 2, 4. „Gott hat der Engel, die gesündiget haben, nicht verschonet, sondern hat sie mit Ketten der Finsterniß zur Höllen verstoßen und übergeben, daß sie zum Gericht behalten werden.“ Ep. Judä 6. „Die Engel, die ihr Fürstenthum nicht behielten, sondern verließen ihre Behausung, hat er behalten zum Gericht des großen Tages, mit ewigen Banden in Finsterniß.

 155. Diese Engel haben besondere Namen, als: Teufel, Joh. 8, 44.; der große Drache, Offenb. 12, 9.; die alte Schlange, Offenb. 12, 9.; Verderber, Offenb. 9, 11.; Fürst dieser Welt, Joh. 12, 31.; Gott dieser Welt, 2 Cor. 4, 4.; Satanas, Matth. 4, 10.

 156. So heißen sie, weil sie abgesagte Feinde der Menschen und mit höchstem Fleiße bemüht sind, diese um ihre ewige Seligkeit und in die Hölle zu bringen; „Durch des Teufels Neid ist der Tod (nämlich vermittelst der Sünde) in die Welt gekommen,“ Weish. 2, 24. „Er ist unser Feind, der um uns hergehet als ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge, 1 Petr. 5, 8., mit dem wir ohne Aufhören zu kämpfen haben. Ephes. 6, 12. ff.

|  157. Die guten Engel (welche auch den Namen Engel eigentlich behalten haben) sind diejenigen, welche in ihrer angeschaffenen Heiligkeit beständig geblieben und von Gott darin erhalten worden sind.





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